Einblendung: Anonyme Flüchtlinge. Am Anfang des Beitrags wird die Praxis der ethnischen Säuberungen in Ostbosnien durch serbische Freischärler beschrieben: die von den Serben kontrollierten Medien riefen die muslimische Bevölkerung auf, sich an bestimmten Orten zu versammeln, um Passierscheine zu erhalten und ihren Besitz zu deklarieren. An den Sammelstellen wurden die Menschen nach den im vornherein erstellten Listen verhaftet, Männer in Lager verschleppt, Frauen und Kinder nach Folterungen und Misshandlungen in entfernte Gebiete verschickt. Viele Flüchtlinge aus Ostbosnien sind in Wien untergekommen. Ein Bosnier, der vor dem Krieg in einem serbischen Dorf gelebt hatte, erzählt, dass es bis vor dem Krieg mit der serbischen Bevölkerung keine Probleme gegeben habe, die Leute seien freundlich gewesen. Nach Beginn des Kriege, so der Mann, zeigte jeder sein wahres Gesicht, sie erklärten ihn zum "Extremisten", obwohl das lächerlich sei. Sie hätten ihn zum Kämpfen gezwungen. Als er wegging, sagte sein serbischer Nachbar weinend: "Das wird alles vorbeigehen, aber wir werden nie wieder die selben sein." Ein anderer Flüchtling erzählt, man habe schön gelebt, die Serben waren seine Nachbarn er ging zu ihren Festen, ihre Söhne begleitete er zur Armee. Niemand habe das kommen gesehen, so ein anderen Bosnier. Sein Nachbar war Serbe, ihre Kinder wurden am selben Tag geboren, sie wollten sie miteinander verheiraten, aber der Krieg habe das verhindert, nun höre er, dass der Nachbar ein verstockter Tschetnik geworden sei. Eine Frau erzählt von einem Serben aus Brčko, der mit ihnen geflohen sei, weil er nicht mitansehen konnte, was die Mitglieder seiner Volksgruppe anrichteten, ihre Nachbarn totschlugen und in Lager verschleppten. Ein anderer Bosnier erzählt er habe bis heute Kontakt mit einigen Serben mit denen er von früher befreundet war. Pero, sein serbischer Freund, begleitete ihn als Sänger auf der Saz, war einer der ersten, die sich die Uniform der serbischen Spezialeinheiten azogen. Er selbst redet sich weiter ein, Pero sei sein Freund, bis er herausfand, dass dieser ihn denunzierte. Als er sich den serbischen Passierschein holen kam, begriff er nicht was vor sich ging. Erst später wurde ihm klar, dass alles in einem sorgfältigen Verfahren akribisch geplant worden sei. Eine Frau aus der Nähe von Tuzla erzählt, sie sei von drei Freischärlern, zwei davon ihre Nachbarn, dazu angehalten worden, innerhalb von 2 Minuten mit ihren Kindern das Haus zu verlassen, es gäbe eine Besprechung, eine Untersuchung in der Schule, das würde nur eine Stunde dauern. Sie solle keine Tasche mitnehmen, so die Tschetniks, "ihr Frauen kommt ja zurück" und das Haus nicht versperren, sonst würden sie einbrechen. Sie wurden festgehalten, die Freischärler vergewaltigen die Kinder vor den Augen der Mütter, manche konnten diesen Anblick nicht ertragen und wurden wahnsinning. Ihre älteste Tochter wurde weggebracht und in Gefangenschaft misshandelt und vergewaltigt, die jüngere Tochter konnte die Frau freibringen. Wer wertvolle Sachen oder Geld hatte, musste es sofort abgeben, sonst würden sie geschlachtet, drohten die Soldaten. In der Gefangenschaft hörte die Frau, wie sich die serbischen Männer eines der gefangenen Mädchen aus dem Nebenzimmer aussuchten, ihren Namen riefen und sie fortbrachten, die Männer nannten das "heiraten". Versuchte man etwas dagegen zu unternehmen, sei man erschossen worden oder bekam ein Messer an die Kehle. "Wir haben zu Gott gebetet, dass er uns sterben lässt, damit wir das nicht mehr länger mitansehen müssen." Ihre Tochter wurde mit einem Bus zurück nach Tuzla gehen. Ein anderer bosnischer Flüchtling erzählt, in einer früheren Schuhfabrik, die von den Serben zu einem Gefängnis umfunktioniert worden war, 15 verblutenden Menschen gesehen zu haben, die von einem Lastwagen zu einem Massengrab gebracht wurden, keiner von ihnen war tot. Viele Leute seien so verprügelt worden, dass sie gebrochene Gliedmaßen hatten, anderen fehlten Ohren.Hatte man Verstümmelungen im Gesicht wurde man ausnahmslos liqudiert, so der Mann. Man fühlte sich angesichts dieser armen Menschen machtlos, ängstlich und schwach. Die Tschetniks hätten ganze Dörfer niedergebrannt, Frauen und Kinder befanden sich häufig noch in den Häusern, sie schnitten den Menschen die Finger ab, um an ihren Schmuck zu gelangen. DIe Männer erschossen sie. Viele der Flüchtlinge wissen nichts über den Verbleib ihrer Verwandeten, die sich in Lagern befinden. Am schlimmsten, so ein Bosnier seien die sogenannten "Weekend-Tschetniks" gewesen, die am Freitagabend ankamen, um Bosnier zu verprügeln und am Sonntag zurück nach Serbien fuhren. In dem Bericht kommt die Dankbarkeit gegenüber dem Gastland Österreich zum Ausdruck aber auch das Gefühl der Machtlosigkeit, weil man die Sprache nicht beherrscht und andere für Unterkunft und Ernährung sorgen müssen. Dazu kommt das Gefühl des massiven sozialen Abstiegs, weil man in Österreich vor dem Nichts steht. Viele der Flüchtlinge sind nervenkrank und haben psychische Probleme.
Mitwirkende:
Pocrnja, Predrag [Gestaltung]
, Anonym, bosnischer Flüchtling [Interviewte/r]
, Anonym, Flüchtling [Interviewte/r]
, Duric, Hinzu
Datum:
1994.04.07 [Sendedatum]
Schlagworte: |
Gesellschaft
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Radiosendung-Mitschnitt
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20. Jahrhundert - 90er Jahre
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Bundesland / Wien
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Typ:
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Inhalt:
Nachrichten