Radio im Archiv – Träger und Sammler_innen

Eine medienarchivarische Reise durch ein Jahrhundert österreichischer Radiogeschichte


Ein Jahrhundert Radiogeschichte ist auch eine Geschichte ihrer Tonträger, ihrer Sammlungen und deren Sammler_innen. 
War Radio in den ersten Jahren zu großen Teilen ein reines Distributionsmedium ohne systematische Speichermöglichkeit, wurden Radioinhalte in den folgenden Jahrzehnten auf unterschiedlichen Trägermedien fixiert und bewahrt. 
Speichermedien und deren Abwesenheit haben auch Rückwirkungen auf die Inhalte, das gilt nicht nur für eine kritische historische Medienforschung sondern auch in einem Zeitalter des Digitalradios mit einer vermeintlichen Omnipräsenz gespeicherter Inhalte.  
Historische Tonträger und deren Potential zur Fixierung von ansonsten vergänglichen Medieninhalten übten auch seit Jahrzehnten eine Faszination auf Radiosammler_innen aus. Diesen Personen ist es in vielen Fällen zu verdanken, dass wir heutzutage Radioinhalte aus vergangen Jahrzehnten überhaupt nachhören können. An einige dieser Sammler_innen und ihre Sammlungen soll hier beispielhaft erinnert werden. 

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Turnstunde mit Käthe Hye

Die Frühzeit des Radios – nur ein Übertragungsmedium?

Österreich auf Sendung. Was blieb?


Radio war in den ersten Jahren zu großen Teilen ein Live-Medium, Sendeinhalte wurden nicht gespeichert. 
Das wird besonders deutlich, wenn man zurück in die Geschichte des Radios hört bzw. in audiovisuelle Archive geht und sich auf die Spuren der Radiowellen macht. 
Aus den ersten Jahren der Radiogeschichte gibt es so gut wie keine Originalaufnahmen. 
Obwohl es zu dieser Zeit bereits Speichermedien gab - das heißt, akustische Inhalte waren prinzipiell speicherbar - wurden die ersten Jahre der österreichischen Radiogeschichte nicht gespeichert und sind nur durch Sekundärquellen wie Programmzeitschriften und Manuskripte erhalten. 

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"Ravagiana" – Potpourri eines Radiotages im Jahr 1931

Schellackaufnahme aus dem Jahr 1931

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Titelblatt der Programmzeitschrift "Radio Wien" ©
Programmzeitschrift "Radio Wien", 1929, Titelblatt
Bilder "Musik im Studio" aus der Programmzeitschrift "Radio Wien" ©
Programmzeitschrift "Radio Wien", 1929, "Musik im Studio"

Frühe Mitschnitte auf Schallplatten - Radio in Gelatine

Vereinzelt wurden Radioinhalte ab den 1920er Jahren auf Selbstschnittplatten mitgeschnitten. Verschiedene, teilweise etwas fragile Materialien wurden dafür verwendet. Die wenigen erhaltenen Träger stellen meist einzigartige Archivquellen dar. 
In diesem frühen Mitschnitt vom 7. Juni 1932, die auf eine Gelatineplatte geschnitten wurde, ist eine Radiosendung mit der in den 1930er Jahren sehr erfolgreichen “Morgenturnerin” Käthe Hye. Es ist dies die derzeit einzige erhaltene Aufnahme dieser frühen Turnsendung. 

Die Schallplatte stammt aus der Mediensammlung der österreichischen “Radiolegende” Günther Schifter. 

Auszug aus der Programmzeitschrift "Radio Wien" zur Sendung vom 7. Juni 1932 ©
Auszug aus der Programmzeitschrift "Radio Wien" zur Sendung vom 7. Juni 1932

SONIME: Sammlung und Erforschung von Audiobriefen auf historischen Schallplatten

Innerhalb des Forschungsprojektes "Sonic Memories – Audio Letters in Times of Migration and Mobility" werden historische Schallträger aus den Beständen der Österreichischen Mediathek untersucht und beforscht. Im Zuge der Archivrecherchen wurden auch einige Schallfolien mit historischen Radioinhalten - wie zum Beispiel auch die Aufnahme mit Käthe Hye - entdeckt.

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Turnstunde mit Käthe Hye
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Schellack als Radiomedium

Parallel zur Entwicklung des Radios als neues Medium entwickelte sich aber auch dessen erstes Speichermedium: Die elektrische Schallplatte war ab 1925 am Markt, in Form der Selbstschnittplatte diente sie sowohl zur Produktion als auch vereinzelt zur Speicherung von Radioinhalten.
Wenngleich auf Selbstschnittplatten als Archivträger nur ein Bruchteil des gesendeten Radioprogrammes erhalten ist, bedeutet dies nicht, dass die Radioinhalte der ersten Jahrzehnte nicht mehr hörbar wären. Neben einigen wenigen auf Schallplatten mitgeschnittenen oder vorproduzierten Sendungen wurden im Radio auch häufig Musik- und Sprachinhalte von Schellackplatten gespielt, die als Träger nach wie vor gehört und beforscht werden können. „Schallplattensendungen“ waren ein bedeutender Teil des Radioprogrammes in den ersten Jahrzehnten der Radiogeschichte. 

Schellacksammlung Roland Teuchtler

Die Schellacksammlung des im Jahr 1985 verstorbenen Wiener Schallplattenhändlers Roland Teuchtler wurde im Jahr 1988 von der Österreichischen Mediathek (damals Phonothek) angekauft und stellt mit circa 75.000 Platten den Großteil der Schellacksammlung der Österreichischen Mediathek dar. Der inhaltliche Schwerpunkt der Sammlung liegt im Bereich der E-Musik mit österreichischen und internationalen Musikaufnahmen, daneben sind jedoch auch Sprachaufnahmen und Rezitationen sowie österreichische U-Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einer Vielzahl von sehr raren bis einzigartigen Aufnahmen vertreten. 

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Aus der Schellacksammlung Teuchtler: Paula Wessely rezitiert Goethe und Shaw.

Die Schellacks des RAVAG-Labels wurden nicht für kommerzielle Zwecke produziert. Sie dienten als Sendematerial für die Radioausstrahlung, fanden jedoch nicht immer Verwendung.

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Aus der Schellacksammlung Teuchtler: Ein Lied geht um die Welt von Joseph Schmidt aus dem Jahr 1933
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Der Schellacksammler Günther Schifter

Der Schellacksammler, Radio- und Fernsehmoderator Günther Schifter sammelte nicht nur Schellacks, sondern auch Radioprogramme, Zeitschriften, historische Schallträger mit unterschiedlichen Formaten sowie seine eigene Radioproduktion. So ist die Sammlung Schifter, die in der Österreichischen Mediathek bewahrt wird, auch eine bedeutende Sammlung für Originalaufnahmen zur österreichischen Radiogeschichte mit einer großen Anzahl von einzigartigen Aufnahmen.

Günther Schifter mit einer Schellack ©
Der Schellacksammler Günther Schifter
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Aus der Sammlung Schifter: Der Vortrag im Rundfunk von Julius Wagner-Jauregg aus dem Jahr 1937

Die Schellacks des RAVAG-Labels wurden nicht für kommerzielle Zwecke produziert. Sie dienten als Sendematerial für die Radioausstrahlung, fanden jedoch nicht immer Verwendung.

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Aus der Sammlung Schifter: Hallo, hier Radio Wien! mit Franz Engel & Fritz Wiesenthal
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Decelith, ein Radio-Tonträger der NS-Zeit

Für das NS-Regimes war Radio als Propagandainstrument von zentraler Bedeutung. Die dafür verwendeten Archivträger wurden ebenfalls weiterentwickelt. Ab dem Ende der 1930er Jahre waren Selbstschnittplatten aus Kunststoff unter dem Markennamen "Decelith" auf dem Markt. PVC war im Vergleich zu Schellack billiger und musste nicht importiert werden. 
Decelith-Schallplatten wurden von der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft für Radioreportagen und die Archivierung von Sendematerial verwendet. Auch die Wehrmacht verwendete Decelith-Platten für die Produktion von „sprechenden Feldpostbriefen“.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion eingestellt, Restbestände wurden jedoch auch noch in den folgenden Jahren für die Produktion von Radioinhalten verwendet. Viele Decelith werden anch wie vor aus privaten Sammlungen an die Mediathek übergeben.
Viele Informationen über die Produktionszusammenhänge von Decelithschallplatten als Archivträger für Radioaufnahmen sind heute in Vergessenheit geraten. 

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Aus einer privaten Sammlung: Radioreportage aus einem deutschen U-Boot
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Aufnahmen des Senders Linz aus der NS-Zeit

Ungewöhnlich viele Aufnahmen des Sender Linz aus der NS-Zeit sind erhalten geblieben und werden im deutschen Bundesarchiv in Koblenz bewahrt. Die Aufnahmen sind in Kopie für Recherchezwecke auch in der Österreichische Mediathek benützbar.

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"Hitler an Schuschnigg", Reichstagsrede von Adolf Hitler am 20. Februar 1938

Die Rede von Adolf Hitler am 20. Februar 1938 vor dem deutschen Reichstag war angeblich die erste Rede Hitlers, die von der RAVAG übertragen wurde. Teile der Rede wurden auch auf Decelith-Schallplatten archiviert. 

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Weihnachtsansprache des Gauleiters von Oberdonau

Das von den Nationalsozialisten in „Oberdonau“ umbenannte Oberösterreich wurde von „Gauleiter“ Eigruber geführt, der in seiner Weihnachtsansprache Linz eine große Zukunft verspricht, Anton Bruckner instrumentalisiert, Positives vom Krieg zu berichten weiß und rührselig vom „Führer“ Hitler spricht, der Linz ausbauen würde. Die Aufnahme der Rede wurde im Original wahrscheinlich auf Decelith aufgezeichnet und wird in der Mediathek als digitale Kopie archiviert. 

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Restbestände: Decelithaufnahmen der Nachkriegszeit

Bundespräsident Karl Renner: Neujahrsrede 1946

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Bandsalat? Tonband als Archivmedium für Radiosendungen

Tonband als Archivmedium

Ein neuer Archivträger für Radioaufnahmen wurde ab den 1930er Jahren entwickelt. 1935 stellte AEG auf der Berliner Funkausstellung das erste Tonbandgerät vor. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Tonbänder vermehrt für Radioproduktionen verwendet und setzten sich am Tonträgermarkt durch. Mit der Entwicklung der Transistortechnik setzte sich dieser Vorgang fort und führte auch zu handlicheren und mobileren Geräten für die Tonaufnahme. Durch die mit dem Tonband um ein Vielfaches verlängerte Aufnahmezeit war es möglich, Beiträge für Radiosendungen in großem Umfang vorab zu produzieren bzw. einhergehend mit der größeren Verbreitung der Technik auch Radiobeiträge mitzuschneiden. Parallel mit der Entwicklung der Tonbandtechnik entwickelte sich auch das Mitschneiden und Sammeln von Radioinhalten zu einem verbreiteten Hobby unter Radioamateur/innen. Aus medienarchivarischer Sicht bedeuten Tonbänder deswegen in mehrfacher Hinsicht eine Verbesserung in Bezug auf die Quellenlage bezüglich unserer Radiovergangenheit: Waren Träger von Radioinhalten zuvor großteils auf Produzent/innen limitiert, wurden mit der Verbreitung des Tonbandes auch die Hörer/innen zu Archivar/innen von Radioinhalten. Diese privat mitgeschnittenen Aufnahmen sind teilweise einzigartige historische Dokumente, da auch die Sendanstalten in dieser Zeit keine vollständigen Kopien ihrer Sendeinhalte hatten. Zudem begannen Medienarchive, aber auch Rundfunkanstalten ab den 1950er Jahren selbst, Radiosendungen auf Tonband zu archivieren bzw. auch historische Radioinhalte von Schallplatten auf Band zu migrieren. 

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Aus der Sammlung Schifter: US-Armeesender Blue Danube Network: Doctor Music aus 1954. Tondrahtaufnahme, überspielt auf Tonband

Ein Vorläufer des Tonbandes als magnetischer Träger war Tondraht, der in den 1940er und 11950er Jahren hauptsächlich in den USA verbreitet war. Tondraht wurde ab den 1950er Jahren durch das praktikablere Tonband ersetzt. 

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Die Radio- und Fernsehsammlung Binder

Der ORF-Mitarbeiter Ewald Binder sammelte seit den 1960er Jahren Rundfunkmitschnitte auf Tonband und Kompaktkassette und begann in den 1980er Jahren auch, Fernsehsendungen auf VHS mitzuschneiden. Seine mehrere tausend Träger umfassende Mediensammlung wurde nach seinem Tod im Jahr 2016 von seiner Witwe an die Österreichische Mediathek zur Archivierung übergeben. Der Großteil der Sammlung ist bereits evaluiert, viele Aufnahmen wurden digital langzeitgesichert. Vor allem die älteren Aufnahmen aus dieser Sammlung aus der Zeit vor der Rundfunkreform stellen einzigartige Archivdokumente zur österreichischen Radiogeschichte dar. 

Porträt Ewald Binder ©
Der Radio- und Fernsehsammler Ewald Binder
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Aus der Sammlung Binder: Lawinenkatastrophe in Vorarlberg

aus dem Jahr 1964. Gestaltung: Alois Wise Köhlmeier

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Sammlung Rot-Weiss-Rot

Die Sammlung Rot-Weiss-Rot umfasst Radiosendungen sowie Teile von Radiosendungen des amerikanischen Besatzungssenders „Rot-Weiß-Rot“ in Österreich aus der Zeit von 1947 bis 1955. Die Sendungen sind ein einmaliges historisches Dokument zur österreichischen Radiogeschichte. Radiosendungen aus dieser Zeit sind aus produktionstechnischen und finanziellen Gründen oft nur durch Zufall erhalten und stellen ein rares Quellenmaterial dar. Neben Unterhaltungsmusik mit Moderationen umfasst der Bestand Kurzreportagen, Diskussionssendungen, Hörspiele, Kindersendungen, politische Reden, Informationssendungen zu wirtschaftlichen Themen, Englischsprachkurse, Kulturreportagen etc. 

Tonbandschachtel und Tonband aus der Sammlung Rot-Weiss-Rot ©
Tonbandschachtel und Tonband einer Aufnahme aus der Sammlung “Rot-Weiss-Rot”
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Aus der Sammlung Rot-Weiss-Rot: Wiedereröffnung des Gänsehäufels im Jahr 1950.

Ungeschnittener Teil einer Radioreportage mit "Hoppalas". Eine sendereife Version der Reportage Variante kann hier nachgehört werden.

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Die Tonbandsammlung der Österreichischen Mediathek

Die Österreichische Mediathek (bis 1999 Österreichische Phonothek) archiviert seit den 1960er Jahren viele Radioaufnahmen auf Tonband.
Die Tonbandsammlung beinhaltet sowohl Mitschnitte aus dem Radiobereich wie auch Sendebänder und Sendematerial. 
Bei den Radiomitschnitte nehmen die Journalsendungen der Jahre 1976 bis 1990 eine wichtige Rolle ein, daneben wurden auch tausend Mitschnitte von Radiosendungen aus den 1970er und 1980er Jahren archiviert. Bei den Sendebändern sollen die Radiobeiträge des United States Information Service aus der Wienbibliothek sowie eine Sammlung mit frühen Aufnahmen der Wiener Symphoniker hervorgehoben werden. 
Hinzu kommt noch eine größere Anzahl von Privatsammlungen von Journalist_innen und privaten Sammler_innen, die ihre Tonbandsammlungen an die Österreichische Mediathek zur Langzeitsicherung übergeben haben.

Bandarchiv der Österreichischen Mediathek ©
Die Österreichische Mediathek bewahrt die größte Radiosammlung Österreichs auf Tonband
Mitschnitte von Journalsendungen des ORF auf Tonband ©
Mitschnitte von Journalsendungen des ORF auf Tonband
00:59:52 (00:11:25 bis 00:15:07) audio
Aus der Journale-Sammlung der Österreichischen Mediathek: Reportage aus der Hainburger Au

aus dem Mittagsjournal vom 19.12.1984

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Tonbandsammlung der Wiener Symphoniker

Die Sammlung der Wiener Symphoniker beinhaltet Konzertaufnahmen der Wiener Symphoniker, die in den Jahren 1952 bis 1955 vom amerikanischen Nachkriegssender "Radio Rot-Weiss-Rot" aufgenommen worden waren. Nachdem "Rot-Weiss-Rot" nach dem Ende der Besatzungszeit im Jahr 1955 seinen Betrieb eingestellt hatte, wurden die Bänder vom ehemaligen RWR-Mitarbeiter Oskar Deleglise gerettet und vorerst privat archiviert. 
Die Tonbänder wurden im Jahr 1978 an die Wiener Symphoniker übergeben und im Jahr 2000 am Phonogrammarchiv digitalisiert.
Der gesamte Sammlungsbestand wurde im Oktober 2008 an die Österreichische Mediathek zur Langzeitarchivierung übergeben und wird in der digitalen Sammlung der Österreichischen Mediathek verfügbar gemacht.

Tonband und Schachtel: Konzert der Wiender Symphoniker ©
Tonbandschachtel und Tonband einer Aufnahme aus der Sammlung der Wiener Symphoniker
00:19:54 audio
Aus der Sammlung der Wiener Symphoniker: Cellokonzert h-Moll op. 104 (1894/95) von Antonin Dvořák - 1. Satz Ende und 2. Satz

Aufnahme aus dem Jahr 1952.

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Sammlung USIS
Sammlung USIS
00:04:35 audio
Aus der Sammlung des United States Information Service: Picknick der New Yorker Burgenländer in der Bronx

aus dem Jahr 1958

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Interesse an weiteren Radioaufnahmen auf Tonband?

Stöbern Sie in über 10.000 Tonbandmitschnitten in der digitalen Sammlung der Österreichischen Mediathek

Archivarische Mixtapes? Die Kompaktkassette in der Radioarchivierung

Die private (und öffentliche) Dokumentation von Radioinhalten wurde mit der ab der Mitte der 1960er Jahre erhältlichen Kompaktkassette noch um einiges erleichtert und verbreitet. Wenngleich sich das Aufnehmen von Radioinhalten bei der Mehrzahl der Hörer/innen auf Musikinhalte, die für den eigenen Gebrauch mitgeschnitten wurden, beschränkte, wuchs auch die Anzahl jener, die Radiosendungen systematisch sammelten und damit für die Nachwelt bewahrten. Auch im Archiv des Österreichischen Rundfunks diente die Kompaktkassette in den späten 1970ern und 1980er Jahren als Archivträger.

Reinhard Schlögl interviewt Anton Zeilinger ©
Ein Radiojournalist bei der Arbeit

Tonband- und Kompaktkassettensammlung Schlögl

Der Journalist und Physiker Reinhard Schlögl wurde 1945 in Wien geboren und war ab 1975 im ORF als Wissenschaftsredakteur, Autor bzw. Gestalter der Sendereihen „Radio-Kolleg“, „Dimensionen - die Welt der Wissenschaft“, „Salzburger Nachtstudio“, etc. tätig. 
Ein Teil der umfangreichen Tonband- und Kompaktkassettensammlung von Reinhard Schlögl wird an der Österreichischen Mediathek archiviert. Die Sammlung besteht zu großen Teilen aus Sendematerial für diverse Radiosendungen sowie Mitschnitten seiner Interviews und Radiosendungen.
Die Sammlung wird in der Österreichischen Mediathek langzeitgesichert, einige Aufnahmen sind auch in der digitalen Sammlung abrufbar. 

Kompaktkassette aus der Sammlung des Wissenschaftsjournalisten Reinhard Schlögl ©
Kompaktkassette aus der Sammlung des Wissenschaftsjournalisten Reinhard Schlögl
00:47:04 audio
Aus der Sammlung von Reinhard Schlögl: Der Radiopionier Josef Sliskovic. Aus der Sendereihe "Ö1 Extra"

Sendung aus dem Jahr 2002. Gestaltung: Reinhard Schlögl

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Die Sammlung ORF und die "Kassettensammlung" "Von Tag zu Tag": Archivierung und Kooperation mit dem multimedialen Archiv des Österreichischen Rundfunksaalen ORF-Archiv

Aus dem Archiv des ORF wurden seit den 1990er Jahren von Ö1 ausgeschiedene Sendebänder, Schellackaufnahmen aber auch Kompaktkassetten übernommen, die an der Österreichischen Mediathek archiviert werden. 
Dieser sehr umfangreiche Bestand beinhaltet historische Sendereihen aus den 1960er, 1970er und 1980er Jahren, einen großen Bereich mit Musikaufnahmen aber auch sehr viele Einzelsendungen mit Aufnahmen aus Kunst, Kultur und Politik.
 
Die im ORF auf Kompaktkassetten mitgeschnittenen Sendungen der Reihe "Von Tag zu Tag" werden seit 1999 von der Österreichischen Mediathek archiviert. Die Reihe wird deshalb als eigene "Sammlung" geführt, da sie innerhalb der Aufnahmen, die vom Archiv des ORF übernommen wurde, als eigener Bestand an die Österreichische Mediathek übergeben wurde.
 
Ein Teil der Aufnahmen kann in der digitalen Sammlung der Österreichischen Mediathek zur Verfügung gestellt werden, weitere Aufnahmen stehen - in digitaler oder analoger Form - in der Österreichischen Mediathek zur Benützung vor Ort zur Verfügung.

Kompaktkassette aus der Sammlung "Von Tag zu Tag" des Österreichischen Rundfunks ©
Kompaktkassette aus der Sammlung "Von Tag zu Tag" des Österreichischen Rundfunks
00:28:51 audio
Sendereihe "Von Tag zu Tag": 70. Geburtstag Heinz Fischer-Karwin

Sendung aus dem Jahr 1985. Interview: Ernst Grissemann. 

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Interesse an weiteren Radioaufnahmen auf Kassette?

Stöbern Sie in über 1.000 Kassettenmitschnitten in der digitalen Sammlung der Österreichischen Mediathek

Digitale Übergänge: Radio auf CD-R, MD und DAT

Mit der Entwicklung von digitalen Trägern für die Speicherung von akustischen Informationen wie der bespielbaren CD (CD-R), der MiniDisc (MD) und der Digital Audio Tapes (DAT) brach auch in der Radioarchivierung ein neues Zeitalter an. Während CD-Rs nur für kurze Zeit als Archivmedium von Bedeutung waren, wurden DAT-Kassetten bis in die 2000er Jahre von professionellen Archiven aber auch von Journalist_innen für Aufnahmen und zur Datensicherung verwendet. 

Gemeinsam ist diesen digitalen Übergangsträgern, dass sie hinsichtlich ihrer Archiveignung durchwegs als problematisch einzustufen sind und im Hinblick auf eine nachhaltige Bewahrungsstrategie als Archivträger ersetzt werden sollten.

MiniDisc mit archivierten Radiosendungen, AX-00019 ©
MiniDisc
00:24:32 audio
Aus der Sammlung von Radiomitschnitten der Österreichischen Mediathek: Reporter unterwegs: Das Radio erklärt die Welt

Sendereihe Patina - Kostbares und Kurioses aus dem Archiv, Ausgabe 139 vom 24. Mai 1998 auf MiniDisc

MiniDISCs wurden in den 1990er Jahren versuchsweise auch im Archivbereich für Mitschnitte von Radiosendungen verwendet. 
Diese Praxis wurde bald aufgegeben, da die Medieninformation auf MiniDiscs nur in komprimierter Form gespeichert werden konnte (Audiokompressionsverfahren ATRAC) und sich MiniDiscs in der Praxis als sehr anfällig für Lesefehler herausstellten.   

Die Episoden aus dieser Zeit wurden in der Österreichischen Mediathek auf MiniDisc mitgeschnitten. 

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DAT-Kassette mit Audio-Interview ©
DAT-Kassette
01:10:59 audio
Rohmaterial eines Gesprächs mit H.C. Artmann

Brita Steinwendtner interviewt den Schriftsteller auf DAT

DAT-Kassetten bzw. -Rekorder wurden ab den 1990er Jahren von vielen Journalist_innen für ihre Aufzeichnungen verwendet. Die digitalen Bänder lieferten eine sehr gute Tonauaölität, die Geräte waren jedoch anfällig für technsiche Probleme. Auch in Medienarchiven waren DAT-Kassetten für einige JAhre als Archviträger in Verwendung, teilweise wurden auch Aufnahmen von früheren Trägern auf DAT übertragen. 

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DAT-Kassetten in einer Archivbox ©
Im Archiv. Dat-Kassetten aus der Sammlung Brita Steinwendtner
Porträt Brita Steinwendtner ©
Die Sammlerin Brita Steinwendtner

Sammlung Brita Steinwendtner

Die in Salzburg lebende Autorin Brita Steinwendtner war von 1972 bis 2000 freie Mitarbeiterin des ORF-Salzburg und dort für den Bereich Literatur im Radio zuständig. Im Rahmen dieser Tätigkeit entstanden zahlreiche Radiosendungen über literarische und kulturelle Themen, Interviews und Gespräche mit österreichischen Autorinnen und Autoren, aber auch Beiträge zur internationalen Literatur.

2019 übergab Brita Steinwendtner ihre Sammlung von Tondokumenten dem Literaturarchiv Salzburg und der Österreichischen Mediathek. Die ORF-Beiträge Brita Steinwendtners wurden von der Mediathek digitalisiert und langzeitgesichert und können im Literaturarchiv Salzburg und im Puiblikumsbetrieb der Österreichischen Mediathek abgerufen und angehört werden. 

CD-R mit Jewel Case 8-50378 ©
CD-R
00:07:22 audio
Aus der Sammlung Loitsch: Piratenradio Ö-frei (Ausschnitt)

Die Aufnahme wurde im Jahr 1980 auf Kompaktkassette aufgezeichnet und später von Herbert Loitsch zu Sicherungszwecken auf CD-R überspielt.

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Sammlung Loitsch

Der Radioaktivist und Radiopionier Herbert Loitsch übergab bis ins Jahr 2019 seine Sammlung von Interviews, Radiosendungen, Mitschnitten und Audiodokumentationen an die Österreichische Mediathek. Die Sammlung wird digital langzeitgesichert und ist bis auf einzelne Aufnahmen gesperrt. Katalog

Virtualisierung? Digitale Fileformate, Gegenwart und Zukunft der Radioarchivierung

Digitaler Wandel und Zukunft der Radioarchivierung.

Obwohl die Gegenwart und Zukunft der Radioproduktion und -archivierung eindeutig digital zu sein scheint, gibt es aus der analogen Radiogeschichte nach wie vor noch Schätze zu entdecken. Während die Bestände der Rundfunkarchive zu großen Teilen bereits digital gesichert sind, sind vor allem aus den nach wie vor existierenden Mengen an historischen Radiomitschnitten aus privaten Quellen in den nächsten Jahren noch einige Überraschungen in Bezug auf die Wiederentdeckung von historischem Radiomaterial zu erwarten. Vor allem aus der Zeit ab den 1950er Jahren, aber auch aus den Jahrzehnten davor dürften noch diverse Schallplatten und Tonbänder mit Radiosendungen in Kellern und auf Dachböden lagern. Die Österreichische Mediathek übernimmt diese Aufnahmen sehr gerne, sichert und bewahrt sie dauerhaft und stellt sie nach Möglichkeit online für die Öffentlichkeit zur Verfügung. 

Die digitale Sammlung der Österreichischen Mediathek

Begonnen als Sicherungsmaßnahme für gefährdete Inhalte von historischen Tonträgern stellt die digitale Sammlung der Österreichischen Mediathek mittlerweile einen großen und eigenständigen Teil des Archivbestandes mit über 300.000 Objekten dar. Eingänge in die Sammlung der Mediathek sind etwa zur Hälfte in digitaler Form, hinzu kommt noch die digitale Sicherung der analogen Bestände. Der Digitalisierungsgrad der Sammlung liegt bei etwa 30 Prozent und bleibt, bedingt durch kontinuierlich starke Neuzugänge, seit einigen Jahren in etwa gleich. 
Die digitale Sammlung besteht einerseits aus einem öffentlich zugänglichen Teil, in dem digital vorhandene Aufnahmen online für die Öffentlichkeit zugänglich sind und einem um ein Vielfaches größeren Archviteil, in dem digitalisierte Aufnahmen hochaufgelöst in mehreren Kopien mit ihren Metadaten langzeitarchiviert werden. 

Tonbandgerät und Arbeitspltz Videodigitalisierung ©
Audio- und Videodigitalisierung in der Österreichischen Mediathek
LTO-Band und Langzeitspeicher ©
LTO-Bänder als Träger für die digitale Langzeitarchivierung
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Aus der digitalen Sammlung: Betrifft Geschichte: "Geschichte von unten. Zur Bedeutung von Oral History

Nur ein Stellvertreter für tausende Archivaufnahmen aus unserer digitalen Sammlung: Die von Isabelle Engels, einer Mitarbeiterin des OH-Projektes MenschenLeben in der Österreichischen Mediathek gestalteten Sendungen über “Geschichte von unten” wurden rein digital produziert und kamen auch in digitaler Form (wahrscheinlich auf einem manifesten Träger in Form eines USB-Sticks oder einer Festplatte in die Sammlung. Die Files werden in mehrfacher Kopie im Langzeitspeicher der Mediathek gesichert und können hier auch online quasi virtuell und global zur Verfügung gestellt werden.

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Virtuelle Träger?

Obwohl es manchmal scheint, daß die digitale Welt zunehmend virtueller wird und vor allem eine dauerhafte Onlineverfügbarkeit von trägerlosen Inhalten suggeriert, wird uns durch einen Blick auf die digitale Lanzeitarchivierung und ihre Träger klar, daß diese Virtualität nur eine scheinbare ist. Auch digitale Medien haben Träger, eine rein virtuelle Speicherung existiert bislang nicht. Jede Cloud läßt sich in der einen oder anderen Weise zu einem manifesten Träger zurückverfolgen, auf dem ihre Medieninhalte gespeichert werden. Ohne Träger gibt es auch keine dauerhafte Speicherung und Verfügbarkeit von Radioinhalten. 
Radio ist auch nach einem Jahrhundert noch ein über große Distanzen empfangbares Live-Medium. Medienarchive wie die Österreichische Mediathek sorgen dafür, dass dieses Medium seine Träger und damit auch seine Geschichte bewahrt, um auch für das Publikum der Zukunft hörbar zu bleiben.

Hören Sie rein!