1887 wurde das Grammophon von Emil Berliner zum Patent angemeldet. Dies bedeutete einen wesentlichen Schritt in der Geschichte der Schallaufzeichnung und wurde zum Ausgangspunkt der modernen Tonindustrie.
Anders als beim Phonographen erfolgte beim Grammophon die Aufzeichnung auf einer runden Platte. Das Prinzip der Aufnahmetechnik ist ähnlich, brachte aber Verbesserungen der Tonqualität: Während beim Phonographen die Tonaufzeichnung senkrecht in die Walze eingeritzt wurde (Tiefenschrift), wurden die Schellackplatten mit Seitenschrift aufgenommen, d.h. die Nadel schwingt mehr oder weniger weit nach rechts oder links. Bei frühen Plattenaufnahmen war oft nur eine Seite der Schellackplatte bespielt, ab ca. 1908 sind Schellackplatten in der Regel beidseitig bespielt.
1912, gesprochen von Alexander Moissi
Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf, 1916
gesprochen von Josef Kainz, 1902
Frühe Sprachaufnahmen sind eine ganz besondere Form des Zeitdokuments: Mit den Aufnahmen wird nicht nur der bloße Inhalt transportiert, sondern auch eine spezielle Aura. Der Sprachduktus, die Stimmfärbung und die Interpretation versetzen ganz unmittelbar in eine andere Zeit – ein Spezifikum dieser Quellenform.
1901, gesprochen von Josef Lewinsky
Die Schellackplatte steht am Beginn der Massenproduktion von Tonträgern. Basismaterial der Schellack ist eine Mischung aus Gesteinsmehl und Schellack (einer harzigen Absonderung der Schellacklaus), versehen mit Zusätzen wie Ruß oder Baumwollflocken. Diese Materialmischung weist eine relativ leichte Zerbrechlichkeit auf, neben der nach wie vor kurzen Spieldauer von 3–5 Minuten einer der Nachteile dieses Mediums.
Mit der Weiterentwicklung der Schellack konnte allerdings ein entscheidendes Problem früher Tonaufnahmen erstmals zufriedenstellend gelöst werden – das der Vervielfältigung. Waren die frühen Tonaufnahmen Unikate und mussten einzeln hergestellt werden, gelang es jetzt, einen so genannten Master herzustellen: Die Aufnahmeplatte. Eine massive Wachsplatte wurde elektrisch leitend gemacht und so ein galvanischer Abzug der Originalplatte aus Kupfer hergestellt, von dem Kopien gepresst werden konnten.
Richard Waldemar, 1911
Heinrich Eisenbach, 1912
Das neue Medium sollte auch unterhalten. Künstler/innen bot sich nun die Gelegenheit, Interpretationen über die abendliche Aufführung hinaus festzuhalten. Dies bedeutete nicht nur eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit, sondern steigerte auch die Popularität. Den Ruhm verdankte man vielfach nicht mehr ausschließlich den Live-Auftritten, sondern vielmehr auch der Verbreitung der Einspielungen.
Als stellvertretende Beispiele seien hier drei dieser noch vor dem Ersten Weltkrieg populären Künstler genannt: Die Volksschauspieler Alexander Girardi (1850–1918) und Richard Waldemar (1869–1946) sowie der Kabarettist Heinrich Eisenbach (1870–1923).
Alexander Girardi, 1913
Ziehrer-Orchester, 1899
Franz Drdla, 1902
Alexander Girardi, 1905
Walzer, Märsche, Volkslieder – Musik spielte nach wie vor eine dominante Rolle. Die Serienproduktion von Schellackplatten begann 1897/98, die ersten österreichischen Titel wurden 1899 gepresst.
Obwohl mit der damaligen Aufnahmetechnik nur ein begrenzter Klangbereich erfasst werden konnte, wurde versucht, ein möglichst breites musikalisches Spektrum abzudecken. Die Aufnahme erfolgte akustisch-mechanisch, die Aufnahmequalität ist für unsere heutigen Ohren gewöhnungsbedürftig: Die Interpret/innen mussten sich bei der Aufnahme dicht um den Aufnahmetrichter gruppieren, um den Schall möglichst gut einzufangen – bei Fehlern oder falschen Tönen musste die gesamte Aufnahme wiederholt werden.
Annie Dirkens, 1901
Irene Abendroth, 1901
Einer der ersten Opernsänger, die Schellackplatten einspielten, war der Neapolitaner Enrico Caruso (1873–1921). Diese Einspielungen trugen wesentlich dazu bei, dass er auch noch heute als einer der berühmtesten Tenöre der Operngeschichte gilt.
In Wien tat es ihm vor allem sein Kollege Leo Slezak (1873–1946) gleich, von dem zahlreiche Aufnahmen seines Repertoires vorliegen.
Leo Slezak, 1904
aus ''Tannhäuser'', 1902
Berta Kiurina und Josie von Petru, 1904
Mit den Schellackplatten kam die große Oper auch ins Haus.
Das Grammophon wurde zu einem beliebten Einrichtungsgegenstand in vermögenden bürgerlichen Haushalten – einer massenhaften Verbreitung standen zu dieser Zeit noch die Kosten entgegen. Dennoch stellte etwa die Deutsche Grammophongesellschaft in Hannover 1906 täglich bereits 36 000 Stück der schwarzen Scheiben her. Diese drehten sich mit 78 Umdrehungen pro Minute (mehr als doppelt so schnell wie die später aufkommenden Vinylplatten), das Grammophon musste man per Hand aufziehen und die Lautstärke konnte man lediglich durch die Verwendung unterschiedlicher Nadeln oder – auch gebräuchlich: Stofftaschentücher im Trichter – regeln.