Video erhalten! Qualitätsentscheidende Momente in der originalgetreuen Digitalisierung von Video

von Marion Jaks

Das Fundament jeder archivarischen Tätigkeit ist die Erhaltung des originalen Objekts. Ist die Archivalie aufgrund ihrer Materialität nicht in ihrem Originalzustand zu bewahren, liegt das Ziel einer Archivierungsstrategie in der Erstellung eines Duplikates. Dieses hat einerseits alle Eigenschaften des Originals möglichst getreu aufzuweisen und muss andererseits in einer Art und Weise produziert werden, die eine möglichst dauerhafte Erhaltung des „Klons“ gewährleisten kann.
In audiovisuellen Archiven, wo die Inhalte der Medien nur für eine begrenzte Zeit in ihrem Originalzustand zugänglich sind, dient die Digitalisierung der Archivalien dazu, dieser Erhaltungsstrategie zu folgen: der Erstellung eines dauerhaft erhaltbaren Duplikates von Bild- und Toninhalten.
Ein Digitalisierungsvorgang ist eine einschneidende Veränderung von Materialität und Eigenschaften einer (ursprünglich analogen) Videoquelle. Die Qualität dieses Prozesses bestimmt endgültig und irreversibel die Beschaffenheit der Archivalie. Kommt es in diesem Vorgang zu Informationsverlusten, sind die betroffenen Eigenschaften des Originals unwiderbringlich verloren. So birgt der Vorgang der Digitalisierung Risiken für die originalgetreue Erhaltungsarbeit eines Archives.
Ziel dieses Textes ist es, die Risiken im Rahmen eines Digitalisierungsprozesses zur Erhaltung von analogen Videoquellen zu identifizieren und Möglichkeiten zur Lösung bzw. deren Umgehung aufzuzeigen.

Videodigitalisierung an der Österreichischen Mediathek: Symbolfoto (ein Arbeitsplatz mit diversen Bildschirmen und Geräten) ©

Videodigitalisierung an der Österreichischen Mediathek

Risiko 1: Totalverlust durch Fehlen von Abspielgeräten

Die Ausgangslage für die Digitalisierung von Video besteht in einer immer knapper werdenden Verfügbarkeit von Abspielgeräten der unterschiedlichen Videoformate. Um diesem Risiko zu begegnen, ist es notwendig, eine Sammlung von gut erhaltenen Videorekordern zur Verfügung zu haben und diese zu pflegen. Heutzutage merkt man bereits deutlich, dass die Preise von gut erhaltenen Wiedergabegeräten – auch für Consumer-Formate – deutlich steigen. Wichtig für den Aufbau einer solchen Sammlung ist es, einen guten Überblick über die unterschiedlichen Videoformate in der eigenen Sammlung zu haben.
Zur Formatbestimmung spielt nicht nur der äußere Formfaktor eines Kassettengehäuses eine wichtige Rolle, sondern auch die Bestimmung (bzw. das Wissen darum) welche Signalart (und in welchem Fernsehsystem – PAL, NTSC, SECAM) aufgezeichnet wurde. So kann beispielsweise auf einem Band in einem S‑VHS-Kassettengehäuse lediglich das Vorgängerformat VHS aufgezeichnet worden sein, auf Hi8-Kassetten Video 8, auf Betamax die unterschiedlichen Versionen wie z. B. Betamax-Hifi oder Superbeta.
Auch ist es relevant, zu wissen, welche Art der Tonaufzeichnung ursprünglich gewählt wurde. Befinden sich in dem zu digitalisierenden Bestand beispielsweise Video 8-Aufnahmen mit PCM-Ton, muss darauf geachtet werden, ein passendes Abspielgerät zur Verfügung zu haben.
Am besten versucht man, die unterschiedlichen Varianten und signaltechnischen Weiterentwicklungen der jeweiligen Formatfamilien mithilfe von Geräten der späteren Generation abzudecken, welche abwärtskompatibel auch ältere Formatvarianten wiedergeben können.

Diverse Wiedergabe-Geräte im Zuspielraum der Österreichischen Mediathek ©

Diverse Wiedergabe-Geräte im Zuspielraum der Österreichischen Mediathek

Risiko 2: Beschädigung des Bandes durch nicht gewartete Geräte

Eine wichtige Grundregel im Umgang mit magnetbandbasierten Quellen lautet, Archivalien niemals in Wiedergabegeräte einzulegen und abzuspielen, deren Zustand nicht bekannt ist.
An erster Stelle steht somit die Evaluierung und Zustandserfassung potenzieller Abspielgeräte. Für diesen Zweck gilt es, eine Sammlung an Testkassetten anzuschaffen.
Die wichtigsten Parameter zum Zustand eines Videorekorders sind zunächst die Funktionalität der Mechanik (Wird das Band sauber eingezogen? Funktionieren alle Tasten? Kann das Band zurückgespult und sauber ausgeworfen werden?), der Zustand der Video- und Audioköpfe (Sind diese stark abgenutzt? Wie viele Wiedergabe-Stunden hat das Gerät hinter sich?) und der Sauberkeitszustand des Innenlebens des Rekorders (Stammt das Gerät aus einem Raucher-Haushalt? Ist das Innenleben stark verstaubt? Gibt es Ablagerungen an den Bandführungen?).
Unbekannte, neu angeschaffte (oder gar geschenkte) Geräte sollten nach Erhalt serviciert werden. Nicht nur ist bei einem solchen Service eine Grundreinigung und potenzieller Tausch von Ersatzteilen (Riemen, Capstan) angesagt, sondern auch ein Einmessen und Justieren des Gerätes. Dem Einmessen kommt gerade in der Konservierungsdigitalisierung eine wichtige Bedeutung zu, da dadurch sichergestellt werden kann, dass es zu keiner Verfälschung von z. B. Farbe und Helligkeit in der Bilddarstellung kommt.
Trotz der großen Wichtigkeit, die dem Service der zur Digitalisierung verwendeten Geräte zukommt, wird es immer schwieriger Videotechniker/innen zu finden, die diese alten Geräte noch servicieren können.
Die Obsoleszenz von bandbasiertem Video bringt somit auch einen Verlust an Know-how mit sich, der auf lange Sicht nicht zu kompensieren sein wird.

Abbildung einer Videokassette: Bandknicke durch fehlerhaften Bandeinzug. Durch einen Defekt des Bandeinzuges wurde ein „Bandsalat“ verursacht. Nach Befreiung des Bandes weist dieses deutliche Knicke auf. ©

Bandknicke durch fehlerhaften Bandeinzug VHS

Abbildung einer Videokassette: Bandknicke durch fehlerhaften Bandeinzug. Durch einen Defekt des Bandeinzuges wurde ein „Bandsalat“ verursacht. Nach Befreiung des Bandes weist dieses deutliche Knicke auf. ©

Bandknicke durch fehlerhaften Bandeinzug VHS Detailaufnahme

Risiko 3: Informationsverlust durch Störungen und Fehler im Wiedergabeprozess

Auch beim Prozess der Wiedergabe im Rahmen eines Digitalisierungsvorganges müssen alle Faktoren berücksichtigt werden, die dazu führen könnten, dass das aufgezeichnete Digitalisat vom ursprünglichen Inhalt abweicht.
Häufig kommt es beispielsweise zu temporären Bild- und Tonausfällen bei der Wiedergabe. Grund dafür ist in der Regel eine Störung des Kontaktes zwischen Magnetband und Wiedergabekopf. Die Ursache liegt hierbei häufig in Verschmutzungen, die sich im Abspielprozess lösen und auf den Köpfen absetzen. Um solche Ausfälle zu verhindern, müssen nicht nur die Wiedergabegeräte regelmäßig gereinigt werden, sondern auch die Magnetbänder und das Gehäuse selbst. Zur Bandreinigung gibt es professionelle Geräte, die das Magnetband an einem Poliersaphir und einem Filzband vorbeiführen.

Trotz Bandreinigung kann es in einem Abspielprozess zu Ausfällen kommen. Aus diesem Grund sollte am Ende jedes Digitalisierungsprozesses eine Qualitätskontrolle stehen, die auch diesbezüglich eine Überprüfung durchführt. Ein sehr empfehlenswertes Tool zu diesem Zweck ist die Open-Source Software „QCTools“, die anhand von Analysegrafen und einer Vielzahl von unterschiedlichen Filteroptionen detaillierte Informationen zur Qualitätskontrolle bereitstellt. Für die Qualitätskontrolle von Einspielvorgängen von DV-Bändern eignet sich am besten die Software „DV-Analyzer“.

Eine weitere Ursache für Ausfälle in der Wiedergabe können Banddefekte und Zersetzungserscheinungen sein. Bei schwerwiegenden Problemen wie Schimmel oder „Sticky Shed“ (Zersetzung des Bindemittels eines Magnetbandes) ist es anzuraten, Spezialist/innen aus dem Bereich der Videorestauration heranzuziehen.

Gerade im Sammlungsprojekt „Wiener Video Rekorder“ mit Schwerpunkt auf Aufnahmen aus privater Urheberschaft wurde deutlich, dass Bänder aus privatem Umfeld häufig unter deutlich schlechteren Lagerungsbedingungen zu leiden hatten, als z. B. aus dem professionellen oder semiprofessionellen Bereich. Neben oben erwähnten Verschmutzungen, die hier teils sehr stark waren, wiesen die Bänder oft auch irreparable Bandschäden wie Knicke und Kratzer auf. Überraschend oft konnte auch ein tierischer Befall der Kassetten (Motten, Silberfischchen, Käfer, …) festgestellt werden. Die Häufung der Beschädigungen der Kassetten führte dementsprechend auch zu einem erhöhten Aufwand bei Reinigung und Wartung – sowohl von Kassetten und Gehäusen als auch von Wiedergabegeräten. Digitalisierungsvorgänge mussten oft mehrmals wiederholt werden, da trotz der verstärkten Maßnahmen zur Reinigung immer wieder Verschmutzungen zu temporären Bildausfällen führten.

<p>Reinigungsgerät für VHS-Kassetten</p> ©

Reinigungsgerät für VHS-Kassetten

Details
00:00:23 video
Reinigung verschmutzter Videoköpfe

Vor und nach der Reinigung der Videoköpfe (Videobeispiel VHS)

 

Abbildung, die zeigt, dass nach manueller Reinigung der Wiedergabeköpfe die Bildwiedergabe wieder einwandfrei ist. ©

Nach Reinigung der Wiedergabeköpfe

Waveformansicht QCTools: QCTools bieten diverse Filter an, die eine genaue Analyse ermöglichen ©

Waveformansicht QCTools

<p>Analysegrafen QCTools</p> ©

Analysegrafen QCTools

Bildstörung durch verunreinigte Wiedergabegeräte ©

Bildstörung durch verunreinigte Wiedergabeköpfe (Beispiel VHS)

Bildstörung durch verunreinigten Wiedergabekopf ©

Bildstörung durch verunreinigten Wiedergabekopf (Beispiel DV)

Risiko 4: Informationsverlust durch falsche Signalführung

Das oberste Ziel in der Erhaltung von Video durch Digitalisierung ist die Schaffung einer dem Original möglichst gleichenden Kopie. Dies bedeutet auch, dass in der Signalführung darauf geachtet werden muss, dass es zu keinen Informationsverlusten kommt. Beispielsweise ist generell bei den sogenannten Colour-Under-Formaten (U‑matic, VCR, Betamax, VHS, S‑VHS, Video 2000, Video 8, Hi8) nach Möglichkeit die Signalführung über den Y/C-Ausgang zu bevorzugen, da im Falle der Wahl des Composite-Ausganges (FBAS, CVBS) ein zusätzlicher Schritt der Y/C-Mischung (Luminanz/Chrominanz-Mischung) der Signalausgabe vorgeschaltet ist. Formate mit Componentenaufzeichnung sollten mit den Componentensignalen weitergereicht werden.

Bei digitalen Bandformaten muss darauf geachtet werden, dass direkt das digitale Signal aufgenommen wird: zum Beispiel bei DigiBeta der SDI-Stream, oder bei DV der Daten-Stream direkt über die Firewire-Schnittstelle (i.LINK oder IEEE 1394). Das Besondere einer DV-Aufnahme (DV, DVCam, HDV, …) liegt aus Archivsicht darin, dass die digitale, auf Magnetband gespeicherte, Information auf diesem Übertragungsweg direkt ohne Konvertierung als File auf die Festplatte eines Rechners geschrieben werden kann. Das bedeutet, dass das originale DV-Video direkt vom Magnetband gelöst und unabhängig davon archiviert werden kann. In manchen Fällen wird ein DV-Video auch über den SDI-Ausgang eines Wiedergabegerätes aufgenommen, was allerdings dazu führt, dass das Originalvideo einen Konvertierungsschritt durchläuft und Metadaten, wie sie im Original enthalten sind, verloren gehen (Aufnahmedatum, Timecode, Kamera). Ein solcher Konvertierungsschritt sollte vermieden werden. 
Gibt es allerdings keine andere Möglichkeit oder handelt es sich um die Erstellung einer zusätzlichen Kopie zum Original-DV-Stream, sollte darauf geachtet werden, dass die Bitrate des originalen Digitalvideos nicht überschritten wird, da es sonst zu „Dithering“ kommt: Wird ein 8‑bit Digital-Video in ein 10‑bit File konvertiert, muss die im ursprünglichen Video nicht vorhandene Information aufgefüllt – quasi „erfunden“ – werden. Mittels „Dithering“ wird so die Illusion einer größeren Farbtiefe erzeugt als ursprünglich vorhanden.

Abgebildet ist die Rückseite eines DV-Wieder­gabe­gerätes. Sie zeigt eine Viel­falt von unter­schied­lichen Signal­aus­gängen: CVBS, YC, Component, SDI, Firewire, Audio analog, Audio digital. Für den Zweck der Archi­vierung ist in diesem Fall nur die Firewire-Schnitt­stelle – hier be­zeichnet mit „HDV/DV“ – ge­eignet. ©

Videoausgänge eines DV-Wiedergabegerätes (Sony HVR-M35E)

Risiko 5: Informationsverlust durch minderwertige Analog/Digital-Wandlung

Der Analog/Digital-Converter ist das Herzstück der Digitalisierung: seine Aufgabe liegt im Wesentlichen in der Messung des einkommenden analogen Signales und der anschließenden Zuweisung von digitalen Werten.

Zwei Faktoren sind bei der Digitalisierung von AV-Quellen qualitätsentscheidend: Samplingrate (Abtastrate) und Samplingtiefe (Bittiefe, Farbtiefe). Die Samplingrate bestimmt die Häufigkeit, mit der Messungen innerhalb eines Zeitraums vorgenommen werden. Jedem Messpunkt des analogen Signales wird ein digitaler Wert zugewiesen (Quantisierung). Die Samplingtiefe gibt die Anzahl der Bits an, welche bei der Quantisierung verwendet werden. Je höher Samplingrate und Samplingtiefe umso exakter ist die digitale Beschreibung des einkommenden analogen Signales – und damit die Genauigkeit, mit der ein Digitalisat dem ursprünglich analogen Signal entspricht. 
Für den Fall der Digitalisierung von analogem Video für die Langzeitarchivierung sollte mit einer Bittiefe von 10 bits per component (interne Signalverarbeitung des A/D-Converters mit 12 bit) und einer Samplingrate von 4:2:2 digitalisiert werden.

A/D-Wandler erfüllen ihre Aufgabe mit sehr unterschiedlicher Qualität. Für den Archiv-Anwendungsfall ist es daher notwendig ein solches Gerät genau auszuwählen und zu prüfen.

Abbildung eines professionellen Analog-Digital-Converters. Diese Converter verfügen in der Regel über alle Erfordernisse für die Digitalisierung zu Archivzwecken. ©

Professioneller Analog-Digital-Converter

Risiko 6 : Informationsverlust durch wiederholte A/D-D/A-Wandlung

In der Signalkette eines Digitalisierungsvorganges zum Zweck der Erstellung eines digitalen Archivmasters sollten Abfolgen von wiederholter Analog/Digital-Digital/Analog-Wandlung vermieden werden, da es hierbei zwangsläufig zu Informationsverlusten und zu einer Verschlechterung der Bildqualität kommt. Ein typischer Fall, bei dem es zu einer unerwünschten A/D-D/A-Wandlung kommen kann, wäre der Einsatz eines digitalen Time-Base-Correctors (TBC), bei dem das Signal nur nach erneuter D/A-Wandlung weitergereicht werden kann.

Ein TBC hat die Aufgabe, Timing-Ungenauigkeiten, wie sie sich im Laufe des mechanischen Abspielvorganges eines Videobandes ergeben können, zu kompensieren, und ein stabiles Videosignal weiterzuleiten. Solche Korrekturen wurden ursprünglich analog durch Verzögerungsschaltungen umgesetzt; Geräte aus jüngerer Zeit nutzen jedoch die Möglichkeit einer digitalen Zwischenspeicherung.
Grundsätzlich ist der Einsatz eines TBC in einem Digitalisierungsvorgang zum Zwecke der Archivierung notwendig – qualitätsrelevant ist jedoch die Frage, an welcher Stelle dieser in der Abfolge der Signalkette eingesetzt wird und mit welcher Qualität dieser arbeitet. Wird ein digitaler TBC verwendet, sollte darauf geachtet werden, mit welcher Bittiefe dieser die Digitalisierung des Signals durchführt und, dass das Signal ohne weitere D/A-Wandlung digital weitergereicht werden kann.

Digitale TBCs können auch direkt in Wiedergabegeräten für analoge Videoformate integriert sein. Nachteil dieser Konstellation ist, dass trotz der internen A/D-Wandlung das Signal nur nach einer zusätzlichen D/A-Wandlung als analoges Signal ausgegeben werden kann. Externe TBCs weisen ebenso häufig nur analoge Ausgänge auf, weshalb von deren Verwendung abzuraten ist. Um derartig produzierte Qualitätsverluste zu vermeiden, verwendet man in der Digitalisierungskette am besten einen A/D-Converter mit integriertem TBC, welcher direkt das digitale Signal per SDI ausgeben kann. Bei einer derartigen Signalführung erfolgt in der Kette ein einmaliger A/D-Wandlungsprozess, der möglichst hochwertig durchgeführt werden sollte.

Beispiel für einen externen, digitalen TBC ©

Beispiel für einen externen, digitalen TBC

Risiko 7: Informationsverlust durch (Fehl-)Verhalten von Capture-Karte und Digitalisierungssoftware

Nach dem Schritt der A/D-Wandlung wird das Signal an den Aufnahme-Rechner weitergeleitet. Als Schnittstelle dient in den meisten Fällen eine sogenannte Capture-Karte, die das Signal über einen SDI-Eingang empfängt.
An letzter Stelle der Digitalisierungskette steht die Software, die das Signal, das von der Capture-Karte empfangen wird, als digitales File speichert.

Beide Komponenten sollten vor Verwendung genau in Hinblick auf potenzielle Veränderungen der einkommenden Information überprüft werden. Empfehlenswert ist es, dazu Testsignale und Videos mit eingeblendetem Timecode zu digitalisieren. Anhand des Ergebnisses kann man unter anderem überprüfen, ob alle Frames tatsächlich im Digitalisat gespeichert wurden, oder ob Frames in der Kette „verloren“ gegangen sind. Gerade wenn es zu solchen Phänomenen kommt, ist es wichtig zu wissen, wie die Aufnahme-Software reagiert. So gibt es Programme, die im Fall von „verworfenen“ oder „eingeschobenen“ (dropped/inserted) Frames diese markieren und auch während der Digitalisierung diesbezüglich Rückmeldung geben (z. B. VirtualDub). Zu „dropped“ bzw. „inserted“ Frames kann es in unterschiedlichen Abschnitten der digitalen Kette kommen. Dabei kann es sich um einen Eingriff des A/D-Wandlers handeln (z. B. Timing-Korrekturen mittels Field/Frame-„Inserts“ bzw. -„Drops“, was in einem geringem Ausmaß zum normalen Verhalten eines A/D-Converters gehört), um eine Fehlfunktion der Capture-Karte, um eine Fehlfunktion der Capture-Software oder um einen temporären Ressourcenmangel während des Encodier- und Schreibvorganges auf dem Digitalisierungsrechner. Tritt ein derartiges Problem auf, kommt es zu unwiederbringlichem Informationsverlust, weshalb eine diesbezügliche Kontrolle notwendig ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt, wenn es um die Wahl einer Capture-Software geht, ist die Frage, ob diese selbstständig Veränderungen am Ursprungsvideo vornimmt. Während solche Eingriffe für Ansichtskopien erwünscht sein können, handelt es sich aus Archivsicht um eine unerwünschte Signalverfälschung, die es zu vermeiden gilt.

Typische Korrekturen, die aus Archivsicht zu vermeiden sind, wären z. B.:

  • Änderung des Seitenverhältnisses von 4:3 auf 16:9
  • Noise Reduction
  • Dropout-Kompensation
  • Farbkorrekturen
  • Deinterlacing
  • Cropping von Bildrändern (Kopfumschaltpunkte, schwarze Seitenränder)
  • Clipping von Fullrange-Video auf Broadcast Range
Dieses Bild zeigt eine „Capture-Card“ mit di­ver­sen Signal-Anschluss-Mög­lich­keiten. Der­artige Karten können oft selbst­ständig Analog/Digital-Kon­ver­tie­rungs­pro­zesse vor­nehmen, welche in Tests der Öster­reichi­schen Media­thek aller­dings wenig zu­frieden­stel­lend aus­fielen. ©

Beispiel für eine „Capture-Card“

Screenshot der Open-Source-Aufnahme­soft­ware „VirtualDub“. Neben dem eigent­lichen Bild be­findet sich die An­zeige mit detail­lierter Infor­ma­tion zum Auf­nahme­pro­zess. ©

Screenshot VirtualDub Capture

Risiko 8: Informationsverlust durch verlustbehaftete Kompression

Am Ende der Digitalisierungskette steht die Aufzeichnung und Speicherung des gewandelten Videos als digitales File. Ein Videofile besteht aus drei Komponenten: dem Container und der darin nach einem bestimmten Codierungsverfahren (Codec) gespeicherten Video- und Audioinformation.

Liegt das Ziel eines Digitalisierungsvorganges in der konservatorischen Erhaltung der analogen Quelle, gilt es – entsprechend dem archivischen Grundsatz der Erhaltung des Originals – die Video- und Audioinformation verlustfrei abzuspeichern. 
Prinzipiell unterscheidet man zwischen verlustbehafteten und verlustfreien Codierungsverfahren. Im Produktions- und Konsumentenbereich werden in der Regel verlustbehaftete Codecs verwendet (z. B. Apple ProRes, H264/MPEG-4, MPEG-2). Wie schon die Bezeichnung sagt, wird bei der Speicherung in einem solchen Codec ein Teil der vorliegenden Information verworfen. Aus eben diesem Grund sind derartige Codecs für den Archivanwendungsfall nicht geeignet.

Für die verlustfreie Erhaltung von Videodateien bleiben letztendlich nur wenige Optionen zur Auswahl. Auf der einen Seite steht hier der puristische Ansatz der unkomprimierten Speicherung der Videodaten (Uncompressed). Aufgrund des hohen Speicherplatzbedarfs, der erhöhten Belastung der Infrastruktur (Netzwerk, Rechenleistung, …) und der damit verbundenen Kosten, setzen jedoch viele Archive andererseits auf verlustfreie Kompression, wobei sich in den letzten Jahren vor allem zwei Codecs für diesen Zweck herauskristallisiert haben: JPEG 2000 lossless und FFV1.
Während JPEG 2000 lossless in den letzten Jahren aufgrund von Interoperabilitätsproblemen in Archivkreisen vermehrt kritisch begegnet wird, gewinnt FFV1 in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung.
Für die Erhaltung der im Projekt "Wiener Videorekorder" digitalisierten Videoaufnahmen wurde der Codec FFV1 gewählt. Neben seinem verlustfreien Kompressionsverfahren zeichnet sich dieser durch seine Entwicklung im Rahmen des bekannten Open-Source-Projektes "FFMPEG" aus. Da der Source-Code für FFV1 frei verfügbar ist, besteht hier keine Gefahr der „Formatobsoleszenz“ wie es bei proprietären Codecs der Fall ist. Die Implementierung von FFV1 in FFMPEG stellt die Referenzimplementierung des Codecs dar. Seit 2015 arbeitet das „Preforma Project“ an der Standardisierung von FFV1 durch die „Internet Engineering Task Force (IETF)“.

Diese Bilder zeigen jeweils exakt den selben Frame einer digi­ta­li­sierten VHS-Kassette. Das linke Bild zeigt die in einem ver­lust­freien („lossless“) Codec (ffv1) encodierte Archiv­kopie, während des rechte Bild exakt den gleichen Frame einer MPEG-2-Ansichts­kopie zeigt. Bei diesen Bildern handelt es sich nicht um kon­struier­te Bei­spiele, sondern um reale Fälle aus der „Echt­welt“. Ge­zeigt werden Archiv­kopie und An­sichts­kopie, wie sie an der Öster­reichi­schen Media­thek er­stellt und ver­wendet werden. In beiden Bildern ist ein deut­licher „Kamm­effekt“ zu sehen, der darauf zurück­zu­führen ist, dass die ur­sprüng­liche Quelle „interlaced“ ist. Vergleicht man nun das linke (ffv1) mit dem rechten Bild (MPEG-2), er­kennt man einen Ver­lust an granu­larer Bild­infor­ma­tion. ©

Vergleich lossless vs. lossy Codierung SW

Vergleich Archivkopie und Ansichts­kopie aus der Archiv­praxis der Öster­reichi­schen Media­thek. Die linke Bild­häfte zeigt ein Digi­ta­li­sat einer VHS-Kassette, das in einem verlust­freien Codec (ffv1) er­stellt wurde. Die komplette Bild­infor­ma­tion wurde in diesem Codierungs­ver­fahren er­halten. Insofern ist diese mit allen Details vor­handen und wieder ab­ruf­bar. In der rechten Bild­hälfte sieht man eine ver­lust­be­haftete MPEG-2-Kopie. Ver­gleicht man die beiden Bilder, er­kennt man, dass Details aus zweiterem Bild ver­schwun­den sind. Bei einem ver­lust­be­hafteten Encodierungs­vor­gang, wird nur ein Teil der vor­han­denen Infor­ma­tion ge­speichert. Die restliche Infor­ma­tion ist un­wieder­bring­lich ver­loren. ©

Vergleich lossless vs. lossy Codierung Farbe

Vergleich lossless vs. lossy Codierung Farbe (Detail) ©

Vergleich lossless vs. lossy Codierung Farbe (Detail)

Risiko 9: Informationsverlust durch menschliche und/oder automatische Eingriffe in das Digitalisierungsergebnis

Da das Ziel einer Digitalisierung von analogem Video im Archivbereich in der Erstellung einer möglichst originalgetreuen digitalen Kopie liegt, sind jegliche signalverändernde Eingriffe und Korrekturen unerwünscht. Das bedeutet einerseits, dass sichergestellt werden muss, dass es im Rahmen der Digitalisierungskette zu keiner Verfälschung des originalen Signales kommt (Servicierung, Einmessung der verwendeten Geräte). Andererseits bedeutet das auch, dass in diesem Prozess keine Korrekturen manuell vorgenommen werden.

In diesem Punkt gibt es massive Unterschiede in der Digitalisierung für den Produktions- und für den Archivanwendungsfall. In der Digitalisierung von analogem Quellmaterial im Produktionsbereich werden meistens Korrekturen mit Hilfe eines „Processing amplifiers“ (ProcAmp) vorgenommen. Typische Eingriffe wären die Veränderung von Farbe und Helligkeit. Häufig wird bei einer solchen Korrektur eine Limitierung des Signales auf „broadcast range“ vorgenommen.

Historisch stammt die „broadcast range“ aus dem Bereich analoger Übertragungssysteme von Fernsehsignalen. Im Wesentlichen ging es darum, Spannungsspitzen zu vermeiden, die zu einer elektrischen Überlastung des Transmitters führen könnten. Aus diesem Grund wurde analoges Video für den Broadcast-Einsatz in seiner Dynamik in Helligkeit und Schwarzwerten reduziert. Die„ broadcast range“ wird in einer 8‑bit-Skala angegeben. Eine solche Skala enthält die Werteinheiten 0 bis 255. Während ein „full range“-Video den vollen Umfang von 0 bis 255 benutzt, stehen für ein Videosignal innerhalb der „broadcast range“ nur die Werte 16 bis 235 zur Verfügung. Dies bedeutet, dass statt 255 Abstufungen nur noch 220 für die Helligkeitsinformation genutzt werden können. Die Praxis der Verwendung der limitierten „broadcast range“ geht im digitalen Videobereich zurück auf den Standard ITU‑R BT 601 „Studio encoding parameters of digital television for standard 4:3 and wide screen 16:9 aspect ratios“. Dementsprechend wurde dieser Standard vor allem im professionellen analogen Video-Mastering eingehalten.

Bei Consumer-Aufnahmen oder Kameraoriginalen hingegen handelt es sich sehr häufig um Videos, die Information beinhalten, welche über die „broadcast range“ hinausgeht. Im Sinne der Zielsetzung eines Archivs, das Original in der Digitalisierung möglichst getreu abzubilden, sollte von einer Veränderung des Originals in Hinblick auf die „broadcast range“ abgesehen werden. Allerdings ist es dabei wichtig, alle Geräte und Software innerhalb der Digitalisierungskette dahingehend zu überprüfen, wie diese mit einem „full range“-Video umgehen. So gibt es beispielsweise Videobearbeitungssoftware und Player, die automatisch Bildinformation, die außerhalb der „broadcast range“ liegt, beschneiden („Clipping“). Die Ursache für „Clipping“ in der Software-Darstellung und ‑Wiedergabe liegt in der Regel daran, dass Player automatisch eine Umrechnung des Farbraumes YUV (bzw. YCbCr) in RGB vornehmen. In den meisten Fällen wird bei einer solchen Konversion davon ausgegangen, dass das YUV- (bzw. YCbCr-)Video dem Standard ITU‑R BT 601 entspricht. Das bedeutet, dass ein Mapping der Helligkeitswerte stattfindet. Der in ITU‑R BT 601 maximale Weißwert 16 wird in RGB auf den Wert 0 gesetzt; der Wert 235 in RGB auf 255. Darüber hinausgehende Information des YUV-Videos wird nicht berücksichtigt.
Da es bei der Archivierung als digitales „full range“-Video in einer späteren Verarbeitung (Schnittprogramm) bzw. auch Verwendung (Wiedergabe: Player, Beamer, Fernsehmonitor) zu einem solchen „Clipping“ kommen kann, besteht die Möglichkeit für diese Fälle aus dem ursprünglichen digitalen „full range“-Archivmaster eine Ansichtskopie zu erstellen, bei der mit einer Videobearbeitungssoftware eine diesbezügliche Korrektur vorgenommen wurde.

(Publiziert: 2017)

Abildung eines Digibeta Kamera-Originals: "full range.": Der komplette Bereich des Helligkeitssprektrums wird ausgenützt. ©

„Full range“-Kamera-Original (Digibeta)

Bei dieser Kopie wurde mit einem Schnitt­programm der Be­reich außer­halb der „broadcast range“ geclippt – d. h. Bild­infor­ma­tion ist ver­loren ge­gangen. ©

Clipping auf „broadcast range“ von ursprünglichem „full range“-Kamera-Original (Digibeta)

Dieses Bild zeigt das Ergebnis einer Korrektur der Helligkeit/Schwarzwerte eines ursprünglichen „full range“-Videos, um der „broadcast range“ zu entsprechen. Die Waveform-Darstellung zeigt, dass der Kontrastumfang deutlich kleiner ist als im ursprünglichen Original. ©

Anpassung auf „broadcast range“ von ursprünglichem „full range“-Kamera-Original (Digibeta)