Mit sanfter Jazzmusik im Hintergrund, einer Zigarette zwischen den Lippen und samtiger Stimme nimmt Clavis den Zuhörer mit in seine Kindheit und Jugend zwischen Donaukanal, Prater und Kellergewölben. Er wurde später Klavierstimmer, Klavierbauer und Vater, und pflegte seine Mutter.
Geboren 1965 und aufgewachsen im 3. Wiener Gemeindebezirk, erinnert sich Clavis (wie er sich für das Interview nennt) an Spiele im Hermannpark, wo der Wienfluss in den Donaukanal mündet. Im Gegensatz zu heute war dieser Park damals noch abenteuerlich. Dort entdeckte er mit Freunden Schwemmgut, spielte Vater-Mutter-Kind und machte Bremsspuren mit dem Fahrrad im Schotter.
Clavis erinnert sich an seine Kindheit im Hermannpark im 3. Bezirk, wo er Abenteuer erlebte, mit Freunden spielte, wild Fahrrad fuhr und Menschen beobachtete.
Clavis‘ Mutter war Hausmeisterin und Raumpflegerin. Da er keinen Kindergarten besuchte, begleitete er sie bei ihren Tätigkeiten – so beobachtete er ihre Technik die Gänge aufzuwaschen, erforschte den gruseligen Keller des Hauses und begleitete die Mutter in eine Arztpraxis, in der sie als Raumpflegerin arbeitete.
Diese Ausstellung bietet ausgewählte biografische Portraits aus den rund 600 lebensgeschichtlichen Interviews, die im Rahmen des Oral History-Projekts MenschenLeben entstanden und in der digitalen Sammlung der Österreichischen Mediathek online und in voller Länge verfügbar sind. Hier kann man nicht nur in verschiedene lebensgeschichtliche Erzählungen - in Alltägliches wie Außergewöhnliches -, sondern auch in unterschiedliche Sprechweisen, Weltanschauungen und Emotionen eintauchen. Die biografischen Portraits werden durch private Fotografien ergänzt, die die Interviewpartner_innen in Kopie an die Sammlung MenschenLeben übergeben haben. Um den Kontext der gesamten Lebensgeschichte zu erhalten, verweisen die hier angeführten Hörproben auf einzelne markierte Stellen in den oft mehrstündigen Interviews - ein Weiterhören in den lebensgeschichtlichen Erzählungen ist also möglich und erwünscht.
Clavis (Pseudonym), geboren 1965 in Wien
Interview: 2013
Interviewort: Wien
Interviewerin: Katharina Sacher
Interviewdauer: 11 Stunden
Link zu allen 11 Interviewteilen
Der andere Herzensort in Clavis‘ Jugend war der Wiener Eislaufverein am Heumarkt, wo er mit Freunden hinging.
Clavis ging in seiner Jugend gerne in den Wiener Eislaufverein. Er war selbst kein Eishockeyspieler, war aber mit dem stärksten Eihockeyspieler am Platz befreundet. Das half, bei Jungen, Mädchen und Ordnungshütern.
Der Lieblingsort seiner Jugend war der „Wurstelprater“. Man spürt die Grottenbahn rumpeln, man hört die Flipper klingeln und man riecht die feuchten Toboggan-Jutesäcke, wenn Clavis in seinen Erinnerungen den Wiener Prater der 1970er Jahre zum Leben erweckt. Er beschreibt einen kleinen Kosmos, den es heute nicht mehr gibt. Clavis verbrachte jede freie Minute seiner Jugend im Umfeld von Grottenbahn, Toboggan, Stockautobahn, Hochschaubahn und Flipperhalle. Er verdiente sich dort sein erstes Taschengeld, bekam Liebesbriefe und nennt diese Zeit als „Highlight seiner Biografie“. Seine große Leidenschaft bis heute gilt dem Flippern. Er hat einen eigenen Flipper in seinem Wohnzimmer, und bezeichnet das Flippern als Indikator dafür, wie es ihm geht.
Clavis erzählt vom Wurstelprater der 1970er, beschreibt Bau und Technik von Grottenbahn und Stockautobahn.
Clavis liebt flippern, bis heute. Er erinnert sich an den Klang und das Aussehen der Flipper, die es in den 1970er Jahren im Wiener Prater gab.
Die Lehrjahre in einer Klavierfabrik waren für Clavis hart. Demütigungen und Prügelstrafe mit einer Fliegenklatsche aus Holz und Leder gehörten dazu.
Nach dem Schulabschluss machte Clavis eine Lehre in einer Klavierfabrik als Klavierbauer. Seine Erfahrungen in seinem Lehrbetrieb waren schlecht: Demütigungen und Prügelstrafe standen an der Tagesordnung – die Lehrlinge wurden mit einer Fliegenklatsche, bestehend aus einer Buchenleiste mit Lederfleck darauf, geschlagen.
Das Klavierstimmen lernte Clavis von einem blinden Klavierstimmer, der ein eigenes System des Stimmens und einen besonderen Humor hatte. Clavis erzählt vom gemeinsamen Alltag.
Clavis schloss seine Lehre dennoch ab. Er sammelte Lebenserfahrung in einer Bäckerei, beim Bundesheer und in einer Laientheatergruppe, und arbeitete in verschiedenen Klavierbauer-Firmen. Nach der Scheidung kaufte er einen Klavierbetrieb, arbeitete als Klavierstimmer und Klavierbauer. Die Kunst des Klavierstimmens erlernte er bei einem blinden Klavierstimmer, mit dem er viel erlebte.
Clavis‘ Mutter erkrankte später an Alzheimer. Er beschreibt, wie die Vergesslichkeit langsam zunahm, wie er neue Umgangsformen entwickeln musste und welche Belastung diese Krankheit war. Zu diesem Zeitpunkt lebte er mit seiner Frau im Weinviertel, wo sie gemeinsam die Mutter pflegten.
Clavis‘ Mutter wurde immer vergesslicher. Die Diagnose: Alzheimer.
Das gesamte Interview mit Clavis in 11 Teilen finden Sie hier.
Text und Auswahl: Tina Plasil-Laschober, 2023