„Making of“ – Digitali­sierung und Ton­bear­beitung der Sammlung Arnold Schönberg

Tonaufnahmen sind fragile Zeitzeugnisse, deren Bestand ge­fähr­det ist. Nicht nur das Träger­material der Auf­nahme ist Ver­falls­prozessen ausgesetzt – auch die Abspielgeräte haben vielfach ein Ablaufdatum und stehen nicht mehr in aus­reichen­der Anzahl zur Ver­fügung. Ohne Möglichkeit der Wiedergabe sind diese Zeit­zeug­nisse aber weitgehend wertlos und bloße museale Arte­fakte, deren Inhalt sich nicht mehr erschließt.

Viele Tonaufnahmen sind Massenprodukte und es existie­ren in unter­schiedlichen Kultur­ein­richtungen und in privaten Sammlungen zahl­reiche Ex­emplare einer Auf­nahme. Viele Tonaufnahmen sind aber auch Unikate, d.­h. es wurde nur diese eine Aufnahme hergestellt und archi­viert. Die meisten Sammlungen enthalten beides: Massen­produkte und Unikate.

Bei der privaten Tonträgersammlung von Arnold Schön­berg ist auch die Person des Sammlers von Interesse, die auf die Tonaufnahmen ausstrahlt: Was wurde ge­sammelt? Was wurde gespielt? Was wurde aufgezeichnet? Was können wir an­hand der Sammlung über die Privat­person Arnold Schönberg erfahren und was über seine beruf­lichen Aktivitäten als Komponist, Musiker und Lehrer?
Um diese und andere Fragen auch in Zukunft beant­worten zu können, ist der mög­lichst einfache Zugang zu den Tonaufnahmen und deren dauerhafte Erhalt­ung es­sen­tiell. In einer Kooperation zwischen dem Arnold-Schönberg-Center und der Österreichischen Mediathek wurde die Sammlung digitalisiert und so deren Erhalt und Verfügbarkeit dauerhaft gesichert. 

<p>Restaurierungsbedarf</p> ©

Restaurierungsbedarf

Digitalisierung

In einem ersten Schritt wurden die Tonaufnahmen in der Österreichi­schen Media­thek digitalisiert. Ziel der Digitali­sierung ist die Er­stellung einer digitalen Kopie, die so weit wie technisch möglich dem Original gleicht. Das bedeutet, dass in den Prozess der Digi­tali­sierung möglichst nicht ein­gegriffen wird und ein original­getreue Kopie – ein neues „Original“ entsteht, das im digitalen Lang­zeit­archiv dauer­haft bewahrt wird. Falls ton­technische Verbesserungs­maß­nahmen not­wendig sind, werden diese immer aus­schließ­lich an einer digitalen Kopie vorgenommen.

<p>Analog-Digital-Wandler</p> ©

Analog-Digital-Wandler

<p>Professionelle Abspiel&shy;geräte für Schellacks</p> ©

Professionelle Abspiel­geräte für Schellacks

<p>Tonabnehmer</p> ©

Tonabnehmer

Signalverbesserung

Bei der Wiedergabe von Tondokumenten hört man nicht nur die Sprach- oder Musik­auf­nahme, sondern auch die mehr oder weniger gewollten und ungewollten Neben­geräusche. Diese Neben­geräusche wie das Kratzen der Nadel begleiten die Schall­auf­zeichnung von Beginn an. Sie entstehen sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Wiedergabe und sind Teil unserer Hör­gewohnheiten. Der Vorgang der Signal­verbesserung dient dazu, Störge­räu­sche vorsichtig zu elimi­nie­ren, um den Inhalt der Auf­nahme dadurch herauszuheben. Dieser Eingriff in die Auf­nahme ist immer eine Gratwanderung und erfordert Erfahrung im Umgang mit dem Material, um nicht als unerwünschten Effekt beispielsweise digitale Artefakte zu erzeugen, die den Hör­genuss einschränken.

Welche Schritte sind nun notwendig, um eine tontech­nisch verbesserte Aufnahme zu er­stellen und welche tontech­nischen Instrumente wurden dafür verwendet? Wie wurde das bei der Sammlung Arnold Schön­berg gemacht?

1. Schritt: Die Auswahl des richtigen Kanals

Bei Schellackplatten handelt es sich um Tonträger in Mono. Bei der Digitalisier­ung an der Österreichischen Mediathek wurde die Platte mit einer Stereonadel abge­tastet, was den Vorteil hat, dass man zwei idente Kanäle in unterschiedlicher Qualität zur Verfügung hat. Oft knackst ein Kanal stärker als der andere, manch­mal ist die Musik am linken Kanal lauter als am rechten oder der Rausch­abstand (signal-to-noise ratio) unterscheidet sich. Die Auswahl des besseren Kanals legt den Grundstein für jede weitere Bearbeitung.

2. Schritt: Alles weg, was nicht gehört (gebraucht) wird

Das menschliche Ohr nimmt einen Frequenzbereich von ca. 20 Hz bis 20.000 Hz wahr, wobei das Hörvermögen mit dem Alter abnimmt. In diesem Schritt wird der Frequenz­bereich unter 40 Hz und jener über 20.000 Hz wegge­schnitten. Im Bereich von 40 Hz sind fast nur Sub-Bässe angesiedelt. Macht man diese hörbar, hört man vorwie­gend das me­cha­nische Geräusch des sich drehenden Platten­tellers. Entfernt man diesen Frequenz­bereich, wird die Aufnahme schon einmal „ruhiger“.

3. Schritt: Der „Brumm“ muss weg – „De-hum“

Das störende Brummgeräusch auf alten Tonträgern (Schellacks, Magnetbänder etc.) liegt daran, dass elek­tronische Geräte mit Gleich­spannung betrieben werden, die in der Regel über ein Netzteil aus Wechselspannung erzeugt wird. Je nach Art der Gleich­richtung ent­steht Brummspannung mit der Netzfrequenz (220V – 50 Hz, 110V – 60 Hz) oder ihrem Doppelten. Mit der „De-hum“-Funktion werden solche Frequenzen erkannt bzw. können händisch ausgelesen und entfernt werden.

4. Schritt: Das Plattenknistern – „De-click“ oder „De-crackle“

Das typische „Knistern“ bei Platten wird durch Staub­partikel, Kratzer, Schmutz, eine zu geringe Auflagekraft des Tonabnehmers oder – bei Vinylplatten –  durch statische Aufladung verursacht. Je nach Zustand der Platte kann das Knistern kräftiger oder schwächer aus­fallen. Mit der so genannten „De-click“-Funktion von Ton­be­arbeitungs­pro­gram­men kann man dieses Knistern sehr gezielt entfernen. Ist das Knistern leise und zugleich hoch­frequenter, sodass es schon fast wie Rauschen klingt, er­zielt man mit der „De-crackle“-Funktion oft bessere Ergeb­nisse.

5. Schritt: Der Vorhang an Störgeräuschen beginnt sich zu heben – „Spectral De-noise“

Das am deutlichsten hörbare Störgeräusch der analogen Aufnahme­technik ist das Rau­schen. Mit Hilfe der Funktion „Spectral De-noise“ kann dieses Grund­rauschen nach unten „gedrückt“ werden: Wie mit einer Pipette wird ein kurzes Stück „Stille“ (nur das Grund­rauschen ohne Musik oder Sprache), meistens vom Beginn oder Ende, ent­nom­men. Mit Hilfe eines Schwellen­wert­reglers wird die gewünschte Stärke der Rauschunter­drückung eingestellt. Dies ist ver­mutlich der schwie­rigste Schritt der Bearbeitung, da dieser Prozess auch in die Musik oder Sprache ein­greift sowie unerwünschte Artefakte zum Vorschein bringen kann.

6. Schritt: Plötzlich klingt alles viel dumpfer – passiver Equalizer

Auf Grund der bisher erfolgten Bearbeitungsschritte – im Speziellen das Ent­fernen von Knistern und Rauschen – weist die Aufnahme nun Einbußen im Höhen­bereich auf. Um diese wieder „aufzufrischen“ wird nochmal in den Gesamt­sound eingegriffen, indem bei­spielsweise Höhen und Bässe angehoben oder die Mitten etwas abgesenkt werden. Die Ein­stellungen müssen für jede Aufnahme individuell justiert werden.

7. Schritt: Jetzt wird's lauter – Oxford Limiter

Als vorletzten Schritt durchläuft die Aufnahme den „Limiter“, ein dynamik­bear­beitendes Gerät, das den Aus­gangspegel auf einen bestimmten Wert regelt. Die lautes­te Amplitude darf den Wert von -0,2 dBFS nicht über­steigen und dabei maximal eine Reduktion (Limitierung) von 0,5 dB –1 dB erfahren, um den Klang nicht zu ver­fälschen bzw. zu verdichten.

8. Schritt: Speichern und Veröffentlichen

Zuletzt wird die bearbeitete Aufnahme noch einmal mit dem Original verglichen, um die Bearbeitungen zu über­prüfen. Wenn keine Mängel festgestellt wurden und das Knacksen der Ein- und Auslaufrille her­aus­geschnitten wurde, kann das File als Bearbeitung ge­speichert und online veröffentlicht werden.

<p>Signalverbesserung</p> ©

Signalverbesserung

<p>Signalverbesserung</p> ©

Signalverbesserung

<p>Signalverbesserung</p> ©

Signalverbesserung

Und wenn sich die Technik oder Hörgewohnheiten ändern?

Das digitale „Original“ – also das Ergebnis der Digitali­sier­ung liegt im digitalen Lang­zeit­archiv. Weitere, andere und neue Bearbeitungen können so jederzeit hergestellt werden.

(Text: Österreichische Mediathek)