Um die Jahrhundertwende betraten vermehrt auch Frauenfiguren die Opernbühne, die dem geltenden Ideal von Weiblichkeit weniger entsprachen als ihre Vorgängerinnen aus früheren Jahren.
Salome, die Hauptfigur der gleichnamigen Oper von Richard Strauss nach einem Theaterstück von Oskar Wilde, war eine von ihnen. Uraufgeführt 1905 in Dresden, war Salome nicht nur aufgrund ihrer neuartigen Tonsprache umstritten sondern auch der als anstößig empfunden Vorgänge auf der Bühne wegen. Gustav Mahler, Direktor der Wiener Hofoper, hatte für die österreichische Erstaufführung sein Haus vorgesehen, doch die Hofzensur antwortete 1905 ablehnend auf seinen Wunsch, Salome im Haus am Ring herauszubringen. Einerseits wurden religiöse Bedenken, den biblischen Stoff in dieser Weise darzustellen, ins Treffen geführt, andererseits war es vor allem auch die Figur der Salome, die in der direkten Konfrontation mit Jochanaan sehr offen ihr kindlich-sexuelles Begehren ausspricht, die auf Missfallen der Zensurbehörde stieß: „[…] wirkt die Vorführung einer perversen Sinnlichkeit, wie sie in der Figur der Salome verkörpert ist, sittlich verletzend.“ Und später: „[…] die Darstellung von Vorgängen, die in das Gebiet der Sexualpathologie gehören, eignet sich nicht für unsere Hofbühne.“
Mit Tosca, von Giacomo Puccini nach einem Theaterstück von Victorien Sardou (Uraufführung 1900 in Rom) betrat eine Frauenfigur die Bühne, die als Inbegriff der Primadonna gelten kann – eine Sängerinn steht im Mittelpunkt der Handlung, die berühmtesten Interpretinnen ihrer Zeit prägten das jeweils aktuelle Bild dieser Figur – Maria Jeritza war eine von ihnen, geschätzt als Tosca-Interpretin nicht nur vom Publikum, sondern auch vom Komponisten. In dieser Oper dreht sich alles um diese Frauenfigur, sie treibt die Handlung voran, ist aber gleichzeitig auch Spielball ihres männlichen Widerparts – eine der zentralen Frauenstimmen der Opernliteratur.