Pionierinnen der politischen Radioberichterstattung
Ähnlich wie im österreichischen Parlament waren Frauenstimmen auch im österreichischen Rundfunk nach 1955 nur sehr eingeschränkt präsent.
Vor allem die politische Berichterstattung war lange Zeit eine ausschließliche Domäne von männlichen Journalisten.
Nach der Rundfunkreform 1967 änderte sich diese Situation allmählich.
Einige der Radiojournalistinnen, die in dieser Zeit in der politischen Radioberichterstattung eine Pionierinnenrolle einnahmen, sollen hier kurz mit Beispielen aus von ihnen gestalteten Beiträgen und Sendungen zu Wort kommen.
Bereits in der ersten Abendjournal-Sendung vom 2. Oktober 1967 kam eine Journalistin zu Wort. Sie gestaltete am Ende der Sendung einen Beitrag zu einem Thema, das laut Ankündigung von Moderator Hellmuth Bock "nach soviel brennender Politik" besonders für die Hörerinnen interessant wäre:
Ilse Vögl war die erste Frau, die eine Journalsendung im ORF moderierte. Sie war von 1968 an als Nachwuchs-Redakteurin beim Aktuellen Dienst Mitglied der Journale-Redaktion. Ilse Vögl führte ab März 1969 Regie bei Journalsendungen, der älteste erhaltene Journalbeitrag mit ihrer Stimme ist ein von ihr gestaltetes Interview mit Caritaspräsident Ungar über die Hilfe für Opfer der Flutkatastrophe in Ostpakistan. Die erste online verfügbare Journal-Moderation von Ilse Vögl ist das Mittagsjournal vom 13. Mai 1976. Daneben moderierte Ilse Vögl auch fallweise die 1977 eingeführte Sendung "Von Tag zu Tag" sowie andere Sendungen. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte waren die Themen "Frauen" sowie "Religion". Ab Dezember 1982 moderierte sie unter ihrem neuen Namen Ilse Oberhofer. Ilse Oberhofer ging 2001 in Pension.
Der älteste erhaltene Journalbeitrag von Ilse Vögl
Ilse Vögl spricht mit der Feministin Erica Fischer anlässlich des Internationalen Frauentages
Ausschnitt aus dem Mittagsjournal vom 13. Mai 1976
Die Zeitungsredakteurin Dolores Bauer wurde 1968 eingeladen, den Aktuellen Dienst des ORF mit aufzubauen. Als erste Frau gestaltete sie ab März 1968 Beiträge für die Journalsendungen des ORF in den Bereichen Kultur, Religion und Politik.
Ab Herbst 1968 arbeitete sie als leitende Redakteurin in der Abteilung "Dokumentation und Zeitgeschehen". Ebenfalls 1968 begann sie mit ihrer eigenen Sendung "Im Brennpunkt".
Dolores Bauer leitete 1972 das damals neu eingeführte Pressegespräch. Sie war damit die erste Frau im österreichischen Fernsehen, die eine politische Diskussionssendung leitete.
Dolores Bauer war von 1987 bis 1988 Landtagsabgeordnete für die ÖVP in Wien und arbeitete danach bis zu ihrer Pensionierung 1999 wieder beim ORF zu ihren Schwerpunktthemen Religion und Entwicklungspolitik.
Sie starb am 23. Juni 2010.
Aus einem Radioporträt aus dem jahr 2002.
Der älteste erhaltene Journalbeitrag von Dolores Bauer.
Dolores Bauer spricht mit Melina Mercouri
Beginn einer Sendung aus 1975 über Antisemitismus in Österreich.
Heidi Grundmann gestaltete von 1969 bis 1986 Kulturbeiträge für Journalsendungen. 1976 gründete sie die Sendereihe "Kultur Heute" sowie im Jahr 1987 die Sendereihe "Kunstradio – Radiokunst", die sie bis 1998 leitete. Seit den 1980er Jahren kuratiert Gundmann Ausstellungen und organisiert Symposien.
Aufnahme aus dem Jahr 1991
Der älteste erhaltene Kulturbeitrag von Heidi Grundmann aus dem Jahr 1969
Ursula Stenzel gestaltete von 1972 bis 1973 Beiträge für Journalsendungen. Sie wurde bekannt als langjährige Moderatorin der "Zeit im Bild" im Fernsehen. Stenzel kehrte 1995 als Moderatorin zu den Journalsendungen zurück. Sie wechselte Mitte 1996 als ÖVP-Kandidatin für die Europa-Wahlen in die Politik.
Ausschnitt aus dem Mittagsjournal vom 29. Jänner 1972 (ältester erhaltener Journalbeitrag von Ursula Stenzel)
Beginn der Zeit im Bild 1 vom 30. April 1986 [Ausschnitt]