Die letzten Jahre der Direktion Mahler waren von modellhaften Aufführungen in Zusammenarbeit mit dem für Bühnenbild und Kostüme verantwortlichen Alfred Roller sowie zunehmenden Angriffen und Konflikten gekennzeichnet. Obwohl Mahler in seinen letzten vier Spielzeiten rund 150 Vorstellungen an der Hofoper dirigierte, widmete er sich daneben in zunehmendem Maß auch den Aufführungen seiner eigenen Werke.
Kritik an der Abwesenheit des Direktors, Konflikte mit Sängerinnen und Sängern oder mit der Bürokratie der Generalintendanz wurden von einer z. T. antisemitischen Presse gerne aufgegriffen und trugen, ebenso wie Mahlers manchmal kompromisslose Art dazu bei, seine Position zu schwächen. Dazu kamen private Schicksalsschläge, wie der Tod seiner Tochter Maria 1907 und die im selben Jahr diagnostizierte Herzerkrankung. All dies führte dazu, dass Mahler demissionierte.
Am 15. Oktober 1907 dirigierte er seine letzte Vorstellung an der Wiener Hofoper: Beethovens Fidelio (mit Anna von Mildenburg als Leonore und Georg Maikl als Florestan). Mahler zu seinem Abgang: „Es ist also zunächst völlig unwahr, daß mich irgendwelche ‚Affairen‘ gestürzt hätten. Ich bin überhaupt nicht gestürzt worden. Ich gehe aus eigenem Antriebe, weil ich meine völlige Unabhängigkeit erreichen will. Und dann auch, und dies in erster Reihe, weil ich zu der Erkenntnis gekommen bin, daß die Opernbühne an sich eine Institution ist, der für die Dauer nicht beizukommen ist. Kein Theater der Welt ist auf einer solchen Höhe zu erhalten, daß eine Vorstellung der anderen gleiche. Das ist es aber, was mich vom Theater abstößt. Denn ich wünsche natürlich alle Vorstellungen auf gleicher Höhe zu sehen, also ein Ideal zu erreichen, welches eben nicht zu erreichen ist. Das hat vor mir niemand können, es wird es nach mir niemand fertig bringen.“ (1907).
Im Dezember 1907 verabschiedete sich Mahler von den Mitgliedern der Hofoper in einem offenen Brief: „Die Stunde ist gekommen, die unserer gemeinsamen Tätigkeit eine Grenze setzt. Ich scheide von der Werkstatt, die mir lieb geworden, und sage Ihnen hiemit Lebewohl. Statt eines Ganzen, Abgeschlossenen, wie ich geträumt, hinterlasse ich Stückwerk, Unvollendetes: Wie es dem Menschen bestimmt ist. Es ist nicht meine Sache, ein Urteil darüber abzugeben, was mein Wirken denjenigen geworden ist, denen es gewidmet war. Doch darf ich in solchem Augenblick von mir sagen: Ich habe es redlich gemeint, mein Ziel hochgesteckt. Nicht immer konnten meine Bemühungen von Erfolg gekrönt sein. ‚Dem Widerstand der Materie‘ – ‚der Tücke des Objekts‘ ist niemand so überantwortet wie der ausübende Künstler. Aber immer habe ich mein Ganzes darangesetzt, meine Person der Sache, meine Neigungen der Pflicht untergeordnet. Ich habe mich nicht geschont und durfte daher auch von den anderen die Anspannung aller Kräfte fordern. Im Gedränge des Kampfes, in der Hitze des Augenblicks blieben Ihnen und mir nicht Wunden, nicht Irrungen erspart. Aber war ein Werk gelungen, eine Aufgabe gelöst, so vergaßen wir alle Not und Mühe, fühlten uns reich belohnt – auch ohne äußere Zeichen des Erfolges. Wir sind alle weiter gekommen und mit uns das Institut, dem unsere Bestrebungen galten. Haben Sie nun herzlichsten Dank, die mich in meiner schwierigen, oft nicht dankbaren Aufgabe gefördert, die mitgeholfen, mitgestritten haben. Nehmen Sie meine aufrichtigsten Wünsche für Ihren ferneren Lebensweg und für das Gedeihen des Hofoperntheaters, dessen Schicksal ich auch weiterhin mit regster Anteilnahme begleiten werde.“
Die Hugenotten
Mahlers Abgang von der Hofoper war eine Zäsur für das Wiener Musikleben. Als er am 9. Dezember 1907 aus Wien abreiste, um sein Engagement an der Metropolitan Opera in New York anzutreten, versammelten sich seine Anhänger_innen am Westbahnhof, um sich von einer prägenden Persönlichkeit des Wiener Musiklebens zu verabschieden: „Nichts Künstliches mischte sich ein: nur der gebietende Wunsch war in allen rege, den noch zu sehen, dem man so vieles dankte … Der Zug bewegte sich. Und Gustav Klimt sprach aus, was alle bangend und von einer großen Zeit empfanden: ‚Vorbei!‘“ (Paul Grünfeldt, 1913).
Don Giovanni
Don Giovanni
Lohengrin
Tannhäuser