In der Reihe The Archivist’s Choice erzählen Mitarbeiter_innen der Österreichischen Mediathek monatlich von ihren ganz persönlichen Archiv-Highlights, Aha-Momenten und Lieblingsaufnahmen, die ihnen bei ihrer Arbeit in einem der größten Medienarchive Österreichs begegnen.
Medienarchivar_innen evaluieren, sortieren, schlichten, digitalisieren, katalogisieren, beschreiben, speichern, präsentieren, skartieren – und haben dabei mit überraschenden, einzigarten, besonderen oder auch ganz alltäglichen Aufnahmen zu tun. The Archivist's Choice versammelt einige davon und präsentiert jeden Monat einen neuen und persönlichen Einblick in die Sammlungen der Österreichischen Mediathek.
„Günther Schifter hat die Platten ins Funkhaus getragen und wird das nächste Woche auch wieder tun, die alten schweren Platten herschleppen, Sie wissen schon welche, diese Schellacks und Schellacks und Schellacks …“
Gabriele Fröschl leitet die Österreichische Mediathek und hat noch Günther Schifters Lachen im Ohr - und seine "Nachrichten von damals", die mit ihrem bunten Mix an Information neugierig gemacht haben.
Die Sendungen von Günther Schifter gehören für viele zu prägenden Radioerinnerungen. Das liegt nicht nur an seiner charakteristischen und unverwechselbaren Stimme, sondern vor allem an der hörbaren Leidenschaft für Jazz und Swing, mit der er seine Zuhörer_innen akustisch in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hineinziehen konnte.
Dieses Interesse setzt bei dem am 23.12.1923 geborenen Günther Schifter in der Kindheit ein und er beginnt schon in sehr jungen Jahren mit dem Aufbau seiner Schellacksammlung, die sich heute in der Österreichischen Mediathek befindet. Diese Sammlung ist auch die Grundlage seiner ersten Radiosendungen, als er am 1. Jänner 1949 beim Sender Rot-Weiß-Rot zu arbeiten beginnt. Günther Schifter moderiert "Der alte Plattenmann", "Klingende Kleinigkeiten", "Sandmann Serenade" und "Swing und Sweet".
1967 wird in Österreich mit der Einführung des Senders Ö3 eine modernere Programmschiene geschaffen und Günther Schifter gestaltet für den Sender die Sendung "Music Hall" (später „Günther Schifters Schellacks“) und greift dafür wieder auf seine Schellacksammlung zurück. "Walk, Jenny, Walk" ist die Signation dieser wöchentlichen Sendung, in der nicht nur Musik gespielt wird, sondern in der auch "Nachrichten von damals" präsentiert werden, was von politischen Ereignissen über Kinoprogramme und Sportnachrichten bis hin zu Lebensmittelpreisen der Vorkriegs- oder Kriegszeit reicht. Diese Sendungen bieten nicht nur musikalische Raritäten für Jazz- und Swingbegeisterte sowie Schellacksammler_innen, sondern sind ganz nebenbei auch eine kurzweilige und unterhaltsam gestaltete Geschichtsstunde.
1995
Die kurze ORF-Radiosendung „Was denken Sie?“, griff in etwa eineinhalb Minuten meist Themen des Alltags und Zusammenlebens auf, z.B. die zu hohe Lautstärke bei Fernsehgeräten. Gesprochen wurde diese Sendung von dem bekannten ORF-Moderator Peter Fichna (1931-2021).
Der Archivar Robert Pfundner übernimmt vielfältige AV-Sammlungen und taucht bei der Evaluierung derselben – wenn auch oft nur an der Oberfläche – in unterschiedlichste Themen ab. Und ja: Er fährt ausschließlich mit dem Fahrrad oder der U-Bahn in die Arbeit.
Bis heute ist die städtische Verkehrsplanung in Dänemark und den Niederlanden ein Vorbild, aber bereits vor etwa 45 Jahren wollte man im Radio auch die Österreicher*innen zum Umdenken und Umsteigen bewegen, indem man aufzeigt, dass in anderen Städten/Ländern eine fortschrittlichere Verkehrsplanung gedacht wird. Die Eröffnung einer Teilstrecke der U-Bahnlinie U1 und die dadurch schnellere Möglichkeit der Fortbewegung in der Stadt war ausschlaggebend, ein Umdenken der Verkehrspolitik parallel zum weiteren Ausbau des Wiener U-Bahnnetzes anzuregen. Es ist bemerkenswert, dass damals auch schon etwas Ungeduld mitschwingt.
Über den Verkehr in der Großstadt, insbesondere in Wien.
Die Radiosendung stammt höchstwahrscheinlich aus dem Jahr 1978. In diesem Jahr wurde am 25. Februar die erste Teilstrecke der U1 in Wien von Reumannplatz bis Karlsplatz eröffnet. Neun Monate später, ab 18. November, fuhr die U1 noch um eine Station weiter, bis zum Stephansplatz.
Von privaten Sammlern auf Tonband aufgenommene Radiosendungen werden häufig der Österreichischen Mediathek übergeben. Sie stellen eine wichtige historische Quelle zur Radiogeschichte dar und sind eine konservierte, reproduzierbare Erinnerung an vergangene Jahrzehnte.
In diesem Fall stammt der Ausschnitt aus einem Tonband mit Radiosendungsschnipsel aus einer Sammlung von mehreren Tonbändern. Diese wurden ursprünglich beim Eumig-Museum in Niederösterreich deponiert und von diesem an die Österreichische Mediathek weitergegeben.
Das berühmteste Werk von Karl Kraus, gelesen in Ausschnitten in der einzigartigen Interpretation von Helmut Qualtinger bestätigt, was Aristoteles in der Metaphysik sagt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.
Anton Hubauer ist „Allrounder“ der Österreichischen Mediathek. Von Webausstellungen, Sammlungsevaluierung, Digitalisierung und Katalogisierung bis zum Publikumsbetrieb reicht sein Aufgabenbereich.
Helmut Qualtinger wäre am 8. Oktober 95 Jahre alt geworden. Grund genug für mich Aufnahmen dieses österreichischsten Genies von Kabarett, Bühne und Film, kurz der darstellenden Kunst, aber auch des geschriebenen Wortes, auszuwählen.
Hier kommt ein zweiter Gigant der Sprache ins Spiel, kein anderer als der wohl größte deutschsprachige Satiriker und strengste Kritiker eines nachlässigen Umgangs mit der deutschen Sprache, als ein Zeichen für einen nachlässigen Umgang mit der Welt, Karl Kraus.
Aber nicht irgendein Stück von Karl Kraus, sondern „Die letzten Tage der Menschheit“. Das satirisch-apokalyptische Drama über den Ersten Weltkrieg entstand in den Jahren von 1915 bis 1922. Kraus schrieb im Vorwort, das Stück „sei einem Marstheater zugedacht“, weil ein normales Publikum ihm nicht standhalten könne.
Helmut Qualtinger hat über einen Zeitraum von über 30 Jahren immer wieder daraus gelesen. Wie es bei einem Werk der Weltliteratur selten der Fall ist, wurde ein Interpret zum „Alleininterpreten“.
Nicht, dass es andere nicht probiert hätten. Die unterschiedlichen Versuche, diesem Werk gerecht zu werden, reichen von Aufführungen in Auszügen bis hin zu mehreren Abenden für das gesamte Stück.
Aber egal wie aufwendig, lange und personalintensiv die Inszenierungen auch waren, nie entstand die „Versuchsstation für den Weltuntergang“, wie Karl Kraus Österreich-Ungarn mehrfach bezeichnete, so präzise, präsent, fühlbar, ja greifbar, wie durch die Stimme und Mimik von Helmut Qualtinger. Legion die Figuren des Stückes, denen er am treffendsten Leben einhauchte.
Bei den ausgewählten Szenen muss man auf das Minenspiel des Vortragenden verzichten, es handelt sich um die Audio-Einspielung aus den 60er Jahren für Preisser-Records. Aber die Stimme allein genügt, um Witz und Aberwitz, Unsinn, Irrsinn und Wahnsinn, die großen und kleinen Verbrechen und Verbrecher des Ersten Weltkrieges, des Krieges überhaupt, zum Leben zu erwecken.
Die Österreichische Mediathek sammelt nicht nur aktiv Radioaufnahmen der letzten Jahrzehnte, sondern immer wieder auch das für solche Sendungen produzierte Rohmaterial. Eine kulinarische Spezialität kann hierfür als Beispiel dienen.
Der Audioarchivar Stefan Kaltseis sorgt gemeinsam mit seinem Team dafür, dass Unveröffentlichtes erhalten und Rohfassungen zugänglich bleiben. Und ja: Er isst auch gerne Wurstsemmeln.
Eine Suchabfrage im internen Katalog der Österreichischen Mediathek zu den beiden Begriffen „Wurstsemmel“ und „Doblhofer“ liefert 31 Ergebnisse. Die Wurstsemmel ist vertraut, doch Doblhofer?
Der Journalist und Psychotherapeut Hannes Doblhofer führte zahlreiche Interviews zu den unterschiedlichsten Themenbereichen: beispielsweise über die Haut, das Schlagzeug, den Balkon, über Hunde oder die Pause in der Musik.
Hannes Doblhofer ist im Jahr 2011 verstorben und hinterließ mehr als 1300 Audiokassetten und etwa ebenso viele Tonbänder, die als Nachlass an die Österreichische Mediathek kamen, hier archiviert und digitalisiert wurden und vor Ort angehört werden können. Die aufgezeichneten Gespräche mit unterschiedlichsten Personen waren geprägt von ungewöhnlichen Fragestellungen, immer angetrieben durch eine spürbare Neugier, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dieses Rohmaterial bildete die Grundlage für eine Reihe von Radiofeatures.
Im Mai 1997 erschien in der Ö1-Reihe „Hörbilder“ eine Sendung mit dem Titel „die Wurstsemmel“. Wie diese Radiosendung entstand, lässt sich anhand der 31 erwähnten Aufnahmen nachzeichnen. Nach den eigentlichen Gesprächen zu völlig anderen Themen stellte Doblhofer abschließend seinen Gesprächspartner:innen immer die überraschende Frage, was sie denn von der Wurstsemmel hielten. Von herzhaftem Zuspruch zu dezidierter Abneigung reichten die Antworten. Die Frage des Journalisten ist im fertigen Feature ausgeblendet. Allein die Antworten zeichnen ein vielschichtiges Bild, das den Hörer:innen das Thema greifbar und in diesem Fall, brillant und humorvoll in Szene gesetzt, durchaus genießbar macht. Gerade bei der Wurstsemmel geht dieses Bild weit über das eigentliche Sujet hinaus. Erzählt wird neben persönlichen biographischen Einblicken auch eine Ernährungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Österreichs des ausgehenden 20. Jahrhunderts.
Das Feature über die Wurstsemmel ist weniger Gaumengenuss als vielmehr Ohrenschmaus. Besonders jetzt, wo das Wetter wieder kühler wird und die leiblichen Gelüste nach etwas Deftigerem verlangen, keine schlechte Mahlzeit! Mit oder ohne Gurkerl.
Auch ein zu Unterrichtszwecken gestaltetes Themenpaket zur Ernährungsgeschichte, das sich ausführlich dem Thema der Wurstsemmel widmet, kann auf der Website der Österreichischen Mediathek nachgelesen werden.
Ein vermutlich sendefähig gewesener Teil und ein ungeschnittener Teil mit "Hoppalas" einer Radioreportage des Radiosenders "Rot-Weiß-Rot" vom 21. Juni 1950 über die Wiedereröffnung des in den letzten Kriegswochen durch Bombentreffer zerstörten Freibades "Gänsehäufel" an der Alten Donau in Wien.
Peter Ploteny vertieft sich unter anderem in die rechtlichen Möglichkeiten der Verwendung von audiovisuellen Medien, hört und sieht gerne historische Tondokumente und Videodokumente.
Vermutlich sendefähig gewesener Teil der Tonbandaufnahme im Gänsehäufel.
Gesamtes erhaltenes Dokument. Abspielmarker steht auf Position des ungeschnittenen Teils der Aufnahme mit "Hoppalas".
Bei, wie in der Reportage berichtet, strömendem Regen wurde am 21. Juni 1950 nach nur zwei Jahren Bauzeit, nach vollständiger Zerstörung durch Bombentreffer in den letzten Kriegswochen, das Freibad an der Alten Donau in Wien wiedereröffnet. Es wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts vom als „Naturheiler“ bekannt gewesenen Florian Berndl entdeckt und als Badestrand genutzt. 1907 wurde das Strandbad von der Stadt Wien übernommen, erweitert und modernisiert. Auf 330.000 Quadratmeter Fläche können heute bis zu 30.000 Menschen täglich dieses bekannte, öffentliche Freibad besuchen.
Die unter Kontrolle der US-amerikanischen Besatzungsbehörde stehende Sendergruppe Rot-Weiß-Rot (RWR) strahlte nach Inbetriebnahme des Radiosenders in Salzburg im Juni 1945 auch in Wien ab November 1945 ihr Programm aus. Ende Juli 1955 stellte RWR-Wien seinen Sendebetrieb ein. Schließlich wurden alle zwischen 1945 und 1955 auch von den weiteren Alliierten betriebenen Radiosender vom ORF übernommen.
Anhand dieser hier vorgestellten Tonbandaufnahme von 1950 ist hör- und erkennbar, dass Radio damals schon seit über zwei Jahrzehnten kein reines Live-Medium mehr war.
In den 1990er Jahren konnte die Österreichische Mediathek über 200, erhalten gebliebene, originale Tonbänder von Radio Rot-Weiß-Rot zur Archivierung übernehmen, von denen viele auch online anhörbar sind.
Luisa Tetrazzini war eine der weltweit berühmtesten Opernsängerinnen der vorletzten Jarhrhundertwende. Sie sang mit Enrico Caruso in New York und trat zu Weihnachten 2010 in San Francisco auf der Straße vor über 100.000 Zuhörer_innen auf. Ihr lang erwarteter erster Auftritt in Wien wurde von der Kritik eher zwiespältig bewertet, ihre Schellackeinspielungen können bis heute nachgehört werden und nach ihr wurde auch ein Nudelgericht benannt ...
Johannes Kapeller hört gern historische Schallplatten und interessiert sich für die dahinter verborgenen Geschichten und Anekdoten, die rund um diese Aufnahmen entdeckt werden können.
Die Schellackeinspielung von "Io son Titania" aus der Oper Mignon aus dem Jahr 1911 gilt als eine der besten Aufnahmen Luisa Tetrazzinis.
Sie sang dieses Stück auch live bei ihrem einzigen Auftritt in Wien im Jahr 1913 im Konzerthaus.
Im Magazin der Österreichischen Mediathek befinden sich über 40 Aufnahmen der italienischen Opernsängerin Luisa Tetrazzini.
Die 1871 in Florenz geborene Sängerin sang einige Jahre sehr erfolgreich in den Vereinigten Staaten, war eine Bühnenpartnerin von Enrico Caruso und wurde weltberühmt durch einen Auftritt zu Weihnachten 1910. Aus Protest gegen ein zeitweiliges Auftrittsverbot in New York gab sie auf offener Straße ein freies Konzert in der Innenstadt von San Francisco vor 100.000 bis 200.000 Zuhörer_innen. Von diesem Ereignis berichtete sogar die Grazer Tagespost.
Am 19. November 1913 sang die Tetrazzini um 20 Uhr im Großen Saal des Konzerthauses in Wien. Dieser erste Wien-Auftritt der weltberühmten Operndiva war lange erwartet worden, in den Zeitungen der Monarchie wurde bereits Monate davor auf das Konzert hingewiesen. Das dominierende Thema der Berichterstattung war die Rekordgage der Tetrazzini: Für den einmaligen Auftritt erhielt die Sängerin anscheinend eine Gage von 15.000 Kronen, was 1913 ca. das 10-fache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens darstellte.
Die Presse- und Kritikerreaktionen zu diesem besonderen Konzertereignis waren danach eher durchwachsen bis enttäuscht, hervorgehoben wurde ihre Technik, vermisst wurde ihre Seele. Das Salzburger Volksblatt verstieg sich sogar zu der Kritik, Tetrazzini wäre zu alt, hätte Wien zu spät besucht. Tetrazzini trat nie wieder in Wien auf.
Luisa Tetrazzini gab noch einige Jahre erfolgreich Konzerte und nahm auch noch Schallplatten auf. Sie starb verarmt im Jahr 1940 in Mailand.
100 Jahre nach ihren großen Erfolgen können ihre Aufnahmen immer noch nachgehört werden.
Bekanntheit bis über ihren Tod hinaus erlangte sie außerdem durch "Pasta Tetrazzini", ein Nudelgericht, das nach ihrem Auftritt in San Francisco nach ihr benannt worden war.
Damit intelligente Wesen in fernen Zeiten und Galaxien vom Planeten Erde und der Menschheit erfahren können, auch wenn beide längst verschwunden sind, schickte die NASA 1977 zwei goldene Schallplatten ins All, darunter auch die Audiobotschaft eines bekannten Österreichers.
Eva Hallama sammelt Audiobriefe, vor allem solche, die weite Wege zurückgelegt haben und von einer fernen Welt zeugen, die nicht vergessen werden will.
Als Generalsekretär der UNO sprach er die erste Audiospur der Golden Record, die mit den Raumsonden Voyager 1 und 2 im Jahr 1977 ins All geschossen wurde. Im Namen der Menschen des Planeten Erde schickte er Grüße des Friedens und der Hoffnung an eine um Lichtjahre entfernte Zukunft, an unbekannte außerirdische Wesen im interstellaren Raum.
Wie immer bei Audiobriefen benötigen die Empfänger:innen ein Abspielgerät, um die Nachricht hören zu können. Ein Plattenspieler befindet sich zwar nicht an Bord der Voyager, aber Nadeln und eine symbolische Anleitung, wie diese Platten abgespielt und dekodiert werden können.
Auf der Platte sind auch über 100 analoge Bilder gespeichert, die über die Menschheit, deren Anatomie und Errungenschaften in Kunst, Wissenschaft und Sport Aufschluss geben sollen. Als Audioaufnahmen sind neben der Botschaft Waldheims gesprochene Grüße in 55 Sprachen, außerdem verschiedene Geräusche der Erde wie Wind, Donner und Tiergeräusche zu hören. Sofern sie die Bedienungsanleitung verstanden haben, können die intelligenten Wesen anschließend, auch noch in mehreren Millionen Jahren, der Musik von Bach, Beethoven oder Mozart lauschen.
Die Platte hat einen Durchmesser von 30 Zentimetern, sie ist aus Kupfer und hat eine vergoldete Schutzhülle, die ein Isotop enhält, das mit der Zeit zerfällt. Dieses kann den Außerirdischen, sollte die Platte tatsächlich Empfänger:innen finden, bei der Bestimmung des Alters behilflich sein.
Kurt Waldheim hat sich in die Geschichte Österreichs vor allem als Präsidentschaftskandidat mit der verschwiegenen NS-Vergangenheit eingeschrieben. Aber fast genau 10 Jahre vor seinem umstrittenen Präsidentschaftswahlkampf, als seine SA-Mitgliedschaft noch ein gut gehütetes Geheimnis war, verewigte er sich mit einer Grußbotschaft auf einer besonderen Schallplatte.
Was wäre ein Archiv ohne Nummern? Die Signaturnummer und was sie uns verrät…
Marion Jaks beschäftigt sich als digitale Archivarin mit der Langzeitarchivierung unserer Files, frönt dabei noch immer ihrer Leidenschaft der Videoarchivierung, und kann so ihrer Freude an Problemlösungen und technischen Herausforderungen nachgehen.
Nummern sind es, die eine Sammlung von einer Ansammlung unterscheiden. Die Signaturnummer ist der Wegweiser zu den Archivalien der Österreichischen Mediathek. Sie ist eine eindeutige Nummer, die einem bestimmten Archivobjekt zugeordnet ist und mittels derer man das gesuchte Medium in der Aufstellungsordnung der OEM finden kann. Der Begriff „Signatur“ entstammt ursprünglich dem Bibliothekskontext, wo sie zur Kennzeichnung eines Buches verwendet wird.
Im Sprachgebrauch der Mediathek steht die Signaturnummer oft für das Objekt selbst. Ein typisches Telefonat in der OEM beinhaltet oft einen Satz: „Kannst du mir bitte die Signatur ansagen?“ Spätestens jetzt weiß man, das Gegenüber hat bereits die Katalog-Datenbank geöffnet und ist bereit für eine Spurensuche. Die Signatur ist die Nummer, unter der jeder Arbeitsschritt und jede Information zu diesem Objekt in der digitalen Langzeitsicherung zu finden ist. Das analoge Medium ist somit über die Signatur mit ihren digitalen Ausprägungen verbunden: die Signaturnummer ist die Brücke in die digitale Welt. Genauso wie man mit einer Signaturnummer in die Depoträume gehen kann, um eine bestimmte Videokassette zu finden, kann man sich mit dieser Nummer virtuell auf unseren Serversystemen bewegen und alles Digitale zu dem Objekt herausfinden.
Die Signaturen der OEM beginnen in der Regel mit einem Präfix – einer Nummer bzw. Nummern-Buchstaben-Kombination, die für eine bestimmte Medienart steht.
Für diesen Text folgen wir dem Beispiel der Signaturnummer „V-04402“. Diese Signatur steht für eine bestimmte VHS-Kassette. Das erkennen wir an dem Präfix „V“. Nach dem Präfix folgt eine 5-stellige fortlaufende Nummer – auch „Nummerus Currens“ genannt.
Mit dem Präfix wissen wir nun, dass wir dieses Medium in der Aufstellung der VHS-Kassetten finden. Darüber hinaus gibt das Präfix darüber Auskunft, was in der digitalen Ausprägung der Kassette zu erwarten ist: nämlich eine Videoaufnahme, die durch die Arbeitsschritte der Videodigitalisierung gegangen ist.
Im digitalen Archiv kann die Signatur durch Suffixe ergänzt sein, welche Relationen der Files zum analogen Medium beschreiben, wie hier das Suffix "01", das beschreibt, dass es sich um das erste Inhaltssegment auf dem analogen Träger handelt.
Mit der Signatur kann das gesuchte Medium als exakter Treffer in der Katalogdatenbank der OEM gefunden werden. Hier erfährt man, dass es sich um eine Eigenaufnahme der Österreichischen Mediathek aus dem Jahr 1990 handelt, wo eine Fahrt mit dem D-Wagen und der damalige Wiener Südbahnhof auf Video festgehalten wurde. Nun können wir nach dieser Signatur in der Verwaltung der digitalen Langzeitarchivierung „MEDIAS“ suchen und finden eine Übersicht aller digitalen Ausprägungen, dieser Videoaufnahme: von Archivmaster, Ansichtskopie, bis hin zu unserer öffentlich zugänglichen Kopie auf unserer Website, die in diesem Beitrag verlinkt ist.
Viel Freude bei der Fahrt mit dem D-Wagen!
So lautet der Titel eines 1952/53 produzierten Films, der Selbstbedienung im Lebensmittelhandel als Nonplusultra des Einkaufens anpries. Neben dem Entstehungskontext finde ich spannend, wie die neue Praxis der Selbstbedienung visualisiert und Einkaufen gesellschafts- und geschlechterpolitisch verhandelt wurde.
Christina Linsboth arbeitet im Sammlungs- und Webteam der Österreichischen Mediathek, hat ein Faible für konsumhistorische Themen und mag die Vielschichtigkeit audiovisueller Quellen.
Ausschnitt aus „Einkaufen leicht gemacht“ (1952/53)
Einkaufen leicht gemacht ist die deutsche Fassung eines in Dänemark bzw. Frankreich entstandenen Films, wurde vom Österreichischen Produktivitätszentrum bzw. seinem Filmdienst verbreitet und sollte wie die anderen Filme des Zentrums – der Name sagt es schon – dazu beitragen, die wirtschaftliche Produktivität und Rationalität zu steigern. Wesentliches Ziel war aber vor allem, die Anstrengungen des Marshall-Plans deutlich und die Zuseher_innen mit dem US-amerikanischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem vertraut zu machen.
Als Einkaufen leicht gemacht 1953 erstmals gezeigt wurde, war in Österreich Selbstbedienung im Lebensmittelhandel noch kaum verbreitet. Im Mai 1950 hatte das erste Geschäft in Linz eröffnet, rund einen Monat später folgten zwei Läden in Graz, Ende des Jahres einer in Wien. Die Salzburger Nachrichten fragten sich zu diesem Zeitpunkt noch, „ob das österreichische Publikum dauernd an einer Selbstbedienung Gefallen finden“ würde. 1953 war ein Jahr, in dem sich die Lebensmittelversorgung in Wien stabilisierte, auch wenn Konsumverzicht und Sparsamkeit zentrale Erfahrungen blieben. Wer mehr verdiente, konnte sich mehr und hochwertigere Nahrungsmittel leisten oder an die Anschaffung langlebiger Konsumgüter wie Haushaltsgeräte denken.
Die visuellen, musikalischen und sprachlichen Strategien, mit denen der Film den „Fortschritt“ im Einzelhandels- und Konsumbereich präsentiert, verdienen einen näheren Blick. Beachtenswert sind auch der Topos der modernen (Hausfrau-)Konsumentin inklusive männlicher Erzählstimme oder das Versprechen, als Konsumentin über die eigene Zeit verfügen und die Produktwahl bestimmen zu können. Dazu greift der Film langlebige Erzählmuster, indem er beispielsweise neue Formen des Verkaufs – in diesem Fall die Selbstbedienung – in Abgrenzung zu „Großmutters Zeiten“ bewirbt und Einkaufen zwischen belastender Routine und lustvollem Shopping ansiedelt.
Hier finden Sie weitere Filme des ÖPWZ (etwa zum Kraftwerkbau).
Im Archiv der Österreichischen Mediathek ruhen einige Tonaufnahmen von einem Altwiener Mythos – der Burgmusik, damals bekannt und beliebt als „Burgmurrer". Die Musikkapellen zweier Infanterie-Regimenter sorgten mit ihrer Marschmusik für eine eindrucksvolle Klangkulisse.
Rainer Hubert hat die „Burgmusik“ immer wieder im Rahmen verschiedener Lehrgänge vorgeführt, weil sich manche historische und mediale Sachverhalte mit dieser „Live-Aufnahme“ von anno dazumal gut erläutern lassen.
Was einst, vor dem Ersten Weltkrieg, alltäglich war, ist Jahrzehnte später nicht einmal mehr vage Erinnerung: die Burgmusik in der Wiener Hofburg! Um die Mittagszeit fand täglich die Wachablöse statt: das eine, den Sitz des Kaisers bewachende Regiment verlässt mit klingendem Spiel den Inneren Burghof und wird von einem anderen abgelöst, das nun den Wachdienst übernimmt. – Die Militärkapellen und die bunten Uniformen sind ein Spektakel für Augen und Ohren von Menschen, die dabei nicht an Krieg und Tod denken oder nicht denken wollten. Noch herrscht Friede, Friede schon seit Jahrzehnten. Wenige Jahre – und all das wird in Blut und Grauen untergehen.
Es ist daher das Echo aus einer ganz anderen Welt, das uns anweht, wenn wir diese Wachablöse im Tondokument heute anhören – die Kommandos, die Jubelrufe aus dem Publikum, samt Kaiserhymne und Regimentsmärschen. Ein Echo, das einen sehr sinnlichen Zugang zur Vergangenheit vermittelt – eine ganz andere Art von Information, als etwa schriftliche Beschreibungen von diesem täglichen Ereignis. – Die Klangkulisse der Wachablöse ist mehrmals mit unterschiedlichen Militärkapellen aufgenommen worden und fand in Form von Wachszylindern und Schellackplatten den Weg zu den Abspielgeräten in den bürgerlichen Wohnungen.
Nicht nur der Ablauf der Wachablöse ist hoch formalisiert, sondern auch die Aufnahmen folgen einem bestimmten Schema: Jeweils an dramaturgisch passender Stelle ertönt – naiv gestellt – Jubel oder ein „Bravo!“ aus dem Publikum. – Der zentrale Punkt des Ablaufes – neben den Kommandos – ist das Anspielen der Kaiserhymne: Das „Gott erhalte!“, die „Volkshymne", also das zentrale musikalische Identifikationsmerkmal der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Haydn-Hymne mit einem Text, der jeweils in leicht veränderter Form auf den regierenden Herrscher zugeschnitten wurde: „Gott erhalte, Gott beschütze Unsern Kaiser, Unser Land!“. – Heute ist die Melodie die Hymne Deutschlands, eine verwirrende musikalisch-politische Umpolung.
Aufziehen und Ablösen der Burgwache in Wien.
Hörbild
Aufziehen und Ablösen der Burgwache in Wien.
Columbia
Aufziehen und Ablösen der Burgwache in Wien.
Zonophone Record
Kapelle des Infanterie-Regimentes No. 51 Freiherr von Probszt
Aufziehen und Ablösen der Burgwache.
Kapelle des Infanterie-Regimentes No. 51 Freiherr von Probszt (andere Einspielung)
Aufziehen und Ablösen der Burgwache.
Kapelle des Infanterie-Regimentes No. 8 Erzherzog Karl Stefan
Die längste lebensgeschichtliche Erzählung, die die Sammlung MenschenLeben zu bieten hat, ist mein Archivist’s Choice. Aber nicht die Dauer fasziniert, sondern der Esprit, den der 101-jährige Eric Sanders im 38-stündigen Zoom-Interview mit Bernadette Edtmaier versprüht.
Johanna Zechner leitet das Oral-History Projekt MenschenLeben an der Österreichischen Mediathek, hat ein beruflich bedingtes Interesse für biografische Erzählungen sowie eine biografisch bedingte Schwäche für britisches Englisch.
Als Kind wurde Eric von allen Erich genannt. Obwohl er Ignaz hieß, erzählt er. Dass dem so sei, erfuhr er erst bei seiner Schuleinschreibung, zu der ihn seine „schöne Mutti“ begleitet hatte. Woran sich Eric Sanders erinnert, ist zum Zeitpunkt der Erzählung 95 Jahre her. Sein Wohnort und seine Schule im 15. Bezirk in Wien lagen 300 Meter Luftlinie von jener Volkschule entfernt, die meine Tochter heute besucht. Gehe ich vielleicht dieselben Wege wie dieser Mann vor einem Jahrhundert? Mit dem Unterschied, dass ich es nicht verlassen musste, mein Wien?
Eric Sanders hat seine Geschichte oft erzählt. Und er hatte allen Grund dazu: 1919 in Wien als Ignaz Schwarz geboren und aufgewachsen, gelang ihm 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten und die Emigration nach England. Dort arbeitete er zuerst als Volunteer im German Jewish Aid Committee, dann als Landarbeiter und folgte, zornig auf die Nationalsozialisten und enttäuscht über sein Herkunftsland, im Februar 1940 einem Radioaufruf zum Eintritt in die britische Armee, wo er u. a. einer Spezialeinsatztruppe des British Secret Service diente. 1946/1947 verbrachte er als Besatzungssoldat einige Monate in Wien. Seine Ankunft am Westbahnhof, von wo er 1938 seine Flucht antrat, war eine emotionale Erfahrung, wie er im Interview schildert.
Zurück in England absolvierte Sanders nach dem Krieg mehrere Ausbildungen, wurde Lehrer und gründete eine Familie. Und auch wenn seine Art zu erzählen und seine Sprechweise unendlich britisch wirken, reflektiert Eric Sanders gegenüber seiner Interviewerin Bernadette Edtmaier trocken: „No, you never become an Englishman.“ Das war knapp zweieinhalb Monate vor seinem Tod.
Trotz seiner Erfahrungen war er bis zu seinem Lebensende mit Wien verbunden und hat seine Lebenserinnerungen mehrfach geteilt. Ein letztes Mal erzählte Eric Sanders seine Lebensgeschichte 38 Stunden lang via Zoom und nahezu ohne Zwischenfragen für die Sammlung MenschenLeben. Auch wenn sich der 101-Jährige manchmal verzettelt; der Detailreichtum seiner Erinnerungen ist faszinierend. Genau wie sein Humor.
Das MenschenLeben-Interview wurde online geführt und umfasst insgesamt 20 Videofiles.
Die Wahl fiel auf das humoristische Tonbild „Beim Heurigen“, eine Schellackplatte aus dem Jahr 1927. Dieses beliebte Genre versetzte die Zuhörerschaft in eine chaotische Straßenbahn, zu Frau Birnstingels Leiche, den Zug zur Rodelpartie am Semmering oder eben zum Heurigen.
Anton Hubauer ist „Allrounder“ der Österreichischen Mediathek. Von Webausstellungen, Sammlungsevaluierung, Digitalisierung und Katalogisierung bis zum Publikumsbetrieb reicht sein Aufgabenbereich.
In der Österreichischen Mediathek findet sich dieses Genre unter den Tonaufnahmen des Wiener Schauspielers und Operettensängers Richard Waldemar (1869 – 1946).
Am Beginn hört man das Stimmengewirr eines Wiener Heurigen, es kommt zum Streit zwischen deutschen und einheimischen Gästen, aber am Ende obsiegt das „Goldene Wienerherz“ – inklusive Versöhnung. Der letzte Satz lautet:
„Herr Berliner, sama wieda guat. Es lebe der Anschluss!“
Hier liegt der Grund für meine Wahl, kommt doch eine völlig unerwartete politische Komponente ins Spiel. Ist es ein Zeugnis dafür, wie 1927, nicht nur, aber auch, über Österreichs Eigenstaatlichkeit gedacht wurde?
Richard Waldemar erhielt nach dem „Anschluss“ Österreichs 1939 den Ehrenring der Stadt Wien und kam 1944 auf die „Gottbegnadeten-Liste“ des Reichspropagandaministeriums, eine ‚Privilegierung‘ der kulturellen Elite des Nationalsozialismus, aber er war kein NSDAP-Mitglied.
Als seine Platte „Beim Heurigen“ 1927 auf den Markt kam, gab es durch Heimwehr und Schutzbund als bewaffnete Parteiformationen massive innenpolitische Gewalt, die in den Schüssen von Schattendorf und dem Brand des Justizpalastes gipfelten.
Aber es gab auch eine leichte Erholung der Wirtschaft durch die Völkerbundanleihe 1922 sowie die Einführung des Schillings 1925, des legendären Alpendollars. Weder Weltwirtschaftskrise noch Hitlers Machtergreifung waren vorstellbar. Die Reichstagswahl 1928 brachte der NSDAP 2,6 % der Stimmen.
Wie sah 1927 die „Eigenwahrnehmung“ der jungen Republik aus? „Heim ins Reich“ - der Anschluss an Deutschland - war keine Erfindung der Nationalsozialisten. Den Anschluss hatte schon die provisorische Nationalversammlung Deutschösterreichs am Ende des Ersten Weltkrieges beschlossen. 1919 wurde er im Friedensvertrag von St. Germain verboten. 1922 wurde das Verbot als Auflage für die Völkerbundanleihe bekräftig. Der Wunsch war nicht nur „Deutschtümelei“, 1930 nannte ihn Julius Deutsch im Nationalratswahlkampf das große Ziel der Sozialdemokratie. Eine wirkliche demokratische Entscheidung über diese Frage sollte es aber nie geben.