Österreicher und Österreicherinnen im Spiegel der Radioberichterstattung des United States Information Services der 1950er und 60er Jahre
Das United States Information Service – USIS – war eine 1953 von US-Präsident Dwight. D. Eisenhower gegründete Behörde für Propaganda im Kalten Krieg. Gegner waren die UdSSR und der kommunistische Block. Doch betrieb die USIS keine Gräuelpropaganda, sie führte die „feine Klinge“ der Öffentlichkeitsarbeit – „Public Diplomacy“. Ein Ausdruck, der durch diese Behörde und Walter R. Roberts, ein führender US-Diplomat aus Österreich, mitgeprägt wurde. Roberts war 1939 vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen. Public Diplomacy ist Propaganda, politische Werbung, Völkerverständigung und diplomatische Kulturarbeit in einem. Ziel war die Aufwertung der USA in der Wahrnehmung des befreundeten Auslands. Die USIS produzierte u. a. Radiobeiträge, die den Rundfunkanstalten Westeuropas kostenlos angeboten wurden, auch Österreich. Im Archiv der Österreichischen Mediathek befinden sich 4715 USIS-Tonbänder. Nach Auflösung der USIS 1999 kamen sie ans Amerika-Haus in Wien, von dort an die Wienbibliothek und schließlich 2004 an die Österreichische Mediathek. 2016 wurde die Sammlung in das „Österreichische Nationale Memory of the World Register“ der UNESCO aufgenommen.
Das Radioangebot der USIS reichte von Reportagen und Interviews über Politik, Technik, Wirtschaft, Bildung, Geschichte, Alltagsleben, Musik, Film, Theater, Literatur, Kunst und Kultur in den USA bis zu Interviews mit österreichischen Politikern, österreichischen Künstlerinnen und Künstlern und Sportlern und Sportlerinnen aus Österreich, die sich gerade in den USA aufhielten. Aber auch Österreicher und Österreicherinnen, die in den USA lebten, wurden interviewt. Dabei spannte sich der Bogen der Befragten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Musikerinnen und Musiker, Künstlerinnen und Künstler, Ärzten und Ärztinnen bis zu Restaurantbetreibern. Die Liste der Berühmtheiten unter den Interviewten ist lang und sie wird zu Beginn der Ausstellung um einige erst kürzlich digitalisierte Interviews erweitert. Aber es wurden auch viele Österreichinnen und Österreicher interviewt, deren Namen nicht mehr so geläufig sind. Ihnen gilt das besondere Interesse dieser Ausstellung und sie werden in kurzen Biografien vorgestellt.
Hans Böhler, geboren am 11. September 1884 in Wien und dort am 17. September 1961 verstorben, war ein österreichischer Maler und Grafiker. Er absolvierte die private Kunstschule Jaschke in Wien trotz der 1904 bestandenen Aufnahmeprüfung für die Kunstakademie. 1908 nahm er an der Frühjahrsausstellung der Wiener Secession teil und im darauffolgenden Jahr an der Ausstellung im Salon Pisko mit der Neukunstgruppe. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg unternahm der Künstler ausgedehnte Reisen, die ihn durch die ganze Welt führten. Böhler war eng mit Josef Hoffmann befreundet, der ihm sein Wiener Atelier einrichtete. Hans Böhler stellte ab 1920 in der Wiener Secession aus. 1928 wurde er Mitglied des Österreichischen Werkbundes, für den er Postkarten entwarf. Von 1936 bis 1950 lebte Böhler in den Vereinigten Staaten, wo er als Künstler Bekanntheit erlangte. Danach kehrte er wieder nach Wien zurück, war aber immer wieder in den USA zu Besuch.
Martin Gusinde wurde am 29. Oktober 1886 in Breslau geboren. Er trat 1900 den Steyler Missionaren bei, empfing 1911 die Priesterweihe und wurde 1912 nach Chile entsandt. Dort unterrichtete er bis 1922 in Santiago de Chile Biologie und Naturwissenschaften. Ab 1913 wirkte er zusätzlich im chilenischen Völkerkundemuseum, wo er Abteilungsleiter wurde. Von 1918 bis 1924 unternahm er vier Forschungsreisen nach Feuerland. Dabei erwarb er große Verdienste um die Erforschung der Kultur der beinahe ausgerotteten Ureinwohner. Seine Beschreibungen ihrer Kultur widerlegten die Klischees über die „unzivilisierten Wilden“. Auch Tonaufzeichnungen entstanden, die einzigen Tondokumente der Feuerland-Indianer. 1924 bis 1926 arbeitet Pater Gusinde am Vatikanischen Museum und promovierte in Ethnologie in Wien. 1928 und 1929 unternahm er Forschungsreisen zu den Indianern Nordamerikas. 1934 und 1935 forschte er bei den Pygmäen im Kongobecken. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Pater Gusinde von 1949 bis 1957 Professor an der Catholic University Washington. In diese Zeit fielen die Forschungsreisen zu den San in der Kalahari und nach Neuguinea, wo er erstmals die Kultur der Ayom beschrieb. Pater Martin Gusinde starb am 18. Oktober 1969 im Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf.
René d'Harnoncourt wurde am 17. Mai 1901 in Wien geboren. Zu Beginn der 1920er Jahre ging er nach Mexiko und erwarb sich den Ruf eines Kunstexperten. 1929 organisierte er die ersten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst aus Mexiko wie Diego Rivera im New Yorker Metropolitan Museum of Art. 1933 ging er in die USA, wurde Radiovortragender über Kunst und unterrichtete am Sarah Lawrence College. Von 1936 bis 1941 war er General Manager für indianische Kunst und gestaltete bahnbrechende Ausstellungen in San Francisco und New York. Von 1947 bis 1967 war er Direktor des New Yorker Museums of Modern Art. René d'Harnoncourt war an seinem Haus für eine Reihe von großen Ausstellungen zur modernen Kunst verantwortlich. Er verstarb am 13 August 1968.
Yoichi Okamoto ist kein Österreicher, aber er soll nicht verschwiegen werden. Yoichi Okamoto wurde am 5. Juli 1915 in New York geboren. Er diente im Zweiten Weltkrieg im U.S. Army Signal Corps als Fotograf. Danach schlug er sehr erfolgreich eine Berufslaufbahn als Fotograf ein, u. a. war er auch für die USIS tätig. Der Höhepunkt seiner beruflichen Karriere war wohl die Zeit als offizieller Bildberichterstatter des Weißen Hauses unter Präsident Lyndon B. Johnson von 1964 bis 1968. Über 675.000 Aufnahmen aus der Amtszeit von Johnson entstanden. Yoichi Okamoto wählte am 24. April 1985 den Freitod.
Vincent Bach wurde als Vincenz Schrottenbach am 24. März 1890 in Baden bei Wien geboren. Er sollte unter dem Namen Vincent Bach als Trompetensolist und als Instrumentenbauer doppelte Berühmtheit erlangen. Nach der erfolgreichen Absolvierung der Wiener Maschinenbauschule entschied sich der ebenfalls akademisch ausgebildete Trompeter für eine Musikerkarriere als Vincent Bach. Bei Kriegsausbruch 1914 befand er sich auf Tournee in Großbritannien. Um nicht interniert zu werden, emigrierte er in die USA, wo er zuerst beim Boston Symphony Orchestra spielte und später erster Trompeter des Orchesters der Metropolitan Opera New York war. 1918 begann Bach die Einzelfertigung von Mundstücken für Trompeten und Kornette. Der Erfolg führte zur industriellen Fertigung in höchster Präzision, kombiniert mit einer ständigen wissenschaftlichen Weiterentwicklung und einem System zur Kennzeichnung von Mundstücken, welches noch heute verwendet wird. 1924 begann die Herstellung von Trompeten und 1928 die von Posaunen. Auch wenn er nicht Erfinder der modernen amerikanischen Trompete ist, trug er entscheidend zu ihrer Perfektionierung bei. Vincent Bach starb am 8. Januar 1976 in New York.
Francis G. Mayer wurde am 8. Mai 1891 als Franz G. Mayer in Wien geboren. Frontoffizier im Ersten Weltkrieg, ließ er sich noch im Krieg, von Geburt jüdischen Glaubens, am 18. Januar 1918 evangelisch taufen. Nach dem Krieg war Franz Mayer Mitglied der „Wiener Photographenzunft“ und legte 1935 die Meisterprüfung ab. Im November 1938 musste er seinen Betrieb schließen. Über Belgien und Frankreich gelang der Familie im Juli 1941 die Flucht in die USA. In New York, er hatte seinen Namen auf Francis geändert, begann er, durch Vermittlung eines belgischen Diplomaten, Gemälde aus Museen und Galerien zu fotografieren und für Schulen und Universitäten in höchster Qualität zu reproduzieren. Francis Mayer starb 1971 an den Folgen eines Autounfalles und wurde am Friedhof in Döbling beigesetzt.
Ignaz Rothenberg wurde am 26. August 1884 in Österreich geboren. Er studierte in Wien Jus und machte sich als Autor zu juristischen Fragen einen Namen. 1938 musste er vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fliehen und gelangte nach Großbritannien, wo er die Kriegsjahre verbrachte. Nach Kriegsende ging er in die Vereinigten Staaten, wo er für die amerikanische Regierung, für die Vereinten Nationen und in der universitären Lehre tätig war. Noch in Großbritannien wurde im Jahr 1946 sein Werk "The Newspaper. A Study in the Workings of the Daily Press and Its Laws" veröffentlicht. Das Buch über rechtliche Aspekte der Zeitungsbranche fand auch in den USA in verschiedenen Auflagen reges Interesse. Professor Ignaz Rothenberg verstarb im Jahr 1964.
Manch der Befragten waren schon vor dem Ersten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten gegangen, manche in der Zwischenkriegszeit und manche nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber viele der Interviewten hatten mit einigen der Interviewer gemeinsam, dass sie vor den Nationalsozialisten aus Österreich, aus Europa geflohen waren und nun in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat gefunden hatten. Diese Tatsache erschließt sich allerdings überhaupt nicht aus den Interviews, sondern erst, wenn man die Biografien der Personen recherchiert. Generell wird mit praktisch keinem Wort und in keinem Beitrag, auch nicht in Reportagen, der Zweite Weltkrieg, der Nationalsozialismus oder der Holocaust thematisiert. Weder von „geflohenen" Interviewern, wie Jimmy Berg, Konrad Maril oder Friedrich Porges noch von den „geflohenen" Interviewten. Das ist besonders auffällig bei Interviews, wenn sowohl Interviewer als auch Interviewte Opfer des Nationalsozialismus waren. Sollten „Misstöne“ auf Weisung der USIS vermieden werden, oder war es eine unausgesprochene Übereinkunft des Schweigens der Überlebenden?
Wenn es einen Bezug auf die NS-Zeit gab, dann nur in Andeutungen. Der Ökonom Fritz Machlup erwähnt „den Krieg“, in dem er für die US-Regierung gearbeitet hatte. Gegen wen haben die Vereinigten Staaten Krieg geführt, welcher Krieg? Die Hörerinnen und Hörer wussten es natürlich, aber dieser Krieg, der Zweite Weltkrieg, war kein Thema. Die Ärztin Irene Tamagna erklärt, warum sie ihr Studium nicht in Wien beendete, mit den Worten „Es war das Jahr 1938.“. Kein Wort mehr. Alle, die dieses Interview hörten, verstanden natürlich, was gemeint war. Der „Anschluss“ 1938, der Beginn der Verfolgung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, ihre Vertreibung und Flucht und wenn die nicht gelang, ihr Tod, aber auch der Holocaust waren keine Themen.
Fritz Machlup wurde am 15. Dezember 1902 in Wiener Neustadt geboren. Ab 1920 studierte er in Wien Volkswirtschaft bei Friedrich von Wieser und Ludwig von Mises und promovierte 1923. Fritz Machlup arbeitete in der Kartonagenindustrie wie schon sein Vater, als Assistent von Ludwig von Mises an der Universität Wien und als Dozent an der Volkshochschule in Ottakring, allerdings nicht nacheinander, sondern gleichzeitig. 1933 ging er als Rockefeller-Stipendiant in die USA, wo er 1935 Professor an der University of Buffalo wurde. Nach dem Jahr 1938 blieb er in den USA und nahm 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Bis 1947 unterrichtete Fritz Machlup an der University of Buffalo, danach bis 1959 an der Johns Hopkins University und bis 1983 in Princeton. Sein wichtigstes Werk ist das 1962 erschienene „The Production and Distribution of Knowledge in the United States". Darin beschrieb er theoretisch die Bedeutung von Wissen als wirtschaftlicher Ressource und analysierte die Strukturen zur Wissensverteilung und trug so maßgeblich zur Entwicklung der Informationsökonomik bei. Der Begriff Informationsgesellschaft geht letztlich auf seine Arbeit zurück. Fritz Machlup verstarb am 30. Januar 1983 in Princeton.
Irene Tamagna wurde am 3. Mai 1915 in Wien geboren. Durch die Annexion Österreichs konnte Sie als Jüdin ihr Medizinstudium in Wien nicht vollenden. Deswegen ging sie nach Italien, wo sie ihren Mann kennenlernte und heiratete. Nach Abschluss des „Stahlpaktes“ 1939, zwischen Hitler und Mussolini, konnte Irene Tamagna nun auch in Italien ihr Studium nicht beenden. Das Ehepaar verließ Europa und ging in die USA. Dort musste sie fast das gesamte Studium noch einmal durchlaufen. Dr. Tamagna war die erste Frau als Post-Graduate-Stipendiatin an der medizinischen Fakultät der Columbia University. 1948 ging sie an die medizinische Fakultät der Georg Washington University, wo sie über 30 Jahre tätig war. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in der Bekämpfung der Kinderlähmung. Sie eröffnete eine von neun Beatmungsabteilungen für Opfer der Kinderlähmung in den USA. Dr. Irene Tamagna war auch die Ärztin der österreichischen und schweizerischen Botschaft. Dafür wurde ihr im Jahr 1990 das Große Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Irene Tamagna verstarb am 25. März 2018.
Max Loew wurde 1902 in Wien geboren. Sein Geburtsdatum, aber auch sein Sterbetag konnten nicht recherchiert werden. Er studierte Schauspiel unter Max Reinhardt. Doch 1933 änderte sich seine Karriere, als er in der Wiener Innenstadt das Nachtlokal „Fiaker“ eröffnete. Schon dort war das Wahrzeichen eine echte Wiener Straßenlaterne im Lokal. Daneben betrieb er auch das „Kaiserstüberl“ und die „Waldschnepfe“. Durch den „Anschluss" 1938 verlor Max Loew seine Lokale und musste vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen. In New York gründete er 1947 ein echtes Wiener Nachlokal - „The Viennese Lantern“, in der 79 Straße; auch hier mit einer echten Wiener Straßenlaterne im Lokal. Ob Max Loew 1947 das Lokal von Hermann Leopoldi übernommen hat und wenn ja, ob es schon den Namen „Viennese Lantern“ trug, ist nicht eindeutig zu beantworten.
Otto Zausmer wurde am 11. Mai 1907 in Wien geboren. Er erlernte noch in seiner Vaterstadt das Pressehandwerk, bei der Wiener Volkszeitung. Als Autor zur österreichischen Literaturgeschichte, beispielsweise mit Werken zu Grillparzer und Raimund, machte er sich in den 1930er Jahren einen Namen. Auch er musste 1939 vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten fliehen. Otto Zausmer arbeitete auch in Amerika im Zeitungswesen und wurde leitender Redakteur der Tageszeitung The Boston Globe. Dr. Otto Zausmer verstarb am 20. Dezember 1985 in Newton, Massachusetts.
Alfred Wolkenberg wurde am 16. Jänner 1911 in Wien geboren. Der promovierte Jurist musste 1938 vor den Nationalsozialisten fliehen und gelangte 1939 in die USA. Dort gründete er 1948 die „Alva-Museum-Replicas Inc.“, kurz Alva-Studios genannt, auch als Alfred Wolkenberg-Studios bekannt. Die Alva-Studios waren auf die originalgetreue Reproduktion bzw. Replikation von Kunstwerken der Malerei und der Bildhauerei aus allen Epochen spezialisiert. Aber auch historische Schmuckstücke aus den unterschiedlichsten geschichtlichen Perioden, vom Original praktisch nicht zu unterscheiden, fanden sich im Programm der Alva-Studios. Alfred Wolkenberg verstarb am 1. September 1990 in New York.
Hans Georg Figdor wurde am 25. September 1905 in Wien geboren. Er studierte Chemie und arbeitete für den Cellulose-Experten Leon Lilienfeld. 1938 mussten Hans Figdor und seine Frau wegen der Verfolgung jüdischer Menschen Österreich verlassen. Sie kamen 1939 auf dem Ozeandampfer Ile de France in New York an. Hans Figdors Arbeit in Wien brachte ihm eine Stelle als Chemiker in Philadelphia, wo er viele Jahre tätig war. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Hans Figdor für ein US-Regierungsprogramm, welches unterschiedliche chemische Behandlungen von Oberflächen erforschte. Das so gewonnene Wissen führte zur Entwicklung eines Zusatzes für Löschwasser, der besonders bei Waldbränden Anwendung fand und findet. Hans Georg Figdor verunglückte im September 1965 tödlich in den Schweizer Alpen.
Kurt Herbert Adler, geboren am 2. April 1905 in Wien, war ein österreichisch-amerikanischer Dirigent. Er war der Sohn von Ida Bauer und Ernst Adler, der Neffe von Otto Bauer und Großneffe von Adolph von Sonnenthal. Nach Schule und Universität in Wien war er von 1925 bis 1928 Kapellmeister am Theater in der Josefstadt, bevor er als Opern- und Konzertdirigent international tätig war. 1938 musste Adler nach dem „Anschluss" Österreichs fliehen und gelangte in die USA. Dort war er bei der Chicago Opera Company beschäftigt. Ab 1943 leitete er den Chor und seit 1953, als der Nachfolger von Gaetano Merola, die San Francisco Opera. 1961 erhielt er das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Kurt Herbert Adler starb am 9. Februar 1988 in Ross, Kalifornien.
Zwei Interviews führte Friedrich Porges in Hollywood, auch er war vor den Nazis geflüchtet. Eines mit Oskar Werner über die Filme „Entscheidung im Morgengrauen“ und Stanley Kramers „Narrenschiff“ und ein Interview mit Karlheinz Böhm über einen nicht realisierten Film, der im Nachkriegsdeutschland hätte spielen sollen. Ein drittes Interview von Jimmy Berg mit Josef Schildkraut und Gusti Huber hat die Dramatisierung des „Tagebuches der Anne Frank“ am New Yorker Broadway zum Inhalt. Allen Interviews gemeinsam ist die Abgeschlossenheit der NS-Vergangenheit.
Franz Allers wurde am 6. August 1905 in Karlsbad geboren. Er studierte von 1923 bis 1926 an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin. Bereits während des Studiums wurde Allers Chormeister des Schubert-Chors Berlin. Von 1926 bis 1933 war er Erster Kapellmeister am Stadttheater Barmen-Elberfeld. 1933 wurde Franz Allers wegen seiner jüdischen Herkunft aus Deutschland vertrieben. Er ging als Kapellmeister an das Stadttheater Aussig in der Tschechoslowakei. Nach dem Münchner Abkommen 1938 musste er abermals fliehen und ging in die Vereinigten Staaten. 1946 begann seine Broadway-Karriere, als er die Musicals von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe dirigierte, u. a. „Brigadoon“ 1947 und „Paint Your Wagon“ im Jahr 1951. 1956 leitete er die New Yorker Uraufführung von „My Fair Lady“ am Broadway und 1961 die Premiere der deutschen Fassung in West-Berlin. Franz Allers kehrte 1973 in die BRD zurück, wo er bis 1976 Chefdirigent am Gärtnerplatztheater in München war. Er verstarb am 26. Jänner 1995 auf einer USA-Reise in Las Vegas.
Ditta Halpern ist die interviewte Person, über die am wenigsten bekannt ist. Gewiss ist nur, was im Interview genannt wird. Sie stammte aus Wien und arbeitete freiwillig für die New Yorker Blinden-Gilde als Überträgerin von Büchern in Brailleschrift. Warum Frau Halpern von Wien in die Vereinigten Staaten kam, konnte nicht geklärt werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch sie in die Emigration gezwungen wurde, ist relativ groß.
Judith Heller, geborene Bernays, war die Nichte von Sigmund Freud. Sie war die Tochter von Freuds Schwester Anna, die Ely Bernays heiratete, den Bruder von Freuds Ehefrau Martha. Judith Heller wurde am 14. Februar 1885 in Wien geboren, verbrachte aber den größten Teil ihres Lebens in den USA. Dort besuchte sie das Barnard College und unterrichtete einige Jahre an verschiedenen Schulen in New York. Ihr aus Österreich gebürtiger Mann, Dr. Victor Heller, arbeitete bis zu seinem Tod als Wirtschaftswissenschaftler für die Bundesregierung. Ihr zweiter Ehemann war Felix Frederick Wiener. Judith Heller starb am 19. Juli 1977, im Alter von 92 Jahren, in Oakland Kalifornien.
Fritz Redl wurde am 9. September 1902 in der Steiermark geboren und war ein bekannter Reformpädagoge und Kinderpsychoanalytiker. Er studierte zunächst Philosophie, aber auch Psychologie, Anglistik und Germanistik und promovierte über die erkenntnistheoretischen Grundlagen in der Ethik Kants. 1926 ging Redl als Gymnasiallehrer in den Schuldienst. 1928 trat er dem Wiener Psychoanalytischen Institut bei, für seine Ausbildung als Psychoanalytiker und als aktiver Mitarbeiter. In den 1930er Jahren war er u. a. für die Erziehungsberatungsstellen des Wiener Volksbildungsreferats tätig. 1936 ging Redl auf Einladung der Rockefeller-Foundation in die USA für Forschungszwecke. 1941 wurde er Professor für Sozialarbeit an der University Detroit. 1953 baute Redl in Bethesda die Kinderstation für psychiatrisch auffällige Kinder am örtlichen Krankenhaus auf, welche er auch leitete. 1959 wurde er an den Lehrstuhl für Verhaltensforschung an die University Detroit berufen. Fritz Redl starb am 9. Februar 1988 in den Vereinigten Staaten.
Wolfgang Schleidt, am 18. Dezember 1927 in Wien geboren, ist ein österreichischer Ethologe. Er wuchs in Wien auf und wurde 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Eine Bombenexplosion verursachte ein Schalltrauma, welches sein Gehör bleibend schädigte. Wegen Taubheit im unteren Schallbereich kann er jedoch hohe Töne besonders deutlich hören, bis zu Geräuschen im Ultraschall-Bereich. Diese Fähigkeit machte ihn zu einem der Gründer der Bio-Akustik. Nach Kriegsende studierte Schleidt in Wien Zoologie und Anthropologie und konstruierte1949 einen Apparat, um hochfrequente Töne von Vögeln, Mäusen oder Fledermäusen nachzuweisen. Schon 1948 arbeitete Dr. Schleidt auch für Konrad Lorenz. Er baute ab 1950 mit Heinz Prechtl und Irenäus Eibl-Eibesfeldt die Max-Planck-Forschungsstelle für vergleichende Verhaltensforschung in Buldern/Westfalen auf. Von 1955 bis 1958 war er an der Errichtung des Max-Planck-Institutes für Verhaltensphysiologie in Seewiesen beteiligt. Von 1965 bis 1985 war Dr. Schleidt Professor an der University of Maryland und leitete die erste ethologische Forschungseinrichtung in den Vereinigten Staaten. 1985 kehrte Wolfgang Schleidt nach Wien zurück, wo er bis 1992 Direktor des Konrad-Lorenz-Instituts war. Seit 1989 war er zudem außerordentlicher Professor an der Universität Wien.
Ernst Haas wurde am 2. März 1921 in Wien geboren, wo er Fotografie studierte. Als Fotojournalist schoss er Reportagen von Kriegsheimkehrern und Invaliden, die das Rote Kreuz ab 1947 zur Identifizierung und Zusammenführung von Kriegsopfern verwendete. 1949 wurden Bilder dieser Arbeit im Life-Magazin veröffentlicht. Haas erhielt eine Einladung von Robert Capa, der Magnum-Foto-Agentur beizutreten. Er ging 1950 in die USA und wurde Mitglied. 1951 begann Haas Experimente mit Farbfilm. Es entstand die Fotoreportage „Images of a Magic City (New York)“ auf neuestem Kodachrome-Farbfilm. Sie zeigte nie gesehene Impressionen und Reflexionen des „Big Apple“. Life veröffentlichte die Reportage 1953. Auch „The Magic of Colours in Motion“ war bahnbrechende Farbfotografie. Aufnahmen mit extremen Farbkontrasten, teilweise überlagertes Filmmaterial, absichtliche Unschärfe und verwackelte Bilder zeigten Sport in Bewegung, wie er zuvor nie gesehen wurde. 1960 wurde Ernst Haas Präsident von Magnum. 1962 fand seine erste Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York statt. Es folgten internationalen Ausstellungen und die Veröffentlichung zahlreicher Bücher. Ernst Haas starb am 12. September 1986 in New York.
Marianne Willisch wurde am 18. März 1897 in Wien geboren. Zu Beginn der 1920er Jahre trat sie dem Österreichischen Werkbund bei. Dessen Schwerpunkte lagen bei Architektur, Innenarchitektur, dem Kunstgewerbe und der Unterstützung von handwerklicher Qualitätsarbeit. Bekannt ist die Wiener Werkbundsiedlung aus dem Jahr 1930. Bedeutenden Besuchern wurden eigene Werkbund-Führungen angeboten. Bei einer solchen Führung wurde die Präsidentin des Chicago Arts Club, Rue Winterbotham Carpenter, auf Marianne Willisch aufmerksam. 1928 folgte eine Einladung für eine Ausstellung ihrer Werke in den USA. Seitdem lebte sie in den USA. Die Ausstellung wurde zur Wanderausstellung durch amerikanische Museen und Marianne Willisch begann eine rege Vortragstätigkeit. 1938 holte Laszlo Moholy-Nagy, Gründer des „New Bauhaus“ in Chicago, Marianne Willisch für Kurse über Innenarchitektur an das neue Bauhaus. 1948 begann ihre Lehrtätigkeit zur Innenarchitektur an der Chicago University. Marianne Willisch verstarb im Oktober 1984.
Berthold Josef Schmutzhart wurde am 28. August 1928 in Salzburg geboren. Nach der Lehrerausbildung schloss er 1956 sein Kunststudium in Wien ab. 1958, zu diesem Zeitpunkt war er bereits sieben Jahre als Lehrer am Werkschulheim Felbertal tätig, ging Berthold Schmutzhart in die Vereinigten Staaten. Dort wirkte er als freier Bildhauer und Lehrer an der Longfellow School in Maryland. 1963 wurde er Vorsitzender der Bildhauer-Abteilung und Professor an der Corcoran School of the Arts and Design, wo er bis 1994 tätig war. Während dieser Zeit war er auch 16 Jahre als Lektor am Smithsonian Institut tätig. Berthold Schmutzhart ist seit 1994 Professor Emeritus an der Corcoran School. Seine Bedeutung als Künstler wird durch eine Vielzahl von Ausstellungen, die Präsenz seiner Werke in verschiedensten Museen, eine Reihe von an ihn verliehenen Preisen, dem nach ihm benannten „Berthold Schmutzhart Award“ und die Aufnahme in „Marquis Who's Who for Ecxellence in Art Education“ nachhaltig betont. Als echtes Multitalent entwarf und baute Berthold Schmutzhart auch ein Segelflugzeug in den USA.
Maria Horch wurde am 11. Juni 1889 in Graz geboren. Sie war Bühnenschauspielerin, Regisseurin, Dramaturgin und eine der wenigen Theatermacherinnen/Theaterleiterinnen im deutschsprachigen Raum der Zwischenkriegszeit. 1908 begann ihre Karriere in Graz. Das erste Engagement am Deutschen Volkstheater folgte 1922. Als Regisseurin gab sie 1929 ihr Debüt, mit dem sozialkritischen Stück „Revolte im Erziehungshaus“. 1932/33 war Maria Horch Oberspielleiterin der Märchenvorstellungen am Deutschen Volkstheater. Dort blieb sie bis November 1935 und wirkte in 28 Stücken mit. Maria Horch stand politisch links und engagierte sich für die Sozialdemokratische-Kunststelle-Wien, welche die von ihr geleitete „Junge Bühne“ unterstützte. In der Saison 1937/38 war die Künstlerin dramaturgisch am Theater in der Josefstadt tätig. 1938 trieb sie der „Anschluss“, über Frankreich und Kuba, 1940 in die USA. Dort heiratete sie den Autor Franz Horch. Gemeinsam betrieben sie die Horch-Literaturagentur, mit Autoren wie Franz Werfel, Thomas Mann oder Upton Sinclair. 1946 wurde sie amerikanische Staatsbürgerin. 1948 kehrte sie erstmals wieder nach Europa zurück. Maria Horch starb am 19. Februar 1963 in der Schweiz.
Friderike Maria Zweig wurde am 4. Dezember 1882 in Wien geboren. Sie studierte Literatur und Französisch. Während ihrer ersten Ehe war sie schriftstellerisch und journalistisch tätig. 1905 trat sie vom jüdischen Glauben zum Katholizismus über. Den Ersten Weltkrieg sah sie als Verbrechen und organisierte ein Friedens-Komitee. So entstand eine geistige Nähe zu Stefan Zweig, den sie seit 1912 kannte, der universell für Humanität und Frieden eintrat. Friderike ließ sich 1914 scheiden und heiratete 1920 Stefan Zweig. Das Ehepaar lebte in Salzburg und sie schränkte ihre Tätigkeit zugunsten ihres Mannes stark ein. Trotzdem kam es 1938 zur Scheidung. Noch im selben Jahr emigrierte sie nach Frankreich und 1940 in die USA, wo sie als Übersetzerin tätig war. Bis zu seinem Freitod stand sie mit Stefan Zweig in enger Verbindung. 1943 gründete Friderike Zweig das „Writers Service Center“, um vertriebenen Autoren Hilfe zu bieten. 1954 gründete sie die „American-European-Friendship-Association“. Sie war Ehrenpräsidentin der „Internationalen Stefan-Zweig-Gesellschaft“ und starb am 18. Januar 1971.
Hertha Pauli wurde am 4. September 1906 in Wien geboren. Sie war die Tochter der Journalistin und Frauenrechtlerin Berta „Maria“ Schütz und des Arztes und Universitätsprofessors Wolfgang Joseph Pauli. Wolfgang Pauli, der Physik-Nobelpreisträger, war ihr Bruder. Von 1927 bis 1933 war Hertha Pauli, unter Max Reinhardt, Schauspielerin in Berlin. Von 1933 bis 1938 wirkte sie als Herausgeberin der „Österreichischen Korrespondenz“ und veröffentlichte biografische Romane, u. a. über Bertha von Suttner. 1938 floh sie zunächst nach Frankreich. 1940 gelang ihr die Weiterreise in die USA. Dort machte sie sich als Autorin und Jugendautorin einen Namen, u. a. mit „Silent Night. The Story of a Song“ und „I lift my lamp“, die Geschichte der Freiheitsstatue, aus Sicht derselben erzählt. Ihr letztes Buch „Der Riss der Zeit geht durch mein Herz“ behandelte die Ereignisse unmittelbar vor dem Einmarsch der deutschen Truppen im Jahr 1938 und die Zeit danach. Hertha Pauli starb am 9. Februar 1973 in Long Island und ruht auf dem Döblinger Friedhof.
Konrad Maril wurde am 8. November 1889 in Wien geboren. Er studierte Rechtswissenschaft, Musikwissenschaft und Geschichte in Wien sowie Komposition in Prag. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte arbeitete er bei Gericht, als Verlagsleiter, Musikreferent der „Wiener Morgenzeitung“ und für verschiedenen in- und ausländischen Zeitungen. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Konrad Maril nach Deutschland und wurde Vorstandsmitglied beim S. Fischer Verlag in Berlin. Daneben war er Übersetzer aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. 1936 emigrierte er nach Großbritannien und 1938 in die USA. In New York war er zunächst Musiklektor an der öffentlichen Bücherei, danach Musikinstruktor am Goddard College und ab 1942 Informationskoordinator der Überseeinformationsagentur der US-Regierung. Mit der Gründung der USIS wurde er Leiter der Österreichabteilung. Konrad Maril verstarb am 19. August 1956 in Washington.
Die Berichterstattung über das „Space Race“, das Rennen zwischen den USA und der UdSSR, bekam in der Arbeit der USIS breiten Raum. Das Rennen ins Weltall, zum Mond und zu den Planeten des Sonnensystems war von großer Bedeutung im Kalten Krieg. Aber nicht nur wegen des damit verbundenen Prestigegewinns im Ausland für den Staat, der einen erfolgreichen Raketenstart durchführte oder einen Satelliten im Orbit hatte. Raketen, die Satelliten oder Menschen ins All befördern konnten, konnten auch Atom-Sprengköpfe zum Feind tragen. Auch die Beiträge und Interviews über die Raumfahrt schweigen zur NS-Zeit. Wernher von Braun, Kurt Debus, Krafft Arnold Ehricke, Hermann Kurzweg oder Theodor Buchhold, die teilweise mehrfach interviewt wurden, waren führend an der Arbeit zur V2/A4-Rakete im Dritten Reich beteiligt. Sie wurden nach Kriegsende, im Rahmen der US-Geheim-Operationen „Overcast“ und „Paperclip“ in die Vereinigten Staaten geholt und arbeiteten die nächsten Jahrzehnte für die amerikanische Regierung.
Es erscheint grotesk, wenn 1955 Konrad Maril, der selbst 1938 vor den Nazis in die USA emigrierte, das Interview von Theodor Buchhold mit den Worten beginnt:
„Herr Doktor Buchhold, sie arbeiten seit 1939 auf dem Gebiet der Raketenforschung …“. Kein Wort darüber, wer von 1939 bis 1945 Dr. Buchholds Arbeitgeber war.
Der Grund für die de facto Ausklammerung der NS-Zeit in der Arbeit der USIS bleibt ungeklärt. Weder ist dazu eine Richtlinie der USIS bekannt, noch gibt es Aussagen von Zeitzeugen oder Zeitzeuginnen darüber. Die Annahme, die USA befürchteten das offizielle Österreich durch kritische Reportagen und Interviews zur Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges, des Holocaust diplomatisch zu „befremden“, also vor den Kopf zu stoßen, erscheint schlüssig. Aber es bleibt eine unbewiesene Annahme. Auch waren die Mittel und Möglichkeiten Österreichs zur Beeinflussung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten gleich null. Für die USA rückte der eigentlich gerade erst gewonnene Zweite Weltkrieg zunehmend in den Schatten des Kalten Krieges, in den Schatten des drohenden Dritten Weltkrieges. Hatte es noch von 1945 bis 1949 gedauert, bis die UdSSR ihre erste Atombombe testete, so lag zwischen dem Test der ersten US-Wasserstoffbombe 1952 und dem Test der ersten sowjetischen Wasserstoffbombe 1953 weniger als ein Jahr. Aus Freunden wurden Feinde und umgekehrt, die Wiederbewaffnung der BRD und ihr Beitritt zur NATO, ziemlich genau zehn Jahre nach Kriegsende, sind dafür wohl zwei charakteristische Beispiele.
Das Schweigen der Opfer der NS-Zeit mag der neuen Bedrohung durch den Kalten Krieg, dem Wunsch nach Vergessen, dem Blick in die Zukunft (und nie zurück), vielleicht auch der Scham der Überlebenden geschuldet sein. Wirklich beantwortet werden kann aber auch diese Frage nicht mehr.