Die Schallplatte festigte nach dem Ersten Weltkrieg ihren Stand als neues Massenmedium. Verbreitung fand sie nicht nur in privaten Haushalten sondern – ab 1924 mit der Aufnahme des Sendebetriebs der RAVAG (s.a. die Ausstellung "Radio Hören") – auch durch das Radio.
Technisch verbesserte sich vor allem das Aufnahmeverfahren. Bislang waren Aufnahmen nur akustisch-mechanisch möglich, doch mit der Entwicklung des elektrischen Mikrofons begann eine neue Epoche der Aufnahmetechnik.
Karl Kraus, 1930
Statt eines Schalltrichters wurde nun ein Mikrofon verwendet, das die Schallschwingungen in elektrischen Strom umwandelt, der – durch eine Verstärkerröhre geleitet – elektromagnetisch eine mechanische Kraft im Plattenschneidgerät erzeugt.
Die so hergestellten Platten weisen eine deutlich bessere Tonqualität auf. Die ersten Platten mit dieser Aufnahmetechnik kamen 1925 auf den Markt.
Raoul Aslan, 1928
Otto Bauer, 1930
Für die Nationalratswahl des Jahres 1930 entstand ein Satz von Platten, die offenbar bei Wahlveranstaltungen der Sozialdemokratie verwendet wurden. Es handelt sich bei diesem Bestand von insgesamt neun Aufnahmen um die größte geschlossene Sammlung von politischen Tonaufnahmen aus diesen Jahren.
Charakteristisch für diese Zeit ist, dass, vor allem auf Grund der damals noch sehr komplizierten Aufnahmeverfahren, wenig aufgenommen wurde und vieles auch nicht überliefert worden ist.
Jacques Rotter, 1933
Jacques Rotter, 1929
Armin Berg, 1929
Armin Berg, 1929
In der Zwischenkriegszeit etablierte sich in Wien eine lebendige Kabarett- und Kleinkunstszene.
Humoristische Couplets fanden durch Schellackaufnahmen auch über die Bühne hinaus Verbreitung – die Künstler profitierten von der Möglichkeit, Platten aufzunehmen und die Labels von den populären Interpreten, die für entsprechenden Absatz sorgten.
Stellvertretend für diese Ära seien hier drei Künstler genannt, die nicht nur eint, dass sie über eine umfangreiche Diskografie verfügen, sondern auch, dass sie dem Terror des NS-Regimes durch Flucht ins Exil entkommen konnten: Armin Berg (1883–1956), Hermann Leopoldi (1888–1959) und Jacques Rotter (1878–1972).
Hermann Leopoldi, 1930
Hermann Leopoldi, 1929
Richard Tauber, 1929
Karl Farkas, 1931
Was allerdings noch immer nicht gelöst war, war das Problem der Spieldauer. Schellackplatten bewegten sich immer noch bei rund drei Minuten. Versuche, die Spieldauer zu verlängern, scheiterten viele Jahre, oder führten zu Produkten, die sich als nicht produktionstauglich erwiesen, da sie entweder zu groß oder zu schwer waren.
Der Durchbruch bei Langspielplatten (LPs) erfolgte erst Ende der 1940er-Jahre, als mit der Mikrorillenplatte, die dem Prinzip folgt, dass die Verlängerung der Spieldauer durch Herabsetzung der Umdrehungsgeschwindigkeit zu erreichen ist, ein neues Produkt auf den Markt kam.
Ernst Arnold, 1937
Greta Keller, 1937
In den wirtschaftlich oft schwierigen Zeiten zwischen den beiden Weltkriegen erlebte die Unterhaltungsindustrie – nicht nur in den "goldenen" 20er-Jahren einen Aufschwung. Vom Wunsch, wenigstens zeitweise dem manchmal tristen Alltag zu entfliehen, profitierte auch die Plattenproduktion.
Der Ende der 1920er-Jahre aufkommende Tonfilm brachte ebenfalls neue Impulse. die Filmschlager waren auch auf Platte erfolgreich und manche Sänger brachten es auch zu Filmruhm.
Hans Moser, 1932
Fritz Imhoff, 1929
Hansi Niese, 1932
Fats Waller, 1934
Mit der über 20 000 Platten umfassenden Schellacksammlung des Radiomoderators Günther Schifter (1923–2008) besitzt die Mediathek eine der bedeutendsten Sammlungen von Jazz-Schellacks in Österreich. Ausgesuchte Beispiele sind in der Webausstellung "Howdy – Günther Schifter" auch online abrufbar.
Benny Goodman, 1936
Dissonanzen charakterisieren das Europa nach dem Ersten Weltkrieg: Die zwanziger und dreißiger Jahre sind eine Zeit heftiger politischer Auseinandersetzungen und wirtschaftlicher Krisen und ein Kampfplatz der Weltanschauungen. Dies drückt sich selbst in der Art der Freizeitgestaltung und in der aktuellen Musik aus. Volksmusik, Marschmusik, Operette, Jazz – das sind nicht nur unterschiedliche Musikstile, sondern stehen oft auch für bestimmte Arten der Lebensführung und für bestimmte politische Ansichten.
Musik wurde vor allem für die Jugend in neuer Weise verfügbar. Durch Radio, Schellacks und ein immer breiteres Angebot an Einspielungen können junge Leute erstmals ihre Musikvorlieben frei wählen und neu Musikstile finden rasche Verbreitung.
Louis Armstrong, 1934
Duke Ellington, 1935
Felix von Weingartner
Maria Jeritza
Johannes de Leur, Diez Weismann, 1934
Franz Schalk
Einspielungen von Opernarien und von Orchestermusik sind immer auch ein Hinweis darauf, wie und ob bestimmte Werke rezipiert wurden. Verkaufsschlager waren – damals wie heute – Opern(-arien) des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und Musik aus dem Bereich der Klassik.
Bestimmte Genres, die heute sehr populär sind, fehlen in dieser Zeit fast völlig, wie etwa Barockmusik.
Auch zeitgenössische Komponisten fanden seltener den Weg auf Schellackplatten – Ausnahmen waren etwa die Werke von Richard Strauß oder populäre "Opernschlager" wie etwa "Glück das mir verblieb" aus der Oper "Die tote Stadt" von Erich Wolfgang Korngold.