1988–1997 Alte und neue Grenzen

Das Jahr 1989 leitete das Ende der Kalten-Kriegs-Ordnung ein. Es fiel der „Eiserne Vorhang“, der die Ostblockstaaten während des Kalten Krieges von Westeuropa getrennt und abgeschnitten hatte. Die Berliner Mauer wurde nach der Massenflucht von DDR-Bürger/innen über Ungarn und die Tschechoslowakei im Herbst 1989 geöffnet, kurz danach gab es die DDR nicht mehr, aber eine Zeiteinteilung in nach und vor der „Wende“. 1990 erklärten sich einzelne Sowjetrepubliken zu unabhängigen Nationalstaaten und leiteten den Anfang vom Ende der Sowjetunion im Jahr 1991 ein. Die politische Ordnung Europas hatte sich gänzlich verschoben und für die Menschen am gesamten Kontinent grundlegende Veränderungen mit sich gebracht, die für den Großteil der Menschen noch kurz zuvor undenkbar waren. Viele Österreicher/innen erinnern sich an den Krieg im ehemaligen Jugoslawien, der viel Empathie und eine große Spenden- und Hilfsbereitschaft, nicht zuletzt aber auch neue Formen der Ausländerfeindlichkeit hervorrief. Gleichzeitig gab es in den 1990er Jahren viele andere Entwicklungen wie die Entstehung eines neuen Musikgenres, des Techno, oder die kontroversen Diskussionen über die erste Wehrmachtsaustellung, die die Gemüter der Generationen erhitzte.

1988 – Aus für den Salonwagen

<p>Plan von Herrn Hans für einen neuen Salonwagen der ÖBB</p> ©

Plan von Herrn Hans für einen neuen Salonwagen der ÖBB

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1988 – Herr Hans entwarf einen neuen Salonwagen für die ÖBB
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Nachdem der alte Salonwagen ausgetauscht werden musste, wurden Entwürfe für einen neuen in Auftrag gegeben. Weil Bundespräsident Kurt Waldheim aber das Fliegen bevorzugte – so erzählt Herr Hans – wurde die Tradition des Salonwagens schließlich ganz aufgelassen. Bis dahin waren Staatsgäste darin in luxuriösester Ausstattung befördert worden.

1989 – Das Ende des Eisernen Vorhangs

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1989 – Norbert Pechgraber erinnert sich an den Fall des Eisernen Vorhangs
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Die Durchtrennung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-ungarischen Grenze mit einem Bolzenschneider durch den österreichischen Außenminister Alois Mock und seinen ungarischen Amtskollegen Gyula Horn ist bis heute als Bild im österreichischen Gedächtnis verankert. Mittlerweile weiß man, dass sich die beiden dort in erster Linie trafen, um sich fotografieren zu lassen, denn zu diesem Zeitpunkt, Ende Juni 1989, waren die einstigen Grenzsicherungsanlagen zwischen Ungarn und Österreich bereits großteils demontiert. Norbert Pechgraber bekam den Eisernen Vorhang und die österreichisch-ungarische Grenze während eines Urlaubes in Ungarn persönlich zu spüren. Ansonsten war die Grenze für die Bevölkerung aus dem Westen kaum eine schwer zu überwindende Hürde gewesen.

<p>Das Ende des Eisernen Vorhangs</p> ©

Das Ende des Eisernen Vorhangs

1991 – Technoparties

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1991 – Hans Kulisch erzählt von der beginnenden Technoszene in Wien
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Anfang der 1990er Jahre begannen auch in Wien die ersten DJs Techno zu machen, wie sie es aus den USA und Großbritannien bereits mitbekommen hatten. Hans Kulisch, selbst DJ, Komponist und Veranstalter von Konzerten, bewunderte nicht nur die Begeisterung und die Kreativität der neuen DJs, sondern auch die – so schien es ihm zu Beginn – so ganz rauschfreien Technoparties.
 

1992 – Nachbar in Not

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1992 – Maria Moritz erinnert sich an ihre Zeit als Freiwillige in der Flüchtlingshilfe während des Bosnienkrieges
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1992 kamen in Österreich täglich zwei Züge mit Flüchtlingen aus Bosnien an, die zunächst im Arsenal in Wien untergebracht wurden. Maria Moritz erzählt von den Menschen, denen sie in der Arbeit begegnet ist, über deren Erlebnisse im Bosnienkrieg und die organisatorischen und medizinischen Herausforderungen der Flüchtlingsarbeit in Österreich. Im selben Jahr wurde auch die Hilfskation „Nachbar in Not“ mit Unterstützung des ORF ins Leben gerufen, sie entwickelte sich zu einer der größten Hilfsinitiativen für die Menschen im ehemaligen Jugoslawien.

1993 – Über den Tod hinaus

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1993 – Über die Stärke einer langen Ehe
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Erna Tichy erzählt von den letzten 15 Jahren ihres Ehelebens und den Situationen vorm Fernseher, die sich tagtäglich wiederholten. Auch heute noch nimmt sie sich das Foto ihres Mannes zu sich, um mit ihm gemeinsam eine Sendung zu sehen, die auch ihn interessiert hätte. 

1994 – „Schindlers Liste“ in Zell am See

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1994 – Anny Mayer-Schönberger wurde vor der Premiere von „Schindlers Liste“ bedroht
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Der Film von Steven Spielberg über Oskar Schindler, der als Unternehmer während des NS-Regimes Juden und Jüdinnen vor der Deportation nach Auschwitz bewahren konnte, zog nicht nur ein großes Publikum an, sondern auch solche, die gegen den Film und damit gegen die Auseinandersetzung mit der Vernichtung der Juden und Jüdinnen durch das NS-Regime protestierten: Neonazis bedrohten die Kinobesitzerin mehrmals, so dass ihr während der Spielzeiten von „Schindlers Liste“ Polizeischutz gewährt wurde.

1995 – Die Wehrmachtsausstellung

Die Wehrmachtsausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, die von 1995 bis 1999 in Österreich und Deutschland gezeigt wurde, sorgte von Anfang an für heftige Debatten. Erstmals wurde in der Öffentlichkeit die aktive Beteiligung der Wehrmacht, ihrer Offiziere und Soldaten an der Vernichtung der Juden und Jüdinnen thematisiert. Die Kritiker/innen konzentrierten sich bald auf einzelne Fotos, von denen – wie sich später herausstellen sollte – einige tatsächlich nicht der Wehrmacht zuzuordnen waren, was ihr den Ruf einer „gefälschten“ Schau einbrachte. Dieser Umstand schien bald die ganze Ausstellung infrage zu stellen, die in ihrer Grundaussage – und dies wurde ebenso von Historiker/innen bestätigt – durchaus der Wahrheit entsprach. 

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1995 – Wilhelm Herzele erzählt von der ersten Wehrmachtsausstellung
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Auch der Betroffenheit von Wilhelm Herzele folgte bald das Sammeln von Unrichtigkeiten der Ausstellung in einem Ordner – so als ob dieser die aufwühlende Aussage der Ausstellung von ihm fernhalten oder gar aufheben könnte. Die Wehrmachtsausstellung wurde in einer gänzlich überarbeiteten Version von 2001 bis 2004 erneut gezeigt.

1996 – Die Gans Mimi

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1996 – Die Puppenspielerin Christine Rothstein spricht von ihrer Lieblingspuppe, der Gans Mimi
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Christine Rothstein ist mit ihrer Klappmaulpuppe, der Gans Mimi, von 1979 bis 2004 im österreichischen Kinderfernsehen aufgetreten, darunter in der bis in die 1990er Jahre laufenden Sendung „Am dam des“.
Für die Show „Raus mit Stefan“, die zwischen 1994 und 1997 ausgestrahlt wurde, reiste Christine Rothstein mit ihrer Gans Mimi und Stefan durch ganz Österreich. Am Ende der Sequenz spricht die Interviewpartnerin auch über spätere Shows, die sie mit Mimi gemacht hat und in der sie sich in täglichen Kurzsendungen Kinderfragen widmeten, wie zum Beispiel: Warum heißt das Gänseblümchen Gänseblümchen?
 

<p>„Mimi“ unterwegs in Österreich</p> ©

„Mimi“ unterwegs in Österreich

1997 – TransX

Eva Fels erzählt vom Konflikt zwischen zwei Fraktionen innerhalb der TransGender-Community in Wien Ende der 1990er Jahre. Eine kleine Gruppe um jene, die als „echte Transgender“ nur Personen akzeptierten, die auch vorhatten, sich einer Geschlechtsumwandlung durch eine Operation zu unterziehen, spaltete sich damals für einige Zeit ab. Eva Fels spricht von ihrer eigenen Unsicherheit zu dieser Zeit und ihrer damaligen Entscheidung, sich nicht zu entscheiden. Seit 2000 ist sie selbst Obfrau des Vereins TransX, der Unterstützung und Beratung für Transgender-Personen anbietet und sich gegen Diskriminierung von Transgender-Personen einsetzt. Regelmäßige Gruppentreffen finden bis heute in der Rosa Lila Villa an der Linken Wienzeile statt.

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1997 – Eva Fels erinnert sich an ihren ersten Besuch des Vereins TransX in der Rosa Lila Villa
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<p>Sammlung lebensgeschichtlicher Erzählungen</p>

Sammlung lebensgeschichtlicher Erzählungen

Kuratierung, Text: Eva Hallama