Ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung nahm die Machtübernahme der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Österreich im März 1938 mit Begeisterung auf. Österreichische Nationalsozialisten hatten sich aktiv daran beteiligt und übernahmen Schritt für Schritt Funktionen an den Schaltstellen der Macht. Mit dem „Anschluss“ wurde Österreich Teil des „Dritten Reiches“. Es folgte die Einführung der Nürnberger Rassegesetze, die die Grundlage des rechtlichen und physischen Ausschlusses jüdischer Mitbürger/innen darstellten. Auch Roma und Sinti, Homosexuelle, als „asozial“ Verfolgte, Menschen mit Behinderungen, Angehörige des organisierten oder nicht-organisierten Widerstands, Menschen, die Verfolgten Zuflucht gewährten, Wehrdienstverweigerer, Frauen und Männer, die Liebesverhältnisse mit jenen eingingen, die einer „niederen Rasse“ zugeordnet wurden, wurden im „Dritten Reich“ entrechtet und verfolgt, in den Konzentrationslagern zu schwersten Arbeiten gezwungen, gefoltert und ermordet. Dennoch nimmt der Zweite Weltkrieg und sein Ende durch die Alliierten in Österreich eine ambivalente Rolle im kollektiven Gedächtnis der Österreicher/innen ein. Die Freude über die Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft schien nicht eindeutig größer zu sein als die empfundene Schmach über die Kriegsniederlage nach 1945. Die aktive Aufarbeitung des gerade Vergangenen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und der Beteiligung von Österreicherinnen und Österreichern an den NS-Verbrechen wurde erst viele Jahre später in Angriff genommen.
Unmittelbar nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich traten die Nürnberger Gesetze in der „Ostmark“ in Kraft. Mit ihrer Hilfe wurde der Ausschluss der Juden und Jüdinnen aus dem öffentlichen Leben rigide umgesetzt. Ironischerweise erlebte die Familie von Helga Feldner-Bustzin (geborene Pollak) einen kurzzeitigen sozialen Aufstieg, da ihr (jüdischer) Vater zum einzigen Lungenfacharzt für jüdische Patient/innen ernannt wurde. Nach dessen Deportation in das KZ Buchenwald und später in das KZ Auschwitz lebten Helga Feldner-Busztin, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester in verschiedenen Sammelwohnungen in Wien, bevor sie ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Dort entgingen sie mit viel Glück den Transporten nach Auschwitz.
Für Kurt Karlitzky, Sohn einer jüdischen Mutter und eines „arischen“ Vaters, war es früh klar, dass es nach dem März 1938 nur eine Möglichkeit für ihn gab: das Deutsche Reich und am besten Europa auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Als Mitglied einer marxistischen jüdischen Jugendorganisation war er schon vor dem „Anschluss“ Österreichs mit Verfolgten aus Deutschland in Kontakt gewesen und konnte sich – anders als viele andere – sehr gut vorstellen, was Juden und Jüdinnen unter dem NS-Regime bevorstand. Seine Reise begann mit dem Abschied von seiner Mutter am Wiener Südbahnhof. Mit dem Zug ging es weiter nach Triest, von wo aus ein Schiff die Jugendlichen nach Palästina brachte. Dort lernte er tischlern, arbeitete in Haifa als Tischler und war bei der kommunistischen Jugend tätig. 1947 kehrte er nach Wien zurück. Seine Mutter und seine Schwester hatten unter dem Schutz des „arischen“ Vaters – stets prekär – überlebt.
Der Zwangsarbeiter namens „Ivan“, der auf dem Hof von Maria Stindls Familie in Fallbach Zwangsarbeit leisten musste, kam aus der polnischen Ukraine – so sagt Maria Stindl im Ausschnitt. Anzunehmen ist daher, dass er erst nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 ins Deutsche Reich deportiert wurde. Die massenhaften Deportationen der „Ostarbeiter“ begannen im Februar 1942. Die Interviewpassage verdeutlicht, wie Maria Stindl sich – analog zum österreichischen Diskurs bis in die späten 1990er Jahre – an die Zwangsarbeit zunächst nicht als NS-Unrecht erinnert, ein Umstand, der sich mit der weiteren Erzählung bald selbst ad absurdum führt.
Nicht lange nach dem Überfall Deutschlands auf Polen rollten die ersten Züge mit zivilen Zwangsarbeiter_innen an, die im Deutschen Reich, zu dem auch das ehemalige Österreich seit 1938 gehörte, in der Landwirtschaft und der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden.
Im Unterschied zu den Kriegsgefangenen wurden die aus der Zivilbevölkerung rekrutieren Arbeiter_innen zunächst als Freiwillige angeworben. Aufgrund der schlechten Behandlung meldeten sich aber bald keine freiwilligen Kräfte mehr und die deutschen Besatzungsbehörden gingen zu radikaleren Methoden der Arbeiter_innenrekrutierung über, die Menschenjagden und Sklavenmärkten glichen.
Anna Plaim, 1920 in Loosdorf als Anna Mittelstrasser geboren, kam über ihren Cousin Willi und dessen Frau Gretel Mittelstrasser zur ihrer Anstellung.
Als Dienstmädchen auf dem Berghof am Obersalzberg, dem Landhaus Adolf Hitlers, war sie vor allem für die Gästezimmer und die Privaträume Eva Brauns zuständig. Ihr Cousin Willi war frühes Mitglied der NSDAP gewesen, mit Hitler bekannt und arbeitete für ihn als Chauffeur. Seine Frau Gretel, die Anna Plaim 1941 auf den Berghof holte, arbeitete dort als Haushälterin.
In dem Ausschnitt kommt nicht nur die damalige Bewunderung für Adolf Hitler zum Ausdruck, es wird auch im Vergleich mit den anderen Tonbeispielen dieses Jahrzehnts offensichtlich, wie unterschiedlich sich die Lebens- und Überlebenswelten für die Interviewten darstellten, je nachdem welchen Status sie in der nationalsozialistischen Gesellschaftshierarchie innehatten, und ob ihnen ein Platz innerhalb oder außerhalb der „Volksgemeinschaft“ zugedacht wurde.
Hans Fritz und seine Mutter erhielten 1942 Grüße des Vaters auf Schallplatte. Als Wehrmachtssoldat war der Vater gerade in Frankreich stationiert und schickte zusammen mit einem Freund Geburtstagswünsche an seine Frau und Grüße an den Sohn. Der Vater galt später, ab Juli 1944 in der Nähe von Lemberg/Lwiw als vermisst.
Die Familie hoffte lange auf seine Rückkehr, die er jedoch niemals antreten sollte. Das Klavierspiel auf der Aufnahme ist vermutlich vom Vater selbst, hatte er doch vor dem Krieg ein Kino betrieben und die Stummfilme stets auf dem Klavier begleitet. Die Schallplattengrüße des Vaters wurden jedes Jahr zu Weihnachten vorgespielt.
Nach einer langen Vorgeschichte der Armut, der sozialen Ausgrenzung, Aufenthalten in Pflegefamilien, Kinderübernahmestellen und Erziehungsheimen wurde Friedrich Zawrel 1943 bereits zum zweiten Mal in die Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ überstellt.
Seine Geschichte über die Misshandlungen und Tötungen von als „erbbiologisch minderwertig“ eingestuften Kindern und Jugendlichen während der NS-Zeit und über die ungebrochene Karriere seines damaligen Peinigers Heinrich Gross bis weit in die Zweite Republik hinein wurde in Film, Theater und Literatur mehrfach bearbeitet. In diesem Ausschnitt erzählt Friedrich Zawrel von seiner Zur-Schau-Stellung vor Krankenpflegerinnen durch Primarius Dr. Ernst Illing. Illing war seit 1942 der ärztliche Leiter der Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ und wurde nach Ende der NS-Herrschaft vom österreichischen Volksgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Nachdem der Vater von Helga Feldner-Busztin 1938 ins KZ Buchenwald deportiert worden war, konnte seine Familie ihn mithilfe eines gültigen Auslandsvisums freibekommen, allerdings saß er seitdem in Italien fest und wurde von hier 1944 in das KZ Auschwitz deportiert. Der Vater überlebte mit viel Glück. Helga Feldner-Busztin erinnert sich, dass er nach Auschwitz nie mehr so war wie zuvor, er blieb bis zu seinem Lebensende ein gebrochener Mensch.
Während ihre Mutter sie bei nahenden Fliegerangriffen in den Luftschutzkeller bringen wollte, sah Irmgard Hallama lieber den „Christbäumen“ zu, die vom Himmel fielen. So wurden die Leuchtmittel genannt, mit denen die Ziele für die alliierten Bomber markiert wurden und die – stufenförmig – wie Christbäume aussahen. Bereits seit 1943 wurden Luftangriffe auf das nahe gelegene Wiener Neustadt, dem Zentrum der Rüstungsindustrie, geflogen.
Die schweren Bombenschäden und Todesopfer, die Österreich durch die Bombardierung bis 1945 erlitt und die letztlich zur Befreiung vom nationalsozialistischen Regime führten, waren im österreichischen Gedächtnis lange Inbegriff von Krieg und Zerstörung. Als solches vermochten sie es paradoxerweise, die Idee von Österreich als erstem Opfer NS-Deutschlands zu stützen und den aktiven Part, den die österreichische Bevölkerung für den „Anschluss“ und den Krieg übernommen hatte, zu verschleiern.
Margaretha Chalupka, aus armen Verhältnissen kommend, erinnert sich, wie ihr Stiefvater einem Hilfsangebot der Familie Trapp folgte und ihre mittellose Familie daraufhin ein Paket mit den besten Kleidungsstücken zugeschickt bekam. Darunter waren auch drei Paar Nylonstrümpfe, die es in Österreich zu der Zeit noch nicht gab.
Die Familie Trapp, bis heute ein Begriff durch das Musical „The Sound of Music“, sammelte nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge ihrer Konzertauftritte Kleidungsstücke und Nahrungsmittel für die Menschen in Österreich. Darauf basierend wurde 1947 die Hilfsorganisation Trapp Familiy Austrian Relief gegründet. Insgesamt sandte die Organisation an die 150 Tonnen Hilfsgüter nach Österreich.
Das Lernen hätte Egon Moser eigentlich gut gefallen. An seiner Schulreife machte ihm etwas anderes Schwierigkeiten: Sein Vater fand, dass er nun schon zu alt für seine geliebte Puppe, den „Bajatzl“ sei. Seine Großmutter, die ihm den „Bajatzl“ gemacht hatte, stellte sich hingegen auf die Seite des Kindes: „Wenn ein Bub lange Puppen hat, dann wird er einmal ein guter Ehemann“. Der „Bajatzl“ ist übrigens eine im Tiroler Raum vorkommende Fastnachtsfigur, die beim traditionellen „Blochziehen“ ihren Schabernack treibt.