Beethoven in der Vorstadt – Josefstadt

Wohnraum war im aus­gehenden 18. und beginnen­den 19. Jahr­hundert insbesondere in der Stadt knapp. Der Schrift­steller Johann Pezzl berichtete 1805 in seiner „Neuen Skizze von Wien“ von Klagen, dass man „selbst um theures Geld keine [Wohnung] finde“. „Sogar vermögende Leute“, erklärte er weiter, müssten „aus der Stadt in die Vorstädte ziehen“. Die Inflation, der Staats­bankrott 1811 und der Wiener Kongress 1815 verschärften die Lage zusätzlich.

Für viele Gewerbetreibende und (niedere bzw. mittlere) Beamte wurden die Mieten in der Stadt unerschwinglich und sie siedelten sich in den Vorstädten an, die durch Migration und den Zuzug aus der Stadt besonders wuchsen. Als Beethoven nach Wien übersiedelte, lag ihre Be­völkerungs­zahl bei etwa 161.000 Ein­wohner_innen; als er rund 35 Jahre später dort starb, war ihre Zahl auf etwa 265.000 gestiegen.

So zeichnete sich im letzten Drittel des 18. Jahrhundert eine sozial­räumliche Gliederung Wiens ab, die noch im 19. und 20. Jahr­hundert zu beobachten ist: Während sich die Ober­schichten haupt­sächlich in der teuren Stadt konzentrierten – und Adelige zudem ihre Sommer­palais in den Vororten errichten ließen –, siedelten Angehörige der Mittel­schichten insbeson­dere in den Vorstädten und Unter­schichten vermehrt in den Vororten. Die Josefstadt, wo Beethoven während des Winters 1819/20 lebte, ent­wickelte sich im ersten Drittel des 19. Jahr­hunderts zu einer bürger­lichen Wohnvorstadt – auch, weil dort besonders viele Beamte ansässig wurden.

<p>Grundriss der Stadt und der Vorstädte Wiens (1808)</p> ©

Grundriss der Stadt und der Vorstädte Wiens (1808)

„Die um alle Vorstädte ge­zogenen Linie hat 11 Thore oder Aus­gänge, welche mit Polizey-Wache be­setzt sind, und Nachts um 10 Uhr ge­schlossen werden, jedoch jedem ankommenden Wagen, ja auch einzelnen Fuß­gängern auf Verlangen zu jeder Stunde müssen geöffnet werden“.

Johann Pezzl: Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt Wien, 1816, S. 67.

Im direkt am Glacis gelegenen Wohnhaus „Zur goldenen Birne“ komponierte Beethoven das Credo der Missa Solemnis. „Was die Messe betrift, welche nun bald auf­ge­führt wird, so ist das Honorar 125 Louisdor – Sie ist ein großes Werk“, schrieb er dem Bonner Ver­leger Peter Joseph Simrock im Februar 1820. Tat­sächlich stellte er die Erzherzog Rudolph anlässlich der Ernennung zum Bischof von Olmütz gewidmete Messe 1823 fertig.

„Dort noch weiter links hinüber, fuhr ich zu Hans fort, erblickst du die Joseph­stadt mit ihren schönen Gebäuden, welche immer durch neue Bauten ver­mehrt werden. Es ist eine der schönsten Vorstädte, in welcher sich nebst vielen Gärten und an­sehn­lichen Gast- und Kaffeehäusern, auch ein Theater befindet“.

Heinrich Walden: Wien und seine Bewohner, 1834, S. 32.