Beethovens Orte: Innere Stadt: Adelige Mäzene

Als Ludwig van Beethoven Ende des 18. Jahrhunderts von Bonn nach Wien übersiedelte, kam er in eine der größten Städte Europas und die größte des deutschsprachigen Raums. Wien war die Residenzstadt der Habsburger mit einem Hof von mehreren tausend Perso­nen sowie dutzenden Adelsfamilien, die außerhalb des Hofes in ihren Palais residierten. In der dichtbebauten heuti­gen Innenstadt lebten zwischen 52.000 und 54.000 Menschen. Noch war sie von einer Stadtmauer umgeben, auch wenn diese ihre militärische Funktion bereits verloren hatte.

Politisch war die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahr­hundert in Mitteleuropa eine unruhige Zeit. Es waren noch die Nachwirkungen der Französischen Revo­lution zu spüren und der Aufstieg Napoleons in Frankreich führte zu Kriegen und Umwälzungen in ganz Europa. Die darauf folgende Neuordnung Europas beim Wiener Kongress 1814/15 führte zu einer Phase der politischen Restauration, dem sogenannten Vormärz. Auch wirtschaft­lich waren es turbulente Zeiten und das Kaisertum Österreich rutschte 1811 während der Napoleonischen Kriege in eine Staats­pleite.

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Symphonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55

Uraufführung am 9. Juni 1804 im Palais Lobkowitz

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„Es ist natürlich, daß sich an einem Platz wie Wien ist, viel Adel ver­sammelt. Der Thron, die Geschäfte, die grosse Welt; das Bestreben, seine Talente zu zeigen, zu verfeinern, zu bereichern, auszubreiten, zu ent­wickeln, in Thätigkeit zu sezen; die Familien­ver­bindungen, die Vergnügun­gen endlich und die Bequemlichkeit, ziehn aus allen Provinzen der öster­reichischen Erblande eine Menge Standes­personen hieher.“

Johann Pezzl, Skizze von Wien (1787), S. 81.

Die gesellschaftlichen Umwälzungen, die Ende des 18. Jahr­hunderts in der Französischen Revolution einen Höhepunkt erreichten, setzten sich auch am Beginn des 19. Jahrhunderts fort. Der Adel war – so wie das Bürger­tum – um 1800 in einer Umbruchphase. Rund 100 adelige Familien gehörten zum Hochadel, zur sogenannten „Ersten Gesell­schaft“, die sich zur „Zweiten Gesellschaft“, dem nie­der­en Adel sowie dem aufstrebenden Bürgertum, ab­grenz­te. Diese Abgrenzung des Adels nach unten war auch ein Ausdruck einer geringer werdenden Bedeu­tung in gesell­schaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, der man mit besonderer Exklusivität entgegenwirken wollte. Reichtum und Nähe zum Hof machten den Adel aber zu einem Mittel­punkt des kulturellen Lebens in Wien und die Adels­palais zu Orten von Kultur­veranstaltungen.

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Wien im Vormärz

Obwohl sich Beethoven viele Jahre vergeblich um die Stelle eines Hofkapell­meisters bemühte, spielte der Wiener Hof in musikalischer Hinsicht eine eher geringe Rolle. Beethoven fand lediglich in der Person des musik­inter­essierten und selbst kompo­nierenden Erzherzog Rudolph von Österreich (1788–1831) einen Mäzen, der zeitweise auch von ihm unterrichtet wurde.

<p>Wien, Hofburg, Reichskanzleitrakt, um 1792</p> ©

Wien, Hofburg, Reichskanzleitrakt, um 1792

„Ihro Kaiserliche Hoheit!
Der Kampf zwischen dem Frühjahr und winter hat auf mich immer üble Folgen, seit gestern befinde ich mich nicht wohl, und für heute ist mir Verbothen, das Zimmer zu Verlaßen, doch wird es schwerlich länger als bis morgen so fortwähren, ich leide noch um so mehr, indem ich nicht so glücklich seyn kann, meinen Dienst­eifer zu zeigen.

Ihro Kaiserlich Hoheit Unterthäniger
Ludwig van Beethowen“

Brief Beethovens an Erzherzog Rudolph, März/April 1812.

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Klaviertrio Nr. 7 B-Dur op. 97

gewidmet Erzherzog Rudolph

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Missa solemnis op. 123

gewidmet Erzherzog Rudolph

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Die Widmungen waren eine Strategie, um Einkünfte zu lukrieren, sie waren jedoch nicht unmittelbar mit Geldzu­wendungen verbunden, sondern Teil der sozialen Kultur. Beethoven hatte auch nicht zu allen Widmungs­trägern persönlichen Kon­takt, wobei dieser zu den weib­lichen Widmungsträgern ausgeprägter war als zu den männlichen.

„Lasst uns gerecht seyn. Geist, Wiz und Kentnisse, sind nicht bloß das Erbtheil der Männer allein. Es giebt unter dem hohen Adel in Wien auch Damen, die wahre Schwestern der Musen und Grazien sind.“

Johann Pezzl, Skizze von Wien (1787), S. 87.

Frauen spielten in den Adelssalons dieser Zeit – genauso wie in den bürgerlichen Salons – eine wesentliche Rolle. Hervorzuheben ist etwa Gräfin Maria Wilhelmine von Thun-Hohenstein, eine bedeutende Musik­mäzenin Wiens, die schon Mozart und später auch Beethoven gefördert hat. Ihre Töchter Christiane, verheiratete Fürstin Lichnowsky und Elisabeth, verheiratete Fürstin Rasumowsky setzten diese Tradition fort.

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Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll op. 27 Nr. 2

gewidmet Gräfin Giulietta Guicciardi

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Adagio aus dem Trio B-Dur op. 11

gewidmet Gräfin Maria Wilhelmine von Thun-Hohenstein

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Beethoven erhielt aus den Kreisen des Adels nicht nur regelmäßige Renten­zahlungen, sondern auch Instrumente und es wurden ihm Gelegenheiten für Auftritte und Proben geboten, für die ihm fallweise auch die Haus­musiker und Hausorchester der adeligen Mäzene zur Ver­fügung standen, wie etwa im Palais Lobkowitz.

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Streichquartett Nr. 6 B-Dur op. 18

gewidmet Franz Joseph Maximilian Fürst Lobkowitz

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An die ferne Geliebte op. 98

gewidmet Franz Joseph Maximilian Fürst Lobkowitz als Werk der Erinnerung an seine verstorbene Frau Maria Karoline Fürstin Lobkowitz

<p>Wien, Palais Lobkowitz</p> ©

Wien, Palais Lobkowitz

Die Rentenzahlungen an Musiker bedeuteten auch eine Art Aufnahme in den adeligen Haushalt, verbunden mit Verpflichtungen etwa zu regelmäßigen Auf­tritten. Trotz des nicht ganz unberechtigten Bildes von Beethoven als „junger Wilder“ oder als Mensch, dessen Jähzorn auch nicht vor seinen adeligen Gönnern Halt machte, konnte Beethoven die ihm zur Verfügung stehenden Netzwerke ge­schickt nutzen. Zu manchen adeligen Mäzenen gab es engere persönliche Ver­hält­nisse, bei anderen war die Beziehung eher lose – in jedem Fall aber brachten diese Verbindungen Einkommen und Gelegenheiten zur Verbreitung seiner Werke.

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Wien, Palais Kinsky

„Falschheiten verachte ich – besuchen sie mich nicht mehr, keine Akademie wird seyn – A Monsieur le Comte Maurice Lichnowsky“

Brief Beethovens an Graf Moritz Lichnowsky, April 1824.

„Es wird Eurer Durchlaucht ohne Zweifel bekannt sein, daß, als ich im Jahre 1809 den Ruf nach Westphalen erhielt, Seine Durchlaucht der Fürst von Kinsky, HochDero seeliger Gemahl, vereint mit seiner kais. Hoheit dem Erzherzog Rudolph, und Sein. Durchlaucht dem Fürsten von Lobcovitz sich erboten, mir lebenslänglich einen jährlichen Gehalt von VierTausend Gulden zu bewilligen, wenn ich diese Anstellung aufgeben, & in Oesterreich bleiben wollte. Obwohl schon damals diese Summe in keinem Verhältnisse mit jener stand, welche mir in Westphalen zugesichert war, so ließ mich dennoch die Vorliebe für Oesterreich sowohl, als die Anerkennung dieses höchst großmüthigen Antrags keinen Augenblick anstehen, denselben anzunehmen.“

Brief Beethovens an Maria Charlotte Fürstin Kinsky von Wchinitz und Tettau, geb. Gräfin von Kerpen, 30. Dezember 1812.

Im Jahr 1808 erhielt Beethoven ein verlockendes Angebot von Jéròme Bonaparte, einem Bruder Napoleons und von diesem als König von Westphalen eingesetzt: Er sollte als Kapellmeister an seinen Hof nach Kassel kommen, als Jahresgehalt wurden ihm 600 Dukaten in Gold in Aussicht gestellt. Beethoven war durchaus gewillt, diese gut bezahlte Stellung anzunehmen und Wien zu verlassen – was einige seiner adeligen Mäzene auf den Plan rief, die ihm ein Gegenangebot machten.

1809 schlossen sich Erzherzog Rudolph sowie die Fürsten Kinsky und Lobkowitz zu­sammen und boten Beethoven einen Rentenvertrag mit einer fixen jährlichen Summe von 4.000 Gulden an, wobei Fürst Kinsky mit 1.800 und Erzherzog Rudolph mit 1.500 Gulden die Hauptlast trugen. Beethoven nahm dieses Angebot, das ihm auch die Verpflich­tung auferlegte, seinen Wohnsitz in Wien bzw. den österreichischen Erblanden zu nehmen und diese nicht auf längere Zeit zu verlassen, an.

In den folgenden Auseinandersetzungen um die Zahlungen wird das komplexe Geflecht zwischen Künstlern und ihren Mäzenen sichtbar. Regelmäßige Zahlun­gen erhielt Beet­hoven vor allem von Erzherzog Rudolph, dem nach Abschluss des Rentenvertrages auch einige Werke gewidmet wurden. Die Zahlungen aus dem Haus Kinsky erfolgten 1811 nur mehr teilweise, zudem verstarb Fürst Kinsky 1812 bei einem Reit­unfall und Beethoven musste seine Ansprüche bei den Nach­kommen geltend machen. Fürst Lobkowitz ging 1813 bankrott – und Beethoven ging erfolgreich vor Gericht, um seine Ansprüche aus dem Vertrag geltend zu machen.

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Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73

gewidmet Erzherzog Rudolph

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Wonne der Wehmut

aus: Drei Gesänge für Singstimme und Klavier op. 83

gewidmet Maria Charlotte Fürstin Kinsky von Wchinitz und Tettau, geb. Gräfin von Kerpen, die regelmäßig in adeligen Kreisen als Sängerin auftrat

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