Beethoven in der Vorstadt – Landstraße

Ludwig van Beethoven ist für seine vielen dutzenden Umzüge be­kannt. Ihre Anzahl ist selbst für eine Zeit, in der die Be­völker­ung häufiger als heute den Wohnort wechselte, außer­ge­wöhnlich. Der Komponist war dabei nicht auf die Stadt oder eine (bestimmte) Vor­stadt 'abonniert', auch wenn er offen­sichtlich Vorlieben für einige Gegenden hatte.

Ab den späten 1810er Jahren wohnte Beethoven mehrfach im heutigen Bezirk Landstraße – und das in einem Radius von wenigen hundert Metern. Darunter waren zwei Woh­nungen in der nach Südosten aus­fallenden Hauptstraße der Vorstadt, in denen er zwei Klavier­sonaten kompo­nier­te. Die Wohnung in der heutigen Ungar­gasse 5, in der er an der im Frühjahr 1824 fertiggestellten Neunten Sympho­nie arbeitete, befand sich ganz in der Nähe des Salons der befreundeten Klavier­fabrikanten Streicher.

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Symphonie Nr. 9 in D-Moll op. 125

entstanden 1823/24, als Beethoven auch in der Ungargasse 5 lebte

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Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106

entstanden 1817–1819, als Beethoven auch in der Landstraßer Hauptstraße 26 lebte

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Blick über den Wienfluss auf das Invalidenhaus in der Vorstadt. ©

Blick über die Wien auf das Invalidenhaus mit Einblick in die Landstraße (1792)

Die Mieten für Vorstadtwohnungen waren bei gleicher Größe um wenigstens ein Drittel günstiger als in der Stadt, wobei die Miet­höhe in der Regel mit der Nähe zur heutigen Innen­stadt anstieg. Woh­nungen wurden mittels Aushängen, Mund­propa­ganda und Annoncen angeboten und gesucht. Eine Anzeige vom Septem­ber 1823 beispielsweise gab in der Wiener Zeitung bekannt, dass im Vorort Land­straße nahe dem Invaliden­haus „zwey Wohnungen zu vermiethen [seien], eine im ersten Stock, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Vorzimmer, Küche, Boden und Holz­lage“. Sie war damit größer als die typische Vorstadt- und Vorort­wohnung mit Zimmer und Küche. Charakteristisch war der Hinweis „zu Michaeli zu beziehen“ – ein Termin Ende September, der neben Georgi (Ende April) der zweite übliche Umzugszeitraum war.

<p>Wiener Zeitung (11. September 1823)</p> ©

Wiener Zeitung (11. September 1823)

„schon seit einigen Jahren war die Polizey bey den Aus­ziehungs-Terminen (welche hier vierzehn Tage nach Georg- und Michaels-Tag sind) einige Mahle in nicht geringer Ver­legen­heit, einige hundert Familien der ärmeren Classe, selbst in den weit­läufi­gen Vorstädten, unter Dach zu bringen. (…) Um diesem Mangel an Woh­nungen abzuhelfen (…), wird denn auch an allen Orten und Enden wieder gebaut (…). In den Vor­städten werden theils die an die Linien gränzenden leeren Plätze bebaut, theils werden an die Stelle von Gärten, Scheunen und Ställen hübsche wohn­bare Häuser aufgeführt.“

Johann Pezzl: Neue Skizze von Wien, 1805, S. 9–10.

„Die Hauptstraße dieser Vorstadt ist eine der breitesten in ganz Wien, größten­theils gepflastert, und so wie die übrigen zwey Haupt­verbindungs­straßen (…) beyderseits mit einer Reihe von Pallästen und ausgezeichneten Gebäuden besetzt. Auch die übrigen Gässen sind meistens gerade angelegt, mit schönen Häusern versehen, und des Nachts hinreichend beleuchtet.“

Joseph von Fink: Der magistratische Vorstadt-Grund Landstraße, 1831, S. 5.

Die Vorstadt Landstraße verfügte im beginnenden 19. Jahr­hundert noch über ausge­dehnte – unbebaute – Grünflächen, auf denen zahl­reiche Adelige ihre Sommer­palais errichten ließen. Einer davon war Beethovens Gönner Andrej Kyrillowitsch Fürst Rasumofsky, dessen Palais 1806/07 erbaut wurde, und der mit dem Schuppanzigh-Quartett eines der ersten professionellen Streichquartette unterhielt. Ihm widmete der Komponist die Fünfte und die Sechste Symphonie.

<p>Palais Rasumofsky (1823)</p> ©

Palais Rasumofsky (1823)

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Symphonie Nr. 5 in C-Moll op. 67

gewidmet Fürst Rasumofsky

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Symphonie Nr. 6 in F-Dur op. 68

gewidmet Fürst Rasumofsky

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