Brita Steinwendtner ist Autorin von Essays, Gedichten, Erzählungen und Romanen, gestaltete zahlreiche Literatur-Features und Autorenportraits für Rundfunkanstalten und war langjährige Intendantin der Rauriser Literaturtage. 2012 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.
„Meine ganz große Liebe waren die großen Porträts“, sagt Brita Steinwendtner – was auch schnell an der langen Liste an entsprechenden Sendungen für österreichische und internationale Rundfunkanstalten ersichtlich wird. Angefangen bei Ilse Aichinger und Peter Handke über Ernst Jandl, H. C. Artmann und Julian Schutting hat sie Dutzende österreichische Dichter und Schriftstellerinnen für Radio und Fernsehen potraitiert. Im Interview mit Georg Traska erinnert sich Brita Steinwendtner an ihre Anfangszeit beim Radio, die eng mit den Rauriser Literaturtagen verknüpft ist. Unter ihrer zwei Jahrzehnte dauernden Intendanz entwickelten sich diese zu einem der wichtigsten Literaturfestivals des deutschen Sprachraums. Audiovisuelle Medien – etwa Hörspiele – sind für sie ein großartiges Mittel, um die Vorstellungen und Botschaften von AutorInnen einem vergleichsweise großen Publikum bekannt zu machen. Aus der anfänglichen Scheu, ihren InterviewpartnerInnen ein Mikrofon hinzuhalten, entwickelte sie über die Jahre die Fähigkeit, sie genau das vergessen zu lassen. Fast nebenbei gibt Brita Steinwendtner Einblicke in ihre Geschichte der Aufzeichnungstechniken und ruft die Fragilität audiovisueller Träger in Erinnerung, wenn sie schildert, wie die Bänder von Kompaktkassetten beim Vor- oder Zurückspulen rissen.
Die Sammlung „Wienbibliothek“ beinhaltet Tonaufnahmen von Lesungen und von Vorträgen in der ehemaligen Wiener Stadtbibliothek seit den 1950er Jahren sowie Audioaufnahmen aus Nachlässen.
Aufnahme der Wienbibliothek im Rathaus (1957)
„Theodor Kramer ist einer der größten Lyriker der deutschen Sprache. Hochgeschätzt von Thomas Mann und der Literaturkritik der 1920er Jahre, musste er, Sohn des jüdischen Gemeindearztes von Niederhollabrunn, vor den Nationalsozialisten fliehen – im englischen Exil schrieb er hunderte, tausende Gedichte, schrieb es wie in den Wind, er blieb ungehört, wurde schwer krank, ging fast zugrunde, kam erst 1956 nach Wien zurück, nur um zu sterben. Seine Gedichte sind Hymnen an die Landschaft des Weinviertels sowie an die Verlorenen, Gedemütigten und Missachteten der Gesellschaft. In seiner eigenen Interpretation beim Lesen kommen jedoch die Wut und der Widerstand gegen solche Schicksale deutlich und packend zum Tragen. Er schrieb über den Ersten großen Krieg, als er in Wolhynien lag und schwer verletzt wurde, schrieb über den Vogelbeerbaum und den Ziegeleiarbeiter, über Arbeitslose, Bettler und Huren, immer jedoch ist er von hinreißender Poetik und Anteilnahme – mein Appell an Sie: lesen, hören Sie Theodor Kramer!“
Ö1-Sendereihe „Welt der Literatur“ (1986)
„Dieses Gespräch ist eineinhalb Jahre vor Fritz Hochwälders Tod bei den Rauriser Literaturtagen 1985 aufgenommen worden, als Klaus Gmeiner das letzte Drama des Dichters, das Märchenspiel Der verschwundene Mond zur Uraufführung brachte. In diesem Gespräch zieht Hochwälder Bilanz über ein Leben, das von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts bestimmt war: Er selbst konnte 1938 nach Zürich flüchten, seine Eltern wurden im KZ von Lodz ermordet. Seine weltweit berühmten Stücke wie Das heilige Experiment – es wurde z.B. allein in Paris 400 Mal en suite gespielt –, Der öffentliche Ankläger, Donnerstag oder Lazaretti haben Gewalt und Terror als zentrale Themen der Handlung. Schon zur Zeit des Gesprächs wurden sie nur selten gespielt, heute sind sie so gut wie vergessen. Sie wären hochaktuell. Und noch etwas zeigt diese historische Aufnahme: einen großartigen Menschen, der gegen jeglichen Hass kämpft, auch in sich selbst.“
„Der Band schlechte Wörter, der 1976 erschien, ist eines der radikalsten Bücher Ilse Aichingers. Die Titelgeschichte zeigt es bereits im ersten Satz an: ‚Ich gebrauche jetzt die besseren Wörter nicht mehr.‘ Aichingers fundamentaler Widerstand kommt aus der Sprache, dem einzelnen Wort, präzise, analytisch und immer den simplen, gedankenlosen Gebrauch unterlaufend. Sie ist eine Dialektikerin von außerordentlicher Schärfe, eine Infrage-Stellerin mit großer Irritationskraft. ‚Ich bin nicht wahllos wie das Leben, für das mir auch die bessere Bezeichnung eben entflohen ist. Lassen wir es Leben heißen, vielleicht verdient es nichts besseres.‘ Diese kurzen Prosaskizzen stehen im Schatten ihres bahnbrechenden Romans Die größere Hoffnung, ihrer berühmten Erzählungen und Hörspiele. Die schlechten Wörter verdienten es jedoch längst, ebenso in den Fokus der Betrachtung gerückt zu werden – wie bei keiner anderen Dichterin der Gegenwart ist hier zu lernen, was Widerstand bedeuten kann: ‚…Auf der Hut vor Maximen. Vor den Behelligungen der Abläufe. Und anders, anders, anders.‘“
Der Bestand an Eigenaufnahmen der Österreichischen Mediathek umfasst mehr als 3.100 Tonbandaufzeichnungen, die mittlerweile digital gesichert wurden. Dabei handelt es sich um einzigartige Quellen, die im „Memory of Austria“-Register im Rahmen des UNESCO-Programmes „Memory of the World“ eingetragen wurden.
Ein wichtiger Teil des Bestands setzt sich aus Mitschnitten zusammen, welche die Österreichische Mediathek selbst angefertigt hat und weiterhin anfertigt. Dabei wurden und werden unter anderem Radioprogramme österreichischer Rundfunksender selektiv mitgeschnitten, um das medial vermittelte Zeitgeschehen zu dokumentieren – darunter auszugsweise die Sendereihe „Ö1 Extra“.
Über einen Zeitraum von fast vierzig Jahren (1965–2000) dokumentierte die Österreichische Mediathek kulturelle Ereignisse mittels eigenen Tonaufnahmen. Aufgezeichnet wurden etwa wissenschaftliche Vorträge, musikalische Veranstaltungen und Lesungen bedeutender österreichischer AutorInnen wie Ilse Aichinger, H. C. Artmann, Ingborg Bachmann, Peter Handke oder Ernst Jandl.
Sendereihe „Ö1 Extra“ (1986)
Eigenaufnahme der Österreichischen Mediathek (1967)
„Diese beiden Aufnahmen von Peter Handke – die Lesung seiner ersten Gedichte im Palais Palffy 1967 und das Gespräch mit Heinz Fischer-Karwin, dem großen Meister der Interviewkunst, fast 20 Jahre später – zeigen einen selbstbewussten jungen Mann, der aufzählt, wer er ist und wer oder was er nicht ist – und im Gegensatz dazu das Gespräch des knapp über 40-Jährigen, aufgenommen Mitte der 1980er Jahre während seiner Salzburger Lebensphase, das den nachdenklichen Handke offenbart, dem man lange und still zuhören kann und soll. Ich habe um die gleiche Zeit und später viele Gespräche mit Peter Handke aufgenommen: Immer ist er der wunderbar differenzierende Gesprächspartner, dessen Antworten zugleich poetische Landschaften entwerfen und dessen Heimat in allen Verwerfungen des Lebens immer dieselbe ist: die Sprache.“