Doris Reinbacher studierte, nachdem sie die HTBLA für Kunst und Design absolviert hatte, Germanistik und Theaterwissenschaften in Wien. Unter anderem führte sie Interviews im Rahmen des Projekts MenschenLeben.
Als Kind habe sie sich besonders gut unterhalten, erzählt Doris Reinbacher im Interview, wenn sie Audiokassetten wie im Vorbild Radio „vollredete“, anschließend zurückspulte und sich das Gesprochene anhörte. Später kamen VHS-Kassetten hinzu, auf denen sie die Anfangsmelodien von Zeichentrickserien und -filmen aufzeichnete und so eine Sammlung davon anlegte. Audiokassetten waren für sie auch eine Unterstützung beim Lernen für die Schule: Sie nahm Fragen und Antworten auf, um den Stoff zu wiederholen. Heute macht Doris Reinbacher den Trend zum Analogen mit: Nachdem sie ihre Texte, Töne und Videos über einen längeren Zeitraum am Computer abgelegt hatte, kehrt sie wieder zum „Greifbaren“ und damit zu Büchern, Platten und Musikkassetten zurück. Nur zur VHS-Kassette, bemerkt sie im Nachsatz, greift sie nicht wieder.
Doris Reinbacher führte im Rahmen des Oral History-Projekts MenschenLeben einige ausführliche Interviews. Hier trifft sich ihre Freude am Archivarischen, wie sie es ausdrückt, mit ihrem Interesse für Menschen, weil dabei unterschiedliche und vielfältige Lebensgeschichten gesammelt und aufbewahrt werden. In solchen Gesprächen werden individuelle Erzählungen mit ‚großen‘ politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen verwoben. Dadurch erlauben sie einen alltagshistorischen und breiteren Blick auf zeitgeschichtliche Prozesse und Ereignisse. Aussagekräftig ist dabei nicht nur das, was in den Lebensgeschichten erzählt, sondern vor allem auch das, was nicht gesagt wird und unausgesprochen bleibt. Als Beispiel dafür nennt Doris Reinbacher die (Nicht-)Thematisierung des Holocaust, wenn in lebensgeschichtlichen Interviews die Rede vom Zweiten Weltkrieg ist.
aus der Tragödie zum Ersten Weltkrieg „Die letzten Tage der Menschheit“ (1930)
„Karl Kraus gehört für mich einfach in ein Archiv österreichischer Medien und ist aus solch einem nicht wegzudenken. Der Schriftsteller, Kritiker der ‚Journaille‘ und stets Verfechter der Demokratie ist immens bedeutend. Das Gedicht ‚Die Raben‘, das die Raben als die einzigen Sieger nach dem Ersten Weltkrieg darstellt, wird hier von Karl Kraus selbst vorgetragen. Die Zeitschrift ‚Die Fackel‘, von Kraus herausgegeben, ist übrigens inzwischen zur Gänze online zugänglich.“
aus der Ö1-Sendung „Menschenbilder“ (1996)
„Die Sendung Menschenbilder über die sympathische und großartige Künstlerin Valie Export finde ich sehr gelungen. Sie spricht ganz natürlich über die Problematik als Frau und über ihren großartigen Erfolg als Künstlerin, den ihr Österreich nicht wirklich zugestehen will. Hörenswert, finde ich!“
Solche Radiomitschnitte österreichischer Rundfunksender, die die Österreichische Mediathek selbst anfertigt, sind ein wesentlicher Teil des medialen Zeitgeschehens. Viele der rund 200 Sendungen der Ö1-Reihe „Menschenbilder“, die sich aus den 1980er und 1990er Jahren in unserem Bestand befinden, sind über die Online-Edition Österreich am Wort zugänglich.
1. Teil, Sammlung Lichtblau (1989)
2. Teil, Sammlung Lichtblau (1989)
3. Teil, Sammlung Lichtblau (1989)
„Das Oral History-Interview mit Marko M. Feingold habe ich deshalb gewählt, weil er einer der letzten Holocaust-Überlebenden in Österreich war. Vor allem in Zukunft wird sich die Frage stellen, wie das Wissen über und die Erinnerung an den Holocaust weitergegeben werden kann, wenn ZeitzeugInnen nicht mehr darüber berichten können. Das ist eine wichtige Thematik, wie man am derzeit neu aufkommenden Antisemitismus bereits bemerken kann.“
Das Interview mit Marko Feingold ist Teil der rund 1.000 Kompaktkassetten umfassenden Sammlung des Salzburger Zeithistorikers Albert Lichtblau. Die nun digitalisierten und langzeitgesicherten Interviews mit Opfern des Nationalsozialismus wurden zwischen 1986 und 2000 vor allem in Österreich, den USA und Israel geführt und 2018 ins „Memory of Austria“-Register des UNESCO-Programms „Memory of the World“ aufgenommen.
Ö1-Mittagsjournal (1. Februar 1997)
Die Hörfunkjournale des ORF zählen zu den wichtigsten akustischen Dokumenten der österreichischen Zeitgeschichte. Die Österreichische Mediathek hat unter www.journale.at mehr als 8.000 Stunden davon zugänglich gemacht.
„Es ist total interessant, die Anfänge und die Ideenentwicklung von FM4 in diesen aufgezeichneten Nachrichten zu hören. Dieser Radiosender ist für mich persönlich sehr wichtig. Zu Beginn von FM4 war ich ein Teenager von fünfzehn, bin in Graz in die Schule gegangen und jeden Tag zurück in die ‚Pampa‘ in die Weststeiermark gefahren. Dieser Radiosender hat mir so manche Tage versüßt. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass ich darauf gewartet habe, dass um 19:00 Uhr FM4 beginnt und es hat sich ein bisschen wie Gänsehautfeeling angefühlt, dass es einen Sender gibt, den auch andere, vielleicht ähnlich denkende Gleichaltrige gerne hören. FM4 war und ist wichtig für die eigene Identitätsfindung und Identitätsentwicklung. Bis heute hat sich FM4 immens weiterentwickelt und ist mit dem, was hier in den Nachrichten berichtet wird, überhaupt nicht mehr zu vergleichen. FM4 höre ich allerdings nach wie vor!“
„Das Video über den damaligen Auftakt der Donnerstagsdemo gegen die schwarz-blaue Regierung im Jahre 2000 bzw. die Kundgebung ‚gegen Schwarz-Blau, gegen Rassismus und Sozialabbau‘ habe ich ausgewählt, um an die damaligen politischen Umstände zu erinnern, die heute wieder hochaktuell sind. Möglicherweise haben bis zu 300.000 Menschen an diesem Demoauftakt in Wien teilgenommen.“
Um die Jahrtausendwende dokumentierte die Österreichische Mediathek systematisch kulturelle und politische Ereignisse genauso wie alltägliche Szenen und aussterbende Berufe mittels Videoaufzeichnung. Darunter war auch die Demonstration gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000 auf dem Heldenplatz.