- Beethoven in der Vorstadt – Alsergrund
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- Aufführungen in der Vorstadt
- Sommerfrische und Kuraufenthalt
Als Ludwig van Beethoven Ende des 18. Jahrhunderts nach Wien übersiedelte und hier bis zu seinem Tod 1827 ansässig war, kam er in die Haupt- und Residenzstadt der Habsburger, die in den folgenden Jahrzehnten eine wechselvolle und turbulente Geschichte erlebte.
Die Innere Stadt als Verwaltungs- und Herrschaftszentrum beherbergte zu Beginn des 19. Jahrhunderts rund 50.000 Einwohner_innen und war von einer Stadtmauer umgeben. Diese Verteidigungsanlage mit Basteien (vorgelagerten Geschützterrassen), Toren, einem Graben und dem Glacis, einer freien Grünfläche, hatte ihre ursprüngliche militärische Bedeutung verloren, wie sich während der Napoleonischen Kriege herausstellte. Wien wurde 1805 und 1809 von französischen Truppen besetzt. Während 1805 die Stadt kampflos übergeben wurde, scheiterte 1809 der Versuch, die Stadt zu verteidigen. Die französischen Truppen sprengten bei ihrem Abzug Teile der Stadtbefestigung, doch es sollte noch bis 1857 dauern, bis mit dem Schleifen des Bauwerks und der Errichtung der Ringstraße die einengende Befestigungsmauer aus dem Stadtbild verschwand.
„Die Wut über den verlorenen Groschen“
Entstanden um 1795, zu einer Zeit, als Beethoven im sogenannten Ogilvischen Haus lebte.
„Die eigentliche Stadt Wien hat eine ovale Gestalt. Rings um dieselbe läuft ein breiter trockener Graben und ein gemauerter Wall, zwischen 40 und 50 Fuß hoch, der mit eilf regelmäßigen Basteyen besetzt ist (...)“
Johann Pezzl, Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt Wien (1816).
Entstanden 1800/01, als Beethoven zeitweise im Greinerschen Haus „Zur kleinen Weintraube“ wohnte
„Die Volksmenge beläuft sich in Wien überhaupt gegen 300 000 Seelen, davon in der Stadt beyläufig 50000 wohnen. Man kann aber die Einwohner einer Stadt, wie Wien, wo immer eine große Menge Volkes selbst Einwohner ab- und zuströmen, nicht genau nach den Zählungen bestimmen.“
Neuester wienerischer Wegweiser für Fremde und Inländer vom Jahre 1802.
Ludwig van Beethoven ist noch heute für seine häufigen Wohnungswechsel bekannt. Er ist in den 35 Jahren, die er in Wien verbrachte, über 60 Mal umgezogen, wobei er zeitweise auch mehrere Wohnsitze gleichzeitig nutzte. Häufige Umzüge waren zu dieser Zeit üblich. So entflohen etwa im Sommer zahlreiche Einwohner_innen der inneren Stadt der Enge und Hitze und bezogen für einige Monate einen Wohnsitz in den Vorstädten, Vororten oder am Land – wie auch Beethovens Wohnungen belegen.
„Die Zahl der größeren und kleineren Gassen in der Stadt beträgt 110. Für einen so volkreichen Ort wäre es allerdings zu wünschen, daß die meisten derselben breiter und gerader wären.“
Johann Pezzl, Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt Wien (1816).
„Häuser sind 1312, die insgemein 3, 4 bis 6 und 9 Stockwerke hoch, und mit Ziegel und Kupfer gedeckt sind.“
Neuester wienerischer Wegweiser für Fremde und Inländer vom Jahre 1802
Befristete Mietverhältnisse „monatlich, viertel oder halbjährig“, finden sich in fast allen Wohnungsanzeigen aus dieser Zeit – die Einwohnerschaft der Städte war mobil, teils gezwungenermaßen aus finanziellen Gründen, bedeutete doch ohne soziale Absicherung ein Einkommensverlust schnell auch einen Wohnungsverlust. Andererseits konnte man auch mobiler sein, denn viele Menschen besaßen kaum eine nennenswerte Wohnungseinrichtung oder einen umfangreichen Hausrat und man war – wie Beethoven bis auf die Stofftapeten – auf häufige Umzüge eingestellt.
„(...) rathen sie mir in meiner Haußhaltung – ich habe ein ganz weißes Zimmer (mit weißen wänden) habe alte Tapeten, womit ich es behängen will, mahlen ist jezt außer der Zeit u. kostet zu viel, wo findet man jemand der einem solche alte Tapeten (in 1 Zimmer[)] festmachen würde, u. was kann es Kosten?“
Ludwig van Beethoven, Schriftlicher Dialog mit Tobias Haslinger (1817)
Entstanden 1806, zu einer Zeit, als Beethoven immer wieder im Pasqualatihaus lebte.
„(...) er hat drei Wohnungen, in denen er abwechselnd sich versteckt, eine auf dem Lande, eine in der Stadt und die dritte auf der Bastei, da fand ich ihn im dritten Stock; unangemeldet trat ich ein, er saß am Klavier, ich nannte meinen Namen, er war sehr freundlich und fragte: ob ich ein Lied hören wolle, was er eben komponiert habe (...)“
Bettina von Arnim über einen Besuch bei Ludwig van Beethoven (28.5.1810)
Immer wieder wurden in zeitgenössischen Schilderungen die starken Preissteigerungen bei Mieten sowie die Wohnungsnot thematisiert. Der Wohnungsmarkt war einer freien Preisgestaltung unterworfen und vor allem in der Inneren Stadt konnten viele dem Preisdruck nicht standhalten und übersiedelten in die Vorstädte, wo die Wohnungen deutlich billiger und kleiner waren. Auch Beethoven befand sich zeitweise in Geldnöten und die allgemeine wirtschaftliche Situation nach der Staatspleite 1811 und der darauffolgenden Geldentwertung trugen wie der stetige Zuzug zur Verschärfung der Wohnungssituation weiter bei. Doch auch vor diesem Hintergrund war Beethoven häufiger auf Wohnungssuche als seine Zeitgenoss_innen, was immer wieder dem als aufbrausend und in seinen späten Jahren auch als ungepflegt beschriebenem Wesen zugeschrieben wurde.
„Die Wohnungen und Miethzimmer in Wien sind seit mehreren Jahren außerordentlich im Preise gestiegen: die ordentlichen ganzen Wohnungen in den besseren lebhafteren Gegenden und Gassen der Stadt seit 4 bis 5 Jahren um die Hälfte, und die Miethzimmer auch wohl um zwey Drittheile ihres vorigen Anschlags.“
Johann Pezzl, Beschreibung der Haupt- und Residenz-Stadt Wien (1816).
Die schwierige Wohnungssituation in der Inneren Stadt hat sich auch 30 Jahre nach Beethovens Tod noch nicht geändert:
„Diese kleine innere Stadt nun, von nicht mehr als 1184 Häusern, ist mit all ihren Uebelständen so sehr der vornehmste Theil von Wien, daß sich alles hier zusammendrängt, was nur auf Eleganz Anspruch macht, und daß der Wiener „Städter“ auf den „Vorstädter“ mit einem mépris herabsieht, wie allenfalls ein Großstädter auf einen Kleinstädter. Man wohnt lieber im 4. Stock in der Stadt in einem „Hofquartier“ (dessen Fenster in einen Hof sehen), als im ersten Stock einer schönen, lichten Vorstadtgasse (…) Indessen haben die letzten Theuerungsjahre auch darin schon Viel geändert, zumal Wien empfindlichen Mangel an Unterkunft für seine anwachsende Bevölkerung hat“
Die österreichische Kaiserstadt: illustrirter Führer durch Wien und seine Umgebungen, (1858)