Lothar Bodingbauer unterrichtet Mathematik und Physik am Abendgymnasium in Wien, ist Radiojournalist und Imker und macht Podcasts zu den Themen Bienen und Physik. Er sagt über sich selbst, dass er Freude an Tönen, Gesprächen und Geräuschen hat.
Seit seiner frühen Jugend hörte Lothar Bodingbauer Kurzwellensender im Radio, insbesondere die deutschsprachigen Sendungen von Radio Moskau, Der Stimme der Anden oder auch Radio Bejing – für ihn „das Tor zur Welt“ und ein Gegenpol zu seiner katholisch geprägten Erziehung. Die internationalen Radiosendungen hätten ihm gezeigt, dass es nicht nur eine Wahrheit gebe. Ab 13.000 MHz „wurde es interkontinental“, erinnert sich Lothar Bodingbauer. Besonders eindrücklich schildert er aber den Medientransfer zwischen diesen beiden Welten: Er arrangierte die Titelmusik von Radio Moskau für Orgel und spielte sie während der Abendmesse, freilich ohne dass die KirchgängerInnen dies bemerkt oder erkannt hätten.
An Podcasts mag Lothar Bodingbauer, selbst Podcast-Produzent, dass sie viele Stimmen und Perspektiven zulassen. Podcasts beschreibt er deshalb als Demokratisierung des Radios. Während Radio für ihn ein Handwerk („Verlautbarung“) ist, das auch auf Hörerzahlen achten müsse, ensprechen Podcasts für ihn eher einer Haltung („Besprechung“). Gegen Ende des Interviews weist Lothar Bodingbauer auf die Herausforderung des Sammelns und Archivierens (auf kommerziellen Plattformen) hin, die in der kontinuierlichen Obsorge und langfristigen Verantwortung für das Material liegt: Werden die Gebühren für den Provider nicht mehr bezahlt, werden auch die Podcasts gelöscht und stehen (der Nachwelt) nicht mehr zur Verfügung.
Ö1-Mittagsjournal (22. Juni 1994)
„1994 hat Greenpeace im Treibhaus vom Klimawandel erzählt und Hanno Settele, den wir heute vom Fernsehen kennen, hat darüber berichtet. Eigentlich nichts Neues heute, aber dass es damals vor 20 Jahren genauso geklungen hat wie heute – inhaltlich zumindest –, ist schon verblüffend.“
Ö1-Mittagsjournal (22. Juni 1994)
„Einmal muss man sich selbst auch in der Mediathek ‚googeln‘. Zum Vorschein kam ein Trailer für mein ersters Journal-Panorama über Kaliningrad. Meine Stimme klingt natürlich viel jünger, höher und unbedarfter, aber gleichzeitig viel getragener. So wie man halt damals vor 20 Jahren im Ö1-Mittagsjournal gesprochen hat.“
Ö1-Mittagsjournal (6. Mai 1978)
„Bruno Kreisky begeistert über die Atomkraft in Finnland zu hören, ist schon großartig. Geschmückt aber noch durch eine Reportage, die am Flughafen aufgenommen wurde, was man durch die Lautsprecher auch hört, das hat schon Drama.“
Die Hörfunkjournale des ORF zählen zu den wichtigsten akustischen Dokumenten der österreichischen Zeitgeschichte. Genauso beinhalten sie Themen internationaler Politik, Wirtschaft und Kultur. Mit den Journalen, die morgens, mittags und abends ausgestrahlt wurden und werden, wurde nach der Rundfunkreform 1967 eine neue Form der Nachrichtensendung eingeführt. Die Österreichische Mediathek hat im Rahmen von Drittmittelprojekten mehr als 8.000 Stunden aus den Jahren 1967 bis 1999 zugänglich gemacht. Das entspricht mehr als 100.000 Einzelbeiträgen, die nun in der Online-Edition www.journale.at versammelt sind und nachgehört werden können. Der Fokus liegt insbesondere auf dem Mittagsjournal, einer einstündigen Sendung mit ausführlichen Informationen zum tagesaktuellen Geschehen.
Ö1-Mittagsjournal (11. November 1982)
„Das erste sowjetische Staatsoberhaupt, an das ich mich erinnern kann. Sein Gesicht. Sein Tod. Den Nachruf dazu gibt es samt Breschnew-Stimme im Mittagsjournal. Der Beitrag ist ebenso lang und getragen wie der Begräbniszug, den ich in Erinnerung habe.“
Das Interview entstand im Rahmen des an der Österreichischen Mediathek angesiedelten Projekts MenschenLeben. Menschen unterschiedlicher Generationen und Regionen und mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund geben einen Einblick in das Alltagsleben Österreichs.
Sammlung „MenschenLeben“ (2014)
„Das ist etwas, was ich nie suchen würde. Dieser Fund hat sich beim Schmökern in der Mediathek ergeben. Weder kenne ich den Mann, noch den Hintergrund. Aber er erzählt so schön über Familienfeste im 12. Teil seiner Oral History. Heute würde man das ‚Laberpodcast‘ nennen.“