Unterhaltung als Massenprodukt – Erfindung und Entwicklung der Schallplatte in der akustischen Ära

1887 reichte Emil Berliner ein Patent für die Schallplatte und das Grammophon ein. Dies bedeutete einen wesentlichen Schritt in der Geschichte der Schallaufzeichnung und wurde zum Ausgangspunkt der modernen Tonträgerindustrie.

Berliners Erfindung

Die Einführung des Zinnfolien­phono­graphen machte auch einen großen Eindruck auf andere Erfinder. Der amerikanische Physiker Charles Sumner Tainter von Alexander Graham Bells „Volta Laboratorium“ hatte bereits im Jahr 1880 erste Versuche mit der Übertragung von Ton­spuren auf flache Scheiben gemacht, diese aber wegen technischer Probleme wieder aufge­geben.
Auch der deutsch-amerikanische Erfinder Emil Berliner experimentierte mit dem Phonographen und ent­wickelte daraufhin das sogenannte „Grammophon“, einen Ton­auf­zeichnungs­­apparat, der anstatt der Tiefenschrift Edisons mit Seitenschrift auf eine Platte aufzeichnete. Von der Originalplatte konnten Pressstempel herge­stellt werden, die beliebig oft verwendet werden konnten.

Emil Berliner mit einem Modell seines ersten Grammophons ©

Emil Berliner mit einem Modell seines ersten Grammophons

Das von Emil Berliner eingereichte Patent (Auszug) ©

Das von Emil Berliner eingereichte Patent (Auszug)

Die ersten im Handel erhältlichen Schallplatten

Berliner kam auf der Suche nach Investoren im September 1889 zurück nach Hannover und blieb dort für ein Jahr. Er schloss einen Vertrag mit deutschen Lizenznehmern zur Grün­dung einer Fabrik zur Herstellung von Grammophon-Apparaten und -Platten. Berliner kehrte Ende August 1890 in die USA zurück.
Diese weltweit ersten kommerziell vermarkteten Schallplatten wurden bis ca. 1895 produziert.

Die vier frühen Aufnahmebeispiele stammen von der GRAMMY-nominierten Kompilation „Etching the Voice: Emile Berliner and the First Commercial Gramophone Discs, 1889–1895“ auf Archeophone Records. Produziert von Richard Martin und Meagan Hennessey, mit Booklet-Texten von Stephan Puille, David Giovannoni und Richard Martin. Die Aufnahmen wurden von Richard Martin und David Giovannoni restauriert und neu gemastert und erscheinen auf diesem CD-Set mit freundlicher Genehmigung von Richard Buck, John Levin und der Katholischen Universität Eichstätt.

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Die Glocke, aufgenommen im Jahr 1890
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Österreichische Hymne, aufgenommen im Jahr 1890
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Stille Nacht, aufgenommen im Jahr 1890
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Sprüche, aufgenommen im Jahr 1890
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<p>Früher Apparat der Grammophonfabrik Kämmer, Reinhardt &amp; Co., Waltershausen in Thüringen, ca. 1891<br /> Quelle: Technisches Museum Wien</p> ©

Früher Apparat der Grammophonfabrik Kämmer, Reinhardt & Co., Waltershausen in Thüringen, ca. 1891
Quelle: Technisches Museum Wien

Berliner-Aufnahmen in den Beständen der Österreichischen Mediathek

Insgesamt wurden von Kämmer, Reinhardt Co. zwischen 1889 und etwa 1895 etwa 300 verschiedene Schallplatten in mindestens sechs Sprachen (vor allem Deutsch und Englisch, aber auch Französisch, Spanisch, Italienisch und Holländisch) aufgenommen und in Auflagen von wenigen Dutzend bis mehreren 100 Exemplaren hergestellt. Die meisten dieser Schallplatten sind nicht mehr erhalten. Neben den im Projekt „Etching the Voice“ gesammelten Aufnahmen bewahrt auch die Österreichische Mediathek einige dieser seltenen Aufnahmen vom Beginn der Schall­platten­geschichte.
Der Bestand umfasst 26 Aufnahmen auf Hartgummi in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Von einigen Schallplatten sind auch weitere Exemplare in anderen Sammlungen vorhanden, bei einigen handelt es sich wahr­scheinlich um Unikate. 
Die Aufnahmen werden aktuell in analoger Form gesichert, sie wurden bislang weder digitalisiert noch weitergehend erschlossen.
Die Österreichische Mediathek startet mit dem Beginn der Aus­stellung „Tonkonserven“ auch mit der Aufarbeitung dieses Bestandes. Wir werden Sie im nächsten Jahr über alle Recherchefortschritte informieren und über den Stand der digitalen Sicherung auf dem Laufenden halten. Die Aus­stellung „Tonkonserven“ entwickelt sich somit dynamisch weiter und bietet eine gute Möglichkeit, die Aufarbeitung eines besonders wertvollen Archiv­bestandes zu begleiten.

Die Hartgummiaufnahmen aus der ersten Hälfte der 1890er Jahre hatten eine Größe von 12,5 Zentimeter.

Österreichische Hymne, Instrumentalquintett, Hartgummipressung aus dem Jahr 1889 ©

Österreichische Hymne, Instrumentalquintett, Hartgummipressung aus dem Jahr 1889

Schallplatten auf Schellack

Ab 1896 wurde das Produkt auf mehreren Ebenen weiterentwickelt: Hartgummi wurde als Träger­material durch eine Pressmasse ersetzt, deren wesentliche Be­standteile Schieferpulver, Baumwollflock und Schellack waren. Neue Grammo­phone mit Federantrieb ermöglichten einen verbesserten Abspiel­vorgang und eine groß angelegte Werbekampagne steigerte die Bekanntheit der Schallplatten.
Im Jahr 1898 wurden bereits über 700.000 Schellacks verkauft. Die Schallplatten­produk­tion und -vermarktung wurde Ende der 1890er Jahre von drei unabhängigen Firmen durchgeführt: Die „United States Gramophone Company“ hatte die Patente, die „Berliner Gramophone Company“ produzierte Platten und Abspielgeräte und die „National Gramophone Company“ war für die Vermarktung zuständig.
Aufgrund des großen Erfolges wurden in Europa einige Tochtergesellschaften gegründet, es begann jedoch auch eine Serie von Patentstreitigkeiten zwischen den einzelnen Produktions- und Ver­marktungsfirmen.
Die Schellackplatten aus der zweiten Hälfte der 1890er Jahre hatten eine Größe von17,5 Zentimenter.

„Cillerthal“, Schellackpressung aus dem Jahr 1897 ©

„Cillerthal“, Schellackpressung aus dem Jahr 1897

"His Master’s Voice"

Gemälde „His Master’s Voice“ von Francis Barraud ©

Gemälde „His Master’s Voice“ von Francis Barraud

Ende des 19. Jahrhunderts begann auch die Geschichte eines der be­kanntesten Werbesujets der Schall­plattengeschichte. Das Gemälde „His Master’s Voice“ von Francis Barraud wurde 1899 von der Gramophone Company gekauft, um es für Werbe­zwecke zu verwenden. Das ursprüng­lich mit einem Phonographen gemalte Bild war dafür überarbeitet worden.
Die Abbildung des Hundes Nipper, der in einen Grammophontrichter lauscht, wurde zu einem der weltweit be­kanntesten Logos. Das Bild war als Werbesujet derart erfolgreich, dass sich die Gramophone Company im Jahr 1909 in „His Master’s Voice“ umbe­nannte. 

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„His Master’s Voice“ zum Nachhören

Alexander Moissi rezitiert Goethes Faust (1912)

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His Master’s Voice“ als Plattenlabel ©

„His Master’s Voice“ als Plattenlabel

Pathé – ein alternatives Schallplattenformat

Neben den auf dem Patent Berliners basierenden Schallplattenaufnahmen waren Anfang des 20. Jahr­hunderts auch noch alternative Formate auf dem Markt. Die französische Firma Pathé Records, betrie­ben von den Brüdern Charles und Émile Pathé, stellte ab 1905 Schallplatten her, die einige Jahre sehr erfolgreich verkauft werden konnten.
Pathéplatten sind, wie Tonzylinder, in Tiefenschrift geschnitten und werden von innen nach außen abgespielt. Die Abspielgeschwindigkeit betrug 90 bis 100 Um­drehun­gen pro Minute. Die Abspielgeräte waren nicht mit denen anderer Marken kompatibel. Pathé-Schallplatten wurden bis ins Jahr 1932 verkauft.

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Aufnahme einer Pathé-Schallplatte zum Nachhören

Adolf von Sonnenthal rezitiert „Faust“ (1908)

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Pathé-Platte aus dem Jahr 1908 ©

Pathé-Platte aus dem Jahr 1908

Die Schellack wird doppelseitig

Im Jahr 1904 präsentierte die Platten­firma Odeon auf der Leipziger Früh­jahrs­messe die erste doppelseitige Schellack­platte. Die Möglichkeit, die Laufzeit von Schallplatten zu ver­doppeln, wurde freudig angenommen. Innerhalb weniger Jahre wurde die doppelseitige Schellackplatte zum Standard im kommerziellen Schall­platten­handel.

Einseitige Schellackplatte ©

Einseitige Schellackplatte

Patent für die doppelseitige Schallplatte (Auszug) ©

Patent für die doppelseitige Schallplatte (Auszug)

Im Aufnahmestudio

Schellackaufnahmen wurden bis ins Jahr 1924 akustisch, das heißt ohne elektrische Ver­stär­kung oder Mikrofone direkt über eine Membran aufge­nommen. Die akustische Aufnahme­technik bedeutete auch, dass es er­forderlich war, Ein­spielungen in einem Versuch ohne Korrektur­möglich­keit durchgehend aufzunehmen, da es nicht möglich war, Aufnahmen zu schneiden.
Die Arbeit im Tonstudio wurde so zu einer großen Herausforderung. Um ein ausgewogenes Klangbild zu erreichen, wurden Orchester­gruppen nach der Lautstärke der einzelnen Instrumente positioniert, sehr laute Instrumente wurden weiter weg vom Aufnahme­trichter platziert, leise Instrumente mussten verstärkt werden.

Im akustischen Aufnahmestudio ©

Im akustischen Aufnahmestudio

Schallplattenaufnahme mit Lauritz Melchior ©

Schallplattenaufnahme mit Lauritz Melchior

Eine neue Industrie – Die Schallplatte überflügelt die Wachswalze

Bereits ab dem Jahr 1900 waren Schellackaufnahmen kommerziell sehr erfolgreich. 
Der relativ schlechte patentrechtliche Schutz der Erfindung Berliners führte dazu, dass Unternehmen in vielen Ländern gegründet wurden, die Schellacks sowie eigene Abspielgeräte produzierten und weiterentwickelten. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs entwickelte sich so eine sehr dynamische Schallplattenindustrie. Ab dem Jahr 1910 wurden mehr Schallplatten verkauft als Tonwalzen. Trotz der Neueinführung verbesserter Walzen und der Entwicklung eines eigenen Schall­platten­formats mit Tiefenschrift war die Dominanz der Schellackplatten nicht mehr aufzuhalten.
Durch die steigenden Verkaufszahlen und die große Konkurrenz in diesem aufstrebenden Industrie­zweig sanken auch die Preise. Schallplatten wurden für weite Kreise der Bevölkerung leistbar. Durch den zunehmenden Erfolg begannen sich auch bekannte Sängerinnen und Sänger für das Medium zu interessieren, das dadurch auch finanziell lukrativ wurde.
Während des Ersten Weltkriegs brach die Schallplattenindustrie aufgrund von Lieferschwierigkeiten für Rohschellack zwischenzeitlich ein, erholte sich danach aber wieder.

In der Grammophonfabrik ©

In der Grammophonfabrik

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Ein früher Bestseller der Schellack-Ära

Vesti la giubba – Enrico Caruso singt
(Schellackplattenaufnahme aus dem Jahr 1902)

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