- Tonaufzeichnung vor und bis Edison
- Der Phonograph: Musik auf Tonzylindern
- Der Phonograph: Briefe und Diktate
- Das Grammophon: Unterhaltung als Massenprodukt
- Das Nachleben früher Tonaufnahmen
Kabarett, Kleinkunst, Komik und Humor spielten schon zu Beginn der kommerziell verwerteten Tonaufzeichnungen eine nicht unbedeutende Rolle. Dies galt auch für Österreich-Ungarn und in der Nachfolge ebenso für die Erste Republik.
Der Beginn von Kabarett und Kleinkunst in Österreich ist mit einem „Krach“ verbunden, dem Wiener Börsenkrach von 1873, auch bekannt als „Gründerkrach“. Die daraus resultierende weltweite Finanzkrise, die ihren Ausgang von Österreich-Ungarn nahm, beendete die Gründerzeit und traf, wie wenig sich die Zeiten ändern, die Kulturschaffenden und das Theater besonders hart. Aber schon bald füllten neue Unterhaltungsstätten die Lücken, die der Zusammenbruch der etablierten Häuser hinterlassen hatte. Es gab das „Chantant“, das Tanzcafé oder Konzertcafé nach Pariser Vorbild, das Varieté, eine Mischung aus Zirkus und Theater und die Singspielhalle als ein Ort für Gesang, Schauspiel und Komödie.
Alle Spielstätten glichen sich darin, dass es üblich war, längere Pausen im Programm von einem Conférencier, einem Alleinunterhalter, überbrücken zu lassen, bis deren zumeist humoristische Auftritte eigene Programmpunkte wurden.
Aus Budapest, der damals zweiten Hauptstadt der Doppelmonarchie, kamen Komiker und Kabarettisten, die im Jahr 1889 in Wien die „Budapester Orpheumgesellschaft“ gründeten – eine Bühne für jüdische Jargon-Komik. Ihre Spielstätte hatten die „Budapester“ stets im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Leopoldstadt. Zuerst im Hotel „Zum Schwarzen Adler“, dann im Hotel „Stefanie“, danach im Hotel „Central“ und schließlich, ab 1913, in einem eigenen Theater im Wohn- und Geschäftshaus „Fürstenhof“, in der Praterstraße 25.
Zum Ensemble der Budapester Orpheumgesellschaft gehörten Heinrich Eisenbach, Armin Berg, Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Josef Bauer und Hans Moser. Letztere waren die beiden einzigen „Goi“ – also Nichtjuden – in der Aufzählung. Alleine diese Namen rechtfertigten die Behauptung, das Budapester Orpheum sei die „Wiege“ der Kleinkunst in Wien. Und diese Wiege stand nicht grundlos in der Leopoldstadt. Im Volksmund wurde dieser Bezirk wegen des hohen Anteils an Juden und Jüdinnen in der Bevölkerung als „Mazzesinsel“ bezeichnet. So wie in der Leopoldstadt war im Budapester Orpheum der jüdische Anteil hoch. Das ist wenig verwunderlich, war doch jüdische Jargon-Komik beim Publikum besonders beliebt. Diese Komik stieß aber auch auf große Ablehnung, oft gerade von jüdischer Seite. Es gab Vorwürfe, antisemitische Vorurteile zu bestärken, ja sie zu verursachen, und heftige Kritik an der Verunstaltung der deutschen Sprache.
„Humoristische Scene“ mit Heinrich Eisenbach und Josef Bauer
Humoreske im „jüdischen Jargon“ von Heinrich Eisenbach
Armin Berg als Mitglied des Budapester Orpheums
Heinrich Eisenbach
Heinrich Eisenbach, 1870 in Wien geboren und dort 1923 verstorben, war der erste echte Star der Kleinkunst vor und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Er war das „Zugpferd“ des Budapester Orpheums und die schiere Anzahl seiner frühesten Tonaufnahmen aus einer Zeit, als die Tonaufzeichnung auf Zylinder oder Platte noch immer ein Novum war, zeigt seine Bedeutung für Kabarett und Komik in der Doppelmonarchie.
Noch während des Ersten Weltkrieges verließen Heinrich Eisenbach und viele andere Ensemblemitglieder die Budapester Orpheumgesellschaft. Es war zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, denn die Direktion wollte das Programm besonders patriotisch haben, zu kriegsverherrlichend für Heinrich Eisenbach und seine Mitstreiter. Ab 1915 hatten nun „Eisenbachs Budapester“ im Kabarett „Max und Moritz“ im St. Annahof eine neue Spielstätte. Heinrich Eisenbach bewies sein großes komödiantisches Talent nicht nur in Tonaufnahmen, sondern auch in vielen Stummfilmen. Josef Bauer, der kongeniale Partner von Heinrich Eisenbach auf der Bühne und in vielen Aufnahmen, starb nur zwei Jahre nach ihm.
Heinrich Eisenbach mit Ensemble
Heinrich Eisenbach mit Ensemble
Heinrich Eisenbach
„Kaum sechzehnjährig dem Gehege der Familie entsprungen, ist er als neunzehnjähriger schon Oberregisseur der damals vortrefflich renommierten ‚Folies caprices‘ in Budapest, ist bald darauf, mit noch nicht vierundzwanzig Jahren, in Wien, und fast drei Dezennien lang neben Girardi der genialste und populärste Komiker dieser großen Stadt, der es, weiß Gott, an genialen und populären Komikern nie gefehlt hat. Sein Aufstieg vollzog sich blitzartig, voll Vehemenz, war durch nichts zu hemmen. Eisenbach trat mit Selbstverständlichkeit an den ersten Platz, denn es war der seine.“
Louis Taufstein, geboren im Jahr 1870 in Wien und im Jahr 1942 im KZ-Theresienstadt ermordet, gehört zu den zu Unrecht vergessenen jüdischen Größen des österreichischen Kabaretts vor dem Ersten Weltkrieg und in der Ersten Republik. Er arbeitete als Schriftsteller, Librettist, Kabarett- und Liedertexter. Neben Adolf Glinger, Otto Taussig und Josef Armin war er von 1899 bis 1916 Autor der Budapester Orpheumgesellschaft. Heinrich Eisenbach und Armin Berg waren die bekanntesten Interpreten der „Taufsteinschen“ Kleinkunstwerke. Louis Taufstein, der nach dem Ersten Weltkrieg zeitweilig in Berlin lebte und arbeitete, schrieb auch Bühnenstücke, Drehbücher und Texte für Revuen. Nach Wien zurückgekehrt, wurde er 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 20. September desselben Jahres starb.
Armin Berg trägt vor, Text von Louis Taufstein
Armin Berg trägt vor, Text von Louis Taufstein
Armin Berg trägt vor, Text von Louis Taufstein
Armin Berg trägt vor, Text von Louis Taufstein
Armin Berg trägt vor, Text von Louis Taufstein
Armin Berg, der als Hermann Weinberger 1883 in Brünn geborene und 1956 in Wien verstorbene Kabarettist, Komponist, Pianist, Schriftsteller und Schauspieler war eine der prägendsten Figuren in der österreichischen Kabarettszene vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Wie bei so vielen jüdischen Kulturschaffenden wurde auch seine Karriere von den Nationalsozialisten zerstört, doch im Gegensatz zu so vielen anderen gelang Armin Berg die Flucht in die USA. Er konnte sein Leben retten, aber weder im Exil noch zurück in Österreich nach dem Krieg konnte er seine Erfolge wiederholen.
Armin Berg
Armin Berg
Die genialen Erfindungen auf dem Gebiet der Tonaufzeichnung von Thomas Alva Edison und Emil Berliner boten erstmals die Möglichkeit, dem flüchtigen Vergnügen eines humoristischen Vortrages, eines Couplets, einer Persiflage oder einer komischen Szene Dauer zu verleihen. Gerade Komik und Kleinkunst waren für die neue Technologie wie geschaffen. Die komplette Einspielung einer Sinfonie oder Oper auf Schellack konnte buchstäblich zu einer schwergewichtigen Manifestation von Hochkultur werden, ganz zu schweigen vom zigfachen Wechseln und Wenden der Schallplatten. Die Alpensinfonie von Richard Strauss, eigentlich kein außergewöhnlich langes Werk, erstreckt sich über elf Seiten, in Summe also sechs Schellackplatten.
Die Länge, eigentlich die Kürze, der meisten Couplets, Kabarettnummern, Gstanzln, humoristischen Szenen und komischen Vorträge war wie geschaffen für die Aufnahmedauer, also Spieldauer einer Phonographen-Walze oder einer Schellackplattenseite. Bald wurde ein breites Angebot an komischen und kabarettistischen Tonträgern von einem kaufwilligen Publikum konsumiert. So finden sich in einem Textbuch der Veritas Reform-Phonographen-Zentrale in der Wiener Kärntnerstraße, das gleichzeitig als Katalog für Artistical Goldguss-Records (Phonographen-Walzen) diente, Aufnahmen von Heinrich Eisenbach und Richard Waldemar. Das Textbuch ist vermutlich einige Jahre nach der Wende zum 20. Jahrhundert erschienen, leider ist es undatiert.
Richard Waldemar, eigentlich Richard Kramer, wurde 1860 in Wien geboren und verstarb 1946 in seiner Vaterstadt. Nach Schulbesuch und beruflicher Tätigkeit bei der Eisenbahn fand er seine Berufung als Schauspieler. Ab 1890 trat er auf den Bühnen der Doppelmonarchie auf und wurde schnell populär. Zuerst im ernsten Fach, wechselte er später mehr und mehr in das komische Genre. Seine Karriere war vor und nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreich. Zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland wechselten sich mit Auftritten in Filmen und später im Radio ab. Auch Richard Waldemar nahm eine Vielzahl an Zylindern und Schallplatten auf. Neben schlicht „lustigen“ Aufnahmen gibt es mit den „Politischen Briefen“ auch Beispiele für österreich-ungarische Kriegspropaganda aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.
Richard Waldemar
Richard Waldemar
Richard Waldemar
Richard Waldemar
Das humoristische Tonbild „Beim Heurigen“ von Richard Waldemar aus dem Jahr 1927 gibt einen möglichen Einblick in die politische Stimmungslage der frühen Ersten Republik. Die Zuhörer und Zuhörerinnen werden Ohrenzeugen und Ohrenzeuginnen eines Heurigenbesuches mit Streit zwischen deutschen und einheimischen Gästen, inklusive abschließender Versöhnung.
Der letzte Satz stammt von einem Gast aus Wien und lautet:
„Herr Berliner, sama wieda guat, es lebe der Anschluss!“
Eine scherzhafte Bemerkung zur Versöhnung oder der Ausdruck eines tieferen Anliegens in der Gesellschaft, zumindest in Teilen von ihr? Ein Zeugnis dafür, wie über die österreichische Eigenstaatlichkeit gedacht wurde? Julius Deutsch, der sozialdemokratische Parlamentarier, sagte im Nationalratswahlkampf 1930 auf einer Wahlkampf-Schellackplatte wortwörtlich:
„Nur auf dem Boden einer demokratischen Republik kann unser großes Ziel erreicht werden, der Anschluss Österreichs an Deutschland.“
Nationalrat der SDAP Julius Deutsch
Berthold Schmiedt
1906 wurde das Cabaret Hölle eröffnet und im Jahr darauf das Cabaret Fledermaus, letzteres entwarf Josef Hoffmann als Jungendstil-Kleinkunstbühne. 1912 öffnete schließlich das Simpl, Wiens langlebigstes Kabarett, ebenfalls in der Inneren Stadt, seine Pforten. Die rote Bulldogge vom Simpl ist eine Hommage an die deutsche Satire-Zeitschrift Simplicissimus und deren Wappentier, eben eine rote Bulldogge. Doch wie bei so vielen Sachen ist die Angelegenheit in Wien ein wenig „g’miatlicha“, hat doch die Simplicissimus-Bulldogge gefletschte Zähne, ihre Kette zerrissen und deutlich sichtbare Krallen. Allessamt Attribute, die der Wiener Simpl-Dogge fehlen. Aber vielleicht war das weniger ein Zeichen für Friedfertigkeit als von Heimtücke, Hinterfotzigkeit.
Die Grenze zwischen Kabarett und Komik war damals viel undeutlicher, als es heute der Fall ist oder zu sein scheint. Das Lachen stand zumeist im Vordergrund. „Korrekt“ im Sinne unserer Zeit war dieses Lachen oftmals nicht. Neben eindeutigen Zweideutigkeiten, wie die Couplets des jüdischen Komikers Berthold Schmiedt unzweideutig bewiesen, wurden jegliche Stereotype, Rollenbilder und Vorurteile bedient. Häme, Spott und Bosheit feierten fröhliche Urstände, ob sich dabei jemand im Publikum „unwohl“ fühlte, war noch nicht von Belang. Nicht von ungefähr stammt der Wiener Begriff „Hetz“ für Unterhaltung vom Wiener Hetztheater, dem Ort blutiger Tierhetzten und Tierkämpfe im 18. Jahrhundert.
Kabarett hatte damals generell noch das Flair des Lasziven und Anrüchigen.
Die „Wiener Hausfrauen-Zeitung“ vom 11. Jänner 1903 schrieb über Heinrich Eisenbachs Beitrag zu einem Silvesterprogramm:
„Die mehr als gewagten Lieder, welcher Herr Heinrich Eisenbach von der ‚Budapester Orpheum-Gesellschaft‘ zum besten [sic] gab, bildeten ein vollwertiges Surrogat zu dem in Bürgerkreisen üblichen Neujahrs-Spanferkel.“
Kleine Theaterplaudereien, Wiener Hausfrauen-Zeitung, Hauptteil, Wien, 9. Jänner 1903, S. 16.
Turl Wiener, 1875 in Aspern an der Zaya als Theodor Windbrechtinger geboren und 1971 in Wien verstorben, war eine weitere Größe des österreichischen, speziell des „Weana Hamurs“, der kurz nach der Jahrhundertwende seine lange Karriere begann. Mit seiner Frau Fritzi Rolly, die oft als „Wiens beliebteste Soubrette“ bezeichnet wurde, trat Turl Wiener viele Male gemeinsam auf der Bühne, aber auch im Film auf. Er verkörperte in einzigartiger Weise jenen Typus des Wiener Volkskomödianten und Grotesk-Humoristen, der mit Milieustudien, Persiflagen und Charakterschilderungen aus dem Wiener Alltag genau den Geschmack seines Publikums traf. Von seinem Erfolg zeugen auch eine ganze Reihe von Tonaufnahmen.
Turl Wiener
Turl Wiener
Turl Wiener
Turl Wiener
Turl Wiener
Eine besondere Abart der Komik war der wienerische Humor oder „Hamur“. Er bildete in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und in der Ersten Republik einen fixen Bestandteil der österreichischen Unterhaltungskunst. Turl Wiener, Hansi Führer, Josef Modl, Pepi Koci als der „singende Wirt vom Alsergrund“, Ernst Renner, Karl Hruschka, Franz Mika und Joseph Drechsler seien hier stellvertretend genannt.
Ein weiterer Aspekt des Humors in Wien war die Sprache, eigentlich die vielen verschiedenen Erstsprachen und damit die vielen Dialekte, Akzente und Soziolekte, die im Alltag zu hören waren. Was wenig verwunderlich war in der Metropole des Vielvölkerreiches, aber stets ein beliebtes Ziel der Komik. Der humoristische Vortrag „Der böhmischen Tramwaykondukteur“ von Rudolf Kleber, „Ausgezeichnet“ von Jacques Rotter und das Lied „Das ist der Salomon, der schöne Salomon“ von Emil Varady sind schöne Beispiele für das Böhmakeln, auch Kuchldeutsch genannt, den ungarischen Akzent und den jüdischen Jargon.
Franz Mika und Josef Drechsler
Rudolf Kleber
Jacques Rotter
Josef Modl
Ernst Renner
Ernst Renner
Johanna „Hansi“ Führer, 1876 in Wien geboren und ebenda 1955 verstorben, war eine österreichische Volkssängerin und Schauspielerin, die wie kaum eine zweite der damaligen Zeit den Typus der „reschen, harben Wienerin“ verkörperte. Sie war schon vor dem Ersten Weltkrieg am Höhepunkt ihrer Karriere. Mit ihrem Auftreten galt Hansi Führer in der Kaiserstadt als eine „Aufmischerin“ der feinen Gesellschaft und des Adels. Bereits zwischen 1904 und 1908 machte sie bei Odeon ihre ersten Schellackschallplatten-Einspielungen und viele weitere sollten in ihrer noch 30-jährigen Karriere folgen.
„Papriziert“ und „gewagt“, so empfand das Publikum die Chansons, Lieder und Couplets aus ihrem Repertoire. Von 1914 bis 1921 betrieb sie mit ihrem Mann das „Weiße Rössel“ in New York, ein Kabarett-Café mit deutsch-amerikanischem Programm.
Hansi Führer, die auch als Filmschauspielerin tätig war, schreckte selbst vor wirklich gewagten Auftritten nicht zurück. 1929 trat sie im Rahmen einer Deutschlandtournee mit 50 Bären in einem Käfig in der Manege des Zirkus Hagenbeck auf. Die „Ur-Wienerin“ Hansi Führer war bis 1938 aktiv.
Hansi Führer
Hansi Führer
Karl Hruschka,1905 in Wien geboren und dort 1970 gestorben, war als Volksschauspieler und Kabarettist ein Paradebeispiel für einen „Raunzer“ aus Wien. Mit seiner Interpretation eines Wiener-Urtypen wurde er schnell bekannt und populär. Karl Hruschka begann seine Karriere 1924 auf Wiens Kabarettbühnen und war bis zu seinem plötzlichen Tod Ensemblemitglied im Kabarett-Simpl. Ab 1945 war er auch in zahlreichen deutschsprachigen Filmproduktionen zu sehen. Seine Variante des „Wiener Hamur“ wurde in Filmen und Fernsehaufnahmen sowie auf Schallplatten verewigt.
Karl Hruschka
Karl Hruschka
Karl Hruschka
Ö1-Abendjournal vom 3. Jänner 1970
Hans Moser
Hans Moser
Raoul Aslan
Richard Eybner
Richard Eybner
Blanka Glossy
Luigi Bernauer
Fritz Imhoff
Viele bekannte österreichische Schauspielerinnen und Schauspieler oder Sänger und Sängerinnen, wie Hansi Niese, Adele Sandrock, Blanka Glossy, Max Pallenberg, Raoul Aslan, Alexander Girardi, Fritz Imhoff und sein Bruder Arnold Ernst, Hans Moser, Luigi Bernauer oder Richard Eybner, verewigten sich im komischen Fach auf Schellack. Ob Burgschauspieler und Burgschauspielerin, ja Hofschauspieler und Hofschauspielerin, Sänger und Sängerin oder Filmschauspieler und Filmschauspielerin, allen gemeinsam war ein großes komödiantisches Talent.
Alexander Girardi
Alexander Girardi
Adele Sandrock
Adele Sandrock
Raoul Aslan
Raoul Aslan
Max Pallenberg
Max Pallenberg
Unter den gefeierten Stars von Bühne und Film nahm Richard Tauber, der „König des Belcantos“, einen besonderen Rang ein. Der weltberühmte Opern- und Operetten-Tenor aus Linz war aber auch von Thalia, der Muse der Komödie, geküsst worden, wie diese beiden „humoristischen Scenen“ aus dem Jahr 1927 mit der deutschen Schauspielerin Henny Porten beweisen.
Humoristische Scene mit Henny Porten und Richard Tauber
Humoristische Scene mit Henny Porten und Richard Tauber
Berühmt war auch Karl Kraus, zu berühmt, um hier eine kleine Biografie einzufügen. Der vielleicht größte Satiriker und Sprachkritiker aller Zeiten sprach in den 1930er Jahren einige seiner Texte selbst für Schallplattenaufnahmen ein.
Karl Kraus
Karl Kraus
Einige Namen waren zu ihrer Zeit so berühmt, dass sie selbst zu Objekten der Persiflage wurden. Charlotte Waldow, langjähriges Mitglied des Simpl-Ensembles, nahm Max Pallenberg und „Die Niese“ aufs Korn, während Franz Engel den „Erlkönig“, wie von großen Kollegen vorgetragen, zum Besten gab.
Charlotte Waldow
Charlotte Waldow
Franz Engel, 1898 in Wien geboren und 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet, war ein bekannter und beliebter Komiker, Conférencier, Coupletsänger und Schauspieler in Österreich und Deutschland. Seine Karriere begann nach dem Ersten Weltkrieg und er war in den 1930er Jahren auch als Filmschauspieler tätig. Er trat auf den bedeutendsten Kabarettbühnen in Wien und Berlin auf. Beim „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich gelang Franz Engel die Flucht nach Frankreich, wo er wie Karl Farkas, Erwin Saldern und Fred Berger der Exil-Kabarett-Gruppe „Vienne à Paris“ angehörte. Die Niederlage Frankreichs 1940 verschlug ihn in die Niederlande, wo er im Durchgangslager Westerbork interniert wurde, aber dennoch an Theaterabenden mitwirkte. 1944 wurde Franz Engel von den Nationalsozialisten zunächst in das Konzentrationslager Theresienstadt und dann in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt, wo er am 16. Oktober desselben Jahres ermordet wurde.
Franz Engel
Franz Engel
Franz Engel
Franz Engel
Hansi Niese, die mit vollem Namen Johanna Jarno-Niese hieß, wurde 1875 in Wien geboren und starb dort 1923. Sie war eine der bekanntesten und beliebtesten österreichischen Schauspielerinnen und Operettensängerinnen zur Zeit der ausgehenden Monarchie und in der Ersten Republik. „Die Niese“, wie sie genannt wurde, begann ihre Karriere als Autodidaktin. Dabei war sie aber so erfolgreich, dass sogar Karl Kraus, allerdings auf seine Art und Weise, die Schauspielerin und Sängerin adelte. In „Die letzten Tage der Menschheit“ hat auch „die Niese“ ihren Auftritt. Der Spott von Karl Kraus änderte jedoch nichts an ihrem tatsächlich umfassenden darstellerischen Können. Der Humor von Hansi Niese ist neben ihren Filmrollen auch in Couplets auf Schallplatten verewigt. Die Nachwelt hat ihr 1936 eine Gedenktafel an ihrem Eltern- und Wohnhaus in Wien gestiftet, errichtete 1952 eine steinerne Halbfigur als Denkmal vor dem Wiener Volkstheater und errichtete in Bad Ischl einen Gedenkstein. Das Ehrengrab „am Zentral“ versteht sich von selbst. Auch Karl Kraus erhielt Gedenktafeln, ein eigenes Denkmal hat er aber noch nicht.
Hansi Niese
Hansi Niese
Hansi Niese
Hansi Niese
Hansi Niese
Nach dem Ersten Weltkrieg konnte das Kabarett im nun so kleinen Österreich aus einem überreichen Reservoir großer Talente schöpfen. Dabei blieb die Kleinkunst in der Zeit der Ersten Republik stets eng mit jüdischen Künstlerinnen und Künstlern verbunden. Da waren Fritz Grünbaum und Karl Farkas und da war Hugo Wiener. Es gab Hermann Leopoldi und Fritz Wiesenthal und ihr auch international bekanntes „Kabarett Leopoldi Wiesenthal“ im Wien der 1920er Jahre. Doch neben den eben genannten – sie näher zu beschreiben würde den Rahmen der Ausstellung sprengen – dürfen Gisela Werbezirk, Jacques Rotter, Christl Giampietro und der Schauspieler Max Brod, eine Namensgleichheit mit dem Prager Literaten und Freund Kafkas, nicht ungenannt bleiben. Reich, ja überreich war das Reservoir, aber diese Blütezeit von Kabarett, Kleinkunst, Komödie und Komik sollte nur noch wenige Jahre dauern.
Karl Farkas
Karl Farkas
Fritz Wiesenthal
Friedrich Torberg würdigte Gisela Werbezirk 1956 in einem Nachruf:
„Man könnte sie vielleicht eine Kombination von Hansi Niese und Heinrich Eisenbach nennen, von Wiener Volksstück und ‚Budapester‘ Posse … “
und weiter
„Sie war eine große Volksschauspielerin und eine große Menschendarstellerin, die Werbezirk, und eine Meisterin der Nuance. Sie ließ die Pointen fallen wie Gansgrammeln aus der Einkaufstasche.“
Friedrich Torberg: Gisela Werbezirk oder Frau Breier aus Gaya in Hollywood. In: Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch und Die Erben der Tante Jolesch, München 2008, S. 638–640.
Gisela Werbezirk, 1875 in Preßburg geboren und 1956 in Hollywood verstorben, war fast seit Beginn ihrer Bühnenkarriere, ob in der Tragödie oder Komödie, der Rolle der starken Frau verpflichtet. Sie begann ihre schauspielerische Tätigkeit noch vor dem Ersten Weltkrieg und erlangte rasch große Popularität.
Ihr komödiantisches Talent war bald in Filmen und auf Schallplatten zu bewundern. Wie so viele andere jüdische Künstler und Künstlerinnen musste auch Gisela Werbezirk vor den Nationalsozialisten fliehen. Doch ihr gelang die Flucht in die USA, wo sie noch in Exil-Kabarett-Gruppen in New York und Los Angeles auftrat und einige kleiner Rollen in Hollywood-Produktionen bekam, wenn ihr Akzent für die Rolle erwünscht war.
Gisela Werbezirk
Gisela Werbezirk
Felix Salten schrieb in der Freien Presse über “die Wehrbezirk”:
„Eine Frau zum Brüllen. Solange sie auf der Bühne steht, vergesse ich vollständig, daß ich ja weibliche Komiker eigentlich nicht mag.“
Felix Salten, Feuilleton. Die Frau Werbezirk. Neue Freie Presse. 1.7.1923.
Christl Giampietro, 1888 als Christl Millich in Gießhübel geboren und 1974 in Baden bei Wien verstorben, war die „Meisterin der musikalischen Parodie“. Die Tochter des Schauspielers Josef Giampietro debütierte nach Abschluss ihrer Gesangsausbildung an der Wiener Volksoper. Aber es war nicht die Opern-Bühne, die zum Schauplatz ihrer Karriere wurde. Nach ihrer Hochzeit mit dem Komponisten Ernst Falk wandte sie sich dem Film und Kabarett zu und wurde zur bereits oben erwähnten „Meisterin der musikalischen Parodie“. Zur Zeit der Annexion Österreichs war sie mit ihrem Mann in Holland auf Gastspiel und kehrte nicht zurück. Ernst Falk wurde 1940 von der Gestapo verhaftet und 1942 in Auschwitz ermordet. Christl Giampietro gelang während des deutschen Überfalls auf die Niederlande die Flucht in die Schweiz. So überlebte sie, doch auch ihre Karriere war zerstört und sie konnte nie wieder an ihre Erfolge anknüpfen.
Christl Giampietro
Christl Giampietro
Christl Giampietro
Jacques Rotter, 1878 im österreich-ungarischen Lemberg geboren, dem heutigen Lwiw in der Ukraine, und 1972 in Wien verstorben, war ein bekannter österreichischer Tenor und Unterhaltungssänger. Rotter, eigentlich Jakob Lautterstein, wuchs in Ödenburg auf und ging in Wien zur Schule, wo er seine Sängerlaufbahn begann. Seine gerade beginnende Karriere wurde jäh durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, in dem Jacques Rotter als Soldat diente. Nach Kriegsende nahm er seine Karriere wieder auf, wechselte aber vom lyrischen Tenor zum Unterhaltungssänger. Jacques Rotter hatte seine künstlerisch erfolgreichste Zeit in den 1920er und 1930er Jahren, aber er war nicht nur als Sänger, sondern auch als Gastronom tätig. Bekannt war die vom ihm 1929 eröffnete „Rotter Opern-Bar“ in der Inneren Stadt.
Auch er musste 1938 vor den Nationalsozialisten flüchten. Seine Flucht führte ihn nach Frankreich, wo er noch im Kabarett auftrat. Nach der Niederlage Frankreichs blieb er bis 1943 in Lyon, in Vichy-Frankreich, auf freiem Fuß. Im selben Jahr wurde er von der Gestapo verhaftet, konnte aber aus dem Arbeitslager in der Nähe von Lyon flüchten. Er überlebte den Krieg als „U-Boot“ in Frankreich und kehrte 1946 nach Wien zurück. Jacques Rotter führte sein Lokal weiter und trat dort, wenn auch immer seltener, als Sänger auf.
Jacques Rotter
Jacques Rotter
Jacques Rotter
Max Brod, geboren 1880 in Wien und dort 1959 verstorben, war ein österreichischer Schauspieler, Charakterkomiker, Bühnen- und Filmsänger. Wie so viele Künstler in der Monarchie begann er seine Karriere in der Provinz. Nach Auftritten in Iglau und Jägerndorf 1899, spielte er drei Jahre in Olmütz und fünf Jahre in Breslau. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam er nach Wien, wo er bis 1938 erfolgreich in Theater, Film und im Kabarett arbeitete. Aus „rassischen“ Gründen musste er die NS-Zeit als zwangsverpflichteter Hilfsarbeiter verbringen. 1945 konnte er sein Comeback im Raimundtheater feiern. Im Laufe seiner langen Karriere stand Max Brod mehr als 2.000 Mal in Operetten auf der Bühne.
Max Brod
Max Brod
Nach dem 30. Jänner 1933 schwieg der vielleicht größte Satiriker aller Zeiten. „Mir fällt zu Hitler nichts ein“, lautet der berühmte Satz von Karl Kraus. Dieser Satz wurde allerdings erst im Jahr 1934 in der Fackel veröffentlich. Sein Schweigen zu Hitler brach Karl Kraus aber eigentlich schon im Oktober 1933, als in der Nr. 888 von „Die Fackel“, der einzigen Nummer des Jahres und ganze vier Seiten stark, die Rede am Grab von Adolf Loos und das Gedicht „Man frage nicht“, als Reaktion auf Hitlers Machtergreifung erschien.
Als im März 1938 „jene Welt“ in Österreich, von vielen Österreichern und Österreicherinnen frenetisch bejubelt und begrüßt, mit ihr NS-Terror und Rassenwahn einmarschierte, sollten viele der hier genannten Stimmen, so viele für immer, verstummen. Mit ihnen verstummte auch das Lachen, das sie hervorgerufen hatten.
„Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
und sage nicht, warum.
Und Stille gibt es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
nachher war‘s einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.“
Karl Kraus, Man frage nicht. Die Fackel Nr. 888, Oktober 1933. XXXV Jahr, S. 4