- Tonaufzeichnung vor und bis Edison
- Der Phonograph: Musik auf Tonzylindern
- Der Phonograph: Briefe und Diktate
- Das Grammophon: Unterhaltung als Massenprodukt
- Das Nachleben früher Tonaufnahmen
Als die Tonaufnahme aufhörte, eine utopische Vorstellung zu sein oder noch als utopisch anmutendes, unvollkommenes Gerät daherkam, wurden Tonträger und Radio – Aufzeichnung und Übertragung von Ton – selbst zum Medium, in dem Utopien reflektiert wurden. Dies geschah und geschieht freilich in charakterisch anderer Weise als beim verwandten Medium des Filmes, das zum besonderen Experimentierfeld des Utopischen im Gewande der Science Fiction geworden ist. Hier – im aufgezeichneten und übertragenen Ton – als Reflexion, dort – im Film – als Inszenierung des Utopischen.
Technisch generierter Ton tritt uns heute in der Form der Konserve (z. B. Schallplatte, Compact Disc) der Übertragung (Radio) und in der immer wichtigeren Form der quasi frei schwebenden Tondateien im Internet entgegen. Entsprechend der allgemeinen Bedeutung des Themenkomplexes der Utopie findet sich daher ein Sammelsurium von Tonaufnahmen, die die Beschäftigung mit dem Utopischen – von einst und jetzt – widerspiegeln. Davon einige Beispiele aus unserem geografischen Umfeld.
Walzer aus dem Jahr 1904
Ungefähr zur Zeit, als die Vorstellung von den eingefrorenen Posthorntönen aufhörte, Utopie zu sein, um 1900, war vor allem Wien ein fruchtbarer Boden für utopisches Denken und zukunftsmächtige gedankliche Innovationen. Gesellschaftliche und wissenschaftliche Neuansätze gab es in großer Zahl und Reformideen sprudelten. Ausgesprochen utopisch mutete damals wohl Theodor Herzls Vorstellung von der Rückkehr der Juden nach Palästina an. Ähnliches gilt für Ideen, die viele bewegten, wie die von der „klassenlosen Gesellschaft“, von einer von Tabus vieler Art befreite Menschheit, von der Technik als Heilsbringer, vielleicht sogar von einer reformierten oder im Gegenteil in Einzelnationen aufgelösten Monarchie. Noch immer Utopie ist auch der Weltfriede, wie ihn Bertha von Suttner und Alfred H. Fried damals propagierten.
„Die allgemeine Nährpflicht“
Ein Wiener Genie von besonderer Vielseitigkeit war Josef Popper-Lynkeus (1838–1921). Seine Gesellschaftsutopie bestand darin, liberale und sozialistische Postionen zu verschmelzen: Jedem und jeder sollte eine Art von Grundeinkommen zustehen, das ein bescheidenes, aber ausreichendes Leben auch ohne jede Berufstätigkeit garantieren sollte. Es sei den Menschen freilich unbenommen, zu arbeiten und sich so zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Um die finanzielle Basis für ein solches Sozialsystem zu legen, wäre es nötig, parallel oder anstatt der Wehrpflicht eine „Allgemeine Nährpflicht“ zu schaffen. Nach Abdienen der Zeit in der „Nährarmee“ könnte dann das Grundeinkommen bezogen werden.
Dieses Konzept fand vor und auch noch nach dem Ersten Weltkrieg viel Aufmerksamkeit und wurde viele Jahre lang vom Verein „Allgemeine Nährpflicht“ vertreten. – Im Kontext heutiger Diskussion um ein generelles Grundeinkommen erscheinen Popper-Lynkeus´ Ideen in einem nicht mehr utopischen Licht …
Stimmporträt des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, aufgenommen am 19.03.1907.
Vortrag von Karl Wagner im Internationalen Kulturzentrum am 10.01.2000.
Der Roman des Wiener Volksschriftstellers und Lehrers Rudolf Hawel (1860–1923) „Im Reich der Homunkuliden“ aus dem Jahr 1910 verbindet Wiener Possenton mit einer posthumanen Vision: Der Professor Voraus reist aus dem Wien von 1910 ins Jahr 3907, in dem es keine Menschen, nur Roboter – Homunkuliden – gibt.
Rudolf Hawel
ORF-Sendung aus der Serie „Die Zukunft von Gestern. Science Fiction und Utopien aus vier Jahrhunderten“ von Helmut S. Helmar. 2.4.1970.
In den Jahren 1968–70 und 1977 lief im Hörfunk des ORF eine vielteilige Serie, die klassische Werke der utopischen Literatur vorstellte und interpretierte. Als Autor erscheint ein „Helmut S. Helmar“, das Pseudonym für den Schriftsteller Helmut Swoboda, die Regie lag bei Hans Krendlesberger.
Ungefähr zur gleichen Zeit gab es im Hörfunk auch eine Serie der „Internationalen Radiouniversität“ mit dem Thema „Die großen Utopisten“, also insgesamt eine bemerkenswert intensive Beschäftigung mit dem utopischen Denken in einem Medium, das selbst einst utopisch annmutete.
Aldous Huxley
ORF-Sendung aus der Serie „Die Zukunft von Gestern. Science Fiction und Utopien aus vier Jahrhunderten“ von Helmut S. Helmar. 21.04.1977.
Anatolij Dnjerow
ORF-Sendung aus der Serie „Die Zukunft von Gestern. Science Fiction und Utopien aus vier Jahrhunderten“ von Helmut S. Helmar. 05.05.1977.