- Tonaufzeichnung vor und bis Edison
- Der Phonograph: Musik auf Tonzylindern
- Der Phonograph: Briefe und Diktate
- Das Grammophon: Unterhaltung als Massenprodukt
- Das Nachleben früher Tonaufnahmen
Wer an Schallplatten und Walzen interessiert war, hatte im beginnenden 20. Jahrhundert unterschiedliche Kaufmöglichkeiten und konnte sie bei Fachhändlern, Umtauschbörsen und in Warenhäusern erwerben. Manche der Händler_innen hinterließen ihre Spuren auf den Tonträgern.
Grammophone, die es bei Nähmaschinen- und Fahrradhändler_innen zu kaufen gab, Phonographen, die bei Optikern erhältlich waren, Walzen und Schellackplatten, die man in Spielwarenläden oder bei Instrumentenhändler_innen erwerben konnte – was aus heutiger Perspektive vielleicht kurios anmutet, war in den ersten Jahren und Jahrzehnten der Tonaufzeichnung gängige Praxis. Fachgeschäfte, die sich auf Phonogeräte und Tonträger spezialisierten, etablierten sich erst nach und nach, wie das bei neuartigen Produkten oft der Fall war.
Der Verkauf der Geräte bei Nähmaschinenhändler_innen oder Optikern hatte praktische Gründe, die mit der Konstruktion und Bauweise der Produkte zu hatte: Sie verfügten über das notwendige feinmechanische und technische Know-How und die Werkzeuge, um beispielsweise die Apparate adjustieren und reparieren zu können. Die Tonträger ebenfalls anzubieten, war naheliegend. Unternehmen der Phonoindustrie warben bewusst in Zeitschriften der Fahrrad- und Nähmaschinenhändler für dieses „Nebengeschäft“.
Fachgeschäfte für Tonträger und Apparate standen in enger Verbindung zu den Plattenfirmen bzw. ihren Vertretungen. Sie bezogen ihre Produkte meist von Großhändlern, die ihrerseits meist Verträge über Verkaufs- und (Allein-)Vertretungsrechte mit den Plattenfirmen abgeschlossen hatten. Mitunter agierten die Grossisten auch selbst als Detailhändler – also verkauften die Tonträger direkt an Kund_innen. Diese Praxis zog den Unmut der Kleinhändler_innen auf sich, denn sie warfen den Großhändlern und Plattenfirmen vor, Monopole zu ihren Ungunsten zu schaffen.
Zu den bekanntesten Händler_innen in Wien zählten etwa die Firmen Hermann Maassen und C. Janauschek & Cie oder auch das Geschäft von Johann Arlett. Letzteres schaltete nicht nur zahlreiche Inserate in Wochen- und Tageszeitungen und ließ Werbungen plakatierten, sondern hinterließ auch Spuren auf den Schellackplatten. Manche Geschäfte und Händler_innen versahen die Tonträger nämlich mit ihren Stempeln und Etiketten, die heute Rückschlüsse auf den Verkauf zulassen.
Auch das Dreimäderlhaus, das gebrauchte Platten im Angebot hatte, kennzeichnete diese mit einem runden Stempel. Dieser ‚Gebrauchtmarkt‘ – dazu zählten etwa auch sogenannte Umtauschbörsen – sprach vermutlich andere Käufer_innen an als spezialisierte Fachgeschäfte, die mit dem hohen Qualitätsstandard ihrer Produkte und Dienstleistungen warben.
Alexander Girardi
„(Grammophon C. Janauschek & Cie.), Wien, I. Kärntnerstraße 10, Hochparterre. […] Das Schallplatten- und Walzenrepertoire der genannten Firmen ist außerordentlich reichhaltig und umfaßt das Programm der großen Künstler der ganzen Welt. Durch allmonatlich erscheinende Aufnahmen werden den Sprechmaschinenbesitzern die neuesten Erscheinungen auf musikalischem Gebiete vermittelt.“
„[…] hat die Grammophon-Kammerlieferantenfirma Johann Arlett, Zentrale, Wien, VII. Bezirk, Kirchengasse 15, als Grossist der Grammophon-Aktiengesellschaft sich entschlossen, jedermann ohne Kaufzwang alle Auskünfte zu erteilen. […] Provinzkunden sendet die Firma gegen entsprechende Sicherstellung oder Angabe von Referenzen Apparate und Platten fünf Tage zur Probe und verpflichtet sich, bei Nichtkonvenienz diese anstandslos retour zu nehmen und den deponierten Betrag rückzuerstatten. Plattenverzeichnisse über ein Aufnahmerepertoir von zirka 50.000 Stück stehen gratis und franko zur Verfügung, ebenso Aufklärungen betreffend Modernisierung oder Herrichtung aller Arten von Grammophonen.“
„Hermann Maassen war der erste in Oesterreich-Ungarn, welcher doppelseitige Schallplatten zum Verkauf gebracht hat. Die genaue Kenntnis der Wünsche und Anforderungen der Kundschaft hat Herrn Maassen veranlasst, den Alleinverkauf oben erwähnter Fabrikate der Società Italiana die Fonotipia, Mailand, International Talking Machine Co. m. b. H., der Jumbo-Record-Fabrik G. m. b. H. für das österreichisch-ungarische Territorium zu übernehmen. […] Die Erfolge der letzten Jahre haben Herrn Maassen Recht gegeben; das österreichische Fabrikat „Odeon “ und „Jumbo“ dominiert in der Gunst des Publikums und daher auch bei dem Händler. Die Originalaufnahmen von Künstlern und Kapellen werden für Oesterreich-Ungarn von dem bewährten Ingenieur I. D. Smoot durchgeführt. Das Repertoir der Firma „Odeon“ Hermann Massen erstreckt sich hauptsächlich auf deutsche, österreichische, ungarische, böhmische, tschechische, kroatische, slavonische und hebräische Aufnahmen.“
Odeon in Oesterreich, Phonographische Zeitschrift, 29.7.1909, S. 708.
Alessandro Bonci
Auch Warenhäuser verkauften Phonoprodukte. Sie wurden im späten 19. Jahrhundert zum bewunderten und kritisierten Symbol neuer Konsummöglichkeiten und boten eine vergleichsweise niederschwellige Möglichkeit, (zufällig) mit Phonogeräten und Tonträgern in Kontakt zu kommen und sie vielleicht auch auszuprobieren.
„Seit einiger Zeit haben die Warenhäuser auch den Phonographen als Verkaufsartikel aufgenommen […] Einmal ist es nicht zu leugenen, dass eine jede Vorführung von Phonographen vor einem grossen Publikum günstig für die Vergrösserung des Konsums wirkt, und gerade die bedeutende Anzahl von Personen, welche die Warenhäuser frequentieren und dort auf die Phonographen aufmerksam gemacht werden, ist Ursache dafür, dass dieses günstige Moment bei den Warenhäusern in Betracht kommt. […] Die Wiedergabe geringwertiger Walzen auf geringwertigen Apparaten in Warenhäusern zu verhindern, ist natürlich in den meisten Fällen nicht möglich. Jedoch wird man vielleicht in der Weise wirken können, dass man in Zeitungsreklamen oder in sonst einer geeigneten Weise darauf aufmerksam macht, dass die Wiedergaben in den Warenhäusern nicht massgebend sind. Auch wird man wirklich gute phonographische Vorträge so viel wie möglich kostenlos dem Publikum zu Gehör bringen müssen.“
Der Phonograph in den Warenhäusern, Phonographische Zeitschrift, 13.2.1901, S. 38–39.
„Das Warenhaus A. Gerngross, Wien, ein guter und ständiger Abnehmer für Sprechmaschinen und Platten“
„Das Warenhaus A. Gerngross in Wien hat seit kurzem ein ‚Grammophonatelier für Stimmporträts‘ eingerichtet. Nach den Ankündigungen können die ‚Platten gleich mitgenommen werden‘.“
Stimmporträts, Phonographische Zeitschrift, 22.12.1910, S. 1171.