Seit den 1960er Jahren wurde die Selbstdarstellung als treibende Kraft des künstlerischen Schaffens von immer mehr Künstlerinnen und Künstlern entdeckt. Nicht immer steht bei der öffentlichen Präsentation das authentische Ich im Mittelpunkt, sondern es werden auch Rollen gespielt, um ein gewünschtes Image zu fördern. Die Form der Selbstdarstellung im Interview kann in mehrere Richtungen gehen. Einerseits als direkter Einflussfaktor auf das künstlerische Werk, andererseits als reine in Szene Setzung der Person an sich in der Öffentlichkeit. Das Gesamtkunstwerk ICH ist für einen Erfolg oft bedeutender, als das künstlerische Werk und so werden Interviews oft zur Bühne einer Inszenierungsshow.
Interviews von Künstlerinnen und Künstlern verfolgen einen besonderen Zweck und unterscheiden sich von Expertengesprächen und lebensgeschichtlichen Erzählung. Mit diesem Beitrag sollen Schülerinnen und Schüler erkennen, dass Interviews auch ein Mittel zur Selbstdarstellung und medialen Inszenierung sind. Die verschiedenen Ziele der Öffentlichkeitsarbeit von Persönlichkeiten aus dem Bereich der Kultur werden anhand verschiedenster Beispiele analysiert. Die Arbeitsaufträge beinhalten einen spielerischen Zugang zum Thema Selbstdarstellung und Inszenierung in den Medien.
Längst müssen Künstler und Künstlerinnen für sich passgenaue Rollen zwischen Selbstinszenierung und Selbstverwirklichung, zwischen Kunst und Kommerzialisierung finden. Sie erfüllen Rollenerwartungen, sei es als Genie, Außenseiter oder Star, die die heutige Gesellschaft auf sie projiziert und die auch einen Erfolg versprechen.
Das Auftreten einer Person bei einem Interview muss also nicht unbedingt etwas mit der wahren Person und ihrer privaten Persönlichkeit gemein haben. Das Image soll der künstlerischen Arbeit förderlich sein und die Inszenierung kann bereits bei der Auswahl der Kleidung der Interviewten beginnen. So präsentiert sich eine Person womöglich passend zum aktuellen Werk, wie die Musikerin Madonna, die sich in früheren Interviews, gleich des Images ihrer Musik, provokant sexuell und frech gab, in späteren Interviews wiederum als Dame mit britischem Akzent auftrat. Wer sich in den Medien erfolgreich inszenieren möchte, muss öfters auch provozierend auftreten, einen kleinen Skandal auslösen oder außergewöhnlich in Erscheinung treten.
Der Schriftsteller Thomas Bernhard, der Schauspieler Klaus Kinski oder der Musiker Falco waren berühmt für ihre provokanten Interviewauftritte und sorgten so für ein großes Echo in der Öffentlichkeit, welches weit über ihr künstlerisches Schaffen hinausging. Auch eine gewisse Überheblichkeit, Unlust und Gereiztheit lässt sich immer wieder bei Interviews mit Künstlerinnen und Künstlern entdecken.
Gehen Sie mit einer zweiten Person zusammen und entscheiden Sie sich, wer sich Fragen überlegt und wer in die Rolle des Interviewten (Star) schlüpft. Jede Person bereitet sich 10 Minuten auf die Rolle vor und dann führen Sie ein Interview, welches Sie mit dem Smartphone auch aufnehmen können.
Herunterladen (PDF)Interviews dienen nicht nur der Imagepflege, sondern bieten auch die Möglichkeit der Bewerbung der künstlerischen Arbeit. Regisseuer/innen und Schauspieler/innen sprechen über ihr aktuelles Werk, Autor/innen über die neueste Bucherscheinung und Musiker/innen stellen die neueste CD vor.
Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt vor allem aufgrund der neuen Medien einen immer bedeutenderen Stellenwert im Beruf von Künstlerinnen und Künstlern ein. Manche werden aus diesem Grund auch zu regelrechten Werbeträgern und nur wenige können es ich leisten, ganz auf die Öffentlichkeit zu verzichten. Jedoch gibt es immer wieder vor allem Autorinnen und Autoren wie Elfriede Jelinek, Umberto Eco oder Milan Kundera, die Interviews verweigern und sich aus der medialen Öffentlichkeit zurückziehen.
Gehen Sie mit einer zweiten Person zusammen und entscheiden Sie sich, wer sich Fragen überlegt und wer in die Rolle des Interviewten (Star) schlüpft. Jede Person bereitet sich 10 Minuten auf die Rolle vor und dann führen Sie ein Interview, welches Sie mit dem Smartphone auch aufnehmen können.
Herunterladen (PDF)Ein musikalisches, literarisches oder bildnerisches Kunstwerk braucht jemanden, der es entschlüsselt und erklärt. Das ist oft die Aufgabe der Kritiker/innen aus den einzelnen Kulturbereichen, die dem Publikum die Werke näherbringen und die Personen dahinter präsentieren. Doch immer mehr prägen Interviews das zeitgenössische Bild des Künstlers/der Künstlerin und betreiben diese dadurch selbst Werkpolitik, indem sie die persönliche und kulturwissenschaftliche Interpretation beeinflussen. In Interviews können Künstlerinnen und Künstler ihre Zugänge zum künstlerischen Schaffen erklären und, bei heftiger öffentlicher Kritik, sich auch rechtfertigen.
Hören Sie sich die Sendung „Von Tag zu Tag“ mit Hermann Nitsch an und beantworten Sie folgende Fragen. Wie definiert Hermann Nitsch die Ziele seiner Kunst? Welche Vorwürfe werden Hermann Nitsch per Telefon gemacht? Wie reagiert Hermann Nitsch auf die Vorwürfe und wie rechtfertigt er sich?
Herunterladen (PDF)In der öffentlichen Auseinandersetzung geht es jedoch nicht nur um ein Erklären der schöpferischen Tätigkeit, sondern auch um eine einfühlende Annäherung, die im wissenschaftlichen Diskurs Ausgeblendetes vernehmbar machen sollte: Einsichten in die Empfindungswelt der kunstschaffenden Person, in ihr persönliches „Denken“ und „Erleben“. Lebensumstände, prägende Ereignisse, Inspirationsquellen und Charaktereigenschaften fügen sich mit dem Werk zu einem Gesamtbild, welches uns die Künstlerin und den Künstler näherbringt.
(Text und Inhalt: Lukas Brandl, 2019)