Im Geschichtsunterricht werden Medien wie das Schulbuch, Fachbücher, Filme, TV-Dokus und Zeitungs- und Zeitschriftenartikel verwendet. Tondokumente werden kaum eingesetzt. In diesem Themenpaket werden Tonquellen als Medium zunächst spezifiziert und in weiterer Folge als Teil eines umfangreicheren Bündels unterschiedlicher Medien auf ihre Einsetzbarkeit im Unterricht überprüft.
Dieses Themenpaket klärt zunächst die Einsetzbarkeit von Tondokumenten im Unterricht und lässt sie in Folge als Teil eines umfassenderen Medienbündels erkennen. Die medienspezifischen Vor- und Nachteile werden besprochen, Anregungen zu deren Analyse werden gegeben. Die drei Arbeitsblätter für die Oberstufe wurden bewusst so gestaltet, dass sie ohne besondere Adaptierung auch für beliebige andere Tondokumente verwendet werden können. Auch die Auswahl der Beispiele erfolgt unter der Prämisse der grundsätzlichen Austauschbarkeit, um Kolleginnen und Kollegen die Verwendung eines möglichst breiten Spektrums an Tönen im Unterricht zu ermöglichen. So soll der Entwurf einen Beitrag zu einem reflektierten Geschichts- bzw. Medienbewusstsein leisten.
Im für den Geschichtsunterricht relevanten Medienbündel stehen Tondokumente nach Spielfilmen, Dokumentationen, Zeitschriften und Zeitungen in der Häufigkeit ihrer Verwendung vermutlich an letzter Stelle. Mittlerweile sind aber Tondokumente – nicht zuletzt durch die Publikationsarbeit der Mediathek – leicht und für nahezu jedes Unterrichtsfach verfügbar. Durch die verbesserte Ausstattungssituation an Schulen (PC mit Internetzugang und Lautsprechern) sind Töne im Unterricht jederzeit einsetzbar.
Tondokumente spielen sowohl in der Vermittlung von Allgemeinwissen und Geschichtswissen im Speziellen als auch hinsichtlich einer umfangreichen Medienbildung (vgl. Medienerlass 2012, bmukk) eine wichtige Rolle. Während die Schüler/innen an audiovisuelle Medien gewöhnt sind, bietet die Beschäftigung mit Medien, die rein auditiv wahrgenommen werden, den Aspekt des Neuen und Ungewohnten.
Medien üben eine Selektionsfunktion aus. Sie entscheiden, worüber berichtet wird und bestimmen so die Wichtigkeit eines Themas. Medien beeinflussen die Wahrnehmung des Publikums. Das Hören eines Tondokuments löst mitunter eher die Bereitschaft aus, sich auf den Inhalt einzulassen, als das Lesen eines Texts, wodurch es eventuell auch eher zu einer persönlichen Stellungnahme kommt. Die unterschiedlichen Typen von Tondokumenten – Interviews, Radioberichte, Reportagen, Features, Reden, Autorinnen- und Autorenlesungen, Musikaufnahmen, Diskussionen, Hörspiele und Erzählungen von Zeitzeuginnen bzw. ‑zeugen („Oral History“) – bedürfen aber auch unterschiedlicher Zugänge.
Brauchbare Tondokumente gibt es etwa seit 1890, wenn auch die erste erhaltene Tonaufnahme von 1860 stammt, übrigens noch aus einer Zeit vor Thomas Alva Edisons Erfindung des Phonographen. Die erste offizielle Radiosendung war in Österreich 1924 zu hören.
Der Technikhistoriker Joseph Braunbeck erzählt über „100 Jahre Radio in Österreich“ und beginnt seine Ausführungen mit der „drahtlosen Telegrafie“ in der Antike.
Der Technikhistoriker Joseph Braunbeck ezrählt sehr anschaulich über „100 Jahre Radio in Österreich“.
Erwähnenswert sind diese historischen Daten auch deswegen, damit Schüler/innen verstehen lernen, dass es keine älteren Töne geben kann und Stimmen historischer Personen allenfalls spätere Aufnahmen von Schauspielerinnen und Schauspielern sind, ähnlich dem Reenactment – dem Nachstellen historischer Ereignisse in möglichst authentischer Form – in TV-Dokumentationen.
Vor der Beschäftigung mit konkreten Tönen sollten medienspezifische Vor- und Nachteile thematisiert werden: Was können Tondokumente leisten, das andere Quellen nicht leisten können? Welche Nachteile bringt die Arbeit mit Tondokumenten mit sich? In diesem Zusammenhang ist auch eine Einordnung der Tondokumente in einen medialen Überblick vorteilhaft, um zu verdeutlichen, dass und wie Geschichte außerhalb der Schule vermittelt wird. Als Einstieg in das Thema Tondokumente könnte beispielsweise eine kurze Einführung unter der Leitfrage „Wie wird abseits der Schule Geschichtswissen und Geschichtsbewusstsein vermittelt?“ gewählt werden.
3.1) Welche Vorteile hat die Verwendung von Tondokumenten?
3.2) Welche Nachteile hat die Verwendung von Tondokumenten?
3.3) Wie wird abseits der Schule Geschichtswissen und Geschichtsbewusstsein vermittelt?
Die Arbeitsaufträge sind so gestaltet, dass sie für beliebige Töne gleichen oder ähnlichen Typs verwendet werden können. Je nach Schwerpunkt kann und soll eine Auswahl getroffen werden. Exemplarisch stehen Arbeitsblätter zum „Start der Apollo 11“ und zur „Reichspogromnacht in Wien“ zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Radioreportagen, wobei jene über den Mondflug auch ein gutes Beispiel für die Reportage als journalistische Darstellungsform ist.
Die Reportage ist ein persönlicher Erlebnisbericht, die Reporterin bzw. der Reporter hat die Ereignisse selbst erlebt oder beobachtet. In der Reportage wechseln sich Information und persönliches Erlebnis ab. Im Gegensatz zu anderen Formen hält sich die Reportage an die chronologische Abfolge der Ereignisse. Sie ist Information und Unterhaltung zugleich und soll der Hörerin bzw. dem Hörer das Gefühl vermitteln, am Schauplatz dabei zu sein. Die Reportage über die Reichspogromnacht weist darüber hinaus das Radio als Propagandainstrument aus und zeigt den Stellenwert des damals noch jungen Mediums, das mithilfe des Volksempfängers großflächig empfangen werden konnte.
Im Gegensatz dazu waren die Ereignisse rund um den Mondflug bereits ein Highlight des damals noch relativ jungen Mediums Fernsehen. Da die entsprechenden Fernsehbilder leicht verfügbar sind, bietet sich eine vergleichende Betrachtung von Radio- und TV-Aufnahmen an. Empfohlen wird, sich zuerst den Ton anzuhören, um anschließend die entstandenen „Bilder im Kopf“ mit den tatsächlichen zu vergleichen.
Ist die Reportage zum Start der Apollo 11 also eher gattungsästhetisch interessant, liefern die Töne zum Novemberpogrom auch inhaltlich relevante Aspekte. Dass es sich nämlich um eine Reportage über die Ereignisse des 10. Novembers 1938 in Wien handelt, ist insofern bemerkenswert, als diese Ereignisse aus dem kollektiven Gedächtnis Österreichs tendenziell verdrängt und hauptsächlich als deutsches Phänomen gesehen wurden bzw. werden. Auch in Schulbüchern wird häufig nicht darauf hingewiesen, dass die Übergriffe in Österreich ganz besonders radikal waren und nicht einen, sondern mehrere Tage andauerten.
Völlig entkoppelt vom Inhalt sind die möglichen Arbeitsaufträge zu politischen und historischen Reden, da hier nur der Typus „Rede“ (kompetenzorientiert) analysiert werden soll.
Die Auswahl der zu analysierenden Rede – einige Beispiele sind angeführt – kann je nach Ermessen thematisch erfolgen und um inhaltliche Leitfragen ergänzt werden.
Arbeitsblatt 1 – Tondokumente im Geschichtsunterricht: Reportage
Herunterladen (PDF)Arbeitsblatt 2 – Tondokumente im Geschichtsunterricht: Reportage und Bericht
Herunterladen (PDF)Arbeitsblatt 3 – Tondokumente im Geschichtsunterricht: Rede
Herunterladen (PDF)Krammer, Reinhard: Reflektiertes Geschichtsbewusstsein als Ziel des Geschichtsunterrichtes. Was tun in der Praxis?. Nicht ausgearbeitetes Manuskript für ein Referat, gehalten am Österreichischen Historikertag, Salzburg, September 2002.
Wunderer, Hartmann: Tondokumente. In: Hans-Jürgen Pandel, Gerhard Schneider (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Wochenschau Verlag 2005, S. 468–482.
(Text und Inhalt: Christian Benesch, 2014)