Das Radio hat als frühes Medium des 20. Jahrhunderts mehrere Generationen geprägt. So finden sich in den lebensgeschichtlichen Interviews der Sammlung MenschenLeben vielfältige und persönliche Geschichten darüber, auf welche Weise und was im Radio gehört wurde. Dabei erinnern sich Menschen an historische Ereignisse, die sie via Radiowellen erreicht haben ebenso wie an Rituale des einsamen und gemeinsamen Hörens. Auch die Bedeutung dieses Mediums, beispielsweise in Kriegs- und Krisenzeiten oder für das eigene Heranwachsen, spiegelt sich in den biografischen Erzählungen wider. Hören Sie, welche Faszination das Radio in technischer wie inhaltlicher Hinsicht über Jahrzehnte hinweg ausgestrahlt hat.
Auf dieser Seite
Das erste Radio
Radio als kostbares Gut
Historische Ereignisse empfangen
Radio hören im Zweiten Weltkrieg
Radiorituale
Radio als Tor zur Welt
Radio machen
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Ob die erste Erinnerung ans Radiohören oder das erste eigene Radio: In lebensgeschichtlichen Interviews mit Menschen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren sind, gibt es lebendige Erzählungen zu den ersten Apparaten und der Anziehungskraft, die das neue Medium ausgeübt hat. Noch in den 1950er Jahren war das Radio das Leitmedium in den Haushalten, das alle Familienmitglieder erreicht hat.
Da muss ein Mandl drin sein!
Ursula W., geboren 1935
00:03:39
audio
Helga Baum (Pseudonym), geboren 1914 in Wien
Die zum Zeitpunkt des Interviews 100-jährige Wienerin erinnert sich, wie sie als Kind ihr erstes Radio selbst zusammengebaut hat.
Der spätere Radiojournalist erzählt, welche Faszination der Radioaparat auf ihn als Kind ausgeübt und welche Rolle das Medium in seinem Elternhaus gespielt hat.
Copyright:
Österreichische Mediathek/MenschenLeben/Ursula W.
Radio als kostbares Gut
Der Wert des Radios drückt sich in den Erzählungen der Menschen sehr unterschiedlich aus. Während manche Menschen gar nicht über das Radio sprechen, berichten andere über ihre große Leidenschaft für dieses unmittelbare Medium. In der Kriegs- und Nachkriegszeit war das Radio für viele Familien ein unersetzbarer Informationsträger und darüber hinaus auch ein wertvolles technisches Gerät.
01:06:17
(00:04:50 bis 00:08:10)
audio
Rosa Edinger, geboren 1939 in Saalfelden
schildert eine Kindheitserinnerung, als ein amerikanischer Besatzungssoldat ihrer Familie das Radio wegnahm.
Als erstes direktes Übertragungsmedium spielte Radio in der politischen Geschichte der Ersten und Zweiten Republik eine zentrale Rolle. Die Stimmen jener, die die verschiedenen historischen Ereignisse via Radio miterlebt haben, sind jedoch seltener zu hören. In den Oral History-Interviews der Sammlung MenschenLeben berichten Menschen, je nach Generation, von sehr unterschiedlichen mediengeschichtlichen Ereignissen – von Kurt Schuschniggs letzter Radioansprache 1938 bis zur Besetzung der Hainburger Au 1984.
01:33:12
(01:27:11 bis 01:28:05)
audio
Rosa Schlöglmann, geboren 1926 in Sigharting
erinnert sich, wie sie ihre Großmutter im März 1938 auf den Nachbarhof mitgenommen hat, um den den Bericht über den Einmarsch der deutschen Wehrmachtstruppen im Radio zu „losen“ (hören).
spricht darüber, wie eine 1984 via Autoradio übertragene Pressekonferenz rund um die Ereignisse in der Hainburger Au die Menschen auf der Straße zusammenkommen ließ.
Er ist herausgekommen und hat links und rechts seinen Hitlergruß gespendet. Das war wie ein Kasperl.
Helga Baum, geboren 1914
00:04:00
audio
Helga Baum, geboren 1914
erzählt, wie sie im März 1938 den Einmarsch der deutschen Wehrmachtstruppen in Wien erlebt und die letzte Rede von Kurt Schuschnigg im Radio gehört hat.
lebte 1956 in Budapest und erzählt, wie sie die Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstands durch die sowjetischen Truppen übers Radio mitverfolgt hat.
Eine der häufigsten Erzählungen in lebensgeschichtlichen Interviews zum Zweiten Weltkrieg mit Menschen, die in den 1920er und 1930 Jahren geboren sind, dreht sich um das Hören von sogenannten „Feinsendern“. Diese von den Nationalsozialisten seit 1939 verbotenen ausländischen Radiosender wurden vor allem gegen Kriegsende von großen Teilen der Bevölkerung heimlich empfangen. „Schwarzgehört“ – wie es auch hieß – wurde vor allem der „Engländer“, die BBC aus London. Die wichtigste Motivation ausländische Sender zu hören war, sich über den Verlauf des Krieges zu informieren, der von den NS-Medien im Sinne der Propaganda verzerrt dargestellt wurde. Nur wenige verfolgten schon von Kriegsbeginn an aus ideologischer Überzeugung die internationale Berichterstattung. Durch das „Schwarzhören“ wurde Radio hören zum persönlichen Risiko, da ein Verstoß gegen die nationalsozialistische „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ teilweise schwer bestraft wurde. Das Aufpassen und „Schmierestehen“ als Kind, während die Erwachsenen „Feindsender“ hörten und die Signation des „Engländers“ sind damit Teil individueller wie kollektiver Erinnerung der österreichischen Kriegsgeneration geworden.
„Hier ist England, hier ist England.“ Und das war dreimal, glaub ich.
Cäcilia M.
01:33:12
(00:58:19 bis 00:59:59)
audio
Cäcilia M., geboren 1926 in Neudorf
schildert das gemeinsame „Schwarzhören“ mit ihrer Freundin zu Kriegsende.
Franz Stelzel war Mitglied der im Nationalsozialismus verbotenen Kommunistischen Partei Österreichs und als solcher an Aktionen des Widerstands beteiligt. Er wurde 1942 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt und hingerichtet.
Die Naderei war arg.
Getrud Schneider, geboren in den 1920er Jahren
00:59:59
(00:06:44 bis 00:07:57)
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Gertrud Schneider, geboren in den 1920er Jahren in Wien
thematisiert in ihrem Bericht über das „Schwarzhören“ die Gefahr von anderen dafür denunziert und angezeigt zu werden.
erinnert sich ans „Schmierestehen“ als Kind, während ihre sozialistisch orientierte Familie im Krieg regelmäßig den von den Nationalsozialisten verbotenen „Feindsender“ hörte.
erzählt, wie schwierige es war, einen Volksempfängers beim Radiohändler in Schärding zu ergattern und wie er und seine Geschwister beim gelegentlichen „Feindsender“-Hören des Vaters vor dem Haus auf- und abgehen mussten.
Im Gegensatz zum „Schwarzhören“ ist der „Volksempfänger“ nur in wenigen Erzählungen Thema. Der 1933 erstmals vorgestellte Radioapparat gilt heute als eines der maßgeblichsten Instrumente der NS-Propaganda.
beschreibt, wie er als Jugendlicher ab 1944 zuhause mit dem Kopf unter der Decke die Nachrichten der ausländischen Mittelwellen empfangen hat, um diese dann auf geschickte Weise in der Straßenbahn unter die Leute zu bringen.
Bei den Erzählungen über das Radiohören spielen Rituale eine wichtige Rolle. Diese sind oft in der Kindheit angesiedelt und mit bestimmten Sendungen verbunden. Die Rezeptionserlebnisse sind dabei scheinbar individuell, werden jedoch von sehr vielen Menschen ähnlich erinnert.
Radio macht die Welt größer. Seit Jahrzehnten überträgt das Radio Informationen, Musik, Literatur und Unterhaltung in die Arbeitsstätten, Küchen, Wohn- und Jugendzimmer der Menschen. In einigen lebensgeschichtlichen Erzählungen wird darüber gesprochen, dass das Medium den eigenen Horizont erweitert und damit persönliche wie auch gesellschaftliche Entwicklungen mitgeprägt hat.
Milan Malecek, geboren 1957 in Šumperk (Tschechien)
berichtet, wie in seiner frühen Kindheit in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre via Drahtradio ausschließlich zwei staatliche Sender empfangen werden konnten.
So erste Anfänge einer Politisierung – da ist das Radio schuld.
Manfred Schindler, geboren 1954
01:33:12
(01:06:10 bis 01:07:51)
audio
Manfred Schindler, geboren 1954 in Wien
erinnert sich, wie er als Jugendlicher die Sendung „Musicbox“ auf Ö3 gehört hat und wie diese zum Ausgangspunkt seiner Emanzipation vom Elternhaus wurde.
erzählt über die welterweiternde Rolle, die Popmusik und das Radio für ihn als Heranwachsenden gespielt haben, und wie er später als Redakteur der “Musicbox” Gelegenheit hatte, diese Faszination weiterzugeben.
erzählt über ihre Arbeit bei Freak Radio – einem Sender der sich seit 1997 der Lebenswelt von Menschen mit Behinderung sowie sozialen und gesellschaftspolitischen Themen widmet.