Das Ende des Kalten Kriegs – Reagan und Gorbatschow

Mit Ronald Reagan wurde ein Mann Präsident der USA, der nicht an die scheinbare Naturgesetzmäßigkeit der Welt in Blöcke glaubte.

Von Anton Hubauer

5. Ein Kalter Krieger im Weißen Haus

Ronald Reagan und die weitere Eskalation des Konfliktes

Die Wahl von Ronald Reagan am 5. November 1980 zum 40. Präsidenten der Vereinigten Staaten führte zu einer weiteren Verschärfung des Kalten Krieges (Audioquelle 16: Mittagsjournal, JM‑801105: 1. Beitrag; Bierling 2003: 176; Connell 1987: 203–289). Der entschlossene Antikommunist Reagan, der im Zeichen von außenpolitischer Stärke angetreten war, musste dieses Wahlversprechen auch einlösen.

Am 23. März 1983 wurde mit der Ankündigung von SDI – Strategic Defense Initiative – besser bekannt als dem „Star Wars“-Rüstungsprogramm, ein solches Zeichen der Stärke und technologischen Überlegenheit der USA gegeben, zumindest aus der Sicht Reagans und seiner Berater (Audioquelle 17: Mittagsjournal, JM‑830324: 6. Beitrag). Viele Beobachter sahen darin vor allem eine weitere Eskalation des Wettrüstens, mit einer ganzen Reihe von Drehungen an der Rüstungsschraube. Auch im ideologisch-sprachlichen Bereich setzte Reagan auf Konfrontation.

Der neokonservative Republikaner prägte mit dem „Reich des Bösen“ – „Evil Empire“, als Umschreibung für die UdSSR, einen Ausdruck, der, als er ihn 1983 erstmals in einer Ansprache verwendete, klar die neue Linie der US-Außenpolitik zum Ausdruck brachte (Bierling 2003: 177). In die gleiche Kerbe schlug auch der „Scherz“ des Präsidenten, die UdSSR zu bombardieren, bei einer Radiosprechprobe am 11. August 1984, die jedoch aufgezeichnet und durch eine Indiskretion veröffentlicht wurde (Audioquelle 18: Mittagsjournal, JM‑840816: 4. Beitrag). Bis auf welche Ebene die Vereinigten Staaten von der neuerlichen Eskalation des Kalten Krieges durchdrungen waren, kann auch an Filmen wie „Red Dawn“ – „Die rote Flut“ von John Milius, einem blutigen Kriegsfilm über die Invasion der USA durch die UdSSR und Kuba, oder Rambo II gesehen werden (Audioquelle 19: Mittagsjournal, JM‑841219: 13. Beitrag; Audioquelle 20: Mittagsjournal, JM‑850911: 11. Beitrag).

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Audioquelle 16: Mittagsjournal 05.11.1980 - Neuer US-Präsident Reagan
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Audioquelle 17: Mittagsjournal 24.03.1983 - Star Wars
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Audioquelle 18: Mittagsjournal 16.08.1984 - "We begin bombing in five minutes"
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Audioquelle 19: Mittagsjournal 19.12.1984 - "Die Rote Flut"

 

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Audioquelle 20: Mittagsjournal 11.09.1985 - Rambo II
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6. Ein neuer Mann im Kreml

Michail Gorbatschow und der Beginn der Reformen in der UdSSR

Aber auch die UdSSR und der gesamte Ostblock konnten nicht vom Vorwurf des Schwarz-Weiß-Denkens freigesprochen werden, wurde doch sogar in einer internen Studie der SED-Führung zu beginn der 80er Jahre, die USA als der „Hauptfeind der Menschheit“ bezeichnet (Ploetz 2000: 79ff.). Echte Anzeichen für Entspannung waren in der ersten Hälfte der 80er Jahre nicht vorhanden. Der Tod von Leonid Iljitsch Breschnew löste den bereits erwarteten Nachfolgekampf innerhalb der sowjetischen Führung aus (Treadgold 2000: 406), wobei das Wort Kampf nicht ganz der Verfassung der Nachfolger entsprach. Juri Andropow, nach ihm Konstantin Tschernenko, hatten jeweils nur für weniger als zwei Jahre das Amt des KPdSU-Generalsekretärs inne. Sie ließen Ronald Reagan als aktiven und vor Gesundheit strotzenden Staatsmann erscheinen, und das mit dem 6. Februar 1911 als Geburtsdatum. Dieser Eindruck der Erstarrung und Agonie der UdSSR wurde mit einem Schlag bei Seite gefegt, als am 11. März 1985 Michael Gorbatschow zum neuen Generalsekretär der KPdSU gewählt wurde (Audioquelle 21: Mittagsjournal, JM‑850312: 10.–11. Beitrag). Gorbatschow stand für mehr als einen Generationenwechsel innerhalb der politischen Elite der UdSSR; mit Glasnost und Perestrojka, Offenheit und Umbau, hielten auch neue Ideen im Kreml Einzug (Audioquelle 22: Mittagsjournal, JM‑870627: 7. Beitrag; Kappeler 1992a: 314; Kappeler 2000b: 43).

Leonid Breschnew, Juri Andropow und Konstantin Tschernenko waren alle drei klassische Vertreter der sowjetischen Nomenklatura. Geboren 1906, 1914 und 1911 wuchsen sie vor und während des Ersten Weltkrieges, der Oktoberrevolution und des anschließenden Bürgerkrieges auf, wurden erwachsen unter Lenin und Stalin, erlebten den Zweiten Weltkrieg als Männer und sahen danach ihr bis dahin geformtes Weltbild, in dem Gewalt und Misstrauen keine kleine Rolle gespielt hatten, im Kalten Krieg bestätigt. Michael Gorbatschow durchbrach diese Herrschaft von Gerontokraten. Gorbatschow wurde 1931 geboren, auch für ihn waren Stalinismus und Krieg keine Fremdwörter, aber einen wichtigen Abschnitt seines Lebens, die frühen Jahre des Erwachsenenalters, erlebte er in der Zeit der Entstalinisierung, des Umbruchs und der hektischen Reformen unter Nikita Chruschtschow. Die danach wieder zunehmende Erstarrung des Sowjetsystems unter Breschnew kann daher für Gorbatschow nur den neuerlichen Versuch einer Reform des Staats von oben offen gelassen haben. So erscheint die Motivation Gorbatschows für seine Politik, zumindest im Rückblick. Gorbatschow selbst erreichte so ein Ausmaß an Popularität wie vor ihm kein sowjetischer Spitzenpolitiker, zumindest im Westen, denn in der UdSSR selbst sah die Bevölkerung vor allem die ständig zunehmenden Versorgungsschwierigkeiten. Durch seine rege Reisetätigkeit, besonders in die Bruderstaaten des Warschauer Pakts, aber auch in den Westen, entstand der Eindruck eines Handelsreisenden in Sachen Reform des Kommunismus. Es entstand sicherlich nicht der Eindruck eines Mannes, der auf die Selbstdemontage des Systems hinarbeitete.

Dass der von Gorbatschow gestartete Reformprozess eine Eigendynamik entwickeln würde, die das Gebäude des Kommunismus zum Einsturz bringen sollte, war 1985 sicherlich kein Thema, auch nicht in den Nachrichtensendungen des österreichischen Rundfunks. Gorbatschows Reformen wirkten sich ebenso sehr auf die Staaten des Warschauer Paktes, wie auf die UdSSR selbst aus (Audioquelle 23: Abendjournal, JA‑860609: 7. Beitrag). Entscheidend für die Zukunft des Ostblocks wurde die 19. Parteikonferenz der KPdSU in Moskau im Juni 1988, als Gorbatschow indirekt die „Breschnew-Doktrin“ aufhob (Luks 2000: 500; Hildermeier 1998: 998; Schneider 1996: 283f.; Steininger 2003b: 37).

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Audioquelle 21: Mittagsjournal 12.03.1985 - Wer ist Michael Gorbatschow?
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Audioquelle 22: Mittagsjournal 27.06.1987 - Glasnost und Perestroika aus Sicht der USA
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Audioquelle 23: Abendjournal 09.06.1986 - Journal-Panorama: Gorbatschows Einfluß auf Ostblockstaaten
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7. Neue Partner

Der Wandel in den Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR

Der kälteste Krieger seit langem im Weißen Haus, Ronald Reagan, durchlebte nach Gorbatschows Amtsantritt eine bemerkenswerte Wandlung. Mehr als sechs Jahre hatte es kein Gipfeltreffen zwischen einem Präsidenten der Vereinigten Staaten und einem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gegeben, das sollte sich nun ändern. Ein erstes Treffen in Genf, im November 1985, zwischen Reagan und Gorbatschow war ein Erfolg, insofern als weiter Gipfeltreffen folgen sollten (Audioquelle 24: Mittagsjournal, JM‑851119: 3. Beitrag). Das Arbeitstreffen Mitte Oktober 1986 in Reykjavik erzielte noch keine Resultate (Bierling 2003: 182; Audioquelle 25: Mittagsjournal, JM‑861013: 1. Beitrag), doch wurde beim Gipfel in Washington am 8. Dezember 1987 der „Intermediate Range Nuclear Forces“-Vertrag, kurz INF-Vertrag (Steininger 2003b: 50f.; Wiener 1990: 82). unterzeichnet, als sichtbares Ergebnis des neuen Verständnisses zwischen der USA und der UdSSR (Audioquelle 26: Mittagsjournal, JM‑871209: 3.–5. Beitrag).

Es folgte noch ein weiteres sehr entspanntes, ja freundschaftliches Treffen im Frühling 1988 in Moskau, welches aber kaum weitere konkrete Ergebnisse brachte (Audioquelle 27: Abendjournal, JA‑880601: 1. Beitrag). Es war das letzte Jahr von Reagans Präsidentschaft, und es ist nicht üblich, dass ein scheidender Amtsinhaber seinen Nachfolger durch weitgehende Vereinbarungen oder Verträge vor vollendete Tatsachen stellt.

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Audioquelle 24: Mittagsjournal 19.11.1985 - 1. Begegnung Reagan - Gorbatschow
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Audioquelle 25: Mittagsjournal 13.10.1986 - US-Außenminister Shultz zu Reykjavik
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Audioquelle 26: Mittagsjournal 09.12.1987 - INF-Vertrag unterzeichnet
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Audioquelle 26: Mittagsjournal 09.12.1987 - INF-Vertrag unterzeichnet
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Audioquelle 27: Abendjournal 01.06.1988 - Moskauer-Gipfel

 

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8. Die großen Staatsmänner und Weltenlenker

Die handelnden Personen im Spiegel der Beiträge

Wie weit haben nun diese Männer durch ihre Persönlichkeit, ihre Handlungen, welche sich auch in den Beiträgen der Ö1‑Journalsendungen spiegelten, das von Francis Fukuyamas postulierte „Ende der Geschichte“ vorhersehen lassen (Fukuyama 1992)? Nun, die Geschichte ist nicht beendet und das Gewerbe der Vorhersehung ist nach wie vor ein unsicheres.

Gorbatschow trat als Reformer des Systems auf und Reagan wandelte sich vom Kalten Krieger zu einem echten Verhandlungspartner. Die UdSSR war für Reagan 1988 nicht mehr das Reich des Bösen, wie er selbst beim Gipfeltreffen im Juni 1988 in Moskau auf Reporterfragen antwortete (Bierling 2003: 184). Doch Reformen und die Fähigkeit, auf ein neue Situation offen zu reagieren, waren keine Garantien für das Ende des Konfliktes der Supermächte. Nikita Chruschtschow hatte einen Reformkurs verfolgt und damit politischen Schiffbruch erlitten (Hildermeier 1998: 757–825). Jimmy Carters ehrlicher Wille zur Fortsetzung der Entspannung wandelte sich in ebenso ehrliche Empörung und Enttäuschung nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan und dem Wunsch, die Übeltäter zu bestrafen (Bierling 2003: 174ff.).

Zahlenvergleich Ö1-Journal-Beiträge US-Präsidenten und KPdSU-Vorsitzende

JahrCarterReaganBushBreschnewAndropowTschernenkoGorbatschow
197923--11---
19802415-8--1
1981431123---
1982-312218--
198322062191-
1984-24-11085
1985-4811-526
1986-272--118
1987-212---44
1988-20153--26
19891-161--40

Der Vergleich der Beitragsanzahl pro Person und Jahr lässt konkret nur wenige Schlüsse, und sicherlich keine Vorhersagen, zu. Eine Erkenntnis liegt in der Tatsache, dass ein amtierender US-Präsident immer ein gewisses Medieninteresse findet. Die Spitze für Ronald Reagan im Jahr 1985 ist auf kein außergewöhnlich bedeutungsvolles Jahr zurückzuführen, sondern eher zufällig entstanden. Ein wegen des Besuchsprogramms nicht unumstrittener BRD-Besuch (Shore 2001: 230ff.) und eine Krebserkrankung, mit erfolgreicher Operation, sorgten alleine für 20 der Beiträge über Reagan. Das erhöhte Interesse für Breschnew in den Jahren 1981 und 1982 resultierte zum Teil aus der ausführlichen Berichterstattung über den Besuch des Generalsekretärs in der BRD 1981 und seinem Ableben 1982. Das Interesse an Michail Gorbatschow ergab sich aus seiner Person, seiner für einen Führer der UdSSR relativen Jugend, seinem weltoffenem Auftreten, aber auch aus dem von ihm eingeschlagenen Reformkurs und dessen Auswirkungen. Ein Beitrag aus dem Ö1-Abendjournal vom 1. Dezember 1989 zeigt aber deutlich, wie wenig, trotz der bereits gefallenen Berliner Mauer, ein Ende der UdSSR erwartete wurde. Gorbatschows Besuch bei Johannes Paul II. im Vatikan, wurde als ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Lage Menschenrechte in der UdSSR verstanden (Audioquelle 28: Abendjournal, JA‑891201: 1. Beitrag). Kein Wort fiel über ein mögliches Ende der Einparteienherrschaft in der Sowjetunion. Trotz des sich bereits auflösenden Ostblocks stand die Person des Generalsekretärs der KPdSU, dadurch aber auch die KPdSU selbst und somit die UdSSR, nicht zur Debatte.

Das Ungleichgewicht in der medialen Präsenz zwischen dem neuen US-Präsidenten Bush und Gorbatschow im Jahr 1989 spiegelt nur die Reaktion der Berichterstattung auf stattfindende politische Entwicklungen in der UdSSR und im Ostblock wieder. Die Berichterstattung über die Hauptakteure liefert also keine echten Anhaltspunkte für ein baldiges Ende dieses längsten Krieges im 20. Jahrhundert. Wie steht es aber mit der Ereignisgeschichte zu diesem Thema und den Beiträgen dazu?