Überlegungen zu „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“

innerhalb der Journalberichterstattung
 


von Johannes Kapeller

 

„… und den Geräuschen des Tages zu lauschen, als wären es die Akkorde der Ewigkeit.“ 
(Karl Kraus)

 

Der Bezug zu Zeit ist bei einem Archivierungsprojekt wie dem vorliegenden offensichtlich und grundlegend. Ausgehend von den verschiedenen Zeitebenen, in denen sich die Aufarbeitung bzw. Langzeitarchivierung von historischen – zum Zeitpunkt ihrer Entstehung aktuellen – Radiosendungen bewegt, sollen in diesem Artikel einige Überlegungen zu zeitlichen Aspekten in Bezug auf Aufbau und Inhalt der bearbeiteten Sendungen dargestellt werden.

1. Transformation

Die Gegenwart der Vergangenheit für die Zukunft

Die ursprüngliche Quelle des bearbeiteten Bestandes, Radiosendungen der aktuellen Berichterstattung, stellen ein stark gegenwartsbezogenes und flüchtiges Medium dar. Die materielle Ausgangsquelle des vorliegenden Digitalisierungsprojektes waren hingegen Tonbänder, deren Inhalte – die Aufnahmen jener Radiosendungen – durch Speicherung und die vergangene Zeit mittlerweile zu Vergangenheit, zu historischen Tonaufzeichnungen geworden waren. Die Übertragung dieser Bandaufnahmen in eine digitale Form ermöglicht nun einen gegenwärtigen Zugriff auf diese Inhalte, deren Langzeitarchivierung in Form von digitalen Informationen geschieht hingegen im Hinblick auf die Zukunft.

Die Zeitbezogenheit kann als eine grundlegende Eigenschaft von Audioquellen angesehen werden. Radio als Medium ist an sich flüchtig, bedingt jedoch eine zeitliche Ausdehnung. Die Sendungen als solche sind stark an die Gegenwart der Ausstrahlung gebunden. Durch den Akt der Aufnahme, der Speicherung dieser Sendungen, wird ein Prozess gestartet, welcher diese flüchtige, gegenwärtige und nicht gegenständliche Signalinformation vergegenständlicht; die aufgenommene Sendung bekommt damit auch gewissermaßen erst eine Zukunft, somit aber auch eine Vergangenheit.

Im konkreten Fall des aufgearbeiteten Quellenbestandes wurde das Medium „Radio“ durch dessen Speicherung also bereits transformiert in eine Aufnahme, damit wurde die Möglichkeit einer „Vergangenheit“ bzw. „Zukunft“ als Tonbandaufnahme erst kreiert.

Innerhalb des aktuellen Digitalisierungsprojektes wurde dieser Prozess „nur“ fortgesetzt, indem die analog gespeicherte Information in eine digitale Form übertragen wurde. Das Ergebnis ist eine digitale Kopie der analogen Aufnahme, welche sich zwar in Bezug auf die Möglichkeiten einer weiteren Speicherung sowie den Zugriff auf die Information gravierend vom Tonband unterscheidet, dessen auditive Informationen – eine dementsprechend hohe Digitalisierungsrate vorausgesetzt – jedoch nahezu vollständig übertragen werden können.

In diesem Spannungsfeld zwischen der „Vergänglichkeit“ der Informationen einerseits, der „Gegenwärtigkeit“, welche grundlegend für das Medium Radio ist und der Speicherung für die „Zukunft“ andererseits bzw. der Möglichkeit der „Vergegenwärtigung“, welche durch den Zugriff auf die archivierten Aufnahmen möglich wird, bewegt sich grundsätzlich die Arbeit des Archivierens und Digitalisierens.

2. Zur Bedeutung von Zeit innerhalb der Struktur einer Journalsendung

Im strukturellen Aufbau einer Journalsendung spielt Zeit schon allein durch die zur Verfügung stehende Sendezeit eine bedeutende Rolle. Innerhalb dieser Zeitspanne werden verschiedene Beiträge unterschiedlichen Inhalts gesendet, deren unterschiedliche Zeitdauer – die Beitragslänge – ebenfalls Relevanz besitzen.

Aus „aktuellem“ Anlass kann zum Beispiel ein Beitrag – technisch bedingt eignen sich dafür nur gegenwärtig stattfindende Ereignisse, die in Form von „Live-Berichten“ präsentiert werden – aufgrund eines bedeutenden Ereignisses verlängert werden. Dadurch können auch andere Beiträge, die im Sendungsverlauf ansonsten Sendezeit beanspruchen, aus der Sendung gestrichen werden (Tonbeispiel 1).

00:03:15 audio
Tonbeispiel 1

Veränderungen im Sendungsablauf

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Neben der „Aktualität von Ereignissen“ als Grund für eine längere Sendezeit wird auch mit der „Komplexität der Beitragsinhalte“ argumentiert. Ein Beispiel dafür stellt die in das Abendjournal integrierte Reihe „Journal-Panorama“ dar (Tonbeispiel 2).

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Tonbeispiel 2

Ankündigung der Sendung „Journal-Panorama“

Details

Auch die zeitliche Platzierung eines Themas innerhalb des Sendungszeitraumes besitzt Aussagekraft. „Aktualität“ ist auch hier das entscheidende Kriterium. An der wechselnden Platzierung eines Themas innerhalb eines Beitragsblocks kann die sich verändernde Bedeutung, die ihm von Seiten der Redaktion zugewiesen wird, abgelesen werden.

Die allgemeine Gliederung eines Mittagsjournals gibt auch Auskunft über die inhaltliche Ausrichtung der Sendung, welche in direktem Bezug zu der für einzelne Themen verwendeten Sendezeit steht. Innerhalb der Struktur eines Mittagsjournals steht zum Beispiel am Anfang und am Ende der Sendung ein Nachrichten- und Wetterblock, welcher gesamt etwa ein Viertel der Sendezeit beansprucht. Der Beitragsteil ist gegliedert in einen innen-, sowie einen außenpolitischen Teil, deren unterschiedliche Länge bzw. Platzierung ebenfalls abhängig von gegenwärtig stattfindenden Ereignissen sind. Dieser Teil nimmt zeitmäßig den größten Teil der Sendung ein (ca. zwei Drittel). Die restliche Zeit (ca. 5 Minuten), zwischen Beitragsteil und Schlussnachrichten, beschäftigt sich mit Kulturberichterstattung. Diese Struktur wird jedoch auch nach Bedarf verändert. So kann es vorkommen, dass eine Sendung mit dem Kulturbeitrag bzw. einem Sport-Beitrag (ein Themenbereich der nicht fix im Ablauf der Sendung verankert ist und ansonsten nur sporadisch thematisiert wird) begonnen wird (Tonbeispiel 3, Tonbeispiel 4).

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Tonbeispiel 3

Kulturbeitrag am Beginn des Beitragsteils

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Tonbeispiel 4

Sportbeitrag am Beginn der Sendung

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3. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in der aktuellen Berichterstattung

Inhaltliche Aspekte

Wie im letzten Abschnitt festgestellt werden konnte, besteht innerhalb einer Sendung ein enger Zusammenhang zwischen inhaltlichen Bedeutungszuschreibungen und der dafür aufgewendeten Sendezeit. Diese inhaltlich-zeitlichen Erwägungen dominieren auch die Struktur. Hier spielt der Begriff „Aktualität“ eine zentrale Rolle. Bei einem genaueren Blick auf die Inhalte einer Sendung soll im folgenden Abschnitt der Frage nachgegangen werden, wie „Aktualität“ ausgelegt werden kann bzw. in welchen Zeithorizonten sich die Inhalte einer Sendung bewegen können. Die Zeitebene, von der ausgegangen wird, ist die Gegenwart einer Sendung zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung.

4. Gegenwartsbewältigung

Wann ist aktuell?

Einige Anmerkungen zum zentralen Begriff der „Aktualität“: Einerseits zielt der Begriff auf die mit der Gegenwart verknüpfte Bedeutung eines Ereignisses. Dies ist auch jene Form, die dem Begriff in den vorher dargelegten Überlegungen zugrunde liegt. „Aktuell“ kann sich jedoch auch über längere Zeiträume erstrecken und unabhängig von Ereignissen gesehen werden. In diesem Sinn meint „Aktualität“ einen Hinweis auf Situationen, Zustände oder Prozesse, welche thematisch als „aktuell“ gesehen werden (z. B. die „aktuelle“ Mode oder auch „aktuelle“ Einstellungen oder Haltungen) und denen gegenwärtige Relevanz zugeschrieben wird. Beiden Sichtweisen gemeinsam ist der jeweilige Bezug zur Gegenwart.

Zeitlich gesehen ist eine Radiosendung, welche der aktuellen Ereignis-Berichterstattung gewidmet ist, in erster Linie an der Gegenwart orientiert. Wie Aktualität und Gegenwärtigkeit auf inhaltlicher Ebene ausgelegt werden, soll hier kurz erläutert werden.

5. Gegenwart – live

Die Sendungsgegenwart, bereits im jeweiligen Sendungstitel mit dem Zeitpunkt der Ausstrahlung festgelegt, wird inhaltlich in der durchgehenden Live-Moderation sowie im von der Nachrichtenredaktion gestalteten Nachrichtenüberblick reflektiert, welche sich inhaltlich jedoch auf „aktuelle“ und somit nicht notwendigerweise gegenwärtige Ereignisse beziehen. Die Moderation selbst ist „live“, findet also in „Echtzeit“ statt. „Echtzeit“ meint hier eine in ihrem zeitlichen Ablauf nicht verkürzte Übertragung ohne Eingriffe durch Zwischenschnitte. Weitere gegenwärtig stattfindende Ereignisse werden in der Form von Direkteinstiegen, Moderatorgesprächen, sowie von Beitragsgestaltern geführten Gesprächen ausgestrahlt (Tonbeispiel 5, Tonbeispiel 6).

00:09:32 audio
Tonbeispiel 5

Live-Bericht

Details
00:00:34 audio
Tonbeispiel 6

Live-Moderation

Details

6. Gegenwart – aktuell

Da schon allein aus produktionstechnischen Gründen nicht jeder Beitrag „live“ gesendet werden kann (im konkreten Untersuchungszeitraum waren die technischen Möglichkeiten diesbezüglich auch nicht mit den aktuellen zu vergleichen), können die darin enthaltenen Beiträge nicht in allen Fällen diese Gegenwärtigkeit besitzen. Zudem würde es vom Standpunkt der präsentierten Inhalte auch wenig Sinn ergeben, über jegliche Inhalte in Echtzeit zu berichten. Der Sinn eines Beitrages, der Sinn der Informationssendung ist es ja, aktuelle Ereignisse in der Form von kurzen Beiträgen informativ aufzubereiten. Durch diese Art der „Gegenwartsbewältigung“ erfolgt eine zeitliche Straffung der Inhalte in Form von Zusammenfassungen bzw. Ausschnitten in Form von O-Tönen, welche, für sich selbst gesehen, innerhalb des gewählten Zeitausschnitts die „originale“ Dauer besitzen, jedoch als Ausschnitte aus dem ursprünglich länger andauernden gesamten Ereignis ausgewählt und zeitversetzt innerhalb der Sendung gesendet werden (Tonbeispiel 7, Tonbeispiel 8).

00:05:08 audio
Tonbeispiel 7

Aktuelles Interview

Details
00:01:33 audio
Tonbeispiel 8

Aktueller Bericht

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Der Zeitrahmen, über den sich die Aktualität erstreckt, ist prinzipiell mit dem Takt der gesendeten Journalsendungen festgelegt. Ereignisse, die zwischen zwei Journalsendungen stattfinden, bestimmen die Inhalte der jeweils folgenden Sendung. Da in der Praxis jedoch Beiträge aus logistischen Gründen auch wiederholt werden, kann im Fall der Journalsendungen der Zeithorizont der Aktualität allgemein auf einen Tag ausgedehnt werden. Dies war zum Beispiel auch ein Grund, warum innerhalb des Projektes allgemein ein Digitalisierungs-Schwerpunkt auf die im Tagesablauf umfangreichsten Sendungen des Mittagsjournals gelegt wurde.

Aus logistischen bzw. inhaltlichen Erwägungen wird dieser „aktuelle Zeithorizont“ fallweise erweitert. Logistische Erwägungen betreffen zum Beispiel Beiträge bzw. Aufnahmen, welche innerhalb des Programmablaufes einer Journalsendung geplant waren, aus verschiedenen Gründen jedoch nicht gesendet werden können. Diese Sendungen werden fallweise zu einem späteren Zeitpunkt gesendet. Dies wird jedoch im Verlauf der Sendung meist nicht erwähnt, kann aber teilweise aufgrund der Aufzeichnungen in den Journalbüchern nachvollzogen werden. So wurde der in Tonbeispiel 9 präsentierte Beitrag am 25. Juni 1987 gesendet, laut Angaben aus dem Journalbuch jedoch bereits am 3. April produziert. (Tonbeispiel 9, vgl. auch Journalbuch-Eintrag 25. Juni 1987). Inhaltlich stellt dieser Beitrag eine „Aktualität“ dar, die nicht gegenwärtig ereignisbezogen ist.

00:04:30 audio
Tonbeispiel 9

Aktueller Beitrag – erweiterte Aktualität

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7. Erweiterung des Zeithorizonts und Verbindung zur Vergangenheit

Die Reihe „Journal-Panorama“

Inhaltliche Erwägungen in Bezug auf eine Erweiterung des Aktualitätshorizontes führten 1984 zur Einführung der Reihe „Journal-Panorama“. Mit der Auswahl von Themen, die ansonsten nicht in der aktuellen Berichterstattung untergebracht werden können, jedoch trotzdem Relevanz für die Gegenwart besitzen (Tonbeispiel 10) wurde das Spektrum der tagesaktuellen Berichterstattung erweitert, zugunsten eines thematisch nicht vom aktuellen Tagesgeschehen abhängigen, längeren Beitrages, der jedoch Aktualität nicht unbedingt in einem gegenwärtig-ereignisbezogenen Kontext beansprucht. Dies ermöglicht einerseits die Thematisierung von komplexeren Inhalten aufgrund der längeren Beitragsdauer, andererseits aber auch die Thematisierung von „Vergangenheitsthemen“, wie zum Beispiel längere biographische Interviews mit Zeitzeugen oder längere Beiträge zu historischen Ereignissen aufgrund von Jubiläen (Tonbeispiel 11). Die Aktualität wird hier, wie schon in Tonbeispiel 9, innerhalb eines größeren Zeithorizonts gesehen.

00:00:53 audio
Tonbeispiel 10

Ankündigung der Sendereihe „Journal-Panorama“

Details
00:30:35 audio
Tonbeispiel 11

„Journal-Panorama“ – erweiterte Aktualität

Details

8. Vergangenheitsbewältigung

Wie aktuell ist die Vergangenheit?

Innerhalb der durch das Format bedingten Tagesaktualität – ausgenommen die erwähnte Reihe „Journal-Panorama“ – spielt „Vergangenheit“ im Sinne einer aus dem zeitlichen Rahmen der aktuellen Ereignis-Berichterstattung fallenden Beschäftigung mit vergangenen Ereignissen oberflächlich eine sehr marginale Rolle.

Ein genauerer Blick auf die in den Beiträgen angesprochenen Inhalte zeigt jedoch, dass vielfältige Bezüge zu vergangenen Ereignissen vorhanden sind. Anhand der folgenden Punkte sollen unterschiedliche Möglichkeiten der Thematisierung von „Vergangenheit“ in der Journal-Berichterstattung aufgezeigt werden.

9. Runde Sachen

Jubiläen, Jahres- und Gedenktage

Jubiläen stellen eine Möglichkeit dar, vergangene Ereignisse in den Mittelpunkt der aktuellen Berichterstattung zu rücken und sind damit ein wichtiger Anknüpfungspunkt an die Vergangenheit (Tonbeispiel 12). Im Rahmen der Journal-Berichterstattung sind davon auch Jahres- und Gedenktage betroffen (Tonbeispiel 13, Tonbeispiel 14). Die Verknüpfung mit der Vergangenheit wird in diesen Fällen durch ein zeitlich zurückliegendes Datum hergestellt, dessen Aktualität ereignisbedingt ist.

00:05:07 audio
Tonbeispiel 12

Jubiläum

Details
00:05:53 audio
Tonbeispiel 13

Jahres- und Gedenktag

Details
00:03:11 audio
Tonbeispiel 14

Todestag

Details

10. Kontinuitäten

Chronologien, Biografien, Porträts und Nachrufe

Eine weitere Form der Beschäftigung mit erweiterten Zeithorizonten erfolgt in der Thematisierung von zeitlichen Prozessen, die von der Vergangenheit kontinuierlich bis zur Gegenwart verfolgt werden. Dies wird zum Beispiel in der Form von Beiträgen mit inhaltlichen Analysen aktueller Themen durchgeführt, deren Beginn über den Zeithorizont der Berichterstattung zurückreicht. Dadurch wird das aktuell thematisierte Ereignis zusammengefasst und in einem größeren chronologischen und historischen Zusammenhang präsentiert (Tonbeispiel 15). Diese Art der Vergangenheitsaufarbeitung ist jedoch auch gültig für Biografien bzw. Porträts von lebenden oder auch kürzlich verstorbenen Personen. Der inhaltliche Rahmen bildet in diesen Fällen die Lebensgeschichte der dargestellten Personen, die zeitliche Verknüpfung mit der Gegenwart erfolgt durch ein aktuelles biografisches Ereignis wie zum Beispiel Berufswechsel, Geburtstag oder Tod (Tonbeispiel 16).

00:09:25 audio
Tonbeispiel 15

Chronologische Zusammenfassung

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00:06:29 audio
Tonbeispiel 16

Porträt – Nachruf

Details

11. Offene Fragen

Vergangenheit und aktuelle Politik

Eine in den Journalen der 1980er Jahre sehr häufige Form der inhaltlichen Diskussion von Vergangenheit ergibt sich in der Berichterstattung durch die Thematisierung von „Vergangenheit“ in der gegenwärtigen politischen Debatte. Als Beispiel dafür kann die Diskussion um die Kriegsvergangenheit des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim dienen, welche über Jahre in der Berichterstattung reflektiert wurde. Handelte es sich bei dieser Diskussion zwar um eine in der Gegenwart verhaftete, so führte sie jedoch in weiterer Folge zu einer vermehrten Behandlung historischer Fragestellungen wie zum Beispiel Interviews mit Historiker/innen. Die gegenwärtige politische Debatte dient als Anknüpfungspunkt für die Vergangenheit mit der Gegenwart. Die Aktualität der thematisierten Inhalte ist in diesem Fall jedoch nicht notwendigerweise ereignisbezogen, das Ereignis stellt nur den Auslöser dar (Tonbeispiel 17).

00:05:35 audio
Tonbeispiel 17

Vergangenheitspolitik

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12. Zukunftsbewältigung

Wie aktuell ist die Zukunft?

Während vergangene Ereignisse innerhalb der Berichterstattung auch mithilfe von historischen Originaltönen thematisiert werden können, ist dies im Fall der Zukunft nicht möglich. Innerhalb der Inhalte der Journal-Berichterstattung gibt es jedoch einige Bereiche und Beispiele, die sich mit der Zukunft beschäftigen bzw. auf sie hinweisen.

13. Die voraussichtliche Zukunft

Geplante Ereignisse

Die Zukunft wird anhand der Präsentation von diversen geplanten Vorhaben thematisiert. Die Thematisierung von geplanten Vorhaben dient zur Orientierung in Bezug auf künftige Ereignisse und stellt eine zeitliche Kontinuität her (Tonbeispiel 18, Tonbeispiel 19).

00:09:23 audio
Tonbeispiel 18

Silvester 1983: Politiker zum Orwell-Jahr 1984

Details
00:04:48 audio
Tonbeispiel 19

Vorschau auf das Jahr 1986

Details

Kulturberichte können hier eine Sonderform darstellen, indem dieser Bezug zur Zukunft noch durch die Verwendung von „Originaltönen“ unterstützt wird. Dies stellt insofern eine paradoxe Form dar, als sich der Inhalt des in der Gegenwart präsentierten Beitrages mit einem in der Zukunft passierenden Ereignis beschäftigt, von dem quasi auch ein „Originalton“ präsentiert wird (Tonbeispiel 20). Die Musikausschnitte werden hier zur Illustration eines zukünftigen Ereignisses verwendet und machen Zukünftiges somit bereits gegenwärtig. Im konkreten Beispiel interagieren so unterschiedlichste Zeitebenen, da die verwendeten Interviewausschnitte die aktuelle Probenarbeit illustrieren, die Musik aus einem älteren Mitschnitt oder auch einem Probenmitschnitt besteht, jedoch auf ein Ereignis in der Zukunft ausgerichtet ist.

00:05:38 audio
Tonbeispiel 20

bevorstehende Operetten-Premiere

Details

14. Die wahrscheinliche Zukunft

Prognosen

Neben politischen Prognosen, die inhaltlich im Rahmen von diversen Interviews angestellt werden, existiert im Sendungsablauf eines Mittagsjournals eine Form, die sich dezidiert mit der Zukunft beschäftigt, jedoch nicht planbar scheint: Die Wettervorschau.
Neben dem Wetterbericht mit den aktuellen Temperaturwerten der österreichischen Landeshauptstädte wird auch noch eine Wettervorschau, eine Prognose erstellt. Da es sich im Sinne einer „seriösen“ Berichterstattung hier nicht um „Prophezeiungen“ handeln sollte, werden Prognosen dezidiert als wissenschaftlicher Beitrag verstanden. Diese Wissenschaftlichkeit wird unterstrichen, indem ein Meteorologe als externer Experte im Studio interviewt wird bzw. von der Zentralanstalt für Meteorologie zugeschaltet wird und „live“ die Wetterwerte sowie auch seine Prognosen bekannt gibt. Die „Gegenwärtigkeit“ unterstreicht die „Aktualität der Zahlen“, die Hinzuziehung eines Experten im Fall der Prognose dient ebenfalls der Verstärkung der Expertise (Tonbeispiel 21).

00:02:12 audio
Tonbeispiel 21

Wetterprognose

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15. Schlussbemerkung

Analog zur Berichterstattung in einer Mittagsjournalsendung schließt diese Darstellung nun auch mit dem Wetter. Es konnte ansatzweise gezeigt werden, wie unterschiedliche Zeithorizonte und ‑ebenen sowohl in struktureller als auch inhaltlicher Hinsicht auf die Konstruktion „aktueller Berichterstattung“ einwirken. Innerhalb einer Sendung werden so unterschiedlichste Zeitebenen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Für die Konstruktion medialer Realität spielen diese Zusammenhänge eine grundlegende Rolle.