Die Nationalratswahlkämpfe der Jahre 1990, 1994 und 1995 als Spiegelbild des Wandels in Politik und medialer Berichterstattung

Eine Bestandsaufnahme

von Stephan Grundei

8. Wie lange währt die immerwährende Neutralität Österreichs?

FPÖ-Obmann Haider hatte es unterdessen geschafft, durch das Infrage stellen der österreichischen Neutralität bei einem Vortrag am Abend des 12. Septembers in München, die mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. In einem Interview erklärte er seine Aussagen und relativierte die nunmehrige Bedeutung der immerwährenden Neutralität auf Grund des Endes des Kalten Krieges. Haider brachte das Ende der Neutralität in direkte Verbindung mit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung (Audioquelle 23, Mittagsjournal vom 13. September 1990, Beitrag 12). Bundeskanzler Vranitzky beschäftigte sich einstweilen mit dem Kommissionsbericht der österreichischen Kommission zum Atomkraftwerk Bohunice nahe der österreichisch-slowakischen Grenze.

Das von FPÖ-Obmann Haider aufgebrachte Thema der Neutralität sorgte für einen Sturm der Entrüstung in der Medienlandschaft und ließ die Parteizentralen der beiden Koalitionsparteien am Folgetag reagieren. Sowohl SP-Zentralsekretär Cap als auch VP-Generalsekretär Helmut Kukacka kritisierten die Aussagen Haiders scharf. Cap interpretierte die Aussagen als revisionistisches Gedankengut und sah darin den Beweis für den Wunsch Haiders nach einer Vereinigung Österreichs mit einem „Großdeutschland“. Cap äußerste sich ebenfalls zu den abtreibungsfeindlichen Aussagen des ÖVP-Bundesrats Vincenz Liechtenstein. Seiner Aussage nach sei die Fristenlösung für die SPÖ nicht verhandelbar. Kukacka sprach Haider im Zusammenhang mit der Neutralitätsdebatte die politische Reife und das politische Verantwortungsbewusstsein ab. Er sprach sich ebenfalls gegen die abtreibungsfeindlichen Aussagen Liechtensteins aus (Audioquelle 24, Mittagsjournal vom 14. September 1990, Beiträge 9 und 10).
Gleichzeitig musste sich die ÖVP im Wahlkampf einer neuen Herausforderung stellen. Die Unterstützungserklärung des Wiener ÖVP-Landesparteisekretärs Christian Zeitz für den NDP-Kandidaten Norbert Burger im Bundespräsidentschaftswahlkampf 1979 stürzte die Partei in Turbulenzen. Zeitz verkündete daraufhin umgehend seinen Rücktritt aus seinem Amt. Im Zuge des Noricum-Prozesses belastete der ÖVP-Abgeordnete Andreas Khol die Angeklagten Gratz, Blecha und Sinowatz schwer und bezichtigte sie der Lüge.

ÖVP-Wirtschaftssprecher Josef Taus präsentierte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖVP-Spitzenkandidat Riegler die ÖVP-Vorstellungen zu den Wirtschaftsperspektiven Österreichs. Ein besonderes Augenmerk ließ er dabei der veränderten geopolitischen Lage auf Grund der deutsch-deutschen Wiedervereinigung und dem bevorstehenden, möglichen EG-Beitritt Österreichs zukommen. In einem weiteren Beitrag beschäftigte sich Taus ebenfalls mit der durch Haider aufgebrachten Debatte zur Neutralität. Er strich dabei die VdU-Tradition der FPÖ hervor und zeigte sich empört über die Aussagen, speziell in Zeiten des Wahlkampfes. Im Gegensatz zu Taus sprach FPÖ-Generalsekretärin Heide Schmidt von der Neutralität als EG-Kriterium für die FPÖ. Sie relativierte die Aussagen Haiders und sprach von einer einheitlichen FPÖ-Linie in Sachen Neutralität. Außerdem sprach sie von Missverständnissen. Die SPÖ zog eine Wirtschaftsbilanz und präsentierte wirtschaftspolitische Aussichten Österreichs. Dazu sprachen Bundeskanzler Vranitzky und die Minister Rudolf Streicher und Ferdinand Lacina bei einer Pressekonferenz, wobei sie auch Forderungen an eine zukünftige Regierung formulierten (Audioquelle 25, Mittagsjournal vom 17. September 1990, Beitrag 14).

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Audioquelle 23

aus dem Mittagsjournal vom 13. September 1990
Interview mit Haider zu Wahlkampf und Neutralität

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Audioquelle 24

aus dem Mittagsjournal vom 14. September 1990
Cap und Kukacka zu Neutralität und Fristenlösung

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Audioquelle 25

aus dem Mittagsjournal vom 17. September 1990
SPÖ-Programm: Verwaltungsreform, ÖBB

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9. Wieder die Fristenlösung

Im Anschluss an den wöchentlichen Ministerrat vom 18. September wurde erneut die Fristenlösung durch die Regierungsspitzen Josef Riegler und Franz Vranitzky diskutiert. ÖVP-Obmann Riegler nahm dabei eine differenzierte Haltung zur vorherrschenden gesetzlichen Regelung ein. Er sah in der Abtreibung „eine ungeeignete Methode der Geburtenregelung“. Im Gegensatz dazu stellte sich SPÖ-Vorsitzender Vranitzky klar hinter die Fristenlösung (Audioquelle 26, Mittagsjournal vom 18. September 1990, Beiträge 15 und 16).

Finanzminister Lacina wurde im Mittagsjournal am 19. September mit diversen Forderungen konfrontiert. Einerseits stellten die Bundesländer eine gemeinsame Forderung nach mehr Unterstützung für den städtischen Nahverkehr und andererseits erklärte die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ihre Bereitschaft zum Streik. Es ging dabei um die Pragmatisierung von etwa 240 Bediensteten der Finanzverwaltung (Mittagsjournal vom 19. September 1990, Beitrag 8).

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Audioquelle 26

aus dem Mittagsjournal vom 18. September 1990
Fristenlösung: Stellungnahmen von Riegler und Vranitzky

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Der Wahlkampf hielt direkt durch die Vorstellung der wahlwerbenden Kleinparteien Einzug in die Mittagsjournal-Sendung des 19. Septembers. Neben den vier im Parlament vertretenen Parteien kandidierten in allen Bundesländern die VGÖ und die KPÖ. Zusätzlich dazu trat der Verband der Sozialversicherten in fünf Bundesländern an. Die Christdemokratische Partei, die Christliche Wählergemeinschaft und die Wahlplattform der Grauen kandidierten in zwei Bundesländern. In Vorarlberg gab es eine Namensliste Fritz Georg. Die Kleinparteien wurden in einem ausführlichen Beitrag vorgestellt. (Audioquelle 27, Mittagsjournal vom 19. September 1990, Beitrag 10)

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Audioquelle 27

aus dem Mittagsjournal vom 19. September 1990
NR-Wahl 1990: Wer kandidiert noch?

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Die uneinheitliche Linie der ÖVP in Sachen Fristenlösung fand auch in weiterer Folge ihren Niederschlag. Familienministerin Flemming meldete sich mit kritischen Worten zur Haltung der katholischen Kirche bezüglich der Empfängnisverhütung zu Wort. Die Frage nach weiteren Privatisierungen von Staatsanteilen an Betrieben sorgte für Diskussionsstoff innerhalb der Regierungsparteien. Zwar war man sich über eine grundsätzliche Bereitschaft zu Privatisierungen einig, doch entzweiten sich Finanzminister Lacina und Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel in der Frage des Zeitpunktes und des Ausmaßes der Privatisierungen (Audioquelle 28, Mittagsjournal vom 20. September 1990, Beitrag 12). Sinowatz' Verweigerung der Aussage im Noricum-Prozess belastete weiterhin den Wahlkampf der SPÖ unterschwellig. Zusätzlich dazu sagte ÖVP-Außenminister Mock vor Gericht aus, dass die ehemalige SPÖ-Alleinregierung von Waffenlieferungen an den Iran gewusst habe, und belastete diese dadurch schwer.

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Audioquelle 28

aus dem Mittagsjournal vom 20. September 1990
Privatisierungen

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10. Koalitionsgeplänkel

Die steirische ÖVP sprach sich für eine ÖVP-Minderheitsregierung oder für eine Koalition mit der FPÖ nach der Nationalratswahl aus. Die Bundes-ÖVP wies jegliche Vorschläge bezüglich einer Koalition mit der FPÖ von Jörg Haider zurück. Der SPÖ-Zentralsekretär Cap reagierte dennoch verstimmt und verlangte eine stärkere Distanzierung von Vizekanzler Riegler (Audioquelle 29, Mittagsjournal vom 21. September 1990). Generell bekamen Spekulationen über Koalitionsvarianten nun ein stärkeres Gewicht im Wahlkampf und drängten dadurch die Sachthemen weiter zurück. Bundeskanzler Vranitzky schloss eine Koalition mit der Haider-FPÖ – wie bereits 1986 – kategorisch aus. Bei einer anderen liberaleren Führung der FPÖ wollte er allerdings die Situation neu analysieren (Audioquelle 30, Mittagsjournal vom 22. September 1990). Die Aussagen von FPÖ-Obmann Haider zum österreichischen Staatsvertrag, zur Neutralität und zur Souveränität Österreichs bei einer Veranstaltung zur deutschen Einheit in München vom 12. September 1990 richteten erneut die mediale Aufmerksamkeit auf ihn. Dies fand nicht zuletzt durch die internationale Presseschau und die Einladung des renommierten Verfassungsrechtlers Manfred Rotter zum „Journal zu Gast“ ihren Ausdruck (siehe: Mittagsjournal vom 22. September 1990).

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Audioquelle 29

aus dem Mittagsjournal vom 21. September 1990
Reaktion auf steirische Koalitionsvorschläge

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Audioquelle 30

aus dem Mittagsjournal vom 22. September 1990
Rot-blaue Koalition als Thema bei Wahlkampf-Pressekonferenz in Klagenfurt

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Der Kärntner VP-Landeshauptmann-Stellvertreter Christof Zernatto unterstrich die Attraktivität einer ÖVP-Minderheitsregierung. Der schwer umstrittene FPÖ-Obmann Haider sah weder die ÖVP noch Vranitzky in der Position, sich den Partner aussuchen zu können und wähnte beide Parteien auf Grund von Korruption, Bonzen- und Privilegienrittertum in einer schweren Krise. Die Spitzen der beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP versuchten unterdessen, der Koalitionsdiskussion zu entgehen und veröffentlichten Programme für die Zukunft. Vranitzky präsentierte wesentliche umweltpolitische Leitlinien seiner Partei für Österreich an Hand eines Basispapiers. VP-Vizekanzler Riegler präsentierte sein Programm für Österreich. Dieses Wahlprogramm sollte mit dem zukünftigen Regierungsprogramm weitestgehend identisch sein. (Audioquelle 31, Mittagsjournal vom 24. September 1990).

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Audioquelle 31

aus dem Mittagsjournal vom 24. September 1990
Riegler präsentiert sein Programm für Österreich

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Der Wahlkampf lief mittlerweile auf Hochtouren, was nicht zuletzt durch tägliche Pressekonferenzen der Regierungsspitzen seinen Niederschlag fand. VP-Chef Riegler versuchte das Thema Arbeiterkammer erneut in das allgemeine Gedächtnis zu rufen, präsentierte neun Reformpunkte zu einer AK-Reform und kritisierte die SPÖ. Wahlkampfhilfe aus dem Ausland erhielt er dabei vom italienischen Verkehrsminister Carlo Bernini, der auf Grund von Transitverhandlungen mit seinem österreichischen Regierungspendant Streicher (SPÖ) in Wien weilte. Der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Sinowatz belastete erneut den Wahlkampf der SPÖ, weil er wegen Falschaussage im Prozess gegen den Journalisten Alfred Worm in der Causa Waldheim vor Gericht stand. Das Verfahren bezüglich der politischen Verantwortung in der Causa Noricum gegen die ehemaligen SP-Minister Sinowatz, Blecha und Gratz befand sich im Vorbereitungsstadium. Der ÖVP-Justizsprecher Michael Graff glaubte eine Mitwisserschaft des aktuellen Bundeskanzlers Vranitzky in diesem Fall nachweisen zu können. (Audioquelle 32, Mittagsjournal vom 25. September 1990)

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Audioquelle 32

aus dem Mittagsjournal vom 25. September 1990
Graff behauptet, auch Vranitzky habe von den Waffenlieferungen gewusst

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Außenminister Alois Mock gab vor seiner Abreise in die USA am 26. September eine Pressekonferenz in der er zu der im Wahlkampf losgetretenen Neutralitäts- und Staatsvertragsdebatte Stellung nahm. In New York hielt er vor der UNO-Vollversammlung eine Rede. Österreich sollte außerdem 1991 zu einem nicht-ständigen Mitglied des UNO-Sicherheitsrates gewählt werden. Die ÖVP wollte durch diese zwei prestigeträchtigen Vorhaben eines ihrer prominentesten Repräsentanten durch außenpolitische Kompetenz punkten (Audioquelle33, Mittagsjournal vom 26. September 1990).

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Audioquelle 33

aus dem Mittagsjournal vom 26. September 1990
Mock zu Neutralität und Staatsvertrag

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11. SPÖ-Gerichtsprozesse im Wahlkampf

Die SPÖ wurde nun durch die Verurteilung von Ex-Bundeskanzler Fred Sinowatz zu einer Stellungnahme genötigt und geriet darüber hinaus durch diverse belastende Aussagen im Noricum-Prozess noch weiter unter Druck. ÖVP-Wirtschaftsminister Schüssel nahm eine Debatte um den geplanten Bau der A4 zum Anlass, um sich über den Stil der Diskussion zu mokieren. Die Ausländer- und Flüchtlingspolitik entflammte erneut auf Grund eines aktuellen Rechnungshofberichts. Darin wurden, wie bereits zwei Wochen zuvor angekündigt, diverse Missstände aufgezeigt. Innenminister Löschnak betonte, seine Bemühungen gegen Verfehlungen fortzusetzen. VP-Sprecher Wendelin Ettmayer gestand dem Innenminister zwar Bemühungen zu, sah aber dennoch eine falsche Politik des sozialistischen Innenminister ohne jegliche Zielvorgabe. Ein Hinweis auf das Journal-Panorama zum Thema des aufkommenden Phänomens des Vorzugsstimmenwahlkampfs rundete die Berichterstattung ab. (siehe Mittagsjournal vom 26. September 1990)

Die Verweigerung der Aussage durch den ehemaligen Innenminister Blecha im Noricum-Prozess brachte erneut den Skandal um die Waffenverkäufe in die Nachrichten. Für die SPÖ wurden diese anhängigen Verfahren in der Causa Noricum zum absolut ungünstigsten Zeitpunkt abgehalten. ÖVP-Wirtschaftsminister Schüssel kündigte ein neues Gesetz zum Schutz des Nahversorgungshandels an. Auch die Grünen schafften es wieder, ihre Kernkompetenz zu unterstreichen, indem sie eine geheime Studie über die Sicherheit des Kraftwerks Temelín präsentierten (Audioquelle 34, Mittagsjournal vom 27. September 1990).

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Audioquelle 34

aus dem Mittagsjournal vom 27. September 1990
Pressekonferenz zum AKW Temelín

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12. TV-Konfrontation

Die Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP traten am 27. September 1990 zu einer TV-Konfrontation an. Dementsprechend war dieses Ereignis das innenpolitische Hauptthema des Mittagsjournals des Folgetages. Die meisten inhaltlichen Themen wurden ausgespart. Vranitzky und Riegler waren zumeist ähnlicher Meinung, auch wenn versucht wurde, sich durch kontroversielles Auftreten zu unterscheiden. Reaktionen aus den Parteizentralen waren dann ein Thema im Mittagsjournal des 28. Septeber 1990. FPÖ-Obmann Haider bezeichnete den Stil der TV-Debatte als einen „medialen Versöhnungsversuch einer zerrütteten Ehe“ und ein „Kopf-an-Kopf-Rennen der Absturzkandidaten“. SPÖ-Zentralsekretär Cap sah SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky als klaren Sieger der Wahldebatte und präsentierte eine Umfrage zu der TV-Konfrontation. Außerdem thematisierte er die jüngsten Vorkommnisse in der Wiener ÖVP und erkannte darin einen aufkommenden Skandal. ÖVP-Generalsekretär Kukacka nannte, im Widerspruch zu Cap, den ÖVP-Vizekanzler Riegler als ganz klaren Sieger der TV-Konfrontation. Er wähnte die sozialistische Partei im freien Fall und kritisierte den persönlichen Vorzugsstimmenwahlkampf von Bundeskanzler Vranitzky als Wählertäuschung. Bezüglich der FPÖ bezeichnete er den Spitzenkandidaten Gugerbauer als Scheinkandidaten an der Stelle von FPÖ-Parteiobmann Haider. Auch darin ortete er eine offensichtliche Wählertäuschung (Audioquelle 35, Mittagsjournal vom 28. September 1990). Auf Ministerebene wurde von einem Besuch des Innenministers Löschnak an der Grenze im Burgenland berichtet. In einem Gespräch wurde das gute Zusammenarbeiten zwischen Gendarmerie und Bundesheer, unter Leitung der Gendarmerie, betont.

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Audioquelle 35

aus dem Mittagsjournal vom 28. September 1990
Haiders Reaktion auf die TV-Konfrontation Vranitzky–Riegler

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Am Ausklang der letzten Woche vor den Nationalratswahlen brachte das Mittagsjournal einen ausführlichen Stimmungsbericht der Wahlkämpfe aller vier vertretenen Parlamentsparteien. Dieser Bericht demonstriert vortrefflich, wo die Einzigartigkeit der Quelle Radio zu finden ist. Die hier transportierten Stimmungsbilder stellten es dem Hörer frei, sich ein eigenes emotionales Bild von den Wahlkampfveranstaltungen zu machen. Dieser Bericht konnte als typischer Vorreiter der Wahlkampfberichterstattung späterer Wahlkämpfe gesehen werden. In den Nationalratswahlkämpfen ab 1995 wurde es üblich, für jede Parlamentspartei eine einstündige Reportage zum jeweiligen Wahlkampf zu gestalten (Audioquelle 36, Mittagsjournal vom 29. September 1990). Neben der Reportage kam in dem Mittagsjournal auch SPÖ-Verkehrsminister Streicher zu Wort. Er äußerte sich zu den Zukunftsplänen der ÖBB.

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Audioquelle 36

aus dem Mittagsjournal vom 29. September 1990
Wahlroundup eine Woche vor der Wahl

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Zum Auftakt der letzten Wahlkampfwoche dominierte das Thema Grenzschutz. Bundeskanzler Vranitzky plädierte für die Einrichtung einer neuen Einheit der Sicherheitskräfte unter Führung des Innenministeriums. Verteidigungsminister Lichal widersprach dem naturgemäß postwendend. Auch ÖVP-Klubobmann Friedrich König kommentierte das Thema. Außerdem griff König die beiden ÖVP-Wahlkampfthemen ÖBB und Reform der DDSG auf. SPÖ-Klubobmann Fischer entgegnete dem ÖVP-Argument der Wählertäuschung durch den Vorzugsstimmenwahlkampf von Bundeskanzler Vranitzky. Bezüglich der Debatte um die Neutralität und den Staatsvertrag hätte sich Fischer klärende Worte von Bundespräsident Waldheim gewünscht. Bundeskanzler Vranitzky konnte sich beim Jubiläum 70 Jahre Verfassung staatsmännisch präsentieren und stellte Reformwillen unter Beweis, indem er den aktuellen Status quo als unbefriedigend bezeichnete. (Audioquelle 37, Mittagsjournal vom 1. Oktober 1990)

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Audioquelle 37

aus dem Mittagsjournal vom 1. Oktober 1990
Pressekonferenzen von König und Fischer zu Wahlkampf, Vorzugsstimmen, Neutralität und Staatsvertrag

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Der Schuldspruch für den Ex-Kanzler Sinowatz in der Causa Waldheim aus der Vorwoche war für den ÖVP-Spitzenkandidaten Riegler Grund genug, um eine Entschuldigung der SPÖ für ihre Kampagne gegen Bundespräsident Waldheim im Präsidentschaftswahlkampf 1986 zu fordern. Bundeskanzler Vranitzky erklärte sich nach dem Ministerrat im Pressefoyer dazu nicht bereit, da er selbst keine Schuld trage. Außerdem beschäftigte sich der Bundeskanzler mit der Beflaggung des Wiener Rathauses mit der deutschen Fahne auf Grund der deutschen Wiedervereinigung (Audioquelle 38, Mittagsjournal vom 2. Oktober 1990). Der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk meldete sich polternd zu selbigem Thema und verteidigte die Maßnahme auf Grund des historischen Ausmaßes der deutschen Wiedervereinigung vehement gegen jegliche Kritik. In der die SPÖ belastende Noricum-Affäre erhoben die ehemaligen SP-Minister Blecha und Gratz, sowie der ehemalige SP-Bundeskanzler Sinowatz, Einspruch gegen die Anklage. ÖVP-Wissenschaftsminister Busek stellte im Rahmen einer Pressekonferenz ein neues Werbemodell für die Bundesmuseen vor, um so für konstruktive, positive Schlagzeilen zu sorgen.

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Audioquelle 38

aus dem Mittagsjournal vom 2. Oktober 1990
Vranitzky zu Waldheim und Rathaus-Beflaggung anlässlich deutscher Wiedervereinigung

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Die deutsche Wiedervereinigung ließ den Wahlkampf vier Tage vor den Wahlen fast gänzlich aus der Sendung verschwinden. Diverse Berichte zu der Thematik bestimmten die Berichterstattung. Einzig Bundeskanzler Vranitzky gab zum Thema der Wiedervereinigung eine offizielle Erklärung ab und konnte sich erneut als Staatsmann profilieren. Ein Bericht zu den Modalitäten des Wahlganges und Erläuterung zum Vorzugsstimmenwahlrecht zeigen die Aktualität der Wahlen. (siehe Mittagsjournal vom 3. Oktober 1990)

13. Wahlkampffinale 1990

Nach einem Tag Abstinenz widmete sich das Mittagsjournal am 4. Oktober 1990 wieder intensiv den Parteien. Sowohl die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, als auch die Oppositionsparteien FPÖ und Grüne, hielten große Pressekonferenzen ab. Der SPÖ-Vorsitzende Vranitzky sprach sich positiv über den Wahlkampfverlauf aus. Er blicke demnach den Wahlen äußerst positiv entgegen und sah die SPÖ nach den Wahlen erneut klar am ersten Platz. Inhaltlich legte Vranitzky ein 10-Punkte-Programm mit den dringlichsten Aufgaben der nächsten Regierung vor. ÖVP-Generalsekretär Kukacka sah den Ausgang der Wahlen auf Grund der hohen Anzahl von Unentschlossen als offen an. Er kritisierte erneut den Vorzugsstimmenwahlkampf von Bundeskanzler Vranitzky. Die FPÖ setzte sich 30 Mandate als Wahlziel. FPÖ-Spitzenkandidat Gugerbauer beanspruchte für seine Partei in diesem Wahlkampf die Themenführerschaft. Die Themen Arbeiterkammer, Steuer- und Ausländerpolitik wurden allesamt von der FPÖ lanciert. Eine der vier grünen Spitzenkandidaten, Monika Langthaler, hielt ebenfalls eine abschließende Pressekonferenz ab. Sie zog eine vernichtende Bilanz des Wahlkampfes der SPÖ, ÖVP und FPÖ. Als Beispiel nannte sie die Debatte um die Fristenlösung bzw. Abtreibung. Sie rechnete mit einer Fortsetzung der großen Koalition und hoffte auf 14 Mandate (Audioquelle 39, Mittagsjournal vom 4. Oktober 1990). Zusätzlich dazu verlautbarte der Vorsitzende der Gewerkschaft für Bau- und Holzarbeiter (und spätere SPÖ-Sozialminister) Josef Hesoun seinen positiven Ausblick für das restliche Jahr 1990 und sprach von positiven Aussichten für den Arbeitsmarkt. Damit wurde indirekt eine SPÖ-Kernklientel angesprochen.

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Audioquelle 39

aus dem Mittagsjournal vom 4. Oktober 1990
Wahlkampf SPÖ/ÖVP/FPÖ/Grüne

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Die beiden Regierungsparteien hielten am 5. Oktober erneut große Pressegespräche ab. ÖVP-Riegler wollte die Unterschiede zwischen der ÖVP und der SPÖ herausstreichen. Er sah die ÖVP als Garant für Reformen und für ein unabhängiges Justizsystem. Europaweit sah er den Sozialismus im Abwärtstrend. Außerdem zeigte er sich mit seinem persönlichen Einsatz im Wahlkampf sehr zufrieden. SPÖ-Zentralsekretär Cap sah die SPÖ um 3–3,5 % voran. Trotzdem sei die Wahl auf Grund der großen Anzahl von unentschlossenen Wählern noch nicht entschieden. Er zielte darauf ab, die Wähler der SPÖ zu mobilisieren. Außerdem sprach er vom fairsten Wahlkampf seit langer Zeit. Heftige Kritik übte er an der FPÖ-Wahlkampfführung und sah Parallelen zu den Wahlkämpfen der 1930er Jahre (Audioquelle 40, Mittagsjournal vom 5. Oktober 1990). In einem Nebenbeitrag wurde das Wahlrecht für Auslandsösterreicher erläutert und in diesem Zusammenhang auf die Schwierigkeiten bei der Wahlauszählung hingewiesen.

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Audioquelle 40

aus dem Mittagsjournal vom 5. Oktober 1990
Riegler und Cap nehmen zum Wahlkampf Stellung

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Am Vortag der Wahlen zogen die Parteien, in Form eines Wahl-Round-up, nochmals Bilanz über den Verlauf des Wahlkampfes. Die Wahlkampfleiter Cap, Kukacka, Meischberger und Strobl zeigten sich mit den Wahlkämpfen der jeweiligen Parteien sehr zufrieden. Die aufgetretenen Probleme bzw. Skandale im Wahlkampf wurden jeweils als Chance bzw. Bestätigung gesehen. Generell wurde der Wahlkampf als fair bezeichnet. Die Kosten des Wahlkampfs wurden ebenfalls thematisiert. Dabei gingen die Schätzungen der Kosten des Wahlkampfes der Großparteien durch die Grünen (200 Millionen) und die eigenen Angaben von SPÖ und ÖVP (50 Millionen) weit auseinander. Etwaige Verfehlungen wurden allgemein nur bei anderen Parteien gesehen (Audioquelle 41, Mittagsjournal vom 6. Oktober 1990). Eine Inlandspresseschau gab einen Überblick über die Wahlkampfberichterstattung der österreichischen Printmedien.

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Audioquelle 41

aus dem Mittagsjournal vom 6. Oktober 1990
Die Wahlkampfleiter ziehen Bilanz

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