Schriftsteller Friedrich Torberg zur Veröffentlichung seines neuen Buches "Süßkind von Trimberg" über einen jüdischen Minnesänger im 13. Jahrhundert

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    Es gibt einen viel zitierten Brief von Hermann Broch an Friedrich Thorberg über das Geschichtelerzählen, über die Zulässigkeit des Geschichtelerzählens.
    Wie steht es nun damit jetzt, da Sie einen neuen Roman geschrieben haben?
    Sie meinen, dass ich damit der von Broch aufgestellten These eigentlich zuwiderhandle.
    Das stimmt nur bedingt.
    Wir haben uns damals in dieser Korrespondenz, die zum großen Teil veröffentlicht ist, noch nicht zur Gänze,
    doch darüber geeinigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Erzählen von Geschichten noch zulässig sei und es endete damit, womit solche Gespräche naturnotwendig zu enden haben.
    Es ist eine Frage der Qualität.
    Reden wir erst über das Geschichtl.
    Was ist das für eines?
    Das ist ein Roman, den ich eigentlich ungern als historischen Roman bezeichnet sehe, aber er ist es wohl.
    Er spielt im 13.
    Jahrhundert und sein Held ist der Minnesänger Süßkind von Trimberg, der eine sehr merkwürdige Figur ist, eine ziemlich einmalige Figur.
    Er ist nämlich ein jüdischer Minnesänger und es sind von ihm zwölf Gedichte, zwölf Texte sagen wir besser, in der großen Heidelberger Liederhandschrift erhalten.
    Und eine Miniatur, die ihn im spitzen Judenhut zeigt.
    Mehr weiß man eigentlich nicht von ihm.
    Ja, das ist alles.
    Und was haben Sie nun daraus gemacht?
    Daraus konnte ich, da man nichts weiter von ihm weiß, eigentlich machen, was ich wollte.
    Mich hat diese Figur ungeheuer fasziniert.
    Sie kam mir zuerst grotesk vor, ein jüdischer Minnesänger.
    Und ich habe versucht mir vorzustellen, wie es dazu gekommen sein könnte, dass ein im oberfränkischen Leben der Jude im 13.
    Jahrhundert überhaupt zu dieser Betätigung und zu diesem Beruf gelangt.
    in Freihung, in freier Spekulation, aber doch unter Wahrung der damals gegebenen, naja, sagen wir doch wohl, gesellschaftlichen Verhältnisse, also der völligen Abhängigkeit der Juden vom Wohlwollen der Feudalherren, unter deren Schutz sie stand.
    Haben Sie historische Forschungen betrieben?
    Ja, ich habe historische Forschungen über die Zeit betrieben, nicht über die Figur, über die gab es kein Material.
    Und es ist vorstellbar, es ist recht gut vorstellbar, wie das vor sich ging.
    Es ist vor allem sehr gut vorstellbar, dass dieser Süßkind mit einem sehr rebellischen Lied gegen den Adel sich die Gunst des Adels verscherzt hat und dass damit sein Niedergang begann.
    Das könnte sogar mitbestimmend dafür gewesen sein, dass man weiter keine Materialien über ihn hat.
    Ja, Sie wollten ja sicher keinen Roman über das 13.
    Jahrhundert schreiben, sondern einen für unsere Zeit... Leid geschält.
    Ja, ich wollte auch die historischen Parallelen der Situation nicht zu sehr forcieren.
    Ich wollte das umso weniger, als ich den Plan zur Niederschrift dieses Romans zu einer Zeit gefasst hatte, als diese Parallelen noch nicht gegeben waren.
    Also, kurz gesagt, vor Hitler, vor dem Machtantritt des Nationalsozialismus.
    Es hat aber, dieser Süßkind, eigentlich das vorweggenommene Schicksal eines von der Reichskulturkammer wieder ausgeschalteten Juden gehabt.
    Es haben sich da sehr merkwürdige Paläne ergeben, die aber, ich sage es nochmals, nicht forciert sind, die auch nicht in der Absicht dieses Buchs liegen.
    Die aber spürbar werden, wenn man es liest.
    Oder die spürbar werden sollen.
    Sagen wir es so, ja.
    Die spürbar werden sollen.
    Es gibt nun sehr viele historische Romane und es gibt auch viele Romane mit jüdischen Themen, zum Beispiel die Romane von Leon Feuchtwanger.
    Sehen Sie da eine Beziehung?
    Setzen Sie sich eine?
    Kaum eine.
    Nicht nur deshalb, weil ich gerade die historischen Romane von Feuchtwanger nicht besonders schätze, aber die spielen ja in einer Zeit, die der Unsern sehr viel näher ist, also etwa der Jud Süß.
    Wenn Sie allerdings den jüdischen Krieg meinen, dazu sehe ich überhaupt keine Beziehung, weil Feuchtwanger eine Technik des
    der Gegenwart nahebringens hatte, die ich also für einigermaßen fragwürdig halte, nicht?
    Er lässt die Leute einander mit sie anreden, Fravius Josephus wird in Jerusalem gefragt, wann erscheint ihr nächstes Buch, Herr Doktor Josef?
    Also es ist eigentlich die Projektion des Literatencafés ins alte Jerusalem.
    So weit geht das bei mir nicht.

    Katalogzettel

    Titel Schriftsteller Friedrich Torberg zur Veröffentlichung seines neuen Buches "Süßkind von Trimberg" über einen jüdischen Minnesänger im 13. Jahrhundert
    Titelzusatz Interview: Schriftsteller Friedrich Torberg
    Spieldauer 00:03:41
    Mitwirkende Urbach, Reinhard [Gestaltung] [GND]
    Torberg, Friedrich [Interviewte/r]
    Datum 1972.03.23 [Sendedatum]
    Schlagworte Literatur ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 70er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-720323_c_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal 1972.03.23

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    Inhalt

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    Schlagworte

    Literatur , Radiosendung-Mitschnitt