Linzer Altbürgermeister zur Selbstauflösung des österreichischen Parlaments vor 40 Jahren am 4. März 1933

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    Rechtliches

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    Der Beginn der parlamentarischen Krise und damit der Anfang vom Ende der Ersten Republik kann zwar nicht auf ein Datum festgelegt werden, doch es ist ein Anhaltspunkt für eine fehlgegangene historische Entwicklung.
    Österreich war eben ein Teil jenes mitteleuropäischen Klimas, in dem Demokratien nicht wachsen konnten, weil die politisch-humanistischen Voraussetzungen weder vorhanden noch erwünscht waren.
    Der 4.
    März 1933, ein Samstag, gab der österreichischen Geschichte eine Wendung und damit den Todesstoß für die 15-jährige Republik.
    Die damalige Nationalratssitzung war aber ein typisch österreichisches Ereignis.
    Es fehlte durchaus der hohe Ernst, den man bei historischen Stunden vermutet.
    Im Gegenteil, die Sitzung, die eine Debatte über Gehälter der Eisenbahner, ferner die Einstellung der Untersuchung gegen streikende Eisenbahner zum Gegenstand hatte, verlief grotesk tragisch und nahm einen unerwarteten, wenn auch nicht unverhofften Ausgang.
    Was ist damals geschehen?
    Die Regierung Dollfuß stützte sich im Parlament auf eine Mehrheit von nur einer Stimme.
    Da sowohl die Sozialdemokraten als auch Christlich Sozialen und die Großdeutschen je einen Nationalratspräsidenten stellten, der nach der Geschäftsordnung nicht mitstimmen konnte, war im Plenum jedes Ergebnis einer Abstimmung ungewiss.
    Amtierte Dr. Renner als Präsident, so war die Opposition in der Minderheit.
    Hatte der christlich-soziale Dr. Rameg den Vorsitz, so hätte die Regierung eine Abstimmungsniederlage hinnehmen müssen.
    An diesem 4.
    März 1933 wollten die Sozialdemokraten im Nationalrat eine Amnestie für die wegen des Streiks verurteilten Eisenbahner erreichen.
    Dr. Khorev führte Hitzu aus persönlichen Erinnerungen aus.
    Die Debatte verlief begreiflicherweise äußerst stürmisch.
    Die Auszählung der Stimmen ergab das überraschende Resultat von 81 zu 80 für den Antrag König.
    Es wurde von den Sozialdemokraten, aber auch von den Großdeutschen stürmisch akklamiert.
    Doch gab es nach einer bestürzenden Unterbrechung der Sitzung
    Noch eine peinliche Überraschung.
    Bei der Nachkontrolle stellte sich heraus, dass zwei Stimmzettel auf dem Namen des Sozialdemokraten Abram lauteten.
    Aber dafür keiner auf dem Namen des Abgeordneten Scheibe.
    Die beiden Abgeordneten saßen nebeneinander.
    Im Pult jedes Abgeordneten lagen auf seinen Namen vorgedruckte Stimmzettel mit Ja oder Nein.
    Da beide Abgeordnete unserer Partei angehörten und Scheinbein sich offensichtlich in der Lade vergriffen hatte, erklärte der Präsident Dr. Renner, dass keine Korrektur des Abstimmungsergebnisses notwendig sei.
    Nun gab es auf der rechten Seite des Hauses lebhaften Widerspruch.
    Dr. Renner, der also die Abstimmung anerkennen wollte, demissionierte als Präsident, da er sich in der tumultuösen Stimmung nicht durchsetzen konnte.
    Er folgte bei diesem verhängnisvollen Schritt auch einem Rat seiner Fraktionskollegen Otto Bauer, Karl Seitz und Albert Sever.
    Ramek, der ehemalige Bundeskanzler, nahm nun den Präsidentenstuhl ein.
    Er wollte die Abstimmung wiederholen, die jetzt automatisch zu einem Sieg der Opposition geführt hätte, doch Seitz begann gegen eine neuerliche Wahl zu polemisieren und berief sich dabei auf die Geschäftsordnung des Parlaments.
    Der kluge Parlamentarier und Taktiker Seitz machte hier den Fehler, die Geschäftsordnung wichtiger zu nehmen als das Ziel dieser Kampfabstimmung.
    Die Opposition schwenkte auf diese Linie ein, die Abgeordneten ergingen sich in heftigen Auseinandersetzungen und auch der christlichsoziale Ramek demissionierte vom Vorsitz.
    Der dritte Präsident, Dr. Straffner von den Großdeutschen, erklärte ebenfalls, die Sitzung nicht weiterführen zu können.
    Diese unglaubliche Situation, eine Abfolge von Zufällen und orientierungslosen Entscheidungen, gibt Dolfus die Möglichkeit, das alte Ermächtigungsgesetz aus der Monarchie für wirtschaftliche Notfälle auf diese politische, parlamentarische Lage auszudehnen.
    Dieses Ermächtigungsgesetz, der Paragraf 14 der Verfassung von 1867, besaß aber auch ein groteskes Leben.
    In den stenografischen Protokollen der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.
    Oktober 1918 liest man, dass Dr. Renner die von den Christlich-Sozialen verlangte Außerkraftsetzung dieses Paragrafen ablehnte.
    Dieser Paragraf 14 war die Handhabe für die autoritäre Gangart der Regierung Dolfus.
    Die christlich-soziale Zeitung, die berühmte Reichspost, deutete in ihrer Ausgabe von 6.
    März 1933 den weiteren Weg an.
    Man liest hier Es könnte sein, dass eben jetzt für Staat und Volk lebenswichtige Entscheidungen zu treffen sind.
    Dafür könnte durch jenes von den Sozialdemokraten leidenschaftlich bekämpfte Ermächtigungsgesetz vorgesorgt werden.
    Aber in demselben Maße, als sie es bestreiten, sehen sie jetzt, ad oculus demonstriert, dass eine über das jetzige Notrecht des Bundespräsidenten hinausgehende verfassungsrechtliche Bestimmung unerlässlich ist, die ein nicht funktionierendes Parlament zu supplieren gestattet.
    Die Tragik dieser Situation wird aber allein schon durch die Titelseite derselben Nummer beleuchtet.
    Die Nachricht vom Sieg Hitlers bei den deutschen Reichstagswahlen am 5.
    März 1933.
    Die Entwicklungslinien der Tragödie schienen jetzt parallel zu verlaufen.
    Der Versuch des großdeutschen Dr. Straffner, am 15.
    März eine Nationalratssitzung einzuberufen, scheiterte.
    In der Wiener Zeitung vom 16.
    März liest man hier.
    Aus den Reihen der Sozialdemokraten, begleitet von einem vielsagenden Deuten zur Tür hinaus, wo die Kriminalbeamten standen, war der Ruf laut geworden, Straffner möge sich mit dem Abschluss der Sitzung beeilen.
    Dr. Straffner sagte, ich bin nicht in der Lage, Tag, Stunde und Tagesordnung der nächsten Haussitzung anzugeben und behalte mir vor, die Sitzung auf schriftlichem Wege einzuberufen.
    Die Sitzung ist geschlossen.
    Das Parlament war tot.
    Die Politik von Bundeskanzler Dolfus, weg von der Demokratie und zu dem neuen Ständestaat, wurde im Schatten innerpolitischer und außenpolitischer Ausweglosigkeit versucht und sie scheiterte 1938.

    Katalogzettel

    Titel Linzer Altbürgermeister zur Selbstauflösung des österreichischen Parlaments vor 40 Jahren am 4. März 1933
    Titelzusatz Einblendung: Altbürgermeister Koref
    Spieldauer 00:06:47
    Mitwirkende Knoll, Reinhold [Gestaltung] [GND]
    Koref, Ernst [Interviewte/r] [GND]
    Datum 1973.03.03 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Politik Österreich ; Politik ; Medien und Kommunikation ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 70er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Rechte Mit freundlicher Genehmigung: ORF
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-730303_b_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal 1973.03.03

    Information

    Inhalt

    Dollfuß, Großdeutsche, Plenum, Abstimmung, Geschäftsordnung, Paragraph, Adolf Hitler
    Nachrichten

    Verortung in der digitalen Sammlung

    Schlagworte

    Gesellschaft , Politik Österreich , Politik , Medien und Kommunikation , Wirtschaft , Radiosendung-Mitschnitt
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