Mittagsjournal 1987.12.05

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit in fünf Sekunden ist es zwölf Uhr.
    Zwölf Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Samstag, 5.
    Dezember 1987.
    Sie hören das Mittagsjournal des aktuellen Dienstes.
    Am Mikrofon Edgar Sterbens.
    Guten Tag, meine Damen und Herren.
    Nach den Nachrichten und dem Wetterbericht bringen wir Informationen zu folgenden Themen.
    Die europäischen Staats- und Regierungschefs suchen in Kopenhagen einen Weg aus der IG-Finanzkrise.
    Die Supermächte rüsten mit moderaten Tönen zum Gipfel Reagan-Gorbatschow.
    Die ersten indirekten Verhandlungen zwischen der Regierung Nicaraguas und den Contra-Rebellen enden ergebnislos.
    Der Vermittler, Kardinal Obando Ibravo, zeigt sich dennoch optimistisch.
    Im einst wohlhabenden Libanon nehmen Armut und Hunger kaum vorstellbare Ausmasse an.
    Im Journal zu Gast ist der Direktor des Österreichischen Hilfskomitees für Afghanistan, Nazim Javad.
    Er erzählt unter anderem über Probleme bei der Flüchtlingshilfe.
    Außerdem berichten wir vom gestrigen Diskussionsabend des Grünen Parlamentsklub unter dem Motto Lust statt Frust und von der Präsentation des Bildbandes Opa Live über den Wiener Opernalltag hinter den Kulissen.
    Vorerst aber die neuesten Meldungen verfasst von Ferdinand Olbert, gesprochen von Stefan Pokorny.
    Österreich
    Bundespräsident Waldheim will keinem Druck nachgeben und die volle Periode im Amt bleiben.
    In einem Interview für die Tageszeitung die Presse erklärte Waldheim außerdem, dem Gutachten der Historikerkommission sehe er mit gelassener Ruhe entgegen.
    Meldungen, die Regierungsparteien wollten ihn zum Rücktritt auffordern, sollte die Historikerkommission zu einem für ihn ungünstigen Ergebnis kommen, bezeichnet Waldheim als Gerüchte ohne irgendeinen realen Hintergrund.
    Zu Vorwürfen, er sei nicht in der Lage, die Republik nach außen zu vertreten, meint der Bundespräsident, dies sei purer Unsinn.
    USA.
    Das Justizministerium hat zwei Kriegskameraden von Bundespräsident Waldheim auf die sogenannte Watchlist gesetzt.
    Ihnen wird damit de facto die Einreise in die USA verwirrt.
    Die Betroffenen sind der frühere Vorgesetzte Waldheims, Herbert Warnstorf, und Helmut Politzer.
    Eine Zusammenarbeit mit der Historikerkommission lehnt das amerikanische Justizministerium ab.
    Europäische Gemeinschaft.
    Die Regierungschefs der zwölf IG-Staaten setzen heute in Kopenhagen ihre Beratungen über die umstrittene Agrar- und Finanzreform fort.
    Der dänische Ministerpräsident Schlüter legte einen neuen Kompromissvorschlag vor, seine Annahme ist aber äußerst ungewiss.
    Die britische Premierministerin Thatcher verlangt eine Eindämmung der Agrarausgaben als Voraussetzung für ihre Zustimmung zur Finanzreform.
    Dem widersetzen sich die südeuropäischen Mitgliedsländer und auch die Bundesrepublik Deutschland.
    Sowjetunion.
    Der amerikanische Präsident Reagan hat die Beziehungen zwischen den Supermächten in einem Interview für die sowjetische Regierungszeitung East Vestia als deutlich besser als vor zwei Jahren bezeichnet.
    Reagan erklärt wenige Tage vor dem Gipfeltreffen mit Parteichef Gorbatschow, bei Abrüstung und Menschenrechten habe es wichtige Fortschritte gegeben.
    Andererseits gebe es immer noch Probleme, die aus einem gegenseitigen Misstrauen resultierten.
    Der dritte Reaktor des Atomkraftwerks Tschernobyl ist gestern wieder in Betrieb genommen worden.
    Offiziell wurde mitgeteilt, alle Systeme funktionierten normal.
    Der Reaktorblock war bei der Katastrophe im April des Vorjahres schwer beschädigt worden.
    Nun wurde bekannt, dass es seit der Katastrophe in Tschernobyl weitere 36 Störfälle gegeben hat, bei denen auch radioaktive Strahlen frei geworden sein dürften.
    Polen.
    Das Parlament in Warschau berät heute über die Folgen der Niederlage bei der jüngsten Volksabstimmung über ein Reformprogramm.
    Dabei hatte die Regierung nicht die erforderliche Mehrheit der Wahlberechtigten für ihre Pläne erhalten.
    Ministerpräsident Messner wird vor dem Parlament eine Regierungserklärung abgeben und voraussichtlich die angekündigten Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel abschwächen.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiter der Umweltbibliothek, der Ostberliner Evangelischen Zionsgemeinde, eingestellt.
    Dies teilte der Anwalt der Betroffenen bei einer Versammlung von Mitgliedern kirchennaher Gruppen mit.
    Die DDR-Behörden hatten die Mitarbeiter der Umweltbibliothek in der vergangenen Woche als Teil einer Aktion gegen unabhängige Gruppen vorübergehend festgenommen.
    Dominikanische Republik.
    Die indirekten Verhandlungen zwischen der Regierung Nicaraguas und den rechtsgerichteten Rebellen über einen Waffenstillstand sind nach nur zwei Tagen ergebnislos beendet worden.
    Beide Seiten sprachen sich allerdings für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen aus.
    Der als Vermittler tätige Kardinal Obando Ibravo will nun die Regierung in Managua drängen, direkte Gespräche mit den Contras zu führen.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Der österreichische Dirigent Kurt Wöss ist, wie erst jetzt bekannt wird, gestern in Dresden nach einem Herzinfarkt gestorben.
    Der 73-jährige Wöss brach bei einer Probe mit der Dresdner Philharmonie zusammen und war sofort tot.
    Kurt Wöss war lange Jahre hindurch Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters und Opernchef des Landestheaters Linz.
    Frankreich.
    Mit einem überraschenden Sieg der Schweizerin Chantal Burnissen endete heute die Damen-Weltcup-Abfahrt in Val d'Isère.
    Zweite wurde die deutsche Marina Kiel, dritte Uli Stang-Gassinger, ebenfalls Bundesrepublik Deutschland.
    Beste Österreicherin wurde Sigrid Wolf auf Platz sieben.
    Das waren die Meldungen und nun zum Wetter.
    Die Wetterlage.
    Ein Tief über der Biskaya führt Warmluft gegen die Alpen.
    Nach dem Durchzug einer Störung, die morgen über uns liegen wird, strömt wieder Kaltluft heran.
    Die Wetteraussicht an bis morgen früh.
    Über den Niederungen verbreitet Nebelfelder.
    Oberhalb 1300 Meter sowie in Föhngebieten der Alpen-Nordseite überwiegend sonnig.
    Am Nachmittag im Südwesten Bewölkungszunahme und während der kommenden Nacht im Westen und Süden Österreichs Niederschläge.
    Zunächst Schnee, der später in Regen übergeht.
    Südlicher Wind.
    Nachmittagstemperaturen 0 bis 6 Grad, in Föhngebieten auch darüber.
    Tiefsttemperaturen der kommenden Nacht minus 2 bis plus 3 Grad.
    Die Wetteraussichten für morgen.
    Stark bewölkt und vor allem im Westen und Süden Niederschläge.
    Schneefallgrenze im Gebirge um 1200 Meter.
    In den Niederungen des Südens auch gefrierender Regen.
    Südlicher Wind.
    Tageshöchsttemperaturen 1 bis 6 Grad.
    Die Wetteraussichten für Montag stark bewölkt.
    Temperaturrückgang.
    Und jetzt noch die Messwerte von 12 Uhr.
    Wien bedeckt 3 Grad, Südostwind 15 Kilometer in der Stunde, Eisenstadt und St.
    Pölten bedeckt 1 Grad, Linz, Heiter 2 Grad, Südostwind 20, Salzburg, wolkig 3, Nordwestwind 10 Kilometer in der Stunde, Innsbruck stark bewölkt 4 Grad, Westwind 15, Bregenz bedeckt 2, Graz bedeckt 0 und Klagenfurt stark bewölkt minus 1 Grad.
    Und nun zur ausführlichen Berichterstattung im mittagsjournal.
    Wir beginnen im Ausland.
    Zu einem Polit-Poker um leere Kassen haben sich derzeit die Staats- und Regierungschefs der zwölf Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft in Kopenhagen versammelt.
    Finanz- und Reformkrise, unverholener Konflikt und Erfolgsdruck bestimmen das Klima auf dieser 37.
    Gipfelkonferenz des Europäischen Rates, wie der Klub der elf Herren und einer Dame offiziell heißt.
    Wobei die Dame, Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher, gleich zum Auftakt gegen den Rest der Gemeinschaft angetreten ist.
    Die eiserne Lady fordert die Eindämmung der Agrarausgaben der EG, die heute in Höhe von 400 Milliarden Schilling zwei Drittel des Gemeinschaftsbudgets ausmachen, durch die Einführung von Obergrenzen für die Agrarproduktion.
    Nach Auffassung Mara Thatchers soll in Zukunft den europäischen Bauern der kalte Wind der Marktwirtschaft ins Gesicht blasen.
    Die bisher subventionierten Agrarpreise in der EG sollen über das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage gesenkt werden.
    Diesen Plan lehnt allen voran der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl ab.
    Er plädiert mit Unterstützung aus Paris für ein Mischsystem, wonach die schon sprichwörtliche EG-Überproduktion auf dem Agrarmarkt durch finanzielle Anreize zur Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen gedrosselt und durch weitere Preisregulierung abgebaut werden soll.
    Die Suche nach einem Kompromiss in diesem Streitfall scheint deshalb dringlich, weil das leidige Agrarproblem der angestrebten Gesamtfinanzreform der EG im Wege steht, weil ein Scheitern der Kopenhagener Beratungen das anvisierte Ziel des europäischen Binnenmarktes ab 1992 weiter in die Ferne rückt und weil nicht zuletzt am Vorabend des Supermächte-Gipfels in Washington Europa und sein Selbstbehauptungswillen an der Handlungs- und Einigungsfähigkeit der USA und Sowjetunion gemessen werden.
    Die Verhandlungen in Kopenhagen sind in vollem Gang, ihr Ausgang ist ungewiss.
    Was sich bisher im und am Rande des Machtzentrums der EG getan hat, hat Roland Adrowitzer als Zaungast verfolgt.
    Die körperlichen Anforderungen an die zahlreichen hochrangigen Herren und die einzige Dame im Reigen der EG-Spitzenpolitiker sind nicht von schlechten Eltern.
    Wenn man etwa den gestrigen Tagesablauf des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl betrachtet, so muss man dem 57-jährigen Respekt zollen.
    Morgens um 8 Uhr Frühstück mit Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher, die im deutschen Kollegen wegen der deutschen Agrarpolitik nicht mehr so gewogen sein soll wie in früheren Zeiten.
    Ab 10 Uhr Beratung beim WG-Gipfel, Mittagessen bei der dänischen Königin, nachmittags wieder Beratungen, Fortsetzung der Diskussion beim gemeinsamen Abendessen auf Einladung der dänischen Regierung.
    Die Zeiger der Uhr zeigten 15 Minuten vor Beginn der Geisterstunde, als sich Kohl, Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Landwirtschaftsminister Ignaz Kichle dann in einem Hotel den deutschsprachigen, unter den 800 in Kopenhagen akkreditierten Journalisten zu einem Hintergrundgespräch stellten.
    Ein Mitarbeiter des Bonner Finanzministeriums war längst sanft entschlummert, als Kohl noch immer scheinbar taufrisch über Agrarsicherheits- und Wirtschaftspolitik hinwegturnte.
    Als um halb zwei am Morgens Regierungssprecher Ost, sichtlich erschöpft, seinen Chef zum Aufbruch mahnte, musste er einen eher scherzhaften Rüffel einstecken.
    Für das Gehalt eines Staatssekretärs müssen sie das schon aushalten, meinte Kohl und plauderte munter bis kurz vor zwei weiter.
    Die anschließende Nachtruhe war ebenfalls nicht sehr lang.
    Um acht Uhr traf sich Kohl heute bereits mit Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand zum Frühstück.
    Frankreich und die Bundesrepublik wollen ihre Marschroute für den heutigen Schlusstag des Gipfels abstimmen.
    Die intensive deutsch-französische Freundschaft stößt bei manchen EG-Partnern, vor allem bei Großbritannien, ohnehin schon auf Missfallen.
    Die dänischen Gastgeber legten heute eine Nachtschicht ein, um ein Kompromisspapier über die Neuregelung der EG-Finanzen auszuarbeiten und ein Scheitern des Treffens zu verhindern.
    Ein Scheitern, das nach Kohls Worten von heute Nacht vor Beginn des Treffens Reagan-Gorbatschow in der kommenden Woche fatal und blamabel für Europa wäre.
    Der dänische Ministerpräsident Schlüter formulierte einfache Fragen, auf die seine Kollegen heute mit Ja oder Nein antworten können.
    Der Wille zum Kompromiss und zum Einlenken scheint bei allen zwölf Delegationen gegeben, offenbar auch bei Margret Thatcher, die noch vor einigen Tagen gemeint hatte, sie werde keinen Meter von ihrem Sparkurs abrücken.
    Ein nicht genannt werden wollendes Mitglied der deutschen Abordnung meinte, Thatchers Zeit war energisch, aber nicht mehr so hart wie früher aufgetreten.
    Wortwörtlich sprach der Mann von einer Art Altersgüte, die sich bei der Eisernen Lady abzuzeichnen scheine.
    Die Briten lehnen jedenfalls den deutschen Vorschlag zur Senkung der EG-Agrarkosten nicht mehr Rundweg ab.
    Der wohlbeleibte bundesdeutsche Agrarminister Kichle will erreichen, dass alle EG-Staaten ihre Bauern dafür belohnen, weniger zu produzieren als bisher.
    Die Finanzierung dieser Non-Production, wie man in Fachkreisen schön sagt, ist laut Kichle nur halb so teuer wie die Abnahme, Einlagerung und dann oft Vernichtung horrender Überschüsse.
    Mit gedämpftem Optimismus darf Österreich den weiteren Verhältnissen der EG entgegenblicken.
    Bundeskanzler Kohl berichtete heute nach, dass sich alle Delegierten einstimmig dafür ausgesprochen haben, mit Österreich über Probleme des Transitverkehrs zu verhandeln.
    Dieses Verhandlungsmandat werden am Montag formell die Verkehrsminister der EG in Brüssel beschließen.
    Die EG-Beamten sollen dann mit Österreich eine Regelung aushandeln.
    Die Einmütigkeit in dieser Frage ist bemerkenswert.
    Auch Staaten wie Portugal oder Griechenland, die wohl wenig Beziehungen zu Österreichs Transitsorgen haben, zeigten Verständnis.
    Helmut Kohl streute heute Nacht vor der versammelten deutschen Journalistenschar, übrigens generell Rosen für Österreich.
    Er sei empört, sagte Kohl, dass die Leistungen der Zweiten Republik für Europa oft zu wenig anerkannt werden.
    Aber zurück zum weiteren Verlauf des Gipfeltreffens.
    Programmgemäß hätte heute Mittag Schluss sein sollen, daran glaubt aber niemand.
    Wie lange sich die zehn Verhandlungen hinziehen werden, ist schwer abzuschätzen.
    Es verlautete vor kurzem, dass der dänische Kompromissvorschlag auf allen Seiten auf Ablehnung stößt.
    Den Briten geht er bei der Kürzung der Landwirtschaftsproduktion nicht weit genug, den Deutschen geht er schon zu weit.
    Der Optimismus ist jedenfalls sehr gedämpft.
    Ein Scheitern des Gipfels ist nun doch nicht ausgeschlossen.
    Dass es Abend werden dürfte, lässt sich einer Äußerung des deutschen Regierungssprechers Ost entnehmen.
    Ost meinte heute Nacht auf die Frage, wann Schluss sein dürfte.
    Um 21 Uhr wird mich meine Frau anrufen.
    Aus Kopenhagen berichtete Roland Adrovica.
    72 Stunden vor Beginn des dritten Gipfeltreffens zwischen dem US-Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Parteichef Michael Gorbatschow läuft die Propagandamaschinerie in beiden Lagern auf Hochtouren.
    Besonders auffällig dabei, jede Seite räumt der anderen ausgiebig Platz zur Selbstdarstellung ein.
    Jede Seite ist bemüht, das Image ihres Landes in den Medien des anderen aufzupolieren.
    Gorbatschow spricht zu den amerikanischen Fernsehzuschauern, Reagan gibt der sowjetischen Regierungszeitung Izvestia ein Interview, das unzensuriert und unkommentiert abgedruckt wird.
    Im Ton freundlich bleiben die Akteure in der Sache selbst hart, signalisieren allerdings Kompromissbereitschaft in Schlüsselfragen wie Halbierung der Arsenale von Interkontinentalraketen.
    Dabei scheint es, dass Ronald Reagan in der von den Gipfelstrategen penibel geplanten Medienschlacht alle seine schauspielerischen Talente aktivieren muss, um der publikumswirksamen Offensive des Charmes seines Kontrahenten Michael Gorbatschow Parole bieten zu können.
    Im Kreuzfeuer konservativer Kritiker aus den eigenen Reihen lobt der amerikanische Präsident sogar Michael Gorbatschow als den ersten sowjetischen Politiker, der bereit sei, vorhandene Atomwaffen abzubauen und der bereit sei, mit anderen Weltanschauungen in anderen Ländern zu leben.
    Die inamerikanischen Kritiker werfen Ronald Reagan im Gipfelvorfeld immer lautstärker den Ausverkauf von Idealen und Interessen vor und sie brandmarken den über die Iran-Kontra-Affäre von Podest der Popularität gestürzten, innenpolitisch geschwächten Präsidenten sogar als Verräter, der Frieden mit den Kommunisten schließt.
    Reagan wiederum verteidigt das unterschriftsreife Abkommen über die Verschrottung atomarer Mittelstreckenwaffen und nennt seine Kritiker Ignoranten, die sich im Innersten damit abgefunden hätten, dass Krieg unausweichlich sei.
    Während also in den USA die Emotionen hochgehen, stimmten sich in der Sowjetunion bedächtig und in gewohnten Bahnern auf den Washingtoner Gipfel ein.
    Franz Kössler informiert.
    Die Einstimmung auf das Gipfeltreffen verläuft genau nach dem Protokoll, das auch schon die erste Begegnung zwischen dem sowjetischen Generalsekretär und dem amerikanischen Präsidenten vor zwei Jahren in Genf angekündigt hatte.
    In den Medien hat sich der Ton in der Berichterstattung über die Vereinigten Staaten gemäßigt.
    Es werden Dialog, zuweilen gar Gemeinsamkeiten hervorgehoben.
    Der amerikanische Präsident, sonst nur äußerst selten auf sowjetischen Bildschirmen zu sehen,
    wird dieser Tage ausführlich gezeigt, so als müsse sich der Zuschauer auf seinen Anblick für die nächsten Tage rüsten.
    Ohne die im Westen übliche Werbetrommel, ohne Vorankündigung, veröffentlicht die Regierungszeitung East West ja heute ein Interview mit Reagan, seit Kennedys Zeiten das zweite mit einem amerikanischen Präsidenten.
    Das erste war wenige Tage vor dem Genfer Treffen im November 1985 erschienen.
    Anders als damals hat das Fernsehen auf die Veröffentlichung hingewiesen,
    und ebenfalls eine Neuerung.
    Die Zeitung selbst hat auf jeden Kommentar verzichtet.
    So kann Reagan mit ungewöhnlicher Schärfe die Rüstungspolitik der Sowjetunion geißeln, den höheren Lebensstandard in den USA hervorheben und längemal breite die Vorzüge eines demokratischen Mehrparteien-Systems beschreiben.
    Ein Zeichen, dass man beginnt, sich mit den Argumenten der Gegenseite ernsthaft auseinanderzusetzen.
    So will man es auch in Washington in den nächsten Tagen halten.
    Optimismus ohne Illusionen ist der Titel einer Analyse, die sich vor wenigen Tagen in der Literatur Naya Gaceta mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Washingtoner Gespräche auseinandersetzt.
    Moskau will die Gunst des Augenblicks noch einmal nützen und die Verständigung im Bereich der Mittelstreckenraketen auch auf die Frage der strategischen Waffen ausdehnen, allerdings noch immer mit dem Endziel, das amerikanische SDI-Projekt zu Fall zu bringen.
    Gorbatschow selbst hat in seinem Interview im amerikanischen Fernsehen einen kompromissbereiteren Ton angeschlagen, wohl aus dem Kalkül heraus, dass das kostspielige Projekt ohnehin an inneramerikanischen Hindernissen scheitern durfte.
    Aber aus der Lektüre der sowjetischen Medien kann man den Eindruck gewinnen, dass SDI der Sowjetunion noch immer so gewichtig erscheint, dass es noch einmal zum unüberwindbaren Hindernis für weitere Übereinkommen werden könnte.
    Zurecht hat der Nuklearphysiker und Menschenrechtskämpfer Sakharov die ihm erstmals gebotene Möglichkeit einer öffentlichen Stellungnahme dazu benutzt, um darauf hinzuweisen, dass der Fortschritt im Dialog zwischen den beiden Supermächten vor allem vom gegenseitigen Vertrauen abhängt.
    Vertrauen in die innere Liberalisierung der sowjetischen Gesellschaft und in die stabilisierende Rolle der sowjetischen Außenpolitik.
    Gorbatschow sollte das beweisen, meint Sakharov,
    indem er die Freilassung und Rehabilitierung aller Sowjetbürger veranlasst, die aus Gewissensgründen noch immer in Haft sind.
    Und in der Außenpolitik durch den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan.
    Doch gerade diese Verbindung zwischen internationalem Entspannungsprozess und innerer Liberalisierung ist bisher stets an den inner-sowjetischen Widerständen gescheitert.
    Sie sind in den letzten Monaten nicht geringer geworden, im Gegenteil.
    Optimismus also, aber ohne Illusionen.
    Sowjetische Gipfelvorbereitungen, Sie hörten aus Moskau, Franz Kössler.
    Vier Minuten nach Viertel eins ist es nun.
    Lust statt Frust.
    Unter diesem Motto fand gestern Abend eine Diskussionsveranstaltung des Grünen Parlamentsklubs statt.
    Über die gewünschte Öffnung der Grünen Partei, über zukünftige Politik grüner Parlamentarier sollte diskutiert werden.
    Prominente Gesprächsteilnehmer waren unter anderem der Zukunftsforscher Robert Jung, der Autor Peter Haslinger, der Journalist und ehemalige Vertreter der Bürgerinitiative Parlament Günter Nenning sowie grüne Abgeordnete.
    Die Diskussion fand in jenem Saal eines Wiener Hotels statt, in dem vergangenes Jahr die Trennung Günther Nennings von den Grün-Alternativen vollzogen worden war.
    Franz Sinnbürger berichtet von der Diskussion der Grünen.
    Es sollte eine Diskussion über die Zukunft grüner Politik über Visionen werden.
    Aber es wird über weite Strecken ein Abrechnen von Sympathisanten und Basis mit den Aktivitäten der grünen Parlamentsabgeordneten.
    Etwa von Irene Monchoix, ehemals Grün-Aktivistin und, wie sie selbst unterstreicht, Wechselwählerin.
    Ich glaube, und ich möchte das extra etwas scharf formulieren, die Gründung der Grünen-Partei war ein Abortus.
    Das war eine komplett missglückte Sache, denn es sind plötzlich Leute aufgetreten und haben sich angemaßt, im Namen der Bewegung zu reden, obwohl sie eigentlich dazu keinen richtigen Auftrag gehabt haben.
    Aber ich möchte hier sagen, dass ich glaube, und ich habe es von vielen Grünwählern oder potenziellen Grünwählern gehört, es gibt einen Menschen, der der grünen Bewegung mehr geschadet hat, als alle ihre Feinde zusammen.
    Und dieser Mensch ist Peter Pilz, der durch seinen Ziel...
    der durch seinen Stil die grüne Bewegung entscheidend diskreditiert hat.
    Robert Bogner, Künstler und Kunsthistoriker, kritisiert mangelnde Kontakte zwischen grünen Abgeordneten und Bürgerinitiativen.
    Auch Peter Haslinger, Autor des Buches Politik der Gefühle, äußert seine Skepsis gegenüber den grünen Parlamentariern.
    Der Zukunftsforscher Robert Jung greift nach so viel Kritik das Motto der Veranstaltung auf.
    Lust statt Frust.
    Wenn ich denke, was ich jetzt in den letzten 30 Minuten hier gehört habe, so habe ich eigentlich von Lust, eigentlich über Haslinger ein bisschen was durchgespürt.
    Und doch ist diese Lust etwas unerhört Wichtiges, wenn man Politik machen will.
    Man muss Lust darauf haben, mitzumachen.
    Man muss in die eigene Kreativität glauben.
    Und man muss Hoffnung auf Zukunft entwickeln.
    Wenn man das nicht tut, kann man keine Massenbewegung in Gang setzen.
    Sich bewusst zu sein, dass diese große Bewegung im Gang ist und dass man sie nicht kaputt machen soll durch Hass, Streiterei und Ehrgeiz, das scheint mir wichtig zu sein.
    In den ersten Stellungnahmen wird immer wieder auch der Ausschluss von Josef Buchner aus dem Grünen-Club angesprochen.
    Fredermeißner-Blau meint, dieses Thema sei überbewertet.
    In zehn Jahren würden an die Grünen ganz andere Fragen gestellt.
    Was habt ihr gegen Wackersdorf gemacht?
    Was habt ihr gegen Temmelin gemacht?
    Was habt ihr gegen Kattennommen gemacht?
    Was habt ihr gegen STI gemacht?
    Was habt ihr dagegen gemacht, dass Kinder in Südafrika gefoltert werden?
    Was habt ihr dagegen gemacht, dass die Nordsee kaputt geht und dass der Amazonas zugrunde geht und unser ganzes Klima damit betroffen ist?
    Kein Mensch wird danach fragen, ob ein Meißner Blau dabei war oder ein Buchner oder ein Pilz.
    Und dass wir das ein bisschen mehr im Auge behalten, worum es wirklich geht, das würde ich mir wünschen.
    Peter Pilz, grüner Abgeordneter, versucht dann noch einmal Grundsatzprobleme, etwa das ungeklärte Selbstverständnis der Grünen darzustellen.
    Dann aber seine Antwort auf die Angriffe gegen ihn.
    Klar habe ich, und ich bin sicher persönlich daran mitschuld, ein bisschen das Image eines Bürgerschrecks.
    Aber ich habe so oft das Gefühl, und ich glaube auch, wenn viele Bürger dieses Landes angesichts der Zustände nicht zutiefst erschrecken, dann muss es ab und zu auch ein paar Bürgerschreck geben, die sie erschrecken.
    Und ich halte es da wirklich mit Wolf Biermann, wenn viele entschieden zu kurz gehen, dann gehe ich eben entschieden zu weit.
    Dann kommt die erste Fragerunde aus dem Publikum.
    Und auch hier vor allem ein Abrechnen mit Vorgängen im Grünen Klub.
    Wieder häufig das Thema Buchner Ausschluss, dann mangelnde Kommunikation zwischen Parlamentsklub und grüner Basis, Fragen nach grüner Sozialpolitik, nach Frauenthemen bei Grünen.
    Mittlerweile ist Günther Nenning eingetroffen.
    Er entschuldigt seine Verspätung damit, dass er mit seinem Anwalt über eine Strafanzeige von Freder Meisner Blau gegen ihn beraten habe.
    Es geht dabei um ein Spendenkonto, noch aus der Zeit der Demonstrationen in der Heimburger Au.
    Dann ein Generalangriff Nennings auf die Grünen im Zusammenhang mit Ausschlüssen.
    Der ökologischen Bewegung ist ein schwerer Schaden widerfahren durch den rücksichtslos durchgezogenen Versuch,
    aus der Grünbewegung eine Grünpartei zu machen.
    Auch um den Preis, dass dieses breitbusige, breithüftige, wunderbare Gebilde der Grünbewegung immer schmaler, schmaler, schmaler, schmaler wird, durch Wegschnipseln von allen Teilen, die nicht passen.
    Viel darüber zu reden hat keinen Sinn.
    Dieser Versuch ist missglückt.
    Und jetzt haben wir den Schirm auf.
    Tut's nicht so, als ob der Buch noch der erste Ausschluss gewesen wäre.
    Da sitzt der Michael Mayrhofer.
    Draußen steht der Gerhard Heilingbrunner.
    Die sind mit aller Wildheit
    deren Leute, die das können, fähig sind, hinausgebissen waren in der Geburtsstunde der Bürgerinitiative Parlament, weil Konrad Lorenz Volksbegehren, weil katholisch, weil bürgerlich, weil ÖVP.
    Danach verliert sich die Diskussion, beschäftigt sich mit der Strafanzeige Meisner-Blaus gegen Nenning, neuerlich mit Josef Buchner und der VGÖ.
    Immer mehr Zuhörer verlassen den Raum, Fragesteller warten die Antworten nicht mehr ab.
    Robert Jung drückt aus, was wohl viele denken.
    Ich habe den Eindruck, mir geht es jedenfalls so, und ich schaue mich auch hier um, dass aufgrund dessen, was heute wieder geschehen ist, eine sehr starke Entmutigung eingesetzt hat.
    Und wenn wir morgen und übermorgen die Zeitung lesen, wird diese Entmutigung noch vertieft werden, man wird sagen, ah, da sieht man,
    Scherbenhaufen, völlig zerstritten, ganz kaputt."
    Dennoch bleibt Jung optimistisch.
    Die Grüne Bewegung sei mehr, als diese Veranstaltung gezeigt habe.
    Das heißt, man soll doch nicht zu schnell glauben, dass die grüne Bewegung, die nämlich nicht eine Bewegung irgendeiner Partei ist, sondern die einen notwendigen, eine notwendige Berechtigte gegen wer ist, gegen eine Zerstörung, gegen eine Bedrohung, die uns alle in einem Maße bedroht, wie die meistens noch gar nicht wissen, dass die jetzt durch irgendeine solche Veranstaltung und durch den Günther Nenning und durch die Friedermeister Blau und durch die verschiedenen
    Hahnenkämpfe, die da ausgefochten werden, die kann dadurch nicht erledigt werden.
    Die Bürger tragen, die Menschen, die bedrohten Menschen, werden diese Bewegung weitertragen.
    Diese Menschen beginnen anders zu denken.
    Freilich, für viele Teilnehmer, das zeigen auch die Gespräche nachher, bleibt mehr Frust als Lust nach dieser Diskussion.
    Ein Blick auf die Uhr, es ist jetzt 12.27 Uhr, drei Minuten vor halb eins, nun wieder ins Ausland.
    Abgesehen von sporadischen Meldungen über Kampfhandlungen, Bombenexplosionen und Geisselschicksale ist es in letzter Zeit um den Nahostkrisenherd Libanon eher ruhig geworden.
    Das von Bürgerkrieg und Fraktionskämpfen zerrissene Land ist fast unbeachtet von der Weltöffentlichkeit in die schwerste Wirtschaftskrise seiner Geschichte geschlittert.
    Der Libanon, einst als Schweiz des Nahen Ostens apostrophiert, befindet sich auf einer rasanten ökonomischen Talfahrt.
    Galoppierende Geldentwertung, dreistellige Inflationsraten, nie gekannte Armut und wachsender Hunger prägen vor allem in der Hauptstadt Beirut den Alltag.
    Marcel Pott schildert die Situation.
    Jeanette Sachlan stand seit 5 Uhr in der Früh vor ihrer Bäckerei Schlange.
    Bis zur Ladentür lagen noch ungefähr 20 Meter Wartezeit vor ihr.
    Hinter sich sah sie mindestens 80 Personen, die alle dasselbe Ziel hatten.
    auf jeden Fall die Verkaufstheke zu erreichen, bevor das Brot ausverkauft sein würde.
    Eingeklemmt zwischen ihrer Nachbarin Sanja und einem Militionär, den sie nicht kannte, drehte sie im Gespräch mit Sanja gerade ihren Kopf zur Seite, als sie die Kugel traf.
    Jeannette war auf der Stelle tot.
    Ein Querschläger machte ihrem Leben ein Ende, ihre vier Kinder zu weisen, weil eine Gruppe von Militionären im Streit um die vorderen Plätze in der Schlange wild um sich geschossen hatten.
    Tausende von Libanesen stehen täglich stundenlang an, um Brot oder Benzin zu ergattern.
    Güter, die nicht nur knapp und lebenswichtig für die Birutis sind, sondern auch sündhaft teuer geworden sind.
    Beirut, der Libanon, die bis vor kurzem noch so konsumverwöhnten Durchschnittsbürger des Landes, sind Opfer der tiefsten Wirtschaftskrise seit 45 Jahren, die die einheimische Währung allein 1987 um über 80 Prozent gegenüber dem Dollar entwertet und die Inflation um mehr als 300 Prozent in die Höhe getrieben hat.
    Nur drei Jahre ist es her, sagt Amin Haj, Professor für Nationalökonomie an der libanesischen Universität in Beirut, da hatte der Libanon noch eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen auf der ganzen Welt.
    Heute gehört es mit zu den niedrigsten.
    Der Verfall des libanesischen Pfundes und das fortschreitende wirtschaftliche Chaos trifft die einst wohlgenährte untere Mittelklasse und natürlich die ebenso kinderreich wie einkommensschwache Masse am härtesten.
    Ich verkaufe Löffel und Gabeln, um meinen Kindern ein Frühstück zu geben, schluchzte die 60-jährige Hamisa Saad, als die Assistentin des ARD-Büros sie während des jüngsten Proteststreiks der Gewerkschaften auf offener Straße ansprach.
    Andere, wie Karim Ibrahim, boten den Pelzmantel ihrer Frau feil oder versetzten ihre Omega-Uhr, ihre Cartier- und Dupont-Feuerzeuge für einen Bruchteil des Preises, den sie in besseren Zeiten bezahlt hatten.
    Ich habe keine andere Wahl, sagte Abdallah, ich muss sieben Mäuler stopfen und akzeptierte 100 Dollar für seine Uhr, die ihn selbst 1.500 Dollar gekostet hatte.
    Wie in den Helensquartieren lateinamerikanischer Großstädte wühlen heute libanesische Kinder und Erwachsene in den stinkenden Abfallhaufen, die sich überall in Beirut auftürmen.
    Ein Bild, das für die Beirutis noch vor zwölf Monaten unvorstellbar gewesen wäre.
    Hunderttausende von Libanesen müssen mit dem Mindestlohn von 8.500 Pfund auskommen.
    Das sind 16 US-Dollars für den ganzen Monat.
    Dafür können sie einen Kasten Milch, ein Kilogramm Fleisch und drei Dutzend Eier kaufen.
    Die Krise führt zu extremen Erscheinungen.
    Viele junge Männer verkaufen für umgerechnet fünf Dollar ihr Sperma an Laboratorien, um ihr Studium finanzieren zu können.
    Ein reger Handel dreht sich um menschliche Organe.
    Mehr und mehr Beirutis leiden an Anämie, weil sie zu schnell und zu viel von ihrem eigenen Blut verkauft haben, obwohl der kommerzielle Umgang mit Spenderblut im Libanon gesetzwidrig ist.
    Aber wer macht in Beirut schon über die Einhaltung der Gesetze?
    Obwohl die Kämpfe seit Monaten nur noch sporadisch aufflammen, ist die seelische Verfassung der meisten Libanesen schlimmer denn je.
    Viele nehmen Beruhigungsmittel und Schlaftabletten wie Bourbon, klagt mein Hausarzt Dr. Khalil.
    Sie wollen einfach ihren Sorgen entfliehen.
    Ständige Stromausfälle, hohe Schulgebühren, teure Medikamente und ärztliche Behandlung, horrende Mieten, unerschwingliche Lebensmittel und teure Kleidung.
    Fisch und Kokain gehören zum Alltag vieler Jugendlicher.
    Besonders die jungen Militionäre heizen sich mit Drogen an und vertreiben so ihre Ängste.
    Unkontrollierter Sex in einer sonst traditionell orientierten Gesellschaft dient ebenfalls oft als Ausweg aus einer Wirklichkeit, die überwiegend als Albtraum empfunden wird.
    Marcel Pott aus Beirut, nun in einen anderen Krisenherd.
    In der vorigen Woche informierte sich Bundespräsident Kurt Waldheim bei seinem Staatsbesuch in Pakistan auch über die Situation der afghanischen Flüchtlinge.
    Rund drei Millionen Menschen sind seit der sowjetischen Invasion vor fast acht Jahren aus ihrer Heimat Afghanistan geflüchtet und leben jetzt in pakistanischen Lagern, die sich hauptsächlich rund um die Provinzhauptstadt Peshawar erstrecken.
    Da Pakistan selbst zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, müssen die Mittel für die Betreuung der Flüchtlinge anderswo aufgebracht werden.
    In Peshawar selbst und in den Lagern sind neben dem Flüchtlingshilfwerk der Vereinten Nationen vor allem private Organisationen tätig.
    Eine von ihnen ist das Österreichische Hilfskomitee für Afghanistan-Flüchtlinge.
    Seine Programme umfassen die Gesundheitsvorsorge in den Lagern, von Impfungen über Zahnbehandlung bis zum Bau von Latrinen, die Unterstützung von Facharbeitern zur Ausübung des erlernten Berufs und ein vielgepriesenes Ausbildungsprogramm für Jugendliche.
    Allerdings stammt der größte Teil der Mittel für das Österreichische Hilfskomitee, dem Namen zum Trotz, nicht aus Österreich.
    Leiter des Büros dieses Hilfskomitees in Peshawar ist der Nordwestgrenzprovinz Pakistan, 60 Kilometer von der afghanischen Grenze entfernt, ist Nazim Chabad.
    Er ist 1970 als Student nach Österreich gekommen und hat sich nach der Invasion der Sowjet-Truppen in seinem Heimatland in den Dienst der Sache Afghanistans gestellt.
    Nazim Tschavatt ist heute bei Roland Machatschke.
    Im Journal zu Gast.
    Leistet Österreich Ihrer Meinung nach, Herr Dscherbat, genug Hilfe für die afghanischen Flüchtlinge, so wie sie jetzt aussieht?
    Das österreichische Hilfskomitee kriegt im Moment im Durchschnitt ca.
    10% des Budgets aus Österreich.
    Sollte man nicht sagen, nur 10%?
    Nur 10%.
    Wir haben ein 25-Millionen-Schilling-Budget im Durchschnitt für die letzten Jahre und wird das nächste Jahr vielleicht etwas mehr sein.
    Aus Österreich kriegen wir maximal 2,5 Millionen.
    Vergleichsweise mit anderen Ländern, ob das jetzt asiatische, arabische oder europäische Länder sind, leistet, glaube ich, Österreich überhaupt nichts für Afghanistan.
    Ich meine, man soll das vielleicht so nehmen für drei Millionen Flüchtlinge, zweieinhalb Millionen Schilling, das kommt nicht einmal ein Schilling für einen Flüchtling.
    Und woran liegt das?
    Afghanistan legt sehr weit weg von Österreich und ich glaube sicher, die Medien haben auch eine wichtige Rolle zu spielen, zumindest die privaten Spender zu motivieren, für Afghanistan etwas mehr zu tun, wenn wir schon nicht von der Regierung viel mehr erwarten können.
    Es liegt wahrscheinlich auch daran, dass im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern, Skandinavien zum Beispiel, es gibt in Österreich noch immer kein Entwicklungsministerium, es gibt noch immer keine eigene Abteilung für Flüchtlinge.
    Das gibt es in jedem Land heute, was in Österreich noch nicht existiert.
    obwohl nach Österreich selbst zum Beispiel sehr viele Flüchtlinge kommen und Österreich daher vertraut ist mit dem Problem der Flüchtlinge.
    Haben Sie mit Außenminister Mock, wie er hier in Peshawar in diesem Büro, wo wir jetzt sitzen, gewesen ist, haben Sie da mit ihm darüber gesprochen auch über eine Art Umschichtung der Entwicklungshilfe oder aus dem Entwicklungshilfe-Budget
    auch etwas mehr für die Afghanistan-Hilfe zu geben.
    Ist das vorstellbar?
    Es hat uns sowohl der Außenminister Mork als auch Präsident Waldheim versprochen, dass sie in Zukunft für die afghanische Flüchtlinge viel mehr tun sollen.
    Wir haben uns geeinigt, dass wir Möglichkeiten diskutieren sollten, wo Österreich Hilfe expandiert werden könnte nächstes Jahr.
    Und ich hoffe sehr stark, dass sich hier der Außenminister persönlich dafür einsetzen wird, nachdem er schon die Flüchtlinge besucht hat, nachdem wir unser Projekt und unser Büro besucht haben.
    Ich hoffe sehr stark, dass da viel mehr getan wird.
    Vielleicht ist Hilfe auch abhängig von Information.
    Können Sie kurz schildern, Herr Djawad, wie leben diese Flüchtlinge in den Lagern, zum Beispiel hier rings um Peshawar herum?
    Das größte Problem, Flüchtling zu sein, es nicht nur afghanische Flüchtlinge, es ist überall dasselbe, ist, dass man erst einmal auf Hilfe vom Außen angewiesen ist.
    Das ist vielleicht ein Fehler der internationalen Organisationen, so wie UNO.
    Man sollte vielleicht einmal bei der UNO appellieren und sagen, sie sollen die Art und Weise von Hilfe mal ändern, prinzipiell.
    statt Flüchtlinge abhängig vom Lebensmittel zu machen, man sollte an Entwicklungsprojekten arbeiten.
    Diese Entwicklungsprojekte müssen nicht unbedingt für die Flüchtlinge sein.
    Es könnte für Pakistan genauso gut zurechtkommen.
    Pakistanische Dörfer brauchen unheimlich viel Entwicklung.
    Und ich bin sicher, wenn man die Flüchtlinge hier zur Alternative stellen würde, Brot für Arbeit
    Ich bin sicher, dass die Flüchtlinge daran arbeiten werden.
    Und wenn wir schon bei der Arbeit sind, das größte Problem bei den Flüchtlingen ist psychische Probleme.
    Erstens, weil sie ihre Familienmitglieder verloren haben im Krieg.
    Zweitens, sowohl Frauen als auch Männer haben früher am Land gearbeitet, aktiv gearbeitet und haben genau gewusst, was sie am Jahresende geerntet haben.
    80 bis 85 Prozent der Flüchtlinge sind Bauern und kommen aus bäuerlichen, aus den Dörfern, wo sie Bauern waren.
    Hier haben sie keinen Zugang zum Land.
    Sie können nicht arbeiten.
    Bildungswesen für Kinder, die sehr beschränkt waren in Afghanistan, ist noch weiter zurückgegangen.
    Außer Volksschulen haben wir sonst überhaupt nichts mehr hier.
    Und die meiste Frustration und wie gesagt psychische Krankheiten sieht man bei Frauen.
    Die leben im Vergleich zu ihren weiten Dörfern in Afghanistan leben sie jetzt in kleinen Dörfern, ein Haus neben dem anderen oder einzeln neben dem anderen.
    Und 60 Prozent unserer weiblichen Patienten in den Kliniken sind mit psychischen Störungen und Krankheiten bei uns.
    Und wir versuchen halt nicht, Medikamenten zu geben, sondern viel mehr mit sozialen Leistungen, sowie Gesprächstherapien, Kommunikationszentren und so weiter, diesen Frauen zumindest zu helfen.
    Aber wie gesagt, Arbeitslosigkeit allgemein, sowohl bei Frauen als auch bei Männern, ist unser größtes Problem.
    Worin besteht das Hauptproblem in Österreich, Geld für afghanische Flüchtlinge und Betreuung afghanischer Flüchtlinge zu sammeln?
    Ich glaube, das Hauptproblem ist, dass in Österreich wenig Interesse für Afghanistan, politisch und ökonomisch gibt es fast kaum Interesse für Afghanistan.
    Wir haben zum Beispiel 1980
    Die Spenden, die wir selber gesammelt hatten, 1,5 Millionen, war von der Bundesregierung verdoppelt und Caritas hat das verdreifacht.
    Sobald aber die Polen-Krise gekommen ist, beziehungsweise nach dem Militärputsch in Polen, wurde uns von allen Seiten klar gesagt, Polen steht uns nahe, können leider für Afghanistan nicht mehr viel tun.
    Und ich denke noch immer, dass es politische und ökonomische Interessen sind.
    Warum, glauben Sie, ist kein Interesse da für Afghanistan-Hilfe?
    Man könnte ja das Beispiel nehmen, als die Sowjetunion den Ungarnaufstand niederschlug, was ja ungefähr vergleichbar wäre mit der Invasion von Afghanistan, obzw.
    damals natürlich schon im Lande waren, da waren die Österreicher sehr bereit mitzuarbeiten und zu spenden.
    Warum nicht im Falle Afghanistans?
    Wie gesagt, Ungarn ist direkt benachbart mit Österreich.
    Da bestand ein Interesse.
    Es gab eine traditionelle Verbindung historisch zwischen Österreich und Ungarn.
    Es gibt und gab immer traditionelle ökonomische, politische und historische Interessen und Verbindungen zwischen Polen und Österreich.
    wo es in Afghanistan gar nichts gab.
    Und ich glaube, es gibt auch einen neuen Grund.
    Das mag der Hauptgrund für die letzten zehn Jahre in Österreich gewesen sein.
    dass der Widerstand in Afghanistan allgemein als ein reaktionärer Widerstand abgestempelt wurde.
    Man hat immer von muslimischen Fundamentalisten, Bergkrieger und wilden Kämpfern gesprochen.
    Man hat in den meisten europäischen Ländern, speziell unter den Sozialdemokraten, das Gefühl gehabt, die Sowjetunion versucht eine Reihe von sozialistischen Reformen in Afghanistan durchzusetzen und die reaktionären Kräfte von Dahlherren etc.
    in Afghanistan sind dagegen.
    Und das ist immer gegen Fortschritt und Reformismus gesehen worden.
    Es war auch so, ich kann mich erinnern, bis sogar 1984, weil ich von vielen Politikern in Europa gehört habe, die immer gesagt haben, Afghanistan kann man vergessen, das ist schon in den Händen der Sowjets, das wird nie wieder zurückkommen.
    Und das afghanische Volk wird es niemals schaffen, gegen Sowjetländer zu kämpfen.
    Und das hat sich jetzt geändert, erstens mal, weil sehr viele Journalisten und Hilfskräfte, also Edis, nach Afghanistan gegangen sind und direkt die Berichte gebracht haben.
    und berichtet haben, dass es nicht um einen Kampf der Reaktion gegen Fortschritt geht.
    Auf der einen Seite, auf der anderen Seite, das ganze Volk ist damit mit dem Aufstand, mit dem Widerstand beschäftigt.
    Aber auch, es sind unheimlich viele soziale Aspekte in dem Krieg beteiligt.
    Und neben dem Ganzen haben die Afghanen bewiesen, dass sie acht Jahre lang gegen eine Supermacht gekämpft haben und dass sie es noch immer durchgehalten haben.
    Das hat jetzt das erste Mal, glaube ich, speziell in den letzten zwei Jahren, den Europäern zumindest das Gefühl gegeben, okay, die Afghanen schaffen es durch.
    Welche Rolle im Krieg spielen die modernen Waffen, die jetzt in stärkerer Zahl über die Grenze nach Afghanistan hineinkommen, vor allem die Luftabwehrwaffen, die amerikanischen Stinger-Raketen?
    Nach den Gesprächen, die ich hier geführt habe, habe ich das Gefühl, als ob das eine kriegsentscheidende Waffe in den Händen der Mojahedin sein könnte.
    Wir haben das von vielen
    verschiedenen Seiten gemerkt, erstens mal die Rückzüge des Sowjets und des Kabul-Regimes, wo Najibullah sogar persönlich in einer Pressekonferenz gesagt hat, ich bin bereit zurückzutreten.
    Najibullah hat zum Beispiel unter anderem auch gesagt, dass alle Ziele der Revolution gefehlt sind, dass wir nichts erreicht haben, dass wir Leuten zum Beispiel Kleidung, Nahrung, Mittel und Häuser versprochen haben, statt Kleidung haben sie
    Totengewand bekommen, statt Nahrungsmittel haben sie Munition in den Bäuchen bekommen, statt Häuser haben sie Gräber bekommen.
    Das hat er offiziell zugegeben in Pressekonferenzen.
    Wir haben es unter den Flüchtlingen speziell gemerkt, dass die Zahl der neu kommenden Flüchtlinge wesentlich zurückgegangen ist.
    Im Vergleich zu 1986, wo circa 50.000 neue Flüchtlinge nach Pakistan gekommen sind, das sind 87, rechnet man mit circa 20.000 bis 25.000,
    die auch hauptsächlich aus dem nördlichen Afghanistan, nicht wegen militärischen Angriffe, sondern hauptsächlich wegen Mangel an Nahrungsmitteln losgegangen sind, nach zwei, drei Monaten hierher gekommen sind.
    Wir haben den Register von Sommer 1987 im Juni, Juli, August.
    Es sind kaum neue Flüchtlinge registriert worden an den Grenzbereichen.
    Wir wissen auch, dass zum Beispiel in Jalalabad einige Familien zurückgegangen sind.
    Im Sommer haben sie an ihrem Land gearbeitet, die Landwirtschaft wieder aufgebaut, die Ernte gesammelt.
    Möglicherweise kommen sie im Winter zurück nach Pakistan, weil sie ihre Häuser noch nicht gebaut haben.
    Und die meisten, die wir gefragt haben, haben gesagt, dadurch, dass es jetzt eine Luftabwehr gibt, wir sehen nicht mehr so viel Gefahr und können dort in Frieden leben.
    Was glauben Sie, wie lange wird es dauern, bis nach einem Ende dieses Krieges und nach dem Abzug der Russen aus Afghanistan die Lebensverhältnisse wieder zu normal zurückkehren können?
    Zum Beispiel wieder die zerstörten Felder bestellt werden können, die zerstörten Dörfer wieder aufgebaut werden können?
    Nach meinen persönlichen Beobachtungen, es wird uns mindestens 20 Jahre dauern, bis wir auf dem Standpunkt von vor 1978 sind.
    Soweit ich auch persönlich beobachtet habe und auch viele andere Kollegen von anderen Organisationen, die direkt in Afghanistan arbeiten,
    Schätzungsweise 70 Prozent der ökonomischen Infrastrukturen sind vernichtet worden.
    Zumindest 40 Prozent der Dörfer gibt es nicht mehr.
    Vom Agrarwirtschaft existiert vielleicht nur noch 30 Prozent von dem, was es in 1978 gab.
    Viehsucht ist völlig
    aus, es gibt überhaupt nichts mehr.
    Die Flüchtlinge haben circa drei Millionen, vier mitgebracht nach Pakistan.
    Zumindest noch einmal zwei Millionen sind nach Iran gegangen.
    Der Rest sind am Anfang verkauft worden, um Munitionen zu kaufen.
    Teilweise wurden sie gegessen, weil sie kein Nahrungsmittel gehabt haben.
    Teilweise wurden sie bombardiert.
    Bis das alles wieder aufgebaut ist, wird es wahrscheinlich circa 20 Jahre dauern.
    Das heißt, auch nach dem Ende des Krieges wird massive Hilfe für Afghanistan notwendig sein?
    Ich glaube, sobald Afghanistan befreit ist und die Sowjets zurückgezogen haben und eine Lösung des Problems gefunden ist und die Flüchtlinge zurückgegangen sind, ich glaube, es wird viel mehr Hilfe gebraucht, als wir hier für die Flüchtlinge gebraucht haben.
    Denn für die Flüchtlinge haben
    keine internationalen Organisationen, nie an Entwicklungsprojekte gedacht, außer bis einige private Organisationen sowie unsere Organisation.
    Man müsste die Landwirtschaft dort wieder aufbauen, die Bewässerungsanlagen wieder aufbauen, Viehsucht wieder anfangen, die Straßen wieder bauen, die Dörfer wieder aufbauen.
    Es wird viel mehr gebraucht.
    Ich glaube, die Arbeit beginnt erst dann.
    Im Journal zu Gast war heute Nazim Javad, Leiter des österreichischen Hilfskomitees für Afghanistan-Flüchtlinge in Peshawar.
    Spenden für die Afghanistan-Flüchtlinge können übrigens auf das Konto 1.360.000 bei der österreichischen Postsparkasse eingezahlt werden.
    Und nun wieder Schauplatzwechsel.
    Nach ermutigenden Anzeichen in den vergangenen Wochen scheint jetzt der Friedensprozess in Mittelamerika ins Stocken geraten zu sein.
    Die ersten indirekten Friedensgespräche zwischen Vertretern der nicaraguanischen Regierung und den von den USA unterstützten Kontrarebellen endeten ohne Ergebnis.
    Der Unterhändler, der in Santo Domingo zwischen den Delegationen hin und her pendelte, der nicaraguanische Kardinal Miguel Obando Ibravo, hatte den Parteien zumindest eine Waffenpause während der Weihnachtszeit empfohlen.
    Doch nicht einmal darauf konnten oder wollten Sandinisten und Contras sich einigen.
    Der Vermittler im Kardinalsurnat gibt sich dennoch optimistisch, wie Jörg Haffkemeyer aus Mittelamerika berichtet.
    Als Kardinal Obando Ibravo in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo am Freitagmittag
    Vor die Journalisten trat, meinte er kurz und bündig, die Verhandlungen zwischen den nicaraguanischen Sandinisten und der Contra über einen Waffenstillstand seien an einem toten Punkt angekommen.
    Dennoch zeigte sich der Kardinal nach Beendigung der Gespräche, die unter äußerst strengen Sicherheitsvorkehrungen geführt worden waren, nicht ohne Optimismus, was die Erreichung des Verhandlungszieles anging, nämlich einen Waffenstillstand noch vor Weihnachten,
    möglichst bereits zum 8.
    Dezember an die nicaraguanischen Kriegsfronten auszuhandeln.
    Sein Ziel allerdings, dass beide Delegationen sich an einem Verhandlungstisch gegenüber sitzen, hatte Kardinal nicht erreicht.
    Die Regierung Nicaraguas hatte vor den Unterredungen klar gemacht, dazu werde es nicht kommen.
    So hielten sich denn beide Delegationen an verschiedenen Orten auf, was wiederum den Kardinal und die beiden ihn begleitenden Bischöfe in Bewegung hielt.
    vorläufig nicht weitergekommen, ist man vor allem aus folgenden Gründen.
    Die nicaraguanische Regierung hatte gefordert, die Contra müsste ihre sämtlichen Militärbasen aufgeben und die USA sollten ihre Unterstützung einstellen.
    Dann könne man sich über einen Waffenstillstand einigen.
    Die Erwiderung der Antisandinisten hatte in folgendem bestanden.
    Sie würden die Bedingungen der Regierung in Managua akzeptieren, wenn diese sich auf die Forderungen der Contra einließe.
    Unter anderem eine Aufhebung des Ausnahmezustandes,
    die Ausrufung einer Generalamnestie sowie die Abschaffung der Zensur.
    Kein Zweifel besteht wohl daran, dass Santo Domingo auch der Schauplatz weiterer indirekter Verhandlungen zwischen beiden Seiten bleiben wird, zumal auch die Regierung der Dominikanischen Republik sich damit einverstanden erklärt hat.
    Unmittelbar nachdem Kardinal Obando Ibravo mit der nicaraguanischen Delegation zusammengetroffen war, telefonierte deren Leiter, Vizeaußenminister Hugo Tinoco, mit Managua im Zuge weiterer Konsultationen.
    Und während er das tat,
    erklärte der nicaraguanische Kirchenführer, er sei optimistisch, dass man noch in den nächsten Tagen zu einer Waffenstillstandsvereinbarung komme.
    Eine Waffenstillstandsvereinbarung fügte er hinzu, die einfach notwendig sei.
    Und ebenso wie die Kontravertreter drückte er die Hoffnung aus, dass man beim nächsten Mal an einem Tisch sitzen werde.
    Der würde dann wieder in Santo Domingo stehen, auf neutralem Boden.
    Die Frage bleibt vorerst unbeantwortet, wie der Tisch besetzt sein wird.
    Neun Minuten vor 13 Uhr nur noch Beiträge unserer Kulturredaktion.
    Einer der bekanntesten Dirigenten Österreichs, Kurt Wöss, ist, wie erst heute bekannt wurde, gestern Nachmittag in Dresden an einem Herzversagen gestorben.
    Wöss zählte zu jenen österreichischen Dirigenten, die wesentlich zur Verbreitung österreichischer Musikliteratur beigetragen haben.
    Wolfgang Ritzberger hat den folgenden Nachruf verfasst.
    Er war gleich nach dem Zweiten Weltkrieg der erste Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters, der 1914 in Linz geborene Kurt Wöss.
    Bis 1938 studierte er in Wien bei Felix Weingartner.
    Weingartner, Nachfolger Mahlers an der Hofoper, der vor allem das Wagnerfach beherrschte und liebte, beeinflusste den jungen Wöss stark.
    Und folgerichtig wurde Kurt Wöss zudem Bruckner Spezialisten am Dirigentenpult.
    Aber er trug Bruckner und die österreichische Musikliteratur und, wie er selbst sagte, die österreichische Art des Musizierens in die ganze Welt hinaus.
    Wöss stand bei allen großen Orchestern, stand in allen großen Häusern dieser Welt am Dirigentenpult.
    In Japan zum Beispiel war er Chefdirigent des NHK-Orchesters Tokio, in Melbourne Chef der Victorian Symphony.
    Im April 1974 dirigierte er die Uraufführung der F-Moll-Symphonie seines Bruckners, anlässlich der Eröffnung des Linzer Bruckner Hauses.
    In den 60er Jahren schrieb er sein Buch zur Aufführungspraxis von Bruckner-Symphonien und vor zwei Jahren seine letzte große Arbeit mit einem österreichischen Orchester, die erste Japan-Tournee des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters.
    Bis gestern Nachmittag probte er mit der Dresdner Philharmonie, bis ein Herzinfarkt seinem Leben nach 74 Jahren ein Ende setzte.
    Nach diesem Nachruf auf Kurt Wöss nun zu einer Buchpräsentation.
    Im Gobelinsaal der Wiener Staatsoper wurde heute Vormittag ein Buch vorgestellt, das voraussichtlich ein begehrtes Weihnachtsgeschenk für Opernfreunde werden dürfte.
    Der Fotograf Helmut Koller und der Historiker Peter Dussek haben dem in der Edition S der österreichischen Staatsdruckerei erschienenen Bildband den Titel »Oper live« gegeben.
    Mehr über dieses Buch, zu dem Staatsoperndirektor Klaus-Helmut Drese das Vorwort geschrieben hat, in einem Beitrag von Volkmar Parchalk.
    Kein Opernbuch im herkömmlichen Sinn mit Aufführungsfotos und Starportraits wurde heute Vormittag den Sängern der Wiener Staatsoper und den Opernfreaks präsentiert.
    Keine geglättete und retuschierte Dokumentation einer Aufführung mit gestellten Probenfotos.
    Nein, Helmut Koller, der als Bundestheaterfotograf seine ersten Lorbeeren einheimste und längst begehrter Mitarbeiter der großen Magazine in Amerika geworden ist, wo er jetzt lebt,
    wollte dem Phänomen Oper nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen, in den Werkstätten, Schneidereien, Kantinen und Schminkräumen auf die Spur kommen.
    Vom Mai 1986 bis zum März 1987 hatte alles, was er am Ende der Ära Seefellner und am Beginn der Ära Drese-Abbado im und um das Opernhaus am Ring erlebt hat,
    mit der Kamera festgehalten.
    Die besten 500 Aufnahmen aus allen Blickwinkeln, aus allen Räumen des Hauses und nicht zuletzt von 52 ausgewählten Vorstellungen bilden den Bildteil des Buches.
    Wir wollten mit diesem Buch zeigen, wie das Werkl Wiener Staatsoper funktioniert.
    Ein abstraktes Konzept ist, dass wir auf drei Doppelseiten einen Tagesablauf in der Oper zeigen.
    Also das heißt, es kann sein, zwei Doppelseiten, was spielt sich am Tag ab?
    Proben, Büros und eine Vorstellung.
    Oder umgekehrt, wenn's eine interessante Vorstellung hat, zeigen wir zwei Doppelseiten von einer Vorstellung.
    Aber auch, was sich in der Pause dieser Vorstellung abspielt.
    Also wir haben wirklich versucht,
    jede Tätigkeit, jede Aktion zu beleuchten und zu zeigen, die das einzelne Rad ist und das große Werk zum Funktionieren bringt.
    Der Opernpall 1987 nimmt großen Platz in dieser Bilddokumentation ein, wobei eine große doppelseitige Gesamtansicht Kollers Meisterschaft demonstriert.
    Natürlich finden wir auch die Stars wie Domingo, Pavarotti und Carreras, aber auch die Schneiderinnen, die Garderobenfrauen, die Maskenbildner, die Bühnenarbeiter, die Billetteure, das Reinigungspersonal.
    Die Bühne, den Probensaal, die Kantine, die Garderobe, die Werkstätten.
    Die Stars in großer Pose und im privaten Relaxing.
    Ins Auge stechend ein Bild, das das Gebäude der Staatsoper hinter Hunderten von Taubenflügeln zeigt.
    Eines Tages
    Als ich eben an der Produktion der Aufnahmen gearbeitet habe, am Vormittag, habe ich die Oper verlassen, bin in die Garage gegangen und da sehe ich eine alte Frau, die mit Körnern und Bröseln, die die auf den Boden, also in der Fußgängerzone, auf den Boden gestreut hat.
    Und die Tauben sind zu Hunderten gekommen und sie waren total eingehüllt.
    Und da habe ich sofort ein irrsinnig tolles Foto gesehen.
    Ich bin dahin.
    Ich bin in ein Geschäft gegangen und hab mir Taubenfutter gekauft und so und hab mich dann wieder zu diesem Platz hingestellt und in einer Hand hatte ich die Kameraschussbereit und diesmal den Motor auf Dauerlauf und in der anderen Hand hatte ich das Taubenfutter und hab gleichzeitig Futter gestreut und abgedrückt und die Tauben sind so Hunderten auf mich eingeflogen und ich hab mir nur gedacht, hoffentlich sieht mich niemand, weil das muss wahrscheinlich ausgeschaut haben, als wäre ich ein Verrückter.
    Peter Dussek, Opernfreund und Historiker, hat zu den Bildern die Begleittexte geschrieben und in 70 Interviews Kollers Blick hinter die Kulissen durch das Wort ergänzt.
    Hier wurde versucht, an Pavarotti und Domingo Premieren und an Aucour Premieren.
    den Auftakt der Ära Drese a Bado zu zeigen, aber auch das Anstellen heute in der Oper.
    Es ist ja so, dass so lange hat man sich überhaupt noch nie angestellt wie um eine Pavarotti-Premiere.
    Das Fernsehzeitalter macht es möglich, dass der Andrang für Oper heute größer ist denn je.
    Man sieht die Werkstätten, wie sie heute ausschauen, man sieht die Sänger von heute, den Alltag von heute und es ist Oper so lebendig wie nur möglich in allen Facetten.
    In Dussex-Interviews äußert der Portier mit dem Franz-Josefs-Bart genauso seine Gedanken zur Oper wie der Correpetitor, da spricht der beleuchtete Akustiker, der Feuerwehrmann, die Ballettmeisterin und die Garderobenfrau.
    Und nun noch ein Hinweis für alle Musikliebhaber, vor allem für jene, die Karten haben für das Nachmittagskonzert der Philharmoniker im Wiener Musikvereinssaal.
    Das philharmonische Abonnementkonzert heute Nachmittag im Musikvereinssaal musste kurzfristig abgesagt werden.
    Zum Abschluss des Mittagsjournals noch Kurznachrichten.
    Dänemark.
    Die Regierungschefs der zwölf EG-Staaten setzen heute in Kopenhagen ihre Beratungen über die umstrittene Agrar- und Finanzreform fort.
    Der dänische Ministerpräsident Paul Schlüter legte einen neuen Kompromissvorschlag vor.
    Der Plan soll der Beilegung der Kontroversen um die Eindämmung der Agrarausgaben und der Neubemessung der EG-Beitragszahlungen dienen.
    Die Chancen, dass das Konzept angenommen werden könnte, werden allgemein als gering eingeschätzt.
    Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich haben das Papier bereits scharf kritisiert.
    Sowjetunion.
    Der amerikanische Präsident Reagan hat in einem Interview für die sowjetische Regierungszeitung Izvestia auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Supermächten hingewiesen.
    Reagan wird mit der Bemerkung zitiert, bei Abrüstung und Menschenrechten habe es wichtige Fortschritte gegeben.
    Das Verhältnis sei nun deutlich besser als vor zwei Jahren.
    Probleme blieben vor allem deswegen, weil ein gegenseitiges Misstrauen weiterhin existiere, meinte Reagan.
    Polen.
    Das Parlament in Warschau ist heute zusammengetreten, um die Folgen der Niederlage der Regierung bei der jüngsten Volksabstimmung über wirtschaftliche und politische Reformen zu besprechen.
    Parlamentspräsident Malinowski sagte in der Eröffnungsrede, die Bevölkerung Polens sei grundsätzlich für Änderungen.
    Man müsse aber ihre Bedenken gegen allzu radikale Preiserhöhungen berücksichtigen.
    Dem Parlament liegt ein Entschließungsentwurf vor, wonach die ursprünglich vorgesehene drastische Verteuerung der Grundnahrungsmittel etwas abgemildert werden soll.
    Ministerpräsident Messner wird zu den Reformen eine Regierungserklärung abgeben.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Die Staatsanwaltschaft in Ost-Berlin hat die Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Umweltbibliothek der evangelischen Zionsgemeinde eingestellt.
    Frankreich.
    Mit einem überraschenden Sieg der Schweizerin Chantal Burnissen endete heute die Damen-Weltcup-Abfahrt in Val d'Isère.
    Zweite wurde die deutsche Marina Kiel, dritte Uli Stangassinger, ebenfalls PRD.
    Beste Österreicherin wurde Sigrid Wolf auf Platz 7.
    Das Wetter für Österreich bis heute Abend, über den Niederungen meist nebelig, sonst anfangs heiter, später Bewölkungsaufzug.
    Das war das Mittagsjournal vom 5.
    Dezember.
    Edgar Sterbens verabschiedet sich im Namen von Redaktion und Technik.
    Auf Wiederhören.
    Musik

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Treffen der EG-Staatschefs in Kopenhagen im Zeichen der Finanzkrise
    Mitwirkende: Adrowitzer, Roland [Gestaltung]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Ort: Kopenhagen [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Moskau vor dem Gipfel
    Mitwirkende: Kössler, Franz [Gestaltung]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Ort: Moskau [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Diskussionsveranstaltung der Grünen "Lust statt Frust"
    Einblendung: Sympathisantin Monchoir, Zukunftsforscher Jungk, Klubobfrau Meissner-Blau, Abgeordneter Pilz, Journalist Nenning
    Mitwirkende: Simbürger, Franz [Gestaltung] , Monchoir, Irene de [Interviewte/r] , Jungk, Robert [Interviewte/r] , Meissner-Blau, Freda [Interviewte/r] , Pilz, Peter [Interviewte/r] , Nenning, Günther [Interviewte/r]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Armut und Hunger im Libanon
    Mitwirkende: Pott, Marcel [Gestaltung]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Im Journal zu Gast: Nassim Jawad, Direktor des österreichischen Hilfskomitees für Afghanistan
    Interview: Hilfskomitee-Direktor Jawad
    Mitwirkende: Machatschke, Roland [Gestaltung] , Jawad, Nassim [Interviewte/r]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Abschlußgespräch Contras - Sandinisten
    Mitwirkende: Hafkemeyer, Jörg [Gestaltung]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Kurt Wöss gestorben
    Mitwirkende: Ritzberger, Wolfgang [Gestaltung]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Bildband über Wiens Opernalltag "Oper Live"
    Einblendung: Autor (Fotograf) Koller, Autor Dusek
    Mitwirkende: Parschalk, Volkmar [Gestaltung] , Koller, Helmut [Interviewte/r] , Dusek, Peter [Interviewte/r]
    Datum: 1987.12.05 [Erst-Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1987.12.05
    Spieldauer 01:00:01
    Mitwirkende Sterbenz, Edgar [Moderation]
    Glück, Wolfgang [Regie] [GND]
    ORF [Produzent]
    Datum 1987.12.05 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-871205_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

    Information

    Inhalt

    Nachrichten

    Verortung in der digitalen Sammlung

    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt