Mittagsjournal 1980.09.01

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit in fünf Sekunden ist es 12 Uhr.
    12 Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren.
    Sie hören das Mittagsschonal des aktuellen Dienstes und das Redakteur-Mikrofon begrüßt Sie dabei recht herzlich, Werner Löw.
    Und das gleich mit einem knappen Überblick über unser geplantes Programm für die folgenden 60 Minuten Information.
    Polen erlebt den Tag 1, nach dem, man kann wohl sagen, historischen Kompromiss zwischen Arbeitern und Regierung.
    Nach 18 Tagen Streik erhielten die Arbeiter weitreichende politische und wirtschaftliche Zugeständnisse verbrieft.
    Wir wollen dazu ein Gespräch mit unserer Sonderkorrespondentin in Polen führen und wir haben uns zu diesem Thema auch in den Kommentarspalten der in- und ausländischen Presse umgesehen.
    Einen weiteren Auslandsbericht erwarten wir zu den andauernden Schwierigkeiten bei der Bildung einer neuen Regierung im Iran.
    Eine von Ministerpräsident Rajai gestern vorgelegte Kabinettsliste findet nicht die volle Zustimmung von Staatspräsident Bani Sadr.
    In Österreich setzt heute der Parlamentarische AKH-Untersuchungsausschuss seine Arbeit mit Einvernahmen führender Persönlichkeiten des Elektrokonzerns ITT fort.
    Unsere innenpolitische Redaktion wird darüber berichten und in einem weiteren Beitrag die derzeitige Diskussion auch innerhalb der Regierungspartei um Verbleib oder Ausscheiden von Finanzminister Androsch näher durchleuchten.
    Ein Vortrag des umstrittenen Finanzministers steht auch im Mittelpunkt eines Berichts von den diesjährigen Wirtschaftsgesprächen in Alpbach.
    Weitere Inlandsthemen, schulpolitische Erklärungen der Parteien, der Anlass natürlich der Schulbeginn heute in Ostösterreich und alle Anzeichen für eine Auftragskrise bei den österreichischen Schiffswerften.
    Die Kulturredaktion schließlich liefert uns eine Vorschau auf die heute anlaufenden Berliner Festwochen.
    Soweit unser Programmüberblick.
    Zu Beginn wie immer die Mittagsnachrichten, zusammengestellt von Ferdinand Olbert aus dem verantwortlichen Chef vom Dienst und Nachrichtensprecher ist Wolfgang Riemerschmid.
    Polen.
    Nach dem 18-tägigen Streik sind heute etwa 250.000 Arbeiter an der Ostseeküste wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt.
    Busse und Straßenbahnen in Danzig sowie anderen Städten der Region verkehren wieder normal.
    Auch die Taxifahrer haben ihren Streik beendet.
    Mit Beginn der Frühschicht drängten sich Tausende von Arbeitern vor den Toren der Leninwerft, dem Zentrum des Ausstandes.
    Die polnische Parteizeitung Tribunal Ludu bezeichnet das gestern zwischen der Regierung und den Streikenden ausgehandelte Abkommen als klug und vernünftig.
    Das Parteiorgan schreibt, die Zustimmung des Zentralkomitees zu der Vereinbarung habe die grundlegende Auffassung der Partei erneut bekräftigt, dass die Krise nur durch ein Übereinkommen mit der Arbeiterklasse bewältigt werden könne.
    Die Regierungszeitung Sicewaszawi nennt das Abkommen gleichermaßen schwierig und bedeutsam.
    Die Vereinbarung zähle auf eine gemeinsame Vorbereitung und Billigung von Postulaten, die Fehler der Vergangenheit korrigieren und Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Bindungen zwischen Gesellschaft und Behörden schaffen sollen.
    Sowjetunion.
    Die amtliche Nachrichtenagentur TASS hat die zwischen den Streikenden und der polnischen Regierung erzielten Vereinbarungen nicht gemeldet.
    Im sowjetischen Parteiorgan Pravda heißt es heute, die Krise in Polen habe eine Grenze erreicht, ab der sie nicht mehr toleriert werden könne.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Die Medien der DDR veröffentlichen keinen Kommentar zu der Einigung in Polen.
    Die Nachrichtenagentur ADN und das DDR-Fernsehen setzen damit die seit Beginn der Krise eingehaltene Linie fort.
    Tschechoslowakei.
    Das Fernsehen hat in den Nachrichten die Wiederaufnahme der Arbeit an der polnischen Ostseeküste gemeldet.
    Über den Inhalt des Abkommens machte es keine Angaben.
    Jugoslawien.
    Die Beendigung des Streiks in Polen wurde in den jugoslawischen Medien mit Erleichterung aufgenommen und als Sieg für die Arbeiter bewertet.
    In einem Kommentar der amtlichen Nachrichtenagentur TANJUK heißt es, die Arbeiter hätten eine neue Form sozialistischer Demokratie errungen.
    USA.
    In den Vereinigten Staaten ist die Einigung in Polen begrüßt worden.
    Arbeitsminister Marshall betonte, man brauche freie Arbeiterbewegungen, um eine freie, demokratische Gesellschaft zu haben und die Menschenrechte zu verwirklichen.
    Österreich.
    Der Parlamentarische AKH-Untersuchungsausschuss vernimmt heute führende Manager der Firma ITT.
    Für die Vormittagssitzung wurde aus der Untersuchungshaft der technische Direktor Zelnitschek vorgeführt.
    Nach der Mittagspause werden der derzeitige Generaldirektor Heinisch und dessen Vorgänger und Präsident der Industriellen Vereinigung Meier einvernommen.
    Meier befindet sich ebenfalls in Untersuchungshaft.
    ÖVP-Energiesprecher König wendet sich heute gegen die von SPÖ-Zentralsekretär Blecher geforderte Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Strom zur Deckung von Budgetausgaben.
    König betont, die Energiewirtschaft müsse Gelegenheit haben, Investitionen für den Ausbau der Energiereserven über die Tarife zu erwirtschaften.
    Das gelte sowohl für die Wasserkraft als auch für die Abwärmenutzung oder die geplanten Kohle-Ersatzkraftwerke.
    Iran.
    Zwischen Staatspräsident Bani Sader und Ministerpräsident Rajai ist über die Zusammensetzung des neuen Kabinetts ein Konflikt ausgebrochen.
    Bani Sader soll entgegen Behauptungen Rajais von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht und der vom Ministerpräsidenten vorgelegten Kabinettsliste nicht zugestimmt haben.
    Der Staatspräsident war auch der Vorstellung der Minister im Parlament in Teheran ferngeblieben.
    Wie die Teheran Times schreibt, kritisierte Bani Sader, dass aufgrund der personellen Zusammensetzung des Kabinetts ein Konfliktkurs der Regierung zu erwarten sei.
    Der bisherige Außenminister Ghotbzadeh schloss sich den Vorwürfen des Staatspräsidenten an und bezeichnete den von Rajai nominierten neuen Außenminister als unfähig.
    Nach Ansicht eines persischen Parlamentsausschusses könnten die Vereinigten Staaten durch die Rückgabe des Schahvermögens an den Iran zur Freilassung der amerikanischen Geiseln beitragen.
    Diese Anregung ist im Entwurf eines Schreibens enthalten, mit dem das iranische Parlament einen Brief von amerikanischen Kongressabgeordneten beantworten will.
    USA
    Der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten wird heute von Präsident Carter und dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Reagan offiziell eröffnet.
    Carter wird versuchen, die Unterstützung der großen Gewerkschaften für seine Kampagne zu erhalten.
    Reagans Berater vermuten hingegen, dass viele Arbeiter wegen der hohen Inflationsrate von 12 Prozent den Aufrufen ihrer Gewerkschaftsführer nicht folgen und republikanisch wählen werden.
    Das Nachrichtenmagazin Newsweek veröffentlicht eine Meinungsumfrage, nach der Reagan in der Gunst der Wähler weiterhin deutlich vor Kater liegt.
    Der stellvertretende chinesische Parteichef Deng Xiaoping hat in einem von der Washington Post veröffentlichten Interview betont, er halte einen Dritten Weltkrieg nach wie vor für unvermeidbar.
    Deng erklärt, der Krieg könne überall in der Welt entfesselt werden und schon innerhalb der nächsten zehn Jahre ausbrechen.
    Am wahrscheinlichsten wäre es, dass die explosive Lage im Nahen Osten oder das Indochina-Problem den Ernstfall auslösen.
    Deng beschuldigt die USA und die Sowjetunion auf einen neuen Weltkrieg geradezu hinzuarbeiten.
    Der chinesische Politiker meint in dem Interview außerdem, der frühere Parteichef Mao Zedong habe in seinem letzten Lebensabschnitt Fehler gemacht.
    Mao gebühre aber trotzdem der Platz eines chinesischen Nationalhelden.
    Südkorea.
    Der ehemalige Armeegeneral Jeon Do-hwan ist heute in Seoul als Präsident Südkoreas vereinigt worden.
    In seiner ersten Rede kündigte das neue Staatsoberhaupt freie Wahlen für das nächste Jahr sowie eine Aufhebung des Kriegsrechtes an.
    Noch im Oktober soll eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung abgehalten werden.
    Politische Betätigung sowie Freiheit an den Universitäten soll nach den Worten Chuns unter der Voraussetzung ermöglicht werden, dass keine Umsturzpläne geschmiedet werden.
    Großbritannien.
    Unter dem Eindruck der dramatisch steigenden Arbeitslosenzahl beginnt heute in Brighton der 112.
    Arbeitskongress des Gewerkschaftsdachverbandes TUC.
    Im Mittelpunkt der Tagung dürften heftige Angriffe gegen die konservative Regierung Thatcher und gegen ein Gesetz stehen, das die Macht der Gewerkschaften einschränken soll.
    TUC-Generalsekretär Murray sprach auf einer Pressekonferenz von der Entschlossenheit der Gewerkschaften, auf eine Wende zu dringen.
    Die Gewerkschaftsführer schätzen jedoch ihre Chance, während des fünftägigen Kongresses Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen zu können, pessimistisch ein.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Staats- und Parteichef Honecker zeigte sich bei einem Gespräch mit dem Präsidenten der Österreichischen Bundeswirtschaftskammer, Salinger, bei der Leipziger Messe an einem weiteren Ausbau des Handels zwischen beiden Staaten sehr interessiert.
    Honecker betonte, die DDR werde auch in Hinkunft leistungsfähigen österreichischen Firmen Aufträge erteilen.
    Nach Angaben der Bundeswirtschaftskammer lassen die bei der Leipziger Messe bisher gemachten Geschäftsabschlüsse erkennen, dass sich die österreichischen Lieferungen heuer und im kommenden Jahr stark erhöhen werden.
    Österreich
    Der Verein für Konsumenteninformation kritisiert heute die von den Austria-Tabakwerken propagierte Werbung für sogenannte leichte Zigaretten als besonders heimtückische Gefahr für die Volksgesundheit.
    In der Aussendung heißt es, bei mehreren objektiven Zigaretten-Tests habe sich gezeigt, dass eine leichte, also eine ter- und nikotinarme Zigarette hektisch und bis auf einen kurzen Stummel geraucht weitaus schädlicher sei als eine starke, geruhsam und mit langem Stummel gerauchte Zigarette.
    Für das Ausmaß der Gesundheitsschädlichkeit sei die Weise, wie jemand raucht, bedeutender als die Wahl der Zigarettensorte.
    Die Wetterlage.
    Zwischen einem hoch über Westeuropa und einem tief über dem Baltikum fließen mit einer Nordwest- bis nördlichen Strömung recht kühle Luftmassen in Mitteleuropa ein.
    Die Wetteraussichten bis morgen früh.
    An der Alpensüdseite zum Teil aufgelockert bewölkt und nur stellenweise Regen.
    Im übrigen Österreich veränderliche, im Norden und Osten sowie entlang des Alpen-Nordrandes auch starke Bewölkung und wiederholt Regen oder Regenschauer.
    In der Folge auch hier einige Bewölkungsauflockerungen.
    Winde aus Nordwest bis Nord.
    Nachmittagstemperaturen 15 bis 21 Grad.
    Frühwerte morgen 8 bis 14 Grad.
    Die Wetteraussichten für morgen.
    Im Süden Österreichs und regional im Westen aufgelockert bewölkt oder aufgeheitert.
    Im Norden und Osten des Bundesgebietes sowie entlang des Alpen-Nordrandes veränderliche bis starke Bewölkung und einige Strichregen und Regenschauer.
    Nördliche Winde, Tageshöchsttemperaturen 16 bis 22 Grad.
    Die Messwerte abgelesen um 12 Uhr.
    Wien bedeckt, Regen 15 Grad, Nordwestwind 20 Kilometer in der Stunde.
    Eisenstadt bedeckt, Regen 15 Grad, Nordwestwind 20 Kilometer.
    Linz bedeckt, leichter Regenschauer, 13 Grad, West 25 Kilometer.
    Salzburg bedeckt leichter Regen, 12 Grad, West 15.
    Innsbruck wolkig, 15 Grad, Nordostwind 15 Kilometer in der Stunde.
    Bregenz stark bewölkt, 13 Grad, Windstill.
    Graz stark bewölkt, 16 Grad, Windstill.
    Und Klagenfurt heiter, 17 Grad, Windstill.
    Soweit Nachrichten und Wetter im Mittagsjournal des aktuellen Dienstes.
    Es ist jetzt 12 Minuten nach 12 Uhr und wir beginnen unsere ausführliche Berichterstattung mit der Spitzenmeldung der Nachrichten mit dem Spitzenauslandsthema der vergangenen Wochen Polen.
    Hier kehrten ja heute rund 250.000 Arbeitnehmer nach 18 Tagen geschlossener Streikaktion wieder an ihre Arbeitsplätze zurück.
    nachdem das Wochenende in Danzig und Stettin eine Einigung zwischen den Regierungsvertretern und den Streikkomitees gebracht hatte, unter weitgehenden, für Ostbrock Verhältnisse nahezu revolutionären Zugeständnissen seitens der Regierung.
    Ich bin jetzt telefonisch mit Barbara Kudenhofe-Kallergi in Warschau verbunden und ich würde Sie bieten, Frau Kudenhofe, uns vielleicht zunächst eine knappe Zusammenfassung der erfüllten Forderungskataloger der Arbeiter zu geben.
    über eine ganze Menge Fragen ist etwas Konkretes abgeschlossen worden.
    Es gibt zwei Teile des Pakets sozusagen.
    Eins über ökonomische Fragen, das andere über politische.
    Und dieses politische Paket sozusagen umfasst vier Punkte.
    Einmal die Bildung von, wie es heißt, neuen, unabhängigen und selbstverwaltenden Gewerkschaften.
    Zweitens eine Regelung über die Zensur.
    Es ist nicht die volle Informationsfreiheit, aber es ist eine Regelung,
    die die Zensur einschränkt auf ganz bestimmte Gebiete, auf Fragen der Sicherheit des Staates, auf Wirtschaftsgeheimnisse, auf Fragen, die moralische oder religiöse Werte berühren.
    Außerdem gibt es jetzt gegen Maßnahmen der Zensur die Möglichkeit zu rekurrieren.
    Wildwürdige Zensurmaßnahmen sollen damit ausgeschaltet werden.
    Drittens ist Übereinstimmung erzielt worden über die Freilassung der politischen Gefangenen, und zwar aller politischen Gefangenen.
    Und viertens ist darüber ein Abkommen erzielt worden, dass den Streikenden keine Nachteile aus ihrer Streikteilnahme erwachsen sollen.
    Die ökonomischen Fragen sind weniger wichtig.
    Es geht hier um
    Kinderbeihilfe, es geht hier um Lohnerhöhungen, es geht hier auch um soziale Fragen, fünf Tage die Woche, Mutterschaftsurlaub.
    Da sind aber auch die Arbeiter sich darüber im Klaren, dass man über all diese Dinge reden wird, dass sie aber im Rahmen der jetzigen schwierigen Wirtschaftslage nicht alle und nicht alle gleich verwirklicht werden können.
    Aus den politischen Punkten dieses Programms war ja die Frage der freien bzw.
    der unabhängigen, selbstverwalteten Gewerkschaften ein ganz zentrales Problem.
    Wie sieht das aus?
    Wie soll denn das in die Praxis umgesetzt werden?
    Ganz klar ist es noch nicht.
    Es wird demnächst das Parlament ein Gesetz über die Erneuerung der Gewerkschaftsbewegung im Allgemeinen verabschieden und da wird auch die Frage der neuen Gewerkschaften drinnen sein.
    Aber das innerbetriebliche Streitkomitee hat durchgesetzt, dass es ab jetzt jedermann möglich sein wird, neue, unabhängige Gewerkschaften zu gründen.
    Gewerkschaften, die also ausgehen von den Belegschaften selber.
    Es kann das Danziger Komitee vor der Hand nur sprechen für seinen eigenen Bezirk, aber das Prinzip gilt für das ganze Land.
    Also wo immer es gewollt wird,
    können solche Gewerkschaften begründet werden.
    Es ist außerdem das Streikrecht verbrieft, wie es in dem Communiqué heißt, dann, wenn alle anderen Mittel versagt haben.
    Es hat sich außerdem das MKS, also das Streikkomitee, vorbehalten, eine eigene Zeitung, die Streikzeitung, als Tageszeitung herauszugeben.
    Es hat sich vorbehalten, ein soziales Studienzentrum zu gründen,
    in dem objektiv alle Fragen, die die Interessen der Arbeiter betreffen, studiert und analysiert werden sollen.
    Und es ist schließlich das MKS über reingekommen, sich selbst vorzubehalten, ob es gleich eine Gewerkschaft gründen will, das heißt eine Gewerkschaft, die dann eben nur lokalen Charakter hätte, oder ob es vielleicht, auch das ist drinnen, Kontakte mit den übrigen Gewerkschaften, mit den übrigen Betrieben im Lande pflegt und sich dann vielleicht
    in einer nationalen Gewerkschaft engagiert.
    Es sieht aber so aus, als würde es in Zukunft zwei nebeneinander existierende Gewerkschaftssysteme in Polen geben.
    Oder was passiert mit den bisherigen, mit bisher bestehenden Gewerkschaften, den offiziellen?
    Die bisher bestehenden Gewerkschaften sollen gründlich reformiert werden, das haben heute auch die Zeitungen hervorgehoben.
    Sie sollen die autonomen Interessen der Arbeiter vertreten und es hat ja eine vernichtende Selbstkritik während der ganzen Tage gegeben, wie die beiden
    die es tatsächlich zunächst einmal nebeneinander geben wird, koexistieren werden.
    Das wird später in Verhandlungen vorbehalten bleiben.
    Ob es dann eine Art von Personalunion, Dachverband, dergleichen mehr geben wird, ist noch offen.
    Die Streikenden, also die Unabhängigen, wollen auf jeden Fall ihre Unabhängigkeit wahren und sich in keinem Fall sozusagen von den
    bestehenden Gewerkschaften integrieren lassen.
    Und Sie können ja auch, falls es irgendwelche Rückzieher oder irgendwelche Schwierigkeiten gibt, bei dem Halten, bei dem Realisieren des Vereinbarungspakets, können Sie ja jederzeit wieder von Ihrem Streikrecht, das Sie jetzt verbrieft haben, Gebrauch machen.
    Das haben Sie auch schon angekündigt.
    Ein weiterer politischer Punkt, den Sie erwähnt haben, Frau Grunewe, waren die intellektuellen Dissidenten.
    Gibt es da schon konkrete Meldungen?
    Ist es da zu Freilassungen gekommen?
    Ja, es sind mehrere Leute bereits freigelassen worden, vor allem die Aktivisten Metz Korr, Jan Kowalski, Marek Kowalski und Marian Hojewski.
    Die beiden wohl bekanntesten, Jacek Huron und Adam Michnik, sollen heute um 12 Uhr Mittag, wenn's wahr ist, freikommen.
    Zu einem vielleicht persönlicheren Aspekt der Sache, haben Sie Kontakte mit betroffenen Arbeitern selbst?
    Wie ist denn die Stimmung unter den Arbeitern jetzt nach ihrem sicher großen Erfolg?
    Es hat zunächst eine sehr begeisterte, wenn man so will, Siegesfeier gegeben.
    Nach der Unterzeichnungsteremonie ist Vesic Valenza, der Chef des Streitkomitees, ans Werk gegangen und hat den Arbeitern gesagt, was erreicht worden ist.
    Er hat ihnen sehr offen gesagt, wir haben nicht alles erreicht, was wir wollen.
    aber doch alles, was möglich war.
    Und es hat einen enormen Jubel gegeben.
    Die Arbeiter haben das alte polnische Lied »Hoch soll er leben«, »Stolat, Stolat« gesungen, das sie auch beim Papstbesuch immer gesungen haben.
    Es ist nicht zu leugnen, dass es auch Enttäuschte gegeben hat.
    Das war aber eine Minderheit.
    Es ist ja einiges, wie gesagt, nicht durchgesetzt worden.
    Die Arbeiter haben, die Streikenden haben anerkennen müssen die führende Rolle der Partei.
    Darüber waren viele enttäuscht.
    Es war klar, dass dieser Punkt ganz einfach nicht zu umgehen war.
    Es ist außerdem akzeptiert worden, der sozialistische Charakter des polnischen Systems und seine Bündnisverpflichtungen und die neuen Gewerkschaften haben sich auch verpflichtet, dass sie nicht den Charakter von politischen Parteien annehmen wollen.
    Das führt mich zu der Frage nach der Person des Parteichefs Gierek selbst.
    Wie steht denn er jetzt da nach Abschluss dieser 18 Tage harter Verhandlungen?
    Er steht sicher gar nicht gut da.
    Es ist für die nächste Zeit ein weiteres Plenum des Zentralkomitees einberufen und es wird ja schon seit längerem kolportiert, dass seine Tage gezählt sind.
    Es ist aber nicht so, wie es vor einigen Tagen geheißen hat, dass sofort an seine Ablösung gedacht war.
    Es ist wohl so, dass Gerek momentan eine recht gute außenpolitische Position hat.
    Er ist ja im Westen
    sehr bekannte, hat gute Kontakte zu Giscard und zu Helmut Schmidt und ist außerdem das Symbol der Entspannungspolitik der Sowjetunion.
    Also eine Abservierung Jereks im Rahmen der schon geschehenen Unbesetzungen an der Führung kam nicht in Frage, aber es ist die einhellige Meinung hier in Polen, das kommt heute auch indirekt in den Zeitungen zum Ausdruck, und ganz deutlich in Gesprächen mit jedem, den man fragt, vom Intellektuellen bis zum Taxichauffeur,
    dass seine Ära zu Ende ist, wenn nicht die Jury, so doch de facto.
    Vielen Dank, Frau Grunowe.
    Ja, die polnische Führung wird sich ja wohl nicht zuletzt auch an der Bewältigung der nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen Probleme des Landes zu messen haben.
    Die Probleme, die ja der ursprünglich auslösende Faktor für die polnische Streikbewegung waren.
    Der Erfolg der Arbeiter und die immer noch zahlreichen offenen Fragen jetzt finden natürlich auch einen ersten Niederschlag in den Kommentaren der in- und ausländischen Presse.
    Edgar Sterbens hat die Auszüge aus dem bisher vorliegenden Material zusammengestellt.
    Das Spektrum der Reaktionen in den westlichen Zeitungskommentaren reicht vom Jubel über den größten Sieg unter einem kommunistischen System bis zur Skepsis über die Lebensfähigkeit des Kompromisses von Danzig.
    Im Westen erscheinende kommunistische Blätter sprechen von einem Fortschritt in der Demokratisierung des sozialistischen Systems in Polen.
    Die sowjetischen Medien erwähnen die zwischen dem Streikkomitee und der polnischen Regierung getroffenen Vereinbarungen mit keinem Wort.
    Die amtliche Nachrichtenagentur TASS wirft den Streikführern vielmehr vor, Verbindung zu antisozialistischen Elementen im Ausland zu haben.
    Die polnische Presseagentur PAP berichtet ausführlich über die Ereignisse vom Wochenende und schreibt unter anderem.
    Die Übereinkommen bedeuten einen Erfolg der polnischen Staatsräson.
    Es siegten Besonnenheit, Vernunft, politische Reife und guter Wille.
    Die Presseorgane in den meisten osteuropäischen Ländern berichten zwar über die Einigung zwischen Arbeitern und Regierung, geben aber dazu keinen Kommentar ab.
    Sogar die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet ausführlicher, indem sie erwähnt, dass es in Zukunft in Polen zwei Arten von Gewerkschaften geben werde, nämlich unabhängige und solche nach altem Muster.
    Die jugoslawische Presse begrüßt die Vereinbarungen von Danzig als realistische Lösung und das offizielse Organ der Führung in Belgrad, Borba, meint,
    Ein schwerer Konflikt, durch den ein Umsturz auf innenpolitischem Gebiet und die Infragestellung des Entspannungsprozesses drohte, ist beendet.
    Trotz der internationalen Implikationen sind die Erschütterungen in Polen Angelegenheit der Polen geblieben.
    Das Sprachrohr der größten kommunistischen Partei des Westens, die italienische Lunetta, merkt an.
    Der Kompromiss von Danzig lässt genügend Raum zur Schaffung eines Instruments der demokratischen Konfliktlösung.
    Und das nicht nur zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Arbeiter, sondern auch zur Entwicklung realer Freiheitsräume, um Wandlungen auf allen Gebieten durchzusetzen, die das wirtschaftliche und soziale Leben des Landes interessieren.
    Uns scheint, dass auch das Problem des Dissens die Notwendigkeit zeigt, Mechanismen der sozialistischen Demokratie unter demokratischer Mitbestimmung zu schaffen.
    Nur diese können dem Dissens die Existenzgrundlage nehmen.
    Und das Zentralorgan der kommunistischen Partei Frankreichs, L'Humanité, schreibt, Die Forderung nach allumfassender Demokratie ist keine leere Parole.
    Sie ist eine der Voraussetzungen für den Sozialismus.
    Es ist der Weg, den Polen einzuschlagen scheint.
    Der linksliberale Quotidien de Paris sieht im Ausgang des Kräftemessens zwischen Arbeiterschaft und Warschauer Regierung eine Niederlage des Kommunismus.
    Die polnischen Arbeiter haben genau im Namen von all jenem, was er verwehrt hat, vom Kommunismus Rechenschaft verlangt.
    Nämlich im Namen der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Menschenwürde.
    Seine Niederlage ist nicht nur politische und ideologische, sondern auch moralische Art.
    Daher wird sie unauslöschliche Spuren hinterlassen.
    Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos führt dazu aus.
    Die Ereignisse vom August 1980 könnten sich leicht wiederholen, wenn die Regierung nicht endgültig ihre Versprechen hält.
    Die Arbeiter, die jetzt mit dem Streikrecht über ein völlig legales Kampfmittel verfügen, haben bereits Farbe bekannt.
    Wenn die Zusagen nicht eingehalten werden, wird der Kampf wieder aufgenommen.
    Die Londoner Times kommentiert, dass die sowjetische Herrschaft über Osteuropa mit der Zeit zerbröckeln wird, ist offenkundig.
    35 Jahre lang hat sie die wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung dieses Gebietes gelähmt und die Unterstützung des Volkes nicht gewonnen.
    Im Liberalen Guardian liest man, In 17 Tagen hat Danzig das Antlitz Osteuropas verändert.
    Ein vermeintlich allmächtiges kommunistisches System wurde zu einem Zugeständnis gezwungen, das es niemals zu machen geschworen hatte.
    Die Fähigkeit der Arbeiter, den Staatsapparat zu demütigen, muss Brezhnev das Fürchten lehren.
    Die in Hamburg erscheinende Tageszeitung Die Welt nennt den Kompromiss von Danzig einen halben Sieg.
    Der halbe Sieg der Polen ist ein großer Sieg.
    Von nun an wird der Wunsch nach unabhängigen Gewerkschaften zwischen Rostock und Wladiwostok nicht mehr verstummen.
    Skeptisch über die getroffenen Vereinbarungen äußern sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung.
    Die Süddeutsche wirft die Frage auf.
    Wie soll das gehen?
    Staatlich gelenkte und unabhängige Gewerkschaften in einem kommunistischen Land gleichrangig nebeneinander?
    Noch steht vieles anscheinend nicht einmal auf dem Papier, ob die freien Gewerkschaften nur sozialpolitische Kompetenzen haben sollen oder ob sie auch bei der Planfestsetzung der Produktions- und Investitionslenkung mitreden oder gar ein Widerspruchsrecht gegen die Entscheidungen der staatlichen Wirtschaftsbürokratie haben sollen.
    Es liegt auf der Hand, dass das Kleingedruckte auch hier anders aussehen wird als die allgemeinen Absichtserklärungen.
    Und die Frankfurter Allgemeine stellt fest?
    Geklärt ist eigentlich nichts.
    Alle Formeln sind Dissens belastet und interpretationsbedürftig.
    Am Ende bestimmt das innere und äußere Kräfteverhältnis vor allem das Raffinement der sowjetischen Supermacht, was die Worte bedeuten.
    Skepsis klingt auch in einem Kommentar der Wiener Tageszeitung die Presse an.
    In der Kronenzeitung liest man zum Danziger Vertrag,
    Schon wanken die Barrieren der Zensur.
    Die Medien haben in den Krisentagen eine ehrliche Sprache gelernt.
    Das wird nicht so leicht zu vergessen sein.
    In Polen ist viel in Bewegung geraten.
    Für Gierek hat jetzt die Stunde der Wahrheit geschlagen.
    Im Kurier wird die Auffassung vertreten, dass das weitere Schicksal Polens wesentlich von der künftigen Haltung der Völkergemeinschaft abhängt.
    Der internationalen Gemeinschaft der Staaten in Ost und West ist aufgetragen, Polen durch Wirtschaftshilfe und Stundung von Krediten aus dem teils unverschuldeten ökonomischen Schlamassel herauszuhelfen, das eine der Ursachen der Krise war.
    Es war eine Krise, die auch damit hätte enden können, dass nicht nur Polen, sondern weit mehr noch verloren hätte gehen können.
    Friede und die letzten Reste der Entspannung.
    Und in den oberösterreichischen Nachrichten wird schließlich ein Bogen von Polen nach dem Westen gespannt.
    Bei allen Besonderheiten der polnischen Situation sollten die Ereignisse in Polen auch im Westen zum Nachdenken anregen.
    Sie haben den Beweis geliefert, dass jede Organisation, die sich allzu weit von ihrer Basis entfernt, sich in allzu großer Selbstgefälligkeit verliert, eines Tages Rechenschaft ablegen muss.
    Kopflastige und verbürokratisierte Gewerkschaften gibt es nicht nur in Polen.
    Edgar Sterbens sichtete erste Pressekommentare zum Arbeitererfolg in Polen.
    Zwei Minuten vor halb eins ist es und wir kommen zur Inlandsberichterstattung im Mittagsjournal.
    Konkret zur politischen Situation rund um Finanzminister und Vizekanzler Hannes Androsch.
    Der Vizekanzler steht ja seit Beginn der Affäre rund um das Allgemeine Krankenhaus im Kreuzfeuer der Kritik.
    Insbesondere durch den Umstand, dass seine Steuerberatungskanzlei Consultatio immer wieder in Zusammenhang mit einer Reihe von AKH-Firmen gebracht wird.
    Bundeskanzler Kreisky ließ aus seinem Urlaubsort Mallorca zunehmend Unmut über diese Querverbindungen hören
    und verteidigte seinen Finanzminister bei der Sondersitzung des Nationalrats nur mit ganzen 14 Zeilen.
    Ein Interview mit Bundeskanzler Kreisky in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift Profil macht noch deutlicher als bisher, dass er mit Androsch praktisch politisch gebrochen hat.
    Eine Entscheidung, so Kreisky im Profil, müsse bald getroffen werden.
    Hören Sie dazu folgenden Bericht von Johannes Fischer.
    Finanzminister Vizekanzler Hannes Androsch vollendet in diesen Minuten seinen diesjährigen Vortrag beim Wirtschaftsforum Alpbach in Tirol.
    Der Titel seiner Rede, Wirtschaftskrise in den 80er Jahren.
    Es wird voraussichtlich der letzte Vortrag des Hannes Androsch sein, den er in seiner Eigenschaft als Finanzminister vor dem erlauchten Alpbacher Publikum hält.
    Die Krise, die Hannes Androsch sicher nicht zu Unrecht in der wirtschaftlichen Entwicklung ortet, ist zunächst einmal in der praktisch-politischen Gegenwart seine eigene.
    Mit großer Wahrscheinlichkeit schon heute in einer Woche, wenn die Regierungsmitglieder zu einer Klausurtagung und zwei Tage später die SPÖ-Spitzen zu einem Präsidium und einem Parteivorstand zusammentreten, wird die Entscheidung über Österreichs längst gedienten Finanzminister fallen.
    In Kreisen der Regierungspartei besteht kein Zweifel über ihren Ausgang.
    Hannes Androsch wird nach mehr als zehn Jahren Regierungstätigkeit sein Amt verlassen.
    Jede andere Variante ist zwar ebenso denkbar, würde aber, darüber besteht ebenfalls kein Zweifel, zu einer noch schwereren Partei- und Regierungskrise führen, als man dies ohnehin jetzt schon zu prognostizieren imstande ist.
    Damit andere steht nicht irgendein Politiker aus dem Kabinett Kreisky, sondern jener Mann, der in den ersten Jahren noch in engster Zusammenarbeit mit dem Regierungschef selbst, später aber praktisch allein, die Wirtschaftspolitik der Regierung maßgeblich bestimmt hat, maßgeblich auch am Erfolg dieser Wirtschaftspolitik in den letzten zehn Jahren seinen Anteil hat.
    Selbst die schärfsten Kritiker des Vizekanzlers, etwa der jetzige Nationalbankpräsident Stefan Corin, mussten einräumen, dass es Andros jedenfalls gelungen war, in der Zeit nach dem Ölschock und schwerer Wirtschaftsprobleme in ganz Europa, auf der Insel der Seligen eine Vollbeschäftigungs- und Stabilitätspolitik durch rechtzeitiges Gegensteuern mit den Mitteln des Budgets durchzusetzen.
    Was auch immer die große Oppositionspartei an der Wirtschaftspolitik des Finanzministers zu kritisieren hatte, etwa das exorbitant hohe Budgetdefizit, die Höhe der Staatsverschuldung, den zunehmend kleiner werdenden Spielraum des Budgets, so musste ihr Sprecher Robert Graf trotzdem im Parlament einräumen.
    Man hätte seitens der ÖVP auch nur in einem marginalen Spielraum andere Akzente setzen können.
    Dazu kommt noch etwas.
    In den letzten Jahren, in denen Bundeskanzler Kreisky sich zu einem Gutteil seiner Rolle als profilierter Außenpolitiker, gelegentlich auch Vermittler bei internationalen Krisen widmete, laserte die ganze Verantwortung der Alltagsarbeit in der heimischen Innenpolitik zu einem hohen Ausmaß in der Wiener Himmelpfortgasse.
    Noch nie dürfte es in der Regierungspartei und für Bundeskanzler Kreisky so schwer gewesen sein, wie diesmal einen entsprechenden Nachfolger für Hannes Androsch zu finden.
    Dass einer gefunden werden muss, liegt seit mehr als zwei Jahren nicht in der Politik des Vizekanzlers, sondern in seinen privaten Verhältnissen begründet.
    Als der damals 29-jährige Hannes Androsch 1969 ins Parlament einzog und ein Jahr später zum jüngsten Finanzminister der Republik aufstieg, schien seine Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder für niemanden ein Nachteil.
    Auch nicht für Bundeskanzler Bruno Kreisky.
    Erst rund sieben Jahre später, als die Medien den Aufstieg der Steuerberatungskanzlei Consultatio nachzeichneten und die Genossen in der SPÖ sich am Leider-Nein-Millionär Hannes Androsch stießen, ist die Privatfirma des Vizekanzlers ständiger Stein des Anstoßes und ständiger Grund einer dauernden Entfremdung zwischen Bundeskanzler Kreisky und seinem Finanzminister.
    Dem Kanzler war und ist die Verquickung von privatem Geschäft und Politik die auch nur andeutungsweise Möglichkeit von gegenseitigen Verbindungen immer zutiefst zuwider, wobei des Kanzlers Verärgerung immer deutlicher auch an die Öffentlichkeit drang.
    Das erste Mal 1978, vor fast genau zwei Jahren, als Vizekanzler Hannes Androsch sogar im Zuge der Zeitungsberichte über die Consultatio seinen Rücktritt anbot.
    Kreisky akzeptierte damals ebenso wenig wie den Androsch-Wunsch, in das Präsidium der Nationalbank zu übersiedeln.
    Ein Wunsch des Vizekanzlers übrigens, der den Kanzler weiter stark verärgert hat.
    Diverse Unvereinbarkeitsregelungen im Zusammenhang mit der Consultatio, aber auch eine erst im heurigen Frühjahr geschaffene Treuhandregelung für diese Firma konnten den Konflikt zwischen Kreisky und Androsch nur überzünchen, nicht aber beseitigen.
    Nun sind die Dinge offensichtlich so weit gediehen, dass nur mehr über den Zeitpunkt, nicht mehr über die Tatsache eines Androsch-Rücktritts selbst gerätselt wird.
    Bundeskanzler Kreisky wird voraussichtlich den Androsch-Rücktritt zu einer großen Regierungsumbildung nützen.
    Nachfolger des Finanzministers dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Innenminister Erwin Lanz werden.
    Sozialminister Weißenberg möchte sein Amt aus Gesundheitsgründen verlassen.
    Ihm wird voraussichtlich Alfred Dallinger, Chef der größten Einzelgewerkschaft der Privatangestellten, nachfolgen.
    Als Vizekanzler ist Unterrichtsminister Fred Sinowatz im Gespräch, der allgemein als Übergangskandidat gilt.
    Auch Verteidigungsminister Rösch hat ebenso wie Handelsminister Staribacher gewisse Amtsmüdigkeit anklingen lassen.
    In der SPÖ selbst drängt man nun auf rasche Lösung.
    Auch dort, wo Androsch bisher seinen stärksten Rückhalt hatte, im Gewerkschaftsbund.
    Bautenminister und Metaller Gewerkschaftschef Sekanina warnt davor, es dürfe in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, die Regierung hätte die Dinge nicht mehr im Griff.
    Jetzt müsse in den Parteigremien diskutiert werden und eine klare Entscheidung so rasch wie möglich getroffen werden.
    Ein Mann allerdings könnte unter Umständen die Situation noch einmal verändern.
    Die Antwort von ÖGB-Präsident Anton Benja zum Thema Androsch steht aber noch aus.
    wird die Budget-Rede im Oktober schon ein neuer Finanzminister halten.
    Johannes Fischer stellte den derzeitigen Stand der Diskussion um diese Frage dar und er hat es in seinem Beitrag auch schon erwähnt, Finanzminister Andrusch war sicher auch das inoffizielle Hauptgesprächsthema bei den diesjährigen Wirtschaftsgesprächen in Albach.
    Und es ging bei all den Privatgesprächen und Kaffeesatzlesereien erstaunlicherweise nicht so sehr um die Frage, ob Andrusch geht,
    sondern, wie ein prominenter Seminarteilnehmer es formulierte, wann er aus der Politik ausscheiden würde.
    Speziell nach dem Kreisky-Interview im Profil erwartete man mit Spannung daher den Vortrag des Finanzministers, wobei bis zur letzten Minute die Frage gestellt wurde, ob er auch tatsächlich kommen würde.
    Androsch kam und wollte sprechen.
    Vom Vortrag selbst berichtet nun Michael Kerbler direkt aus Alpbach.
    Als Vizekanzler Androsch auf dem Weg zum Podium war, kam es zu einem unerwarteten Zwischenfall.
    Aus den hinteren Reihen erschallten Buhrufe, vor allem von jüngeren Seminarteilnehmern.
    Zwischen dem Beginn der Rede Androschs und dem Vorfall lagen dann wenige Sekunden, in denen man trotz hunderter Teilnehmer in dem Saal eine Stecknadel hätte fallen hören können.
    Souverän überging Androsch diese Zwischenrufe und konzentrierte sich dann auf das Thema die Wirtschaftskrise in den 80er Jahren.
    Im Mittelteil der Rede ging der Finanzminister auf die gegenwärtige wirtschaftliche Lage Österreichs ein und skizzierte unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage folgendes Bild.
    Im ersten Halbjahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt um gut 5,5%.
    Die Arbeitslosenrate sank im Zeitraum Jänner bis Juli auf durchschnittlich 1,9% und erreicht damit Tiefstwerte, wie sie nur in den Boomjahren von 1974 verzeichnet wurden.
    Mit 6 Prozent stiegen die Verbraucherpreise in dieser Periode um 2,5 Prozentpunkte stärker als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, was international gesehen noch immer ein günstiger Wert ist.
    Der Anstieg ist zu 1,5 bis 2 Prozentpunkten auf die Ölteuerung und zu einem halben Prozentpunkt auf die Erhöhung des Goldpreises zurückzuführen.
    Auch bei uns scheint der Höhepunkt der Teuerung überschritten zu sein.
    Stark angestiegen ist allerdings auch das Außenhandelsdefizit mit 54 Milliarden, lag es in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres um 19 Milliarden Schilling höher als im Vorjahr.
    Um das Bild zu vervollständigen, wies der Finanzminister dann auf die Tatsache hin, dass im ersten Halbjahr 1980 die Österreicher für den Privatkonsum um 19 Milliarden Schilling mehr ausgaben als noch vor einem Jahr.
    Beachtliche 10 Milliarden Schilling davon flossen ins Ausland.
    Androsch?
    Diese Entwicklungen führten zu einem außen- und binnenwirtschaftlichen Ungleichgewicht.
    höhere Nachfrage nach ausländischen Konsumgütern, die steigenden Investitionen, die zur Strukturverbesserung sicherlich beitragen, aber die sich ebenfalls zunächst in steigenden Importen niederschlagen und das Konjunkturgefälle zum Ausland haben zu einem Einfuhrsog geführt, mit dem die Exporte trotz einer durchaus befriedigenden Entwicklung
    nicht Schritt gehalten haben.
    Als Erfolg stricht dann der Finanzminister heraus, dass das Budgetdefizit für 1980 mit weniger als 30 Milliarden Schilling unter dem entsprechenden Voranschlag bleiben werde.
    Androsch, der sich an eine durchkonzipierte Rede hielt, wich nur selten vom vorliegenden Text ab.
    Mit Interesse wurden daher Abänderungen registriert.
    Etwa, statt, der restriktive Budgetkurs wird im nächsten Jahr verstärkt fortgesetzt werden, las Androsch, wird verstärkt fortzusetzen sein.
    Für das Jahr 1981 will die Bundesregierung laut Andros das Defizit auf 25 Milliarden Schilling drücken.
    Dazu seien aber noch zusätzliche Maßnahmen notwendig, ergänzte der Vizekanzler.
    Wir können auf Dauer nicht mehr nachfragen, als wir insgesamt erzeugen.
    Daraus folgt, dass der stabilitäts- und außenwirtschaftlich orientierte Wirtschaftskurs fortgesetzt werden muss.
    Das bedeutet, den Hartwährungskurs zu erhalten, hat aber auch die unangenehme, aber notwendige Konsequenz hoher Zinsen.
    Apropos Zinsen, Androsch, der dann im Vortrag auf die weltwirtschaftlichen Aspekte näher einging, wird aller Wahrscheinlichkeit nach am Nachmittag gemeinsam mit Notenbankchef Stefan Koren an einer Sitzung jener Bankmanager teilnehmen, die, was das Zinsniveau in Österreich angeht, das Sagen haben.
    Ob es in Alpbach am Rande der Wirtschaftsgespräche zu einer Klärung der unbefriedigenden Zinsensituation in Österreich kommen wird, bleibt abzuwarten.
    Finanzminister Andros bei den Altbacher Wirtschaftsgesprächen Michael Kerbler berichtete.
    Seit 10 Uhr Vormittag tagt heute wieder der parlamentarische AKH-Untersuchungsausschuss.
    Er setzt seine Tätigkeit mit der Einvernahme führender Persönlichkeiten von ITT Austria, dem internationalen Elektronikkonzern, fort.
    Es sind der Verkaufsdirektor Selniczek, dessen Einvernahme bereits abgeschlossen ist, der jetzige Generaldirektor Hainisch und dessen Vorgänger Meier, derzeit Präsident der Industriellenvereinigung.
    Selniczek und Meier befinden sich ja bekanntlich in Untersuchungshaft.
    Mit den bisher vorliegenden Einzelheiten meldet sich aus dem Parlament jetzt Erich Aichinger.
    Es muss wohl eine gewisse Spannung im Thema selbst sein.
    Aber in jüngster Zeit gibt es kaum eine Sitzung des Parlamentarischen AKH-Untersuchungsausschusses, bei der sich nicht die Gemüter erhitzen.
    Heute an der Frage, ob während der Ausschussberatungen zwei Mitglieder einer Fraktion, nämlich konkret die ÖVP-Abgeordneten Kohlmeier und Steinbauer, eine Pressekonferenz veranstalten dürfen oder nicht.
    Sozialisten wie Freiheitliche gaben sich darüber befremdet, unterbrachen die Ausschusssitzung, hörten bei den Ausführungen der Volkspartei zu und gaben dann selbst Presseerklärungen ab.
    An sich versprach der heutige Tag einige Brisanz.
    Es ist der Tag des Elektronikkonzerns ITT.
    Geladen sind Direktor Erich Zelnitschek seit 16.
    Juli in Untersuchungshaft,
    Und am Nachmittag der derzeitige ITT-Generaldirektor Edmund Heinisch und danach dessen Vorgänger im ITT-Chefsessel Fritz Mayer, inzwischen Präsident der Industriellenvereinigung.
    Fritz Mayer seit 26.
    August in Untersuchungshaft und im Spital zur Beobachtung.
    Worum geht es dabei?
    Um Schmiergeldzahlungen, die ITT angeblich geleistet hat.
    Um, rechnet man die deutsche Schwesterfirma Standard Elektronik dazu, beim AKH fast 400 Millionen Schilling Aufträge an Land zu ziehen.
    Die Rede ist von 14 Millionen Schilling, die an die lichtensteinischen Briefkastenfirmen des verhafteten AKP-Direktors Winter als Provision gingen.
    ITT bestreitet ein Schwarzgeldkonto.
    Interner Widerspruch.
    Direktor Zelnitschek habe 1974 vom damaligen ITT-Chef und jetzigen industriellen Präsidenten Maier für gute Geschäftsabwicklung 400.000 Schilling im Kuvert erhalten.
    Maier bestreitet dies.
    In der heutigen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Profil wird dazu festgehalten, dass sich Zelnitschek bei seiner Belastung Meiers und Heinischs bei fünf Einvernahmen durch die Untersuchungsrichterin in Widersprüche verwickelt habe.
    Zitat Profil, ITT-Direktor Erich Zelnitschek, er brachte möglicherweise nach Beeinflussung von außen die Schwarzgeldtheorie ins Spiel, für die es keine Beweise gibt.
    Und dann Fußnote,
    Zelnitschek änderte während seiner Untersuchungshaft seine gerichtliche Aussage mehrere Male.
    Zu Beginn sprach er von reellen Geschäften, dann deutete er Schmiergeldzahlungen an und zuletzt brachte er die Schwarzgeldvariante ins Spiel.
    Zelnitscheks privater Anwalt ist Dr. Gustav Teicht.
    Gustav Teicht war heute im Übrigen wegen Urlaubs nicht erreichbar.
    Offiziell gibt es dazu noch keine Darstellung aus dem AKH-Ausschuss, was Zelnitschek ausgesagt hat.
    Es sickerte allerdings durch, er sei, was das 400.000 Schilling-Couvert anlangt, möglicherweise von der Untersuchungsrichterin missverstanden worden.
    Außer Streit steht, dass mit den Stimmen aller drei Fraktionen heute im Ausschuss ein ÖVP-Antrag angenommen wurde, nämlich alle Verbindungen zwischen der Steuerberatungskanzlei von Finanzminister Androsch, Consultatio und anderen Firmen im AKH-Bereich zu untersuchen und Androsch zu einem späteren Termin zu laden, beauftragt mit den Untersuchungen die Wirtschaftspolizei.
    Schlussfolgerungen des ÖVP-Abgeordneten Kohlmeier über den Anlassfall hinaus
    Vor uns steht jetzt schon folgende Frage.
    Wenn das alles Behörden gemacht haben, dann ist zweifellos, wie sie richtig sagen, die Frage der Amtshaftung zu beantworten.
    Aber hier haben wir es ja so, dass die Behörden, die Ämter, die Beamten nicht selbst agiert haben, sondern unter dem Titel, die Manager machen das, die schaffen alles, den Mantel
    des Handelsrechts gewählt haben und dass hier Leute über Milliarden verfügt haben, die nicht unter dem unmittelbaren rechtlichen Korsett des Verwaltungsrechts, der Verantwortung etwa als Inhaber eines öffentlichen Amtes stehen.
    Und das darf aber für mich nicht bedeuten, dieses Abtreten an die Kapitalgesellschaft, dass Minister und Politiker einerseits ihre Verantwortung ablehnen, von Wirtschaftskriminalität reden und womöglich dann die dort agierenden Aufsichtsräte und Vorstände, obwohl sie ein öffentliches Amt in einem höheren Umfang als etwa ein Landeshauptmann von Vorarlberg innehatten,
    finanziell gesehen, auch sich entziehen unter dem Titel, es ist ja nur im Bereich, nur unter Anführungszeichen der Wirtschaft geschehen.
    Es hat aus einem ganz wesentlichen präventiven Charakter diese Frage, meine sehr verehrten Herren.
    Wenn die öffentliche Hand darauf übergeht,
    Tätige Großprojekte, wo es um ungeheure Gelder geht, auf die Firmenebene zu verlagern und dann sagen, was dort geschieht, da haben halt vielleicht irgendwelche Leute Wirtschaftskriminalität begangen, werden wir die Dinge nicht in den Griff bekommen, wenn wir diesen Skandal noch so gut aufklären.
    Der freiheitliche Parteiobmann und Ausschussobmann Steger, eine Pressekonferenz im Parlament 50 Meter vom Untersuchungsausschusslokal entfernt, ist eine prinzipielle Frage.
    Damit muss sich die Präsidialsitzung befassen.
    Dass im Ausschuss gebremst werde, dass kostbare Zeit verloren gehe, hatte am Freitag die ÖVP angekreidet, als SPÖ-Fraktionsführer Hobl die Frage aufgeworfen hatte, ob nicht zwei ÖVP-Abgeordnete im Ausschuss befangen seien.
    Der sozialistische Fraktionsführer Hobel heute in der Sache zum einstimmig angenommenen ÖVP-Antrag, nämlich alle Details des Vertrages zwischen ABO und AKPE und allenfalls Hinweise auf Parteienfinanzierung untersuchen zu lassen, alles im Zusammenhang mit der Steuerberatungsfirma des Finanzministers Consultatio,
    Andros habe, so Hobel, im Plenum viel präzisere, viel konzisere Aussagen gemacht, als aus allen Zeugenaussagen bisher im Ausschuss hervorgegangen sei.
    Und damit wieder zurück zum Studio des Mittagschannals.
    Erich Eichinger berichtete von der Sitzung des AKH-Untersuchungsausschusses.
    Und dazu ein vielleicht nicht ganz unpassender Programmhinweis, die Ö3-Musicbox steht heute im Zeichen des Themas Politik und Moral.
    Die Musicbox-Redakteure haben dazu Politiker und mit Politik befasst befragt und die Antworten sind heute um 15.05 Uhr in der Ö3-Musicbox zu hören.
    Politik und Moral.
    Für mindestens die halbe Bevölkerung Österreichs ist allerdings dieser bzw.
    der nächste Montag
    Aus ganz anderen Gründen wesentlich dramatischer als alles, was rund um das AKH vorgeht.
    In Ostösterreich beginnen heute die Schulen wieder ihren Betrieb, im Westen dauern die Ferien noch eine Woche länger.
    Und mit Beginn der Schule beginnt auch wieder der Streit darüber, nach welcher Methode die Kinder am besten unterrichtet werden sollten.
    Der nur vorübergehend beigelegte scheinende Streit um die integrierte Gesamtschule oder neue Mittelschule, wie die SPÖ jetzt dazu sagt, feiert pünktlich mit Schulbeginn wieder fröhliche Urständ sozusagen.
    Zu Beginn der Ferien hat sich die SPÖ über ihren Schulsprecher schnell zu diesem Thema zu Wort gemeldet.
    Zu Ende der Ferien waren es heute ÖVP und FPÖ.
    Wilfried Seifert fasst zusammen.
    Das Schuljahr 80-81 beginnt natürlich mit dem gleichen Thema, mit dem das Schuljahr 79-80 endete.
    Das Thema heißt Schule für die 10- bis 14-Jährigen und das bedeutet Glaubenskrieg um die Begriffe Unterstufe der Gymnasien und Realgymnasium, integrierte Gesamtschule, neue Mittelschule, neue Hauptschule.
    Im Frühjahr haben sich ja die Parteien zunächst grundsätzlich geeinigt, die Schulversuche für die 10- bis 14-Jährigen gehen in zwei Jahren unwiderruflich zu Ende.
    Bis dahin müssen die gemeinsam als positiv erkannten Ergebnisse in das sogenannte Regelschulsystem übertragen sein.
    Allgemein als positiv erkannt wurde vor allem die Unterteilung jeder Klasse in den drei Fächern Deutsch, lebende Fremdsprache, also meist Englisch und Mathematik in drei Leistungsgruppen.
    Positiv für wen ist die verbleibende Streitfrage.
    Trotz des im Frühjahr erreichten Kompromisses meldete sich zu Ferienbeginn SPÖ-Schulsprecher schnell zu Wort und kündigte eine Kampagne der SPÖ zur Einführung der neuen Mittelschule an.
    Das ist jene uralte bildungspolitische Forderung der SPÖ, die unter dem Namen
    integrierte Gesamtschule bekannt wurde.
    Der politische Reiz liegt im Wort Gesamt.
    Eine Gesamtschule, die diesen Namen zurecht trägt, erfasst einheitlich alle Gleichaltrigen.
    Die einzige Gesamtschule, die es je gab, ist ja eigentlich die Volksschule.
    Aus dieser Überlegung heraus auch das Hauptargument der ÖVP, die integrierte Gesamtschule in diesem Sinn wurde eigentlich nie ausprobiert.
    Auch der vordergründige Namenswechsel in neue Mittelschule ändert nichts daran, dass diese positiven Ergebnisse nur für die Hauptschule Geltung hätten und daher auch nur dort eingeführt werden könnten.
    Daneben aber müsste die Langform der Gymnasien oder Realgymnasien auf jeden Fall erhalten bleiben.
    Auch die SPÖ weiß bei allem politischen Wollen, dass sie ihr traditionelles Ziel unter dem Namen Neue Mittelschule oder Integrierte Gesamtschule in absehbarer Zeit nicht erreichen wird können, weil ohne die ÖVP aufgrund der vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit im Parlament eben nichts geht.
    Schulsprecher Schnell könnte sich daher als Kompromiss vorstellen, dass die verschiedenen Schulformen zwar theoretisch weiter nebeneinander existieren und praktisch aber bis hin zu den Lehrplänen identisch sind.
    Ein Kompromiss, von dem ÖVP-Schulsprecher Karl Stahler nichts hält.
    Das ist eigentlich eine ganz bemerkenswerte Inkonsequenz aus Schulversuchen, die wir über viele Jahre hin gemacht haben.
    Eines haben die Schulversuche eindrucksvoll bewiesen, mit dem gleichen Lehrplan für alle 10- bis 14-Jährigen, für die größte Gruppe der praktisch, musisch, technischen Begabten, für die etwas kleinere Gruppe der theoretisch, sprachlich Begabten.
    und für jene Gott sei Dank kleinste Gruppe, die aus vielerlei Gründen Störungen aufzuweisen hat, wenig Leistungsvermögen zeigt, angesichts dieser Situation den gleichen Lehrplan zu fordern, wäre ein bildungspolitischer Rückschritt.
    Karl Stahler sieht überhaupt relativ wenig Möglichkeiten für weitere Kompromisse, theoretisch art, wohl aber praktischer Natur.
    Es ist nicht möglich,
    gleichzeitig zu vereinheitlichen und gleichzeitig Vielfalt zu erhalten.
    Das ist nicht eine Frage der Kompromissbereitschaft, das ist eine Frage der Logik.
    Aber ich bin sicher, dass man vielleicht Wünsche, die vonseiten unserer Bildungsparten angemeldet werden, wird realisieren können.
    Etwa Wünsche, die darauf hinabzielen, dass man sagt, wir müssen auch noch etwas tun, um für den 10- bis 14-jährigen Übergangsmöglichkeiten zu schaffen.
    Dabei wird in dieser Diskussion gerne übersehen, dass das Problem Einheitlichkeit gegen Vielfalt vor allem für die größeren Städte gilt, da in kleineren Orten ja oft und oft die Auswahlmöglichkeit gar nicht besteht und nur durch lange Fahrzeiten erkauft werden kann.
    Davon ausgehend meint etwa der Klubobmann der FPÖ im Wiener Rathaus, Erwin Hirnschall, der sich heute gleichfalls zu Schulbeginn zu Wort meldete.
    Meiner Meinung nach ist es auch in dieser Frage richtig, wenn die Partei einen möglichst liberalen Standpunkt einnimmt
    und es den Eltern ermöglicht, im Interesse ihrer Kinder jene Wahl zu treffen, von der sie glauben, dass sie die richtige ist.
    Das heißt also, dass man die bewährten bisherigen Schulformen nicht antasten soll, dass es aber sicherlich die Möglichkeit geben soll, dass neue Schulformen, wenn sie hinlänglich erprobt sind, ebenfalls als Angebot zur Verfügung stehen sollen.
    Aber zusätzlich?
    Zusätzlich und nicht ausschließlich und das ist ein großer Unterschied.
    Wie so oft in solchen Fällen überlagert dieser Streit um Organisationsformen der Schule die vielleicht wesentlich wichtigere Debatte um Probleme der inneren Schulreform.
    Probleme, die halt politisch nicht ganz so griffig sind.
    Die Diskussion um die österreichischen Schulsysteme der Zukunft dauert also an, Wilfried Seifert berichtete acht Minuten vor eins zur Kulturberichterstattung im Mittagsschornal.
    Heute beginnen die 30.
    Berliner Festwochen, die bis zum 6.
    Oktober dauern werden.
    Der Schwerpunkt ist dieses Jahr das Werk Igor Stravinskis.
    Die Moskau Kammeroper, das New York City Ballett, die New Yorker Philharmoniker, das Orchestre de Paris, die Londoner Symphoniker und natürlich die Berliner Philharmoniker bilden die musikalischen Höhepunkte des Programms.
    Gestern schon wurde in der Akademie der Künste eine Ausstellung über Stravinsky eröffnet.
    Am Mittwoch findet in der Philharmonie eine Festakademie unter dem Motto Opus Stravinsky 30 Jahre Berliner Festwochen statt.
    Mit dem Leiter der Berliner Festwochen, Dr. Ulrich Eckhardt, sprach Lothar Wichert.
    Ernst Reuter nannte die ersten Berliner Festwochen ein gewagtes Unternehmen.
    Herr Dr. Eckart, dazwischen liegen nun 30 Jahre und die Festwochen unterlagen vielfältigen Funktionsänderungen.
    Zunächst war da der Anspruch einer Stadt, Schaufenster der freien Welt zu sein, Vitalität zu demonstrieren.
    Jetzt, 30 Jahre später, was würden Sie sagen, wo sind die Festwochen angekommen?
    Die Berliner Festwochen haben immer sehr viel zu tun gehabt, und das unterscheidet sie von anderen Festspielen, mit der politischen Situation der Stadt.
    Es ist zwar festzuhalten, dass man mit den Festwochen keine Politik macht, aber sie kann sich gerade in diesem Platz nicht davon lösen.
    So kam es zu den verschiedenen Stadien in dieser ja noch kurzen Geschichte, 30 Jahre Berliner Festwochen.
    Zu Beginn ging es darum, die Stadt nach der Katastrophe und nach der Nazidiktatur wieder beginnen zu lassen, an dem, wo es aufgehört hatte, bei den 20er und 30er Jahren nämlich eine Metropole zu sein, an der entscheidende avantgardistische Entwicklungen begonnen hatten.
    Daran wurde angeknüpft.
    Gerhard von Westermann stand dafür und wichtig war, dass man damals diese Arbeit ja auch noch in die Richtung des Ostens transportieren konnte.
    Es war ja ein freier Zugang möglich.
    Danach wurden die Festwochen dann benötigt, um Berlin vor der Isolation, vor der geistigen künstlerischen Isolation zu schützen.
    Dafür stand ganz besonders der Name von Nikolaus Nabokov, der eine ganz starke internationale Entwicklung eingeleitet hat für die Festwochen und auch solche Dinge wie die außereuropäische Kultur hinzugefügt hat.
    Dann kam wiederum jetzt die Phase und in der befinden wir uns und an der arbeite ich persönlich auch mit, nämlich die Festwochen einzubeziehen in die neue Stadtpolitik, die es ja jetzt auszubauen gilt.
    Das heißt, dass die Festwochen ihren Anteil nehmen müssen daran, eine Rolle für die Stadt zu finden, die ganz besonders eben kulturell orientiert sein muss.
    Um zu den Festwochen 1980 zu kommen, Herr Dr. Eckart, es gibt ja verschiedene Arten, Festivalpolitik zu machen, festliche Ereignisse zu bündeln, Sie erwähnten Stadtpolitik, oder die Festwochen unter ein Thema zu stellen.
    Wir hatten 20er Jahre Zirkusnaturalismus Liebermann zuletzt und in diesem Jahr ist das Stravinsky.
    Das Pariser Herbstfestival hat sich auch diesen Schwerpunkt gewählt.
    Ist das eine bewusste Kooperation?
    Das ist eine bewusste Kooperation, also eine europäische Zusammenarbeit.
    Sie sollte ursprünglich sogar noch andere europäische Großstädte und Metropolen erfassen, aber mit Paris ging es besonders gut.
    Sie wissen ja, dass wir da lange Beziehungen haben mit dem Pariser Herbstfestival, schon damals mit diesem großen Unternehmen Paris Berlin.
    Insgesamt haben natürlich die Beschäftigung auf der einen Seite mit 20er Jahren oder Gründerzeit oder wie nächstes Jahr Preußen.
    Das hat natürlich was mit der stadtpolitischen Überlegung zu tun, nämlich mit der Identifikation der hier lebenden Menschen mit ihrer Geschichte, mit ihrem eigenen Ort.
    Aber dem hinzufügen muss man stets den internationalen Aspekt, weil Berlin ja nicht sich selbst genug sein darf,
    sondern es muss ja sehen, dass es, und dazu hat es Anspruch und die Kraft auch, muss eine kulturelle Metropole in der Welt bleiben.
    Und deswegen ist es wichtig, zwischendrin dann solche Programme zu machen, wie Igor Stravinsky, der Weltbürger der Kunst par excellence, der mit den Großen seiner Zeit zusammengearbeitet hat und der auch eben Ost-West zusammengefügt hat,
    Aus diesem Grunde fängt ja das ganze Festival in diesem Jahr sehr programmatisch an.
    Damit, dass auf der einen Seite die Moskauer Kammer Oper Rex Progress aufführt und das New York City Ballett mit eben dem George Balanchine, der ja auch aus Russland stammt und in New York die Hochburg des Tanzes entwickelt hat.
    Dass also Balanchine eine Retrospektive der für ihn geschriebenen Ballette hierher bringt.
    Heute beginnen die 30.
    Berliner Festwochen und mit ihrem Leiter Dr. Ulrich Eckhardt sprach Lothar Wichert.
    Drei Minuten vor eins jetzt noch einmal ins Nachrichtenstudio zum Wichtigsten in Kürze.
    Österreich.
    Der parlamentarische AKH-Untersuchungsausschuss vernimmt heute führende Manager der Firma ITT.
    Auf Antrag der ÖVP wurde einstimmig beschlossen, alle Verbindungen zwischen der Androsch-Steuerberatungskanzlei Consultatio und den Firmen zu untersuchen, die am Bau des allgemeinen Krankenhauses beteiligt sind.
    Androsch soll zu einem späteren Zeitpunkt vorgeladen werden.
    Der ÖVP-Abgeordnete Kohlmeier betonte, die Politiker dürften sich der Verantwortung auch nicht entziehen, wenn die öffentliche Hand derartige Großprojekte auf Privatfirmen verlagere.
    Finanzminister Androsch hat in Alpbach die Fortsetzung der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik angekündigt.
    Androsch hob die gute Lage der österreichischen Wirtschaft hervor, gab aber zu bedenken, dass die Exporte nicht mit dem Einfuhrsog Schritt gehalten hätten.
    Polen.
    Nach dem 18-tägigen Streik sind heute etwa 250.000 Arbeiter an der Ostseeküste wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt.
    Die polnische Parteizeitung Tribunaludu bezeichnet das zwischen der Regierung und den Streikenden ausgehandelte Abkommen als klug und vernünftig.
    Die Regierungszeitung Sicier Warszawy erklärt, die Vereinbarung solle die Fehler der Vergangenheit korrigieren und Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Bindungen zwischen Gesellschaft und Behörden schaffen.
    Sowjetunion.
    Die Nachrichtenagentur TASS hat die in Polen erzielten Vereinbarungen bisher nicht gemeldet.
    Die Parteizeitung Pravda schreibt, die Krise in Polen habe eine Grenze erreicht, von der an sie nicht mehr toleriert werden könne.
    Deutsche Demokratische Republik.
    Auch die Medien in der DDR haben die Einigung in Polen nicht kommentiert.
    Sie setzen damit die seit Beginn der Krise eingehaltene Linie fort.
    Das tschechoslowakische Fernsehen hat die Wiederaufnahme der Arbeit an der polnischen Ostseeküste gemeldet.
    Über den Inhalt des erzielten Abkommens wurden aber keine Angaben gemacht.
    Jugoslawien.
    In den jugoslawischen Medien wird die polnische Vereinbarung dagegen als Sieg für die Arbeiter gewertet.
    In einem Kommentar der Nachrichtenagentur Taniuk heißt es, die polnischen Arbeiter hätten eine neue Form sozialistischer Demokratie errungen.
    Und diese Kurznachrichten waren der gewohnte Schlusspunkt im Mittagsschanal, durch das sie heute Werner Löw geführt hat.
    Einen angenehmen Tag noch und auf Wiederhören.
    Das war's für heute.

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Polen: Details über Abkommen zwischen Regierung und Arbeitern
    Mitwirkende: Coudenhove-Kalergi, Barbara [Gestaltung] , Löw, Werner [Moderation]
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Ort: Warschau [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Medien und Kommunikation ; Wissenschaft und Forschung ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Vortrag von Vizekanzler Androsch in Alpbach zu Wirtschaftsfragen
    Einblendung: Vizekanzler Androsch
    Mitwirkende: Kerbler, Michael [Gestaltung]
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Ort: Alpbach [Veranstaltungsort]
    Schlagworte: Politik ; Politik Österreich ; Gesellschaft ; Medizin ; Kultur ; Medien und Kommunikation ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    AKH-Skandal - Untersuchungsausschuss berät über ITT-Zahlungen, Pressekonferenz der ÖVP, Presseerklärungen von SPÖ und ÖVP
    Einblendung: ÖVP-Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender Kohlmaier
    Mitwirkende: Eichinger, Erich [Gestaltung] , Kohlmaier, Herbert [Interviewte/r]
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Ort: Wien, Parlament [Veranstaltungsort]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Politik ; Gesellschaft ; Medizin ; Medien und Kommunikation ; Wirtschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten
    Parteien nehmen Schulanfang zum Anlass für schulpolitische Erklärungen
    Einblendung: ÖVP-Schulsprecher Katschthaler, FPÖ-Abgeordneter Hirnschall
    Mitwirkende: Seifert, Wilfried [Gestaltung] , Katschthaler, Hans [Interviewte/r] , Hirnschall, Erwin [Interviewte/r]
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Schlagworte: Politik Österreich ; Gesellschaft ; Bildung ; Wissenschaft und Forschung ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Berliner Festwochen: Gespräch mit dem Leiter der Berliner Festwochen
    Interview: Dr. Ulrich Eckhardt
    Mitwirkende: Wichert, Lothar [Gestaltung] , Eckhardt, Ulrich [Interviewte/r]
    Datum: 1980.09.01 [Sendedatum]
    Ort: Berlin, Westberlin [Ort der Aufführung]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Kultur ; Wissenschaft und Forschung ; Musik ; E-Musik ; Bildende Kunst ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
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    Inhalt: Nachrichten

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    Titel Mittagsjournal 1980.09.01
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    Koller, Hellmuth [Regie]
    ORF [Produzent]
    Datum 1980.09.01 [Sendedatum]
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