Mittagsjournal 1988.11.07

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Die Zeit in fünf Sekunden ist es 12 Uhr.
    12 Uhr.
    Hier ist der österreichische Rundfunk.
    Grüß Gott sage ich Ihnen beim Mittag-Journal, Ilse Oberhofer führt Sie heute durch die Sendung und ich sage Ihnen gleich, was wir in Beiträgen bis 13 Uhr planen.
    Pressekonferenz von Außenminister Mock zu aktuellen politischen Fragen, natürlich nicht zuletzt auch zum EG-Thema.
    ÖVP-Justizsprecher Graf zur Öffentlichkeit beim Lukona-Parlamentsausschuss.
    Angebliche Südtirol-Atemtäter in Innsbruck festgenommen.
    Woche des Gedenkens an die sogenannte Reichskristallnacht vor 50 Jahren.
    Probleme im Landwirtschaftsbereich.
    Es werden zu viele Schweine gezüchtet.
    Ausland.
    Jahrestag der Oktoberrevolution in Moskau.
    Bonn.
    Bedenken der Freien Demokraten gegen eine Fusion von Daimler-Benz mit dem Airbus-Hersteller MBB.
    Und Bereich Wissenschaft und Kultur.
    Der Naturwissenschaftler, Nobelpreisträger und Philosoph Konrad Lorenz feiert heute seinen 85.
    Geburtstag.
    Demonstrationen in Wien gegen die Aufführung des Korsisi-Films Die letzte Versuchung Christi und Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch präsentieren Musiknovellen.
    Bei uns aber gibt es zunächst den Überblick in den Nachrichten, verantwortlicher Redakteur heute Josef Schweinzer, Sprecher Josef Knatek.
    Frankreich.
    Der Schnellzug Luxemburg-Paris ist am Vormittag im Bahnhof der Stadt A in Ostfrankreich entgleist.
    Mindestens neun Menschen sind ums Leben gekommen.
    Nach Angaben der französischen Feuerwehr wurden bisher fünf Verletzte geborgen.
    Die Ursache des Zugunglücks wurde bisher nicht bekannt.
    Österreich.
    Das Landesgericht Innsbruck hat über den Italien als Südtirol-Terroristen verurteilten Karl Ausserer die Untersuchungshaft verhängt.
    Ihm droht ein Strafverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel.
    In Untersuchungshaft genommen wurde auch die aus dem Unterinntal stammende Josef Gredler.
    Gredler soll Ausserer bei der Beschaffung von 115 Kilogramm Sprengstoff geholfen haben.
    Ausserer soll im vergangenen Mai an mehreren Anschlägen in Südtirol mitgewirkt haben.
    Der 55-Jährige ist in den 60er Jahren wegen angeblicher Beteiligung an Attentaten von einem Mailänder Gericht zu 24 Jahren Kerker verurteilt worden.
    Er flüchtete jedoch nach Österreich und lebt seither in Innsbruck.
    Einen Ansturm von Besuchern aus Ungarn erlebte heute Ostösterreich.
    Die Ungarn nutzten den arbeitsfreien Tag der Revolution in ihrer Heimat für ausgiebige Einkaufsfahrten.
    Auf der Verbindung Budapest-Wien kam der Autoverkehr ab Tatarbanja nur mehr im Schritttempo voran.
    Bis 10 Uhr Vormittag wurden am Grenzübergang Nickelsdorf mehr als 200 ungarische Autobusse in Richtung Wien gezählt.
    In Oberwart im Burgenland musste die Innenstadt für alle Fahrzeuge gesperrt werden.
    In zahlreichen Elektrogeschäften Ostösterreichs wurden Kunden nur noch blockweise eingelassen.
    Sowjetunion.
    Staats- und Parteichef Gorbatschow hat auf dem Routenplatz in Moskau die Militärparade zum 71.
    Jahrestag der Oktoberrevolution abgenommen.
    Zu beiden Seiten Gorbatschows standen auf der Tribüne des Lenin-Mausoleums-Ministerpräsidenten Ryzhkov und der Moskauer Parteichef Lev Saikov.
    Nach der Truppenbesichtigung warnte Verteidigungsminister Yasov vor einem Nachlassen der Entspannungsbemühungen.
    USA.
    Der sowjetische Bürgerrechtler Sakharov hat die Supermächte zur Zusammenarbeit aufgerufen.
    Nach der Ankunft in den USA sagte Sakharov in Boston,
    Die USA und die Sowjetunion könnten gemeinsam viel dazu beitragen, den Frieden auf der Welt zu erhalten sowie Hunger und Gewalt zu beenden.
    Weiters forderte Sakharov die sowjetische Führung auf, die politischen Häftlinge freizulassen.
    Der Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger hat zum ersten Mal seit 30 Jahren ins Ausland reisen dürfen.
    Die Endphase des amerikanischen Präsidentenwahlkampfs ist von einander widersprechenden Umfrageergebnissen gekennzeichnet.
    Der republikanische Bewerber Bush bleibt aber in Führung.
    Nach einer Umfrage der Fernsehgesellschaft NBC und der Zeitung Wall Street Journal soll der Kandidat der Demokraten Dukakis seinen Abstand zu Bush auf fünf Prozent verringert haben.
    Dagegen meldet der Fernsehsender CNN einen klaren Vorsprung des Vizepräsidenten von elf Prozent.
    Chile.
    Tausende Menschen demonstrierten gestern wieder in Santiago gegen das Militärregime.
    Die Kundgebungsteilnehmer verlangten den Rücktritt von Staatschef Pinochet und die Freilassung zweier Gewerkschafter, die in Lagern festgehalten werden.
    Bei der chilenischen Demonstration kam es zu keinen Ausschreitungen.
    Pinochet hat mit einem Personalwechsel an der Spitze der Marine die größte Umbesetzung seit dem Putsch vor 15 Jahren vorgenommen.
    Mehr als die Hälfte der Führungsoffiziere Chiles wurden in den Ruhestand versetzt.
    China.
    Bei einem schweren Erdbeben im Südwesten Chinas sind mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen.
    54 Menschen erlitten Verletzungen.
    Zahlreiche Gebäude wurden zerstört, Straßen und Telefonverbindungen sind unterbrochen.
    Die Erdstöße in der chinesischen Region nahe der Grenze zu Birma hatten die Stärke 7,6 auf der Richterskala.
    Frankreich.
    Mit äußerst schwacher Beteiligung haben sich die Franzosen in einer Volksabstimmung für den Regierungsplan über die Zukunft des Überseeterritoriums Neukaledonien ausgesprochen.
    Lediglich 37 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.
    Das ist die geringste Beteiligung in Frankreich seit 1945.
    Damit wurde ein Abkommen des sozialistischen Ministerpräsidenten Roca mit den Volksgruppen auf Neukaledonien bestätigt.
    Die Bevölkerung des Überseeterritoriums soll demnach selbst in zehn Jahren über Unabhängigkeit oder Verbleib bei Frankreich entscheiden können.
    Österreich
    Der Verhaltensforscher und Tiersoziologe Konrad Lorenz wird heute 85 Jahre alt.
    Professor Lorenz gilt als Mitbegründer der vergleichenden Verhaltensforschung.
    Bekannt wurde er besonders durch seine Studien über Graugänse.
    Zu seinen verbreitetsten Büchern zählen das sogenannte Böse, er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen und die Rückseite des Spiegels.
    Im Jahre 1973 wurde Konrad Lorenz als erster Verhaltensforscher mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie ausgezeichnet.
    Das waren die Meldungen.
    Die Wetteraussichten bis morgen früh.
    Heiter nur im Norden und Osten mit unter Durchzug von Wolkenfeldern.
    Während der kommenden Nacht gebietsweise Nebelbildung.
    Mäßiger Nordwestwind.
    Nachmittagstemperaturen 3 bis 10 Grad.
    Tiefstemperaturen der kommenden Nacht minus 4 bis plus 2 Grad.
    Aussichten für Dienstag.
    Vor allem im Süden lokale Boden- und Hochnebelfelder.
    Sonst von einigen Wolkenfeldern abgesehen meist sonnig, schwachwindig.
    Tagestemperaturen morgen 4 bis 9, im Westen bis 13 Grad.
    Das Wetter bis Freitag über den Tal und Becken lagen teils beständige Hochnebelfelder, sonst meist sonnig.
    Keine wesentliche Temperaturänderung.
    Messwerte von 12 Uhr Mittag.
    Wien stark bewölkt 7, Eisenstadt Heiter 7, St.
    Pölten Heiter 5 Grad, Linz Heiter 4, Salzburg Heiter 7, Innsbruck Heiter 5, Brigenz stark bewölkt 3, Graz Heiter 6 und Klagenfurt Heiter 3 Grad.
    Acht Minuten nach zwölf Uhr ist es in der Zwischenzeit geworden.
    Sie hören das Mittagsschanal des aktuellen Dienstes.
    Und Sie haben es ja in den Nachrichten gehört, in der letzten Meldung vor dem Wetterbericht.
    Einer der bekanntesten Wissenschaftler Österreichs feiert heute seinen 85.
    Geburtstag, der Verhaltensforscher Konrad Lorenz.
    Der Vater der Graugänse, wie er ja wegen seiner Forschungsobjekte auch gern genannt wird, ist 1973 mit dem Nobelpreis geehrt worden.
    Im Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit stand Professor Lorenz aber auch vor vier Jahren, als das Volksbegehren gegen den Kraftwerksbau bei Hainburg seinen Namen trug.
    Zum 85.
    Geburtstag von Konrad Lorenz ein Beitrag von Bettina Reuter.
    Mögen Sie Gänse braten, Herr Professor?
    Diese Frage wurde Konrad Lorenz 1981 gestellt.
    Und die Antwort?
    Sofort, ohne weiteres.
    Wir fressen verunglückte Gänse immer auf.
    Auch jene, die er selbst aufgezogen habe, wollte man wissen.
    Er habe einen ihm persönlich bekannten Schneeganter, der in seinen Armen gestorben war und bei dessen Tod er Tränen vergossen habe, anschließend mit größtem Appetit verspeist, meinte der Verhaltensforscher.
    Er wäre zwar beleidigt, wenn jemand ihn bei einer Polarexpedition zu Speisezwecken schlachten würde, wäre er aber von einem Felsen gefallen und nun schon einmal tot, so hätte er nicht das Geringste dagegen, wenn man seine Leber braten würde.
    Eine Facette, die bezeichnend ist für den Mann, der schlechthin als der Begründer der Verhaltensforschung gilt.
    Konrad Lorenz entwickelte schon als Kind eine enge Beziehung zu Tieren.
    Ein Hobby, das er sich leisten konnte, weil er das Kind eines bekannten Orthopäden ist.
    Wenn er von seiner Jugend und seinem Vaterhaus erzählt, spielt er darauf an.
    Dieses Haus war für mich eine gewaltige Hilfe, eine Erziehungsstätte.
    Im Allgemeinen tut es ja Menschen furchtbar schlecht, wenn sie verwöhnt werden.
    Und ich war ein furchtbar verwöhntes Kind und habe was Gescheites damit gemacht.
    Ich habe also das Geld, das meine Eltern mir da nicht vorenthalten haben, dazu verwendet, hier einen kleinen Privatzoo zu haben.
    Und mit 18 Jahren war ich also ein wirklich sehr guter Tierhelder und Zoofachmann.
    Konrad Lorenz studierte in New York und Wien Medizin, anschließend Zoologie, Paleontologie und Humanpsychologie.
    1931 prägte er den Begriff von der vergleichenden Verhaltensforschung.
    Er geht davon aus, dass im Verhalten der Tiere Instinkthaltungen vorhanden sind, wiedererkennbare Bewegungsweisen, die ebenso wie körperliche Strukturen zur Erkennung der Art herangezogen werden können
    und die auch beim Menschen wirksam sind.
    Die Aggression beschreibt er als eine soziale Funktion, die bei Tieren ritualisiert zum Ausdruck kommt, und sie sei eine angeborene Verhaltensweise.
    Der Mensch aber laufe Gefahr, den Hemmungsmechanismus der Tötung zu verlieren.
    Das ist das Kernstück seines berühmten Buchs, das sogenannte Böse, das 1963 erschienen ist.
    Konrad Lorenz, der unter anderem an der Universität Wien und der Universität Königsberg gelesen hat, am Max-Planck-Institut und an der Universität Münster beschäftigt war, hat verschiedene Institute selbst gegründet.
    Genannt sei nur das Institut für vergleichende Verhaltensforschung in Grünau im Almtal und in Altenberg in Niederösterreich, wo er vor allem mit den berühmten Graugänsen arbeitete.
    Neben dem sogenannten Bösen zählen unter anderem, er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen, die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit und vergleichende Verhaltensforschung, Grundlagen der Ethnologie, ebenso zu seinen bekanntesten Werken, wie etwa das Büchlein »So kam der Mensch auf den Hund«.
    1973, kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag, erhielt Konrad Lorenz zusammen mit Carl von Frisch und Nikolaus Tinbergen den Nobelpreis für Medizin.
    Anlässlich der Nobelpreisverleihung ging Lorenz auch auf kritische Stimmen ein, die ihm vorwarfen, in seinen frühen Schriften dem Nationalsozialismus nach dem Mund geredet zu haben.
    Der Nobelpreis bedeutet für mich vor allem deswegen so sehr viel, weil ich ihn zusammen mit dem von mir außerordentlich hochverehrten Karl von Frisch und mit meinem alten Freund Nico Tinbergen zugleich bekommen habe.
    Und damit, dass er drei Verhaltensforschungen gleichzeitig verliehen wurde, wird der Preis zu einer Anerkennung eines Wissenszweiges, der sich hoch über das Niveau des rein Persönlichen erhebt.
    Zu den negativen Kritiken und vor allem zur Inkriminierung jener ominösen Arbeit über domestikationsbedingte Störungen arteigenen Verhaltens, alles was sachlich in dieser Arbeit steht, glaube ich auch heute noch.
    dass ich versucht habe, das zu jenen Leuten zu sagen und noch dazu in deren Sprache bedauere ich zutiefst.
    In den letzten Jahren ist Lorenz vor allem gegen den Technologen-Mythos zu Felde gezogen und er engagierte sich dabei auch gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und später gegen die geplante Staustufe Hainburg.
    Marionetten der Industrie seien die Politiker, Gräute der Wissenschaftler und rechnete nicht damit, dass der Protest gegen das Kraftwerk Hainburg Erfolg haben würde.
    Umso erfreuter war Lorenz dann im Dezember 1985, als die Regierung ihre Nachdenkpause verkündete.
    Konrad Lorenz traf mit dem damaligen Regierungschef Fred Sinowaz zusammen und betonte nachher, dass er vor allem von dem gegenseitigen Verständnis zwischen Au-Besetzern und der Exekutive angetan sei.
    Eine Beobachtung, die damals wohl nicht alle Beteiligten gemacht haben, aber Lorenz hatte wohl noch Schlimmeres befürchtet.
    Ich will Ihnen sagen, wie ich gehört habe, dass Konrad Lorenz Volksbegehren zur Au-Besetzung mit tausenden von Leuten
    ist mir die bleiche Angst angegangen, weil ich weiß, dass Tausende sehr leicht Entmenschendes tun.
    Was eine große Masse tut, ist unvoraussagbar.
    Viel unvoraussagbarer, wie was der Einzelne tut.
    Und ich habe fürchterliche Angst gehabt, dass da unter meinem Namen, den die ja sich gegeben haben, ich habe nicht mich vorgedrängt, dass da schauerliche Dinge passieren.
    Und dieser Angst schäme ich mich jetzt zutiefst, weil ich die Menschlichkeit dieser Leute unterschätzt habe.
    Es ist nur Anständiges passiert.
    Es ist ein, meiner Ansicht nach, ein historisch einmaliges Geschehen des Wohlwollens, des menschlichen Verständnisses für den Gegner.
    Und ich glaube, dass in einer späteren Zeit
    die ganze Heimburger Angelegenheit ein Ruhmesblatt Österreichs sein wird.
    Heute ist Konrad Lorenz wohl eine Kultfigur, nicht nur der Verhaltensforschung, sondern auch der Grün- und Umweltbewegungen.
    Und zum Abschluss sei er, der heute zurückgezogen in seinem Haus in Altenberg lebt, noch einmal aus einem aktuellen Spiegelinterview zitiert.
    Der Mensch ist unfähig, Wahrheiten zu erkennen, wo er gegenteilige Programmierungen hat.
    Keine angeborene Programmierung sagt ihm, dass er irgendetwas anderes schützen soll als höchstens den Menschen.
    Kein angeborenes Verbot befiehlt ihm, die Umwelt zu schonen, die darf er ausbeuten, soviel er will.
    Seid fruchtbar und mehret euch, nehmet die Welt und machet sie euch untertan.
    Das sind die Lehren, die der Mensch bekommt.
    Und sie sind allesamt Lügen.
    Konrad Lorenz feiert heute seinen 85.
    Geburtstag und das war ein Beitrag von Bettina Reuter.
    Im nächsten Beitrag geht es um die jüngsten Terroranschläge in Südtirol.
    Die bislang völlig erfolglose Fahndung nach den Urhebern dieser Bombenanschläge verlagert sich zunehmend nach Österreich.
    In Innsbruck wurden am Wochenende ein Südtiroler und ein Österreicher verhaftet, ihnen wird unerlaubter Sprengstoffbesitz vorgeworfen.
    In Italien wird die Aktion als erstes konkretes Ergebnis der Zusammenarbeit österreichischer und italienischer Behörden bei der Terrorbekämpfung in Südtirol begrüßt.
    Aus Bozen berichtet telefonisch Richard Gasser.
    Die in Österreich zuerst überhaupt zurückgehaltene Nachricht der Verhaftungen war den italienischen Zeitungen in Südtirol ganzseitiger Aufmacherstories wert.
    Karl Auserer, der 59 Jahre alte Innsbrucker Tischler, wurde hier in den italienischen Medien immer schon mit den Attentaten in Zusammenhang gebracht und Auserer selbst hatte in vielfachen Interviews für italienische Zeitungen und Fernsehen sich auch nie davon distanziert.
    Im Gegenteil.
    Die erste Beschuldigung gegen Auserer war denn auch Aufforderung zur Gewalt.
    Karl Auserer war in den 60er Jahren ein sogenannter Südtirol-Bumser.
    Wegen mehrerer Sprengstoffanschläge ist er in Italien in Abwesenheit zu 24 Jahren Haft verurteilt worden.
    Austerer hat sich allerdings frühzeitig nach Österreich abgesetzt und betreibt seither in Innsbruck eine Tischlerei.
    Austerers öffentliche Terrorsympathien hat man bisher nicht sonderlich ernst genommen und in ihm mehr einen Hitzkopf und Wichtigtuer gesehen als den Drahtzieher oder gar den Kopf der modernen Südtirol-Terroristen.
    Mit einer zweiten Verhaftung hat sich seine Lage jetzt allerdings verschlimmert.
    Bereits seit 3.
    November sitzt der 40 Jahre alte Josef Gredler aus Kolsras im Unterrindal in Untersuchungshaft.
    Ihm wird Sprengstoffdiebstahl zur Last gelegt.
    Laut Informationen aus dem Innsbrucker Landesgericht hat Gredler bestätigt, dass er 150 Kilogramm Dynamit an Ausserer geliefert hat.
    Ausserers 16-jähriger Sohn Reinhardt hat zudem gestern beim Polizeiverhör zugegeben,
    dass er im vergangenen Mai beim ORF in Innsbruck ein Flugblatt der ominösen Terrorgruppe Ein Tirol abgegeben hat.
    Darin hat die Gruppe Ein Tirol unter anderem die Verantwortung für den Bombenanschlag auf den Reichssitz in Bozen und ein Dutzend weitere Attentate übernommen.
    Die italienischen Ermittlungsbehörden glauben mit den Innsbrucker Verhaftungen die Terrorzelle aufgebrochen zu haben.
    Die Verhaftungen seien die Früchte der neuen Zusammenarbeit zwischen österreichischen und italienischen Polizeiorganen bei der Terrorbekämpfung in Südtirol, wie sie Innenminister Karl Blecher bei seinen Rombesuch vor zwei Wochen vereinbart hat.
    Tatsächlich sollen sich aus Südtirol selbst inzwischen ein Dutzend observierte und verdächtige Personen abgesetzt haben.
    Ihnen wurde der Boden nach den Festnahmen in Innsbruck augenscheinlich zu heiß.
    Für die hiesigen Ermittlungsbehörden sind die Verhaftungen zudem der Beweis für die alte These, dass alle Spuren der Südtirol-Terroristen nach Österreich führen.
    Auch wenn man noch weitere Details und Bestätigungen dafür erwarte, wie Renato Compagnone, der Potsdamer Chef der Geheimpolizei, dazu erklärt.
    Das war Richard Gasser aus Südtirol und gleich weiter mit Auslandsbeiträgen.
    Heute hat auf dem Roten Platz in Moskau die traditionelle Militärparade zum 71.
    Jahrestag der Oktoberrevolution stattgefunden.
    Auf der Ehrentribüne natürlich Michael Gorbatschow, in diesem Jahr bereits in seiner Funktion als Staats- und Parteichef.
    Ihm zur Seite Ministerpräsident Rischkow und der Moskauer Parteichef Lev Zaykov.
    Durch Jahre hindurch bereits ist es ja ein beliebtes politisches Ratespiel aller Moskau-Korrespondenten, anhand der Besetzung der Ehrentribüne und der dort verteilten besseren und schlechteren Plätze auch schon Aussagen auf die politische Zukunft oder den Abstieg von Parteiprominenz zu machen.
    Zumeist interessiert ja weniger das Defilet der Soldaten oder die Präsentation neuer Waffentechnik als eben die Spekulation, was Anwesenheit oder Abwesenheit von Politikern über die aktuelle politische Situation auszusagen hat.
    Parade, Oktoberparade 1988 in Moskau.
    Reinhard Löw berichtet.
    Kürzer als in den vergangenen Jahren ist heute die traditionelle Militärparade auf dem Roten Platz ausgefallen.
    Das Fest zum Gedenken an den Oktoberaufstand der Bolschewiki vor 71 Jahren steht ganz unter dem Zeichen Michael Gorbatschows und der Propaganda für die Perestroika.
    Der Generalsekretär und Staatspräsident hat gemeinsam mit Ministerpräsident Rischkopf heute Vormittag als erster das Lenin-Mausoleum betreten.
    Minutenlang winkten die beiden alleine den Ehrengästen auf dem Roten Platz zu.
    Die restlichen Mitglieder des Politbüros mussten um die Ecke auf ihren Einsatz warten, bis sie, angeführt von dem für seine konservativen Akzente bekannten Jäger Ligatschow, die Tribüne ebenfalls betreten durften.
    Ein Novum im bisherigen Zeremoniell der Oktoberfeiern, das die besondere Rolle Gorbatschows und sein Vertrauensverhältnis zum Ministerpräsident Lischkow unterstreicht.
    Erstmals seit der sowjetischen Militärintervention in Afghanistan vor neun Jahren waren heute auch alle westlichen Botschafter vollständig zur Parade erschienen, inklusive einer auffällig großen amerikanischen Delegation.
    Ein deutliches Zeichen für das verbesserte Ostwestklima.
    Verteidigungsminister Jasow hat in seiner Ansprache vor der Truppe auch jeden direkten Angriff gegen die USA vermieden und ganz im Sinn Gorbatschow, die der gesamten Menschheit gemeinsamen Werte als Grundlage der Außenpolitik betont.
    Für die sowjetische Sicherheit sei weniger die Quantität als die Qualität ihrer Verteidigung entscheidend.
    Die sowjetische Presse vermerkt, dass bei den Aufmärschen keine Porträts der Parteiführer mehr mitgetragen werden.
    Auch Jubelmeldungen über Planerfüllung oder Übererfüllung fehlen.
    Dafür müssen sich eine ganze Reihe namentlich genannter Moskauer Betriebe herbe Kritik wegen ihres unrentablen Wirtschaftens gefallen lassen.
    Die revolutionäre Perestroika heute ist die getreue Fortführung des historischen Erbes der Bolschewiki und der Lenin, kann man auf den Transparenten lesen.
    Aber anders als vor einem Jahr, als Gorbatschow in einer groß angelegten Rede hart mit dem Stalinismus ins Gericht ging, bestern sich heute die Feiertagsstimmung durch unangenehme Fragen nach der eigenen Geschichte nicht zu derben.
    Sogar der historische Rückblick auf das Jahr 1917 im sowjetischen Fernsehen ließ, ganz wie früher, prominente Gegner Stalins, wie Bukharin oder Gartrotsky, einfach unter den Tisch fallen.
    Eine überraschend deutliche Ermutigung für kritische Geister brachte dagegen die Liste der aus Anlass der Revolutionsfeiern veröffentlichten Staatspreisträger.
    Der antistalinistische Schriftsteller Vladimir Dudintsev bindet sich ebenso unter den Geehrten wie Filmemacher und Theaterregisseure, die noch in der jüngsten Vergangenheit für ihre gewagten Produktionen von konservativer Seite heftig kritisiert wurden.
    Für die breite Masse der Sowjetbürger bringt das Fest vor allem vier lang ersehnte Feiertage.
    Die Geschäfte sind mit Lebensmitteln versorgt wie selten.
    Und gerade zur rechten Zeit sind jetzt auch alkoholische Getränke wie Wein und Cognac frei zu kaufen.
    Nur für den Wodka muss man sich noch mühsam anstellen.
    Wenn die Aufmärsche vorbei sind, dann strömen die Menschen trotz der winterlichen Temperaturen auf die Jahrmärkte und Straßenfeste.
    In der Moskauer Gorkistraße kann man sogar ein Freiluftkino bewundern.
    Und für den Abend laden die bekanntesten Rock- und Popgruppen zu Sondervorstellungen.
    Die Karten dazu werden zum doppelten und dreifachen Preis von fliegenden Händlern auf offener Straße angegeben.
    Ein Bericht aus Moskau war das und jetzt in die Bundesrepublik Deutschland.
    Einen Tag vor der wichtigen Entscheidung über die Neuordnung der westdeutschen Luft- und Raumfahrtindustrie hat heute eher überraschend der Koalitionspartner FDP Bedenken angemeldet.
    Es geht ja um die geplante Fusion von Daimler-Benz und dem Airbus-Hersteller MBB, Messerschmidt-Wölkow-Blom.
    Und an sich war alles im Kabinett bereits abgesegnet.
    Aber zu diesem Zeitpunkt hieß der FDP-Vorsitzende Bangemann.
    Nun, unter der Führung des früheren Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff, melden die Liberalen plötzlich schwerwiegende Bedenken an und liegen hier fast mit der SPD auf einer Linie.
    Stoßrichtung der Kritik?
    Die nicht absehbaren Subventionen für den Airbus.
    Es geht dabei um Summen in Milliarden-D-Mark-Höhe.
    Mehr von Bernhard Morawetz.
    Wie ein Naturereignis naht der Zusammenschluss des riesigen Daimler-Benz-Konzerns mit dem Rüstungskonzern Messerschmitt-Böll-Koblom-MBB.
    Damit wird Daimler-Benz 360.000 Beschäftigte haben und der einzige Rüstungskonzern der Bundesrepublik sein.
    Die Daimler-Benz AG in Stuttgart, die die bekannten Kraftfahrzeuge mit dem Stern herstellt, wird dann nur mehr ein Teil eines Mammutunternehmens sein.
    Mit Rüstung hat Daimler-Benz schon bisher viel zu tun.
    Der Konzern hält 56 Prozent der AEG, die neben Kühlschränken und anderen Elektrohaushaltsgeräten Torpedos für U-Boote, militärische Radaranlagen, Feuerleitsysteme und Minen herstellt.
    Daneben besitzt Daimler-Benz 100 Prozent der MTU-Motoren- und Turbinenunion.
    Die MTU produziert Panzermotoren und Jagdbomberturbinen.
    Weiters hält Daimler-Benz zwei Drittel der Dornier-GmbH, die auch militärische Fluggeräte herstellt, und vier Prozent der französischen Firma Matra, die mit Bodenraketen, Fernlenkwaffen und Satelliten für militärische Zwecke im Rüstungsgeschäft steht.
    Jetzt soll also MBB dazukommen.
    MBB baut den Tornado-Jagdbomber-Abwehrraketen und Hubschrauber und ist seinerseits an zwei weiteren Rüstungsfirmen beteiligt.
    MBB produziert aber auch die deutschen Flugzeugteile des Airbus.
    Und genau das ist der Grund, warum der Bund seine Anteile an MBB loswerden möchte.
    Denn der Airbus ist zwar technisch erfolgreich und verkauft sich gut, ist aber wirtschaftlich ein Defizit.
    Die Europäer, die den Airbus aus der Taufe gehoben haben, um flugzeugtechnisch von den USA unabhängig zu werden, zahlen schwer für dieses Ansinnen.
    MBB hat dafür gesorgt, dass die meisten Verluste am Staat hängen bleiben.
    Das will auch Daimler-Benz.
    Der Konzern verlangt im Fall der Übernahme von MBB, dass der Staat bis zur Jahrtausendwende die Wechselkursrisiken trägt.
    Das heißt, solange der Dollar unter 14 Schilling bleibt, soll der Staat zuschießen.
    Das bietet Anhaltspunkte für Kritik.
    Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste nennen es die Kritiker.
    Dem hält der liberale Wirtschaftsminister Bangemann entgegen, dass der Staat bei Fortführung des Status quo noch mehr verlieren würde.
    Weiterer Kritikpunkt, mit der Schaffung eines Mammut-Rüstungskonzerns mache sich der Staat und die Bundeswehr erpressbar.
    Daimler-Benz könne die Rüstungspreise diktieren und mit seinen hohen Beschäftigungszahlen winken.
    Edzard Reuter, der Chef von Daimler-Benz, hält dem entgegen, dass dieser Rüstungskonzern im internationalen Maßstab eine eher normale Größenordnung hätte.
    Er gibt auch zu bedenken, dass im Luft- und Raumfahrtgeschäft nur überleben kann, wer nicht nur Teile herstellt, sondern Systemführer für ein Gesamtprojekt ist, an dem zum Beispiel mehrere europäische Länder gemeinsam arbeiten.
    Immer wieder wurde die politische Entscheidung für die Fusionierung hinausgeschoben.
    Heute muss sie aber fallen.
    Wirtschaftsminister Bangemann wollte das sichere Veto des Kartellamts mit einem einfachen Ministerbeschluss aus dem Weg räumen.
    Diese politische Bürde will die FDP und vor allem der nachfolgende Wirtschaftsminister Hausmann jetzt nicht mehr auf sich nehmen.
    Der neue FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff legte sich buchstäblich in letzter Minute quer.
    Er kritisiert vor allem die Subventionen für den Airbus und die Monopolstellung des Mammutkonzerns.
    Heute Abend bei der Kabinettssitzung mit Bundeskanzler Kohl wird sich entscheiden, ob die FDP ihre sachlichen Bedenken ernst nimmt oder bloß die politische Verantwortung für den dann notwendigen Ministerbeschluss gegen das Kartellamt auf den Bundestag abschieben will.
    BRD wie Benz-Republik Daimler.
    So warnen Kritiker vor neuen Abhängigkeiten.
    Und auch der Betriebsrat von Daimler-Benz ist gegen das Geschäft.
    Er fürchtet, dass das Image eines Rüstungskonzerns dem BKW-Geschäft schaden könnte.
    Ja, und von Bonn, von der Bundesrepublik Deutschland, jetzt zurück nach Österreich.
    Es ist dies Jahr, diese Woche, die Woche des Gedenkens an die sogenannte Reichskristallnacht vor 50 Jahren.
    Die Synagogen brannten in Deutschland und in Österreich fanal für den Vernichtungsfeldzug gegen die jüdischen Mitbürger in diesen Ländern.
    In diesen Tagen finden natürlich in ganz Österreich, finden auch in der Bundesrepublik Deutschland, Gedenkveranstaltungen statt.
    Schon am vergangenen Wochenende, schon an diesem Sonntag, hat es von Österreichs Kanzeln in den katholischen Kirchen ein Wort der Bischöfe gegeben.
    Ein Kanzelwort, in dem es unter anderem heißt,
    Nach 50 Jahren fragen wir rückblickend genügten Gewissensbildung und weltanschauliche Abgrenzungen angesichts brennender Synagogen und tausender misshandelter jüdischer Mitbürger.
    Wäre nicht öffentlicher Protest eine weit sichtbare Geste der Mitmenschlichkeit und Anteilnahme der vom Wächteramt der Kirche geschuldete Dienst gewesen, so war es gestern in katholischen Kirchen zu hören.
    Zum Gedenken an diesen 9. und 10.
    November, wie gesagt, eine Woche der Veranstaltungen.
    Eine davon wird am Donnerstag eine Gedenkfahrt mit Zeitzeugen zu ausgewählten Schauplätzen des Novemberprogramms in Wien sein.
    Die Israelitische Kultusgemeinde, die Lagergemeinschaft Auschwitz, die Gesellschaft für politische Aufklärung und die österreichische Hochschülerschaft haben sich für diese Veranstaltung zusammengefunden und heute bei einer Pressekonferenz in Wien auch Zeitzeugen vorgestellt, Manfred Steinhuber berichtet.
    91 Juden ermordet, ungefähr 30.000 verhaftet und Großteils in Konzentrationslager verschleppt, 267 Synagogen zerstört, mindestens 8.000 Geschäfte demoliert.
    Das ist die Bilanz der November-Programme im Deutschen Reich.
    30 der 91 Toten gab es allein in der Ostmark.
    Doch hinter den Zahlen stehen Schicksale.
    Etwa das von Hugo Breinin, der am Abend des 9.
    November in der Synagoge in der Wiener Leopoldstadt war, als sie gestürmt wurde und der durch einen Seitenausgang flüchten konnte.
    Wir sind dann durch alle möglichen Seitengassen nach Hause geschlichen und haben unterwegs gesehen, also wie Gruppen von
    Männern und Burschen, also aller Altersklassen und auch aller Altersschichten mit Stöcken in der Hand, Gruppen von älteren Menschen nachgelaufen sind, offenbar also Juden mit Bärten und
    und auf sie eingeschlagen haben und es war tatsächlich ein sehr schreckliches Erlebnis, besonders für einen Menschen mit 14 Jahren.
    Den 10.
    November selbst sind wir dann alle zu Hause gesessen in Schrecken und haben gefürchtet,
    dass man auch bei uns in die Wohnung kommen wird.
    Wir hörten also durch Telefonanrufe von Bekannten und Verwandten, dass eine Tante und ein Onkel von mir, die ein Juweliergeschäft im 8.
    Bezirk hatten, dass deren Wohnung und deren Geschäft also völlig verwüstet wurde und die sind unter einem Schock gestanden nach all dem, was ihnen passiert ist, dass sie dann einen Selbstmordversuch begangen haben.
    den sie selbst überlebten, zwar aber tragischerweise ihr Kind dabei gestorben ist.
    Die Ereignisse des November 1938 werden landläufig Reichskristallnacht genannt.
    Ein Ausdruck, mit dem die Historikerin Erika Weinzierl nicht einverstanden ist.
    Er dürfte aus dem Berliner Volksmund des Jahres 38 kommen.
    Wie gesagt, die Nazis haben ihn sich auch zu ein gemacht und er ist letztlich verharmlosend.
    Novemberprogrome, das sei der Begriff, der die Ereignisse nicht verharmlose, meint Weinzierl.
    Und auch der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Paul Gross, kennt ein oft verwendetes Wort, das er ablehnt.
    Die sogenannte Gnade der späten Geburt, die gerne jungen Menschen zugesprochen wird.
    Das ist für Gross eine Gemeinheit sondergleichen gegenüber diesen Leuten.
    Denn das heißt,
    Wären sie damals nur in der Lage gewesen, schon geboren und schon alt genug, dann hätten sie dieselben Verbrechen getan.
    Für Gross und Weinzierl waren die Novemberprogramme der erfolgreiche Versuch der Nazis, aus Volksgenossen Komplizen zu machen.
    Und das ist so drastisch gelungen, weil es keine Solidarität gab, meint Erika Weinzierl.
    Nirgends hat sich eine laute Stimme erhoben und hat gesagt, das darf nicht sein.
    Und ich höre auf damit, dass ich sage, es wäre doch einfach so oder müsste so sein, dass wir uns fragen, ja, wenn mir denn etwas geschieht, schwerer oder geringer, und niemand steht mir zur Seite, niemand sagt, also das darf nicht sein, da geschieht Unrecht, ja, ich würde in einen Abgrund der Verzweiflung stürzen.
    Und genau das ist vor 50 Jahren geschehen.
    Soweit die Historikerin Erika Weintill.
    Ich gebe zurück ins Studio.
    Woche des Gedenkens an die sogenannte Reichskristallnacht vor 50 Jahren.
    Woche des Gedenkens auch hier in Österreich.
    Manfred Steinhuber hat berichtet.
    Jetzt drei Minuten nach halb eins, um 12.33 Uhr aber zur aktuellen österreichischen Innenpolitik.
    Zu einer Pressekonferenz lud heute Vizekanzler-Außenminister Mock und ein zentrales Thema natürlich die EG-Frage.
    Nicht zuletzt die jüngste Verstimmung in Finnland über eine Äußerung des ÖVP-Abgeordneten Kohl.
    Aber hören Sie gleich mehr von Michael Kerbler.
    Österreichs Wirtschaft müsse zur Europareife geführt werden, betonte Vizekanzlerausminister Mock im Zusammenhang mit dem angestrebten Beitrag zur EG.
    Die vorliegenden Wirtschaftsdaten bescheinigten Österreich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch Grund für den Optimismus, ergänzte Mock.
    Die höchste Beschäftigungszahl seit 1945 sei gegenwärtig erreicht, die Arbeitslosenrate sinke erstmals seit acht Jahren wieder und das österreichische Wirtschaftswachstum liege mit dreieinhalb Prozent sowohl über dem Durchschnitt aller westlichen Industriestaaten als auch deutlich über dem durchschnittlichen zweieinhalbprozentigen Wirtschaftswachstum der EG-Länder.
    Kein Wunder, so resümierte Mock, wenn sich 54 Prozent der österreichischen Bevölkerung in einer jüngsten Meinungsumfrage zuversichtlich über die weitere wirtschaftliche Entwicklung Österreichs äußerten.
    Scharfe Kritik übte ÖVP-Chef Alois Mock dann jedoch an der Arbeitsmarktverwaltung und damit indirekt am verantwortlichen Ressortchef, Sozialminister Alfred Dahlinger.
    Gegenstand der Kritik die ständig steigende Zahl der Langzeitarbeitslosen, also jener Menschen, die länger als sechs Monate auf einen neuen Arbeitsplatz warten müssen und die durch die sogenannte Aktion 8000 vermittelt werden.
    Vor allem kann man durchaus reden, dass die Aktion 8000 völlig versagt hat.
    Ich darf daran erinnern, dass die Aktion 8000 geschaffen wurde, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
    Sie hat im Jahr 1984
    ungefähr 48 Millionen Schilling gekostet.
    1988, vier Jahre später, bekommt sie über 600 Millionen Schilling.
    Und es trat genau das Gegenteil ein.
    Die Langzeitarbeitslosen wurden nicht weniger, sondern wurden mehr.
    Die Fehler der Aktion 8000 liegen vor allem darin, dass es keine
    auf den Arbeitsmarkt abgestellte Qualifikation, sprich berufliche Ausbildung der Arbeitslosen gibt.
    Ich halte daher es wichtig, dass man hier wirklich zu einer Radikalkur schreitet in der Arbeitsmarktverwaltung.
    Thema EG.
    Den Beginn der Beitrittsverhandlungen erwartet Außenminister Mock drei Monate bis längstens zwei Jahre nach Deponierung eines österreichischen Beitrittsansuchens in Brüssel.
    Ob es über den EG-Beitritt eine Volksabstimmung in Österreich geben werde, diese Frage sei für ihn, Mock, gegenwärtig nicht aktuell und stelle sich frühestens in drei Jahren.
    Es müssten jetzt andere Prioritäten im Zuge der EG-Annäherung gesetzt werden.
    Ich bin dafür, uns jetzt mit zwei Sachen zu beschäftigen.
    in welcher Form und wann stellen wir das Beitrittsansuchen und in welcher Form machen wir eine Wirtschaftspolitik, eine Sozialpolitik, eine Umweltschutzpolitik und andere, treffen andere politische Maßnahmen, unser Land bestmöglich vorzubereiten.
    Dann verhandeln wir hart, so hart als nur möglich, als Partner.
    Dann gibt es ein Verhandlungsergebnis.
    Und da wird die Regierung und das Parlament ihre Verantwortung wahrnehmen müssen und entscheiden müssen.
    ob angesichts des Verhandlungsergebnisses auch eine Volksabstimmung notwendig ist.
    Das ist meine Linie.
    Die Journalistfragen an den Außenminister kreisten dann um die jüngsten Äußerungen des ÖVP-Abgeordneten Andreas Kohl, der den finnisch-sowjetischen Beistandspakt als Klumpfuß für die Außenpolitik des neutralen Finnland bezeichnet hatte.
    Österreich findet zur Zeit im Umgang mit Freunden nicht den richtigen Ton, schalte es aus Helsinki zurück.
    Und Bundeskanzler Franz Franitzki versprach bei seinem Wochenendtreffen mit europäischen sozialdemokratischen Politikern in Berlin Schadensbegrenzung in einem Gespräch mit finnischen Delegierten.
    Frage heute an Ressortchef Mock, ob er sich für die Aussage seines Parteifreundes Kohl entschuldigen werde.
    Na sicherlich nicht.
    Das hätte überhaupt keinen Anlass.
    Ich habe auch ein volles Verständnis, dass sich die Finnen nicht entschuldigen für die Äußerungen des Abgeordneten Vereinen.
    des Vorsitzenden des ehemaligen Außenministers, des finnischen Außenministers und der Oppositionspartei, der kritische Bemerkungen über die österreichische Europapolitik formuliert hat.
    Das war offensichtlich eine Replik des Abgeordneten Kohl.
    auf diese finnische kritische Äußerung.
    Es ist ja nicht so, dass irgendein prominenter österreichischer Politiker begonnen hat.
    Ich halte von dieser Auseinandersetzung überhaupt nichts, auch nichts davon, dass sich jetzt der Herr Bundeskanzler bemüht ist, da einen parteipolitischen Vorteil daraus zu ziehen.
    Sondern Themen wie Neutralität sind sehr sensible Themen.
    Man sollte von beiden Seiten vorsichtiger sein.
    Soviel von der Pressekonferenz von Außenminister und ÖVP-Chef Alois Mock im Roten Salon des Ballhausplatzes.
    Ich gebe zurück ans Journalstudio an Ilse Oberhofer.
    Michael Kerbler hat berichtet.
    Seit der Pressestunde mit Nationalratspräsident Graz am Sonntag vor einer Woche gibt es einen neuen Aspekt in der Diskussion über die Einsetzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Sachen Proxlokona.
    Graz hatte ja gemeint, man könne ruhig über eine Öffnung und Öffentlichkeit dieses Untersuchungsausschusses nachdenken.
    Da gäbe es viele Varianten, bis hin etwa zu einer Rundfunkübertragung.
    Seither wird in den politischen Parteien darüber diskutiert, wie dieses Öffentlichmachen aussehen könnte.
    Zwischen den Koalitionspartnern scheint es da durchaus verschiedene Meinungen zu geben, wie man heute Wortmeldungen von SPÖ-Klubobmann Fischer und ÖVP-Justizsprecher Graf bei Pressekonferenzen in Wien entnehmen konnte, Robert Stobacher informiert.
    Weiterhin also Auffassungsunterschiede zwischen den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP, was die Frage der Öffentlichkeit des Lukona-Untersuchungsausschusses betrifft.
    SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer hält eine Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrates für nicht notwendig und warnt vor Sonderregelungen.
    Zugleich bekannte sich Fischer aber heute neuerlich zur vollen Transparenz, soll heißen, keine Vertraulichkeit des Ausschusses.
    Dem Justizsprecher der ÖVP, Michael Graf, ist das jedoch zu wenig.
    Graf spricht sich dafür aus, die Beweisehebungen, nicht aber die Beratungen im Lukona-Ausschuss öffentlich durchzuführen.
    Die Teilnahme von Journalisten und anderen Interessierten soll ermöglicht werden.
    Fernseh- und Hörfunkaufnahmen sowie Fotografieren sollen nach dem Graf-Vorschlag aber untersagt sein.
    Ganz also nach dem Muster gerichtlicher Hauptverhandlungen.
    Graf hat heute einen entsprechenden Initiativantrag vorgelegt.
    Der ÖVP-Justizsprecher kann sich aber auch vorstellen, dass die Beschlussfassung im Zuge der Geschäftsordnungsreform stattfindet.
    Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass alle vier Parteien zustimmen.
    Zufrieden äußerte sich Graf, dass sich Bundeskanzler Franitzki und Nationalratspräsident Graz bereits für eine weitgehende Öffentlichkeit des Ausschusses eingesetzt hätten.
    Der Bremser sei lediglich SPÖ-Klubobmann Fischer, kritisierte Graf.
    Der einzige Politiker, der bisher gegen öffentliche Beweisaufnahmen aufgetreten ist, war der SPÖ-Klubobmann Dr. Fischer.
    Er hat vorgeschlagen, etwa nur die APA
    beizuziehen und andere Journalisten nicht.
    Ich halte diesen Vorschlag nicht für zielführend.
    Mit diesem Vorschlag würde der Dr. Fischer wahrscheinlich heute nicht einmal mehr in Moskau durchkommen, dass über ein politisches Ereignis nur die TASS berichten darf und alle anderen müssen die TASS-Meldung abschreiben.
    Das ist, glaube ich, nicht einmal mehr in einem Oststadt verkaufbar im Zeitalter der Perestroika.
    Und Graf appellierte an Fischer, seinen Widerstand aufzugeben.
    Wenn also die Öffentlichkeit zum Lukone-Ausschuss nicht zugelassen wird, dann können Sie sich meine Damen und Herren im Wesentlichen beim Herrn Dr. Fischer bedanken.
    Interesse an weitgehender Öffentlichkeit des Ausschusses müssten ja vor allem so Graf betroffene Politiker haben, denen es darum gehen müsse, dass ihr Verhalten in der Öffentlichkeit gerechtfertigt erscheint.
    Graf nannte in diesem Zusammenhang Leopold Graz, Harald Ofner und Karl Blecher.
    Der von Graf kritisierte SPÖ-Klubobmann Fischer erklärte ganz generell, er sei verhandlungsbereit und zwar über jeden Vorschlag, der von ÖVP-Klubobmann König komme.
    Michael Graf aber sei nicht der Ansprechpartner, ergänzte Fischer.
    Soweit mein Bericht aus dem Parlament und damit zurück zum Studio.
    Also Meinungsverschiedenheiten zwischen SPÖ und ÖVP über eine Öffentlichkeit des Lukona-Ausschusses, wie diese Öffentlichkeit aussehen sollte.
    Zu einem ganz anderen Thema jetzt.
    Die Agrarpolitik sieht sich in Österreich mit einem neuen Problem konfrontiert.
    Es werden immer mehr Schweine gezüchtet.
    Was dazu führt, dass die Erzeugerpreise, also der Preis, den der Bauer für den Verkauf seines Schweins oder seiner Schweine bekommt, in den Keller purzeln.
    Das heißt aber auch, dass ein großer Teil der Bauern, der sich mit Schweinemass befasst, davon letztlich gar nicht mehr leben kann.
    Und das wiederum fördert den Trend zu Großbetrieben.
    Denn nur die Großmäster können bei einem solchen Preisniveau und Preisverfall noch mithalten.
    Dem Konsumenten, der sich über ständige Sonderangebote über Schweinefleisch im Handel freut, muss man aber in diesem Zusammenhang sagen, das geht letztlich auf Kosten der Qualität dieses Fleisches.
    Mehr zur Situation, aus der es derzeit keinen Ausweg zu geben scheint, von Hans Adler.
    Mehr als 70% aller Schweinemäster in Österreich halten ihre grundsätzlichen Produkte in Kleinbeständen bis zu 10 Stück.
    Aber insgesamt haben die Kleinmäster nur noch einen Marktanteil von 14,5%.
    Dagegen haben die größeren Bestände zwischen 50 und 400 Stück, wobei 400 Stück die erlaubte Obergrenze ist,
    bereits einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent.
    Das heißt, ohne bremsende Maßnahmen der Agrarpolitik würde sich die Schweineproduktion in eine ähnliche Richtung bewegen wie vor Jahrzehnten bereits die Hühnermast, die heute nur noch in wenigen Großbetrieben konzentriert ist.
    Als Stabilisierungsmaßnahme dient unter anderem die in Österreich gültige Begrenzung für Schweinebestände mit 400 Stück, die nur noch von 210 von insgesamt beinahe 160.000 Schweinehaltern überschritten wird.
    Diese 210 waren jene Betriebe, die schon vor der Einführung der Bestandsgrenze größere Schweinebestände hatten,
    die man ihnen billigerweise nicht nachträglich wieder verbieten konnte.
    In solchen Beständen mit mehr als 400 Stück stehen daher in Österreich nur 5,2% aller Mastschweine.
    Zum Vergleich, in der EG halten die Schweinemäster mit mehr als 400 Stück Bestand bereits 60% des Marktangebotes.
    Das ist also die Richtung, in die der Zug international fährt.
    Die Frage, wie lange man sich davon abkoppeln kann, ist sicherlich,
    Eines der größten Probleme der österreichischen Agrarpolitik.
    Und es würde sich bei einem EG-Beitritt wahrscheinlich von selbst lösen, weil wir möglicherweise dann nicht in der Lage wären, unsere niedrigen Bestandsgrenzen aufrechtzuerhalten.
    Fast die gesamte Schweinezucht spielt sich in Österreich in drei Bundesländern ab.
    90 Prozent aller Schweine stehen in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark.
    Die Produktion hat einen deutlichen Trend zur Abwanderung in jene Gebiete, in denen besonders gut der Mais gedeiht.
    Er ist das ideale Futtermittel in der Schweinemast, weiter tragreicher als die Gerste, die noch einen großen Anteil am Mastfutter in dieser Produktionsparte hat.
    Dass damit natürlich eine Ausweitung der Maisanbaugebiete mit ihren besonderen Belastungen des Bodens und des Grundwassers verbunden ist, ist eine Nebenerscheinung, die der Agrarpolitik im Bereich der Bodenökologie wieder besondere Sorgen macht.
    Aus Maiseckern wird bei Unwetter besonders viel Erde abgeschwemmt.
    Der Maisanbau verlangt hohe Düngungsraten, deren Überschüsse dann wieder als Nitrate das Grundwasser belasten.
    Dies nur um zu beweisen, dass Landwirtschaft keine industrielle Produktion sein kann.
    Eine zweite Strukturbewegung in der Schweinezucht ist eine Drehung um 180 Grad.
    Noch vor wenigen Jahren hat man das Heil in der Spezialisierung gesucht.
    Die einen haben die Mutterschweine gehalten und Ferkel produziert, die anderen haben diese Ferkel gekauft und zu schlachtfähigen Schweinen gemästet.
    Jetzt stellt sich heraus, dass es für die Mäster besser ist, die eigenen Ferkel zu haben, denn die kommen immer noch billiger als die gekauften.
    Daher gibt es jetzt wieder eine Rückkehr zum sogenannten geschlossenen System mit Schweinezucht und Mast im jeweils ein- und demselben Betrieb.
    Der Schweineüberschuss, der jetzt die Erzeugerpreise ruiniert, macht mit 100.000 Stück im Jahr nur 2% der gesamten Produktion aus.
    Mit der einfachen Befolgung eines Aufrufes an die Bauern, jeder möge auf eine Kleinigkeit verzichten und nicht auf eine Kontingentierung warten, die ohnehin nicht kommt, wäre die Situation zu bereinigen.
    Leichter jedenfalls, als durch Exporte, bei denen pro Kilo 18 Schilling zugeschossen werden müssen, während die Bauern im eigenen Land nur 20 Schilling für das Kilo Schwein lebend bekommen.
    Eine Minute nach 3 Viertel 1 ist es in der Zwischenzeit geworden 12 Uhr 46 und ehe wir zur Rubrik Kultur im Mittagsschnall kommen, ein bisschen Musik.
    Im Tabakmuseum in Wien wird heute Abend ein Buch mit den poetischen Titeln auf den Flügeln des Gesanges präsentiert.
    Die Anthologie mit musikalischen Novellen und Erzählungen aus zwei Jahrhunderten wurde von den Schriftstellerin Lotte Ingrisch gemeinsam mit ihrem Mann, dem Komponisten Gottfried von Einem, im Verlag Edition S herausgegeben und ist mit Zeichnungen von Hans Fronius illustriert.
    Zu Beginn von Maria Rennhofers Beitrag über das neue Buch liest Lotte Ingrisch eine Passage aus ihrer eigenen Erzählung, das Ohr des Todes.
    Es scheint Musik zu sein, die Clara hört.
    Gehört aber von solcher Schönheit hat sie Musik nie, obwohl sie Mitglied vom Richard-Wagner-Verein ist und ein Abonnement im Musikverein hat sie noch von den Eltern her auch.
    Aber diese Musik ist ganz anders.
    Wer lieber Gott schrieb die Noten?
    Diese fremde und vertraute Musik, alles ist von ihr erfüllt und sonst gibt es nichts.
    Aufrecht im Bett sitzend, singt sie und singt.
    Am nächsten Morgen holt der Hausmeister den Pfarrer, der Clara die Augen zudrückt.
    Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.
    Dieses Zitat von E.T.A.
    Hoffmann könnte als Motto über den Novellen und Erzählungen stehen, die das 280 Seiten starke Buch auf den Flügeln des Gesanges enthält.
    Denn genauso wie sich Komponisten mit Literatur beschäftigen, etwa wenn sie einen Opernstoff suchen, haben auch Schriftsteller immer wieder die Musik als Thema gewählt.
    Lotte Ingrisch, Theaterautorin und Prosa-Schriftstellerin, die mit dem Libretto für die von ihrem Mann Gottfried von Aynem vertonte Mysterien-Oper »Jesu Hochzeit« auch selbst die Brücke von der Literatur zur Musik geschlagen hat, über die Textauswahl?
    Es ist eine Anthologie, subjektiv wie jede Anthologie.
    Wir haben Texte ausgewählt, 19.
    Jahrhundert, 20.
    Jahrhundert, berühmte Texte, unbekannte Texte.
    Wir haben drei lebende Autoren.
    Ich bin eine davon.
    Wir haben Heinrich von Kleist.
    Wir haben Urschiedil.
    Wir haben Lerne Tolenia.
    Wir haben Kafka und andere.
    Ich finde es reizvoll, diese Idee zu realisieren.
    Weil normal ist es ja bei Musikern jedenfalls so, dass sie sich der Literatur bemächtigen und sehr emsig suchen und graben, um komponierbares Material zu finden.
    Hier ist es nun allumgekehrt, dass der literaturfähige, der Dichter, der Schriftsteller sich mit meinem Ideon, nämlich der Musik, beschäftigt.
    So findet man in dem Buch also eine Erzählung Franz Kafkas über eine singende Maus, Franz Werfel schreibt über die tanzenden Derwische und neben Geschichten von Kleist, Schnitzler oder Hertling gibt es auch einen Beitrag von Gottfried von Einem über seine Begegnung und Zusammenarbeit mit Bert Precht und Friedrich Dürrenmatt, dessen Besuch der alten Dame er ja neben anderen literarischen Stoffen, Kafkas Prozess oder Büchners Dantonstod etwa, vertont hat.
    Die meisten Schriftsteller sind sich zu gut in sich auf die Niederung einer Oper hinabzulassen.
    Es gibt den Librettisten nicht mehr.
    Hoffmanns Zahl war ein großer Dichter, aber er war sich nicht zu schlecht, für Richard Strauss Operntexte zu schreiben.
    Die heutigen Herrschaften sind viel zu hoch.
    Denken Sie an diesen reputanten Herrn Bernhard etwa, dann weiß man doch genau, was herauskommen müsste.
    Die Erzählungen, die sich zugleich an Literatur- und Musikliebhaber wenden, sind mit Illustrationen von Hans Fronius versehen, dessen Andenken der Band auf den Flügeln des Gesanges auch gewidmet ist.
    Hans Fronius, das ist gezeichnete Musik.
    Er war ein großer Freund.
    Wir sind sehr traurig, dass er gestorben ist.
    Aber er lebt natürlich weiter und ein wenig auch in diesem Buch, von dem wir hoffen, dass der Leser das Liebchen ist, das wir auf den Flügeln des Gesanges forttragen.
    Das war ein Beitrag von Maria Renhofer und wir warten noch auf einen Beitrag von Walter Gellert.
    Sie wissen, ich habe es Ihnen gesagt, es gibt Demonstrationen vor dem Wiener Gartenbau, Kino gegen den Scorsese-Film, die letzte Versuchung, Christi.
    Und bis dieser Beitrag zu uns ins Studio überspielt wird, noch einmal Musik.
    Untertitelung des ZDF für funk, 2017
    Kaum hat sich die Aufregung um Thomas Bernhards Heldenblatt Stück halbwegs gelegt, gibt es schon die nächste öffentliche Erregung in Sachen Kultur oder Unkultur, wie die das nennen, die dagegen demonstrieren.
    Es geht um die Aufführung des Filmes Die letzte Versuchung Christi des US-Regisseurs Martin Scorsese.
    Er hat sich ja mehr als 15 Jahre lang mit dem Projekt eines ernstzunehmenden Christusfilmes beschäftigt.
    Nun ist seine Verfilmung des Romans von Nikos Kazantzakis weltweit zu sehen und ruft ebenso weltweit Proteste vor allem von katholischer Seite hervor.
    Stand schon Kazantzakis Roman die letzte Versuchung auf dem Index der Vatikanbehörden, so appellieren nun katholische Bischöfe, Priester, Nonnen, Aktivisten gegen eine Aufführung des Films, der ihrer Ansicht nach in die Nähe einer Gotteslästerung kommt.
    Ansatzpunkt ihrer Kritik, wie das der Salzburger Erzbischof Berg auch formulierte, Jesus werde als Zweifler und Schwächling dargestellt, was er nicht gewesen sei.
    Kasanzakis und Scorsese zeigen in Jesus Mensch und Gott, aber doch so sehr Mensch, dass ihn auch die Versuchung trifft, sich vorzustellen, seinen grauenhaften Leidensweg nicht antreten zu müssen, sondern leben zu dürfen wie andere Menschen auch.
    Dieser Jesus durchlebt Visionen einer menschlichen Liebe, bis er sich zum Opfertod am Kreuz durchringt, also der Versuchung, nur Mensch zu sein, nicht erliegt.
    Die Wochenzeitung Die Wochenpresse hat nun heute Vormittag im Gartenbaukino eine Vorstellung dieses Filmes arrangiert, mit anschließend prominent besetzter Pro- und Kontradiskussion.
    Aber schon ehe der Film überhaupt vorgeführt wurde, fanden sich Demonstranten vor dem Kino ein.
    Walter Gellert berichtet.
    Ich liebe meine Mutter.
    Zu einer öffentlichen Sühnerstunde vor dem Gartenbaukino in Wien lud heute die Priesterbruderschaft St.
    Pius X aus Anlass der ersten Aufführung von Martin Scorseses Film Die letzte Versuchung Christi.
    Ein Film, der nicht nur in den USA, sondern auch in Frankreich zu heftigen Protesten engagierter Katholiken geführt hat.
    In Frankreich gingen sogar Kinos in Flammen auf.
    Ruhig und ernsthafter hingegen heute früh die Proteste in Wien.
    Den Kinobesuchern wurden Flugzettel in die Hand gedrückt.
    Ein Priester formulierte seinen Protest so.
    Jesus an der Leinwand in diesem Film, der kann sich nicht wehren.
    Darum vernichtet man ihn.
    Man verlästet und verspottet ihn.
    Man stempelt und degradiert ihn nieder zu einem Sünder und zu einem Schwächling, zu einem, der ein Verbrecher ist, der sich mit solchen abgibt, die gegen das Gesetz verstoßen.
    Wir wollen darum Sühne leisten für diesen gotteslästerlichen Film.
    Scorseses Film, er basiert auf Nikos Katsantzakis Roman Die letzte Versuchung, bricht mit einem Tabu der katholischen Kirche und zeigt Jesus Christus auch als Menschen, verführbar, schwach.
    Vor allem dann, wenn er in den Fiebervisionen am Kreuz sich selbst das Leben eines einfachen Menschen führen sieht.
    Der Salzburger Erzbischof Karl Berg, der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz, hat zu Allerheiligen bereits kritisch vermerkt, der Film sei vorwiegend an der menschlichen Seite Christi interessiert.
    Hier ein Beispiel aus dem Film.
    Jesus sucht das Gespräch mit Maria Magdalena, einer Prostituierten, mit der er aufgewachsen ist.
    Ich erinnere mich sehr wohl an damals, als wir Kinder waren.
    Niemals wieder habe ich für irgendjemanden so viel Zärtlichkeit übrig gehabt wie für dich damals.
    Ich habe immer nur dich gewollt.
    Sonst nichts.
    Was denkst du, was ich wollte?
    Bitte.
    Ich verstehe nicht.
    Ist es so schlimm, im Haus einer Prostituierten zu bleiben?
    Ich verspreche dir, ich rühre dich nicht an.
    Du kannst deine Unschuld für die Wüste aufheben.
    Maria, es tut mir leid.
    Ich kann nicht bleiben.
    Scorseses Film, den man nach der heutigen ersten Vorführung in Österreich Ernsthaftigkeit nicht absprechen kann, wurde vom anwesenden Publikum übrigens ruhig aufgenommen.
    Sieht man von Stellen ab, etwa jenen, wenn in den Fiebervisionen Jesus von seinem Schutzengel vom Kreuz geführt wird.
    Da führt unfreiwillige Komik zu Gelächter im Publikum.
    Diskussionen, wie gesagt, wird dieser Film sicher weiter auslösen und soll es wohl auch.
    Ja und der Film selbst sowie die Diskussion darüber, das ist heute Thema in unserem Journal Panorama.
    Diskussionsteilnehmer der Wiener Weihbischof Grenn, er hat sich allerdings den Film nicht angesehen, ist erst dann zur Diskussion gekommen.
    Der katholische Publizist Feichtlbauer, die Filmemacher Axel Korti, Werner Herzog, der Aktionist Hermann Nietzsch und der Psychotherapeut Werner Ringl.
    Heute also im Journal Panorama Squazizes Film, die letzte Versuchung Christi.
    Wir schließen aber jetzt das Journal mit Kurzmeldungen.
    Österreich.
    Nach Ansicht von ÖVP-Parteiobmann Mock kann es frühestens in drei Jahren zu einer Volksabstimmung über einen EG-Beitritt Österreichs kommen.
    Mock sagte, für ihn sei jetzt entscheidend, in welcher Form und wann Österreich das Beitrittsansuchen stellt.
    Danach sollte Österreich in harte Verhandlungen mit der EG eintreten, betonte Mock.
    In der Diskussion um die Öffentlichkeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Fall Proxlokona geht weiter.
    SPÖ-Clubobmann Fischer hat heute erklärt, es sei weder zweckmäßig noch logistisch möglich, über einen Initiativantrag eine Sonderregelung zur Novellierung der Geschäftsordnung zu verabschieden.
    Der Fraktionssprecher der ÖVP in Lukone, Untersuchungsausschuss Michael Graf, sprach sich für Zeugeneinvernahmen unter Beteiligung von Öffentlichkeit und Medienvertretern aus.
    Fernseh- und Hörfunkaufnahmen sollten aber, wie im gerichtlichen Verfahren, unzulässig bleiben.
    Sowjetunion.
    Auf dem Roten Platz in Moskau hat Staats- und Parteichef Gorbatschow am Vormittag die traditionelle Militärparade zum 71.
    Jahrestag der Oktoberrevolution abgenommen.
    An der Seite Gorbatschows standen auf der Tribüne des Lenin-Mausoleums Ministerpräsident Ryzhkov und der Moskauer Parteichef Lev Saikov.
    USA.
    Die Endphase des Präsidentenwahlkampfes ist von einander abweichenden Umfrageergebnissen gekennzeichnet.
    Nach einer Umfrage der Fernsehgesellschaft NBC und der Zeitung Wall Street Journal soll der Kandidat der Demokraten Dukakis seinen Abstand auf den Republikaner Bush auf fünf Prozent verringert haben.
    Dagegen meldet der Fernsehsender CNN nach wie vor einen klaren Vorsprung von Busch im Ausmaß von elf Prozent.
    Frankreich.
    Mindestens neun Tote und zahlreiche Verletzte hat am Vormittag ein Zugsunglück in Ostfrankreich gefordert.
    Der Schnellzug Luxemburg-Paris ist bei der Einfahrt in den Bahnhof von Aix im dichten Nebel entgleist.
    Österreich.
    Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz wird heute 85 Jahre alt.
    Konrad Lorenz gilt als Mitbegründer der vergleichenden Verhaltensforschung.
    Die Wetteraussichten für Österreich bis zum Abend, von einigen Wolkenfeldern abgesehen, meist sonnig.
    Nachmittagstemperaturen heute 3 bis 10 Grad.
    Und unser Mittagsschanal geht wieder einmal zu Ende.
    In einer halben Minute ist es 13 Uhr.
    Ilse Oberhofer hat sie durch die Sendung geführt für Redaktion und Technik.
    Verabschiede ich mich von Ihnen.
    Auf Wiederhören.
    Untertitel der Amara.org-Community

    Beiträge dieses Journals

    Nachrichten
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wetterbericht
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Natur ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    85. Geburtstag Konrad Lorenz
    Einblendung: Verhaltensforscher Lorenz
    Mitwirkende: Roither, Bettina [Gestaltung] , Lorenz, Konrad [Interviewte/r]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Südtiroler Terrorfahndung verlagert sich nach Österreich
    Mitwirkende: Gasser, Richard [Gestaltung]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Ort: Bozen [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Gedenkparade in Moskau zum Jahrestag der Oktober-Revolution
    Mitwirkende: Löw, Raimund [Gestaltung]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    BRD: FDP-Bedenken gegen MBB-Daimler-Benz-Zusammenschluß
    Mitwirkende: Morawetz, Bernhard [Gestaltung]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Gedenken an "Reichskristallnacht"
    Einblendung: Zeitzeuge Breinin, Historikerin Wienzierl, Präsident Grosz
    Mitwirkende: Steinhuber, Manfred [Gestaltung] , Brainin, Hugo [Interviewte/r] , Weinzierl, Erika [Interviewte/r] , Grosz, Paul [Interviewte/r]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Pogromnacht , Nachrichten
    Pressekonferenz Alois Mock zu aktuellen politischen Fragen
    Einblendung: Vizekanzler Mock
    Mitwirkende: Kerbler, Michael [Gestaltung] , Mock, Alois [Interviewte/r]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    ÖVP-Justizsprecher Graff zu Lucona-Ausschuß
    Einblendung: VP-Justizsprecher Graff
    Mitwirkende: Stoppacher, Robert [Gestaltung] , Graff, Michael [Interviewte/r]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Österreich: Neue Schweineschwemme
    Mitwirkende: Adler, Hans [Gestaltung]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Musik
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: "Auf den Flügeln des Gesanges", Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch als Herausgeber von Musiknovellen
    Einblendung: Autorin Ingrisch, Komponist von Einem
    Mitwirkende: Rennhofer, Maria [Gestaltung] , Ingrisch, Lotte [Interviewte/r] , Einem, Gottfried von [Interviewte/r]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Musik
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kultur: Demonstrationen gegen Scorseses Skandalfilm "Die letzte Versuchung Christi"
    Einblendung: Demo-Atmo (Gesang, Priester), Szenenausschnitte
    Mitwirkende: Gellert, Walter [Gestaltung]
    Datum: 1988.11.07 [Sendedatum]
    Ort: Wien, Gartenbaukino [Aufnahmeort]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1988.11.07
    Spieldauer 00:59:55
    Mitwirkende Oberhofer, Ilse [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1988.11.07 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 80er Jahre
    Typ audio
    Format TKA [Tonband auf Kern (AEG)]
    Sprache Deutsch
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-881107_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

    Information

    Inhalt

    Nachrichten

    Verortung in der digitalen Sammlung

    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt