Mittagsjournal 1991.01.19

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    Rechtliches

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    KI-generiertes Transkript

    Heute früh kam aus dem Irak der zweite Raketenangriff auf Israel und die jüngsten Entwicklungen im Golfkrieg sind auch das Schwerpunktthema in diesem Samstag-Mittag-Journal, zu dem sie Werner Löw begrüßt.
    Kurz vor halb sieben unserer Zeit schlugen in Tel Aviv drei Raketen ein, nachdem es in den Nachtstunden davor schon mehrmals Fehlalarm gegeben hatte.
    Lange Zeit war über unmittelbare Wirkung der Raketen nichts zu erfahren.
    Sehr bald stand freilich fest, dass es sich nicht um einen Giftgasangriff gehandelt hatte.
    Und mittlerweile weiß man auch, dass die politische Wirkung dieses zweiten Raketenangriffs auf Israel wahrscheinlich ungleich größer sein dürfte als der unmittelbare Schaden.
    Ich bin jetzt direkt verbunden mit Ben Segenreich in Tel Aviv.
    Herr Segenreich, die erste Frage trotzdem.
    Was lässt sich jetzt über die unmittelbaren Folgen des Angriffs sagen, nämlich was Opfer und Zerstörungen anlangt?
    Der zweite Raketenangriff auf Israel hatte ähnlich glimpfliche Folgen wie der erste.
    Vier aus dem Westirak abgefeuerte Raketen, drei oder vier, haben Israel erreicht.
    Es gab zehn Leichtverletzte im Bereich von Tel Aviv.
    Die israelischen Behörden lassen absichtlich keine genaueren Angaben durchkommen, weil man ja dem Feind nicht helfen will, beim nächsten Mal genauer zu zielen.
    Es war auch viel Glück dabei.
    Die meisten dieser Raketen, konventionelle Sprengköpfe, haben im offenen Gelände eingeschlagen.
    In einem Hof eines öffentlichen Gebäudes gibt es einen Krater.
    Glücklicherweise traf also diese Rakete den Hof und nicht das Gebäude selbst.
    In umliegenden Wohnungen entstanden durch die Druckwelle Schäden im Gemäuer, Türstöcke wurden herausgerissen, Fensterscheiben zerbarsten, aber eben auch nichts Schlimmeres.
    war wiederum Glück dabei, 50 Meter von einer Tankstelle soll eine Rakete niedergegangen sein.
    Das ist ungefähr der Umfang der Wirkung.
    Eine Frage wird ja da immer wieder gestellt, Herr Segenreich.
    Es sind also eher herkömmliche Raketen auch, nicht nur herkömmliche Sprengköpfe.
    Trotzdem ist es ganz offenbar unmöglich, hier eine wirksame Abwehr zu finden, auch für einen hochgerüsteten Staat wie Israel.
    Wenn die Raketen einmal fliegen, kann Israel sie nicht mehr abfangen, das wusste man schon vorher.
    Das einzige halbwegs wirksame System gegen Raketen ist das amerikanische Patriot-System.
    Israel hat erst kurz vor Kriegsausbruch zwei Batterien solcher Raketen erhalten, kann sie noch nicht wirklich einsetzen.
    Gestern hörte man von einem Angebot der niederländischen Regierung, Israel 80 in der Türkei stationierte Patriot-Raketen zur Verfügung zu stellen.
    Aber das hat wohl nur symbolische Bedeutung, das käme zu spät.
    Israel arbeitet an der Entwicklung einer eigenen Rakete, die Chetz heißt also Pfeil, aber das ist noch in der Testphase, ist noch eine Frage von Jahren, bis das eingesetzt werden kann.
    Nachdem auch dieser zweite Angriff relativ glimpflich abgelaufen ist, lautet natürlich die große Frage, wie schon nach dem ersten, aber jetzt umso mehr die Frage nach dem möglichen Gegenschlag Israels.
    Ein Gegenschlag, der vorläufig nach unserem Wissenstand ausgeblieben ist.
    Was wir wissen, wird das derzeit nach wie vor im israelischen Kabinett beraten.
    Wie sieht diese Entscheidung, diese Entwicklung nach der neuen Provokation durch Saddam Hussein aus?
    Ja, die Regierungsquellen sagen immer deutlicher, Israel wird reagieren.
    Die Formel lautet, Israel behält sich vor zu entscheiden, wann, wo und in welchem Umfang es reagieren wird.
    Der Sprecher des Verteidigungsministeriums schränkte ein, dieser Krieg ist anders als die anderen, in denen Israel allein stand.
    Diesmal muss Israel die Interessen der Amerikaner berücksichtigen.
    Das ist die Regierungslinie.
    Was sagen Experten?
    Ein prominenter Militärkommentator einer großen Tageszeitung sagt, diese operative Abstimmung mit der USA ist sicher nötig, sie ist kompliziert, aber sie wäre möglich.
    Und er sagt, eine weitere Zurückhaltung würde als Schwäche ausgelegt werden.
    Wir haben immer einen furchtbaren Gegenschlag angedroht und wenn wir das nicht einhalten, ist das eine Einladung an Saddam Hussein, weitere Raketen abzuschießen.
    Dieser Kommentator sagt, wir stecken schon drinnen, wir wollten das nicht, aber Israel steckt schon drinnen.
    Auf der anderen Seite,
    Eine gewichtige Stimme.
    Yitzhak Rabin, der ehemalige Premier, Verteidigungsminister, Generalstabschef, einer der fähigsten analytischen Köpfe des Landes, lobt die Regierung, zu der er in Opposition steht, dafür, dass sie keine automatische Reaktion bisher durchgeführt hat.
    Er sagt, durch den glimpflichen Ausgang bisher dieser beiden Raketenangriffe sei erwiesen, dass die Fähigkeit verdammt, Israel zu schaden, begrenzt ist.
    Auch chemische Waffen seien bisher nicht eingesetzt worden.
    Alles in keinem Verhältnis.
    zu den Drohungen Saddam Hussein.
    Es sei fraglich, ob ein einmaliger Schlag Israel, so stark auch wäre, garantieren kann, dass die Raketen ausgeschaltet werden.
    Und als Hauptzivilist sagt er, das soll Israel nicht aus den Augen verlieren, Saddam niederzuringen.
    Ein ehemaliger Kommandant der Luftwaffe sagt auch, nicht impulsiv reagieren, nicht nach einem Vergeltungsprinzip, sondern nach einem Nützlichkeitsprinzip.
    Und wenn man sich entschließt zu reagieren, muss der Schlag erfolgreich sein.
    Einen Fehlschlag kann Israel sich nicht leisten.
    Ein wichtiger Aspekt, das Argument, dass Israel durch einen Gegenschlag der Koalition dem Bündnis um Amerika schaden könnte, wird immer schwächer.
    Ägypten, durch seinen Botschafter in Washington,
    Und Syrien, durch seinen Propagandaminister, haben schon festgestellt, dass sie, falls Israel auf einen Angriff zurückschlägt, also zuerst angegriffen wird und dann zurückschlägt, nicht aus der Koalition aussteigen würden.
    Das war übrigens nach dem ersten Raketenangriff.
    Inzwischen hat es schon den zweiten gegeben.
    Und das wichtigste Problem Jordanien, das ja zwischen Israel und dem Irak liegt,
    hat zuletzt ein zweideutiges Statement abgegeben, es würde ein Durchfliegen seines Luftraums nicht gestatten, aber andererseits wäre das auch kein Kriegsgrund.
    Man kann das verstehen, wie man will, aber immerhin ist darin ein Signal enthalten.
    Wo würde denn, Herr Segereich, in Anbetracht dieses Hintergrunds jetzt, wenn sich das sagen lässt, eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung stehen in der Frage Pro oder Contra-Gegenschlag?
    Bisher hätte ich gesagt, dass die Bevölkerung eher gewillt gewesen wäre, sich aus dem Krieg herauszuhalten.
    Man war froh darüber, dass man nicht in eine echte Kriegssituation gekommen ist.
    Natürlich, die Bedrohung durch die Raketen ist schwierig, aber langsam, langsam wird man auch müde und man verlangt, dass die Regierung dann etwas unternimmt, dass diese furchtbare Bedrohung
    durch die Raketen endlich abgestellt wird.
    Man kann nicht endlos in den Wohnungen sitzen, man kann nicht so praktisch schlaflose Nächte verbringen, indem man ununterbrochen in die Schutzzimmer gejagt wird.
    Und eine gewisse Unmut ist zu hören und auch von unten jetzt sozusagen aus den Volkforderungen,
    Wobei natürlich noch dazu kommt, dass ein eventueller nächster Raketenschlag ja doch mit den gefürchteten Giftgaswaffen geführt werden könnte.
    Das ist selbstverständlich nicht auszuschließen.
    Man rechnet noch immer damit, dass Saddam Hussein doch die Fähigkeit hat, chemische Sprengköpfe bis nach Tel Aviv zu transportieren.
    Es wird immer wieder gewarnt auch von den Sicherheitsverantwortlichen.
    Man soll nicht leichtsinnig sein, man soll diszipliniert sein.
    Die Gefahr ist nicht vorbei.
    Es gibt noch immer
    Abschussrampen der Iraker, die aktiv sind und man soll sich an die Vorschriften halten.
    Allerdings fragt man sich schon, was nun eigentlich schlimmer ist.
    Man hat das Gefühl, wenn man sich an die Sicherheitsbestimmungen hält, sich in die abgedichteten Zimmer zurückzieht und die Gasmasken anlegt, kann einem das Gas ja überhaupt nichts anhaben.
    Wenn hingegen ein konventioneller Sprengkopf heranfliegt und zufällig mal doch
    in einem Wohnhaus einen Volltreffer landet, dann könnte sogar durch diesen konventionellen Sprengkopf größerer Schaden entstehen als eventuell durch Giftgase.
    Vielen Dank, Herr Segenreich, für diese Direktinformationen aus Tel Aviv.
    Vor und während der Beratungen der israelischen Regierung haben sich Spitzenpolitiker bereits zu Wort gemeldet in der Frage eines Gegenschlags.
    So meinte Gesundheitsminister Olmert, eine Vergeltungsaktion der Armee sei jetzt so gut wie unvermeidlich.
    Und Avi Parsner, der Sprecher von Regierungschef Shamir, sagte, The whole country is outraged by this criminal act
    Das gesamte Land ist in Aufregung durch diese verbrecherische Tat des Schlechters von Bagdad.
    Er hat wieder seine Raketen auf Israel abgefeuert.
    Wir werden ihm nicht erlauben, unser ganzes Land als Geisel zu nehmen.
    Es ist eine Terrorhandlung gegen ganz Israel.
    Wir werden antworten.
    Wir werden uns nicht von ihm terrorisieren lassen.
    Wir werden reagieren und wir werden entscheiden, wie und wann und wo.
    Ein ganzes Land hat die Nacht im Luftschutzkeller verbracht, mit aufgesetzten Gasmasken, nach Luft schnappend, leidend, nur weil dieser wahnsinnige Imbaktat unser Land mit seiner verrückten Politik als Geisel nimmt.
    Wir wissen sehr wohl, dass die USA ihre Rolle spielen.
    Die Bündnispartner wissen, dass wir provoziert worden sind.
    Wir glauben, dass es im Interesse unseres Landes liegt, mit den USA gemeinsame Politik zu machen.
    Ich glaube, dass das Bündnis halten wird.
    der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten heute früh.
    Wie sehr sich die israelische Regierung der Tragweite einer Entscheidung pro oder contra Vergeltungsschlag bewusst ist, das geht aus einer Erklärung des stellvertretenden Außenministers Netanyahu hervor.
    Wir sind uns der Verantwortung unter Schwierigkeiten voll bewusst.
    Die USA stehen an der Spitze einer Koalition, der arabischen Staaten angehören.
    Aber ich glaube, dass eine interessante Entwicklung im Gang ist, weil Saddam so deutlich seine Pläne verkündet hat, nämlich den Druck auf Irak abzuschwächen, hat er jetzt die Initiative verloren.
    Die Regierungen der arabischen Koalitionspartner sind nicht dumm.
    Sie erkennen klar seine Absichten.
    In den vergangenen Stunden haben wir eindeutige politische Erklärungen gehört.
    Eine offizielle aus Ägypten, einem der wichtigsten Mitglieder des Bündnisses, und eine Erklärung aus Syrien, ebenfalls einem Schlüsselstaat in der Koalition.
    Und in jeder hieß es, wenn Israel angegriffen wird, dann hat Israel das Recht zu reagieren.
    Ihre Länder hätten mit einer solchen Antwort Israels nichts zu tun.
    Das bedeutet, dass Saddams Manipulationsversuch durchschaut und unwirksam gemacht worden ist.
    der stellvertretende Außenminister Israels.
    Politikerstellungnahmen von heute Vormittag aus Israel.
    Wie könnte aber nun ein Gegenschlag aussehen?
    Ein Gegenschlag, der militärisch möglichst wirksam ist, aber politisch möglichst wenig Porzellan zerschlägt innerhalb der antiarakischen Allianz, namentlich zwischen den USA und ihren arabischen Verbündeten.
    Mehr darüber von Roland Machatschke.
    Wie, wann und wo Israel den Vergeltungsschlag für die Terrorangriffe des Iraks auf israelische Städte durchführen wird, diese Option will sich Israel offen halten, wie wir in dieser Sendung gehört haben.
    Was das Wie betrifft, kann man von zwei Möglichkeiten ausgehen.
    Einem konventionellen Schlag mit Einheiten der israelischen Luftwaffe, der stärksten im gesamten Nahen Osten, oder einem Gegenangriff mit Raketen.
    Israel ist mit Raketen besser gerüstet als der Irak.
    Israels Raketen sind nicht eingekauft wie die irakischen Skat-Raketen sowjetischer Bauart, sondern Eigenentwicklungen.
    Neben verschiedenen Kurzstreckenraketen, die für die Schiffsverteidigung zur See dienen, ist in erster Linie die Jericho-Rakete zu nennen.
    In Wirklichkeit ist Jericho die Bezeichnung für eine ganze Serie.
    Das neueste Modell, Jericho 3, hat eine Reichweite von 1500 Kilometern und kann daher theoretisch von Israel aus jedes Ziel im Irak erreichen.
    Die Jericho-Stellungen, das kann man aufgrund der geografischen Beschaffenheit Israels mit Sicherheit annehmen, befinden sich in der Negev-Wüste.
    In der Negev-Wüste sind auch die Abschussanlagen für die Raketentests, die Israel seit Jahren laufend durchführt.
    Aus der Jericho-Rakete wurde übrigens die Trägerrakete Shavit entwickelt, mit der bis jetzt zweimal Satelliten ins All geschossen wurden.
    Israel will in der Satellitenaufklärung nicht auf die USA angewiesen bleiben und baut eigene Rekonnaissance-Satelliten.
    Die beiden bereits gestarteten Modelle sind allerdings nur für Testszwecke gedacht.
    Ein Raketenschlag gegen den Irak hätte für Israel und für das amerikanisch-europäisch-arabische Bündnis gegen den Irak mehrere Vorteile.
    Zum einen müssten nicht israelische Flugzeuge und israelische Piloten aufs Spiel gesetzt werden.
    Die ohnehin schwierige Koordination des Luftkriegs über dem Irak würde nicht durch zusätzliche Einheiten erschwert werden, die in den Schlachtplan nicht integriert sind.
    Und schließlich gibt es einen politischen Grund.
    Israels Flugzeuge müssten, wenn sie den direkten Weg nach Bagdad nehmen, über Jordanien fliegen.
    Wenn, wie zu erwarten, die jordanische Abwehr nicht reagiert, würde das als weitere Demütigung der arabischen Welt empfunden werden und den Zusammenhalt der Koalition gefährden.
    Ein Raketengegenschlag wäre die exakte militärische Entsprechung für die beiden Terrorangriffe Saddam Husseins mit der zusätzlichen moralischen Rechtfertigung der Selbstverteidigung.
    Ägypten und Syrien hätten keine Probleme, das anzuerkennen.
    Israel hat zusätzlich größte Zurückhaltung bewiesen und damit Saddam Husseins Absicht unterlaufen, aus dem Kampf gegen ihn als Aggressor und Okkupator eines arabischen Landes einen Vorkämpfer der Araber gegen Israel zu machen.
    Soweit Roland Machatschke.
    Das Thema möglicher Gegenschlag und politische Implikationen wird in dieser Sendung noch einige Rolle spielen.
    Wir erwarten unter anderem Berichte aus den Vereinigten Staaten und auch aus Ägypten.
    Zunächst aber wollen wir uns zuwenden zurück zu den Nachtstunden, zum Raketenangriff auf Israel.
    Hören Sie Franz Simbürger mit einer Chronologie der Ereignisse und auch einer Chronologie unserer Berichterstattung.
    Einem wahren Wechselbad zwischen Erschrecken und Wiederberuhigen war die Bevölkerung Israels in den vergangenen 16 Stunden ausgesetzt.
    Zunächst gab es gestern Abend um etwa 20 Uhr einen ersten Alarm.
    Es war ein Fehlalarm.
    Gegen Mitternacht heulten dann neuerlich die Sirenen.
    Auch diesmal war es ein Fehlalarm, ausgelöst durch Teile einer sowjetischen Trägerrakete, die, nachdem sie einen Satelliten ins All gebracht hatte, in der Atmosphäre verglüht war.
    Kurz nach vier Uhr mitteleuropäischer Zeit wurde dann in Jerusalem wieder Alarm gegeben, ausgelöst durch eine Explosion in der Nähe der Stadt.
    Die Explosionsursache blieb unbekannt, die Entwarnung kam aber sofort.
    Doch eineinhalb Stunden später war es ernst.
    Die ersten Informationen erhielten wir durch den ARD-Korrespondenten Martin Wagner.
    Vor etwa neun Minuten wurde in Israel im ganzen Land wieder Alarm gegeben.
    Alle Menschen in diesem Land haben das getan, was sie zum Teil schon dreimal in der Nacht getan haben.
    Sie sind mit ihren Gasmasken in die vorbereiteten Räume und wenige Minuten später, also jetzt vor etwa fünf Minuten, wurde dann über den Rundfunk verbreitet.
    Es handelt sich um einen Alarm im ganzen Land wegen eines Raketenangriffes.
    Das war knapp nach sechs Uhr mitteleuropäischer Zeit.
    Freilich nach den Fehlalarmen der Nacht hofften manche auch diesmal, dass nichts passiert sei.
    dass es auf diesmal eine frühzeitig ausgelöste Atomstufe war, um diese Felder rechtzeitig in den gesicherten Räumen zu haben.
    Im Augenblick ist noch nicht klar, ob tatsächlich es gelungen ist, erneut die irakischen Raketen herzuziehen.
    Aus den USA war mittlerweile die Bestätigung eines irakischen Raketenangriffes gekommen und wenig später dann auch aus Israel selbst.
    Allerdings noch ohne genaue Angaben über Zahl der Raketen oder Schäden.
    Die Verwirrung hatte jedenfalls dazu geführt, dass die Telefonleitungen nach Israel völlig blockiert waren.
    Und als wir unseren Korrespondenten Ben Segenreich erreichten, war bereits alles wieder vorüber.
    Vor ganz wenigen Minuten ist wieder die fast vollständige Entwarnung gegeben worden.
    Ich befinde mich rund zehn Kilometer nördlich von Tel Aviv.
    Ich selbst habe gleichzeitig mit dem generellen Alarm ungefähr vier grollende Explosionen gehört.
    Regional scheint sich also wirklich alles auf Tel Aviv beschränkt zu haben, weil rund 25 Minuten später eine regionale Entwarnung gegeben wurde.
    In einem Radius von 50 Kilometern nördlich und südlich von Tel Aviv bestand der Alarm weiter.
    Und dann um 7.57 Uhr wurden auch die Bewohner in Tel Aviv aufgefordert, die Masken abzunehmen, aber immer noch in den Räumen zu bleiben.
    In Wien war es zu dieser Zeit knapp nach 7 Uhr.
    Aber noch während des Live-Gespräches mit Ben Segenreich im Morgensignal gab es einen neuerlichen Zwischenfall.
    Es ist wieder ein Alarm.
    Ich muss die Gasmaske anlegen.
    Bitte warten Sie.
    Es ist wieder Alarm gegeben.
    Und mit angelegter Gasmaske berichtet Ben Segenreich weiter.
    Ich rede wieder.
    Sie hören mich jetzt wahrscheinlich.
    Schlechter, weil ich durch die Gasmaske spreche.
    Es sind soeben wieder die Alarmsirenen ertönt.
    Über den Rundfunk hört man keine Meldungen im Moment.
    Mehr kann ich im Moment nicht sagen.
    Wir warren selbst jetzt der kommenden Entwicklungen.
    Doch ein paar Sekunden später.
    Augenblick, Augenblick, es gibt jetzt neue Informationen.
    Nein, es ist wieder offenbar ein Irrtum gewesen.
    Das waren Sirenen, die falsch interpretiert wurden.
    Das heißt, es sind eigentlich Entwarnungssirenen ertönt.
    In manchen Bereichen, offenbar auch bei mir, hat es geklungen wie eine Alarm.
    Im Alarmfall ertönen.
    Einen Augenblick, ich kann ja die Gasmaske jetzt abnehmen.
    Einen Augenblick.
    Im Alarmfall ertönen auf- und absteigende Sirenen, bei der Entwarnung ein gleichbleibender Ton.
    Irrtümlich wurde offenbar in mehreren Regionen die Alarmsirene statt der Entwarnungssirene geblasen.
    Die zahlreichen Alarme hatten offenbar auch bei den Sicherheitszuständigen in Israel Verwirrung ausgelöst.
    Bis zum späteren Vormittag hatte sich schließlich die Situation weitgehend geklärt und beruhigt.
    Es konnte Bilanz nach diesem zweiten irakischen Raketenangriff auf Israel gezogen werden.
    Mein Haus ist mir egal, alles ist weg, erzählt die Frau mit Tränen in den Augen, aber ich lebe.
    Die Zerstörungen, die der zweite Raketenangriff des Irak in und um Tel Aviv angerichtet hat, sind erheblich.
    Tiefe Krater, Splitter, Scherben, Glas allüberall.
    aber wie durch ein Wunder auch in diesem Fall nur knapp 20 verletzt sind.
    Nach israelischen Militärberichten haben insgesamt drei Raketen in Tel Aviv eingeschlagen.
    Der irakische Rundfunk berichtet aber, dass der Irak insgesamt elf Raketen abgeschossen habe.
    Eine Zusammenfassung der dramatischen Ereignisse an diesem Morgen in Israel von Franz Simbürger war das.
    Und ich bin jetzt direkt telefonisch verbunden mit Hans Benedikt.
    Er ist ja in der Nacht auf gestern aus Bagdad abgereist, jetzt in der jordanischen Hauptstadt Amman.
    Herr Benedikt, können Sie mich hören?
    Hallo, guten Morgen, sehr gut.
    Ja, Verbindung ausgezeichnet.
    Herr Benedikt, Saddam Hussein hat ja mit seinen Angriffen auf Israel sicher mehr getan als eine zweite Front nur aufgemacht.
    Wie schätzen denn Sie als Araber-Kenner, aber auch als sehr guter Kenner Israels, die Lage nach dieser neulichen Provokation des irakischen Diktators ein?
    Wird sein Kalkül aufgehen, beziehungsweise kann die israelische Regierung überhaupt weiter Zurückhaltung zeigen?
    Ich komme gerade von einem Gespräch mit einem sehr gut informierten, dazu auch sehr autorisierten Gesprächspartner zurück.
    Er hat nur gebeten, ihn namentlich nicht zu nennen.
    Und er sagt Folgendes.
    König Hussein von Jordanien, König Hussein von Jordanien und sein Bruder, Kronprinz Hassan, versuchen seit gestern verzweifelt, Präsident Saddam Hussein dazu zu überreden, zwei Entscheidungen zu fällen,
    durch die er erstens seinen persönlichen Untergang und zweitens einen sechsten vollen Nahostkrieg verhindern könnte.
    Der erste Wunsch an ihn, telefonisch mehrfach die ganze Nacht über von König Hussein und Kronprinz Hassan ausgesprochen war, sofort, sobald wie möglich im Golfkrieg den Amerikanern und den Verbündeten einen Waffenstillstand anzubieten.
    Und die zweite Forderung an ihn war,
    sofort die Raketenterrorangriffe auf Israel einzustellen.
    Dabei geht offenbar der König und sein Bruder davon aus, dass sie erstens durch das im Frühjahr 19 des vorigen Jahres geschlossene Bündnis mit Saddam Hussein zusehends, vor allem nach dem Überfall auf Kuwait, in eine unhaltbare Situation gegenüber dem Westen und der gesamten arabischen Welt geraten sind,
    Eine Erkenntnis, bei der jetzt auch die Überlegung mitspielt, dass Gegenschläge Israels, wenn sie über jordanisches Territorium geführt werden, also in Form von Flugzeugangriffen, dass Gegenschläge Israels Jordanen in eine völlig chaotische Situation bringen würden, und zwar deshalb, wenn Jordanen dazu schweigt und sich nicht wehrt, also keinen bewaffneten Teilkonflikt mit Israel riskiert,
    Dann gibt es hier im Land eine Revolution unter den 60 Prozent Palästinensern, 60 Prozent der Gesamtbevölkerung, die schon einmal, nämlich 1970, versucht hatten, den König zu entthronen und die Macht zu übernehmen.
    Die heute aber zu einem großen Teil auf die Politik Präsidents Saddam Husseins als den vermeintlichen einiger und großen Führer der arabischen Welt
    der als erster arabischer Führer sich echt und endlich ihrer selbst, nämlich der Palästinenser, annehmen würden, sich wahrscheinlich in sehr gefährlicher Form hier gegen den König stellen würden.
    Deshalb sein dringender Appell an Saddam Hussein, die Raketenbeschuss Israels einzustellen und den Amerikanern ein Waffenstillstandsangebot zu machen.
    Ich höre aus einer anderen, aber auch sehr verlässlichen Quelle, dass der König
    auf Umwegen auch mit der israelischen Regierung in Verbindung steht, wobei genannt werden einige Diplomaten, sehr hochrangige Diplomaten und König Hassan von Marokko.
    Also hier am königlichen Hof ist offenbar jetzt die Erkenntnis, eine absolute geworden, dass das Bündnis mit Saddam Hussein, in das er König Hussein hineingelockt hat, für Jordanien einen tödlichen Ausgang haben könnte und hinter dem steht die Kalkulation,
    das abgelesene Verhalten Saddam Husseins jetzt im Golfkonflikt und mit den Raketenangriffen auf Israel, dass er eine Situation provozieren will, aus der dann nicht mehr er als der Alleinquickführende mit der Alleinbelastung gegen die Amerikaner und Israelis hervorginge, sondern eine möglichst große Anzahl arabischer Staaten.
    Er will also, so sagt mir ein wörtliches Zitat, die Araber in ein Bündnis hineinlocken,
    das zu nichts anderem designiert ist als zum Ausbruch des sechsten vollen Nahostkrieges.
    Herr Benedikt, eine Frage gleich zu diesem Hineinlocken der Araber in ein Bündnis.
    Es haben ja die verbündeten Araber, die mit den USA mitkämpfenden, ihre guten Gründe gehabt, zunächst einmal dieses Bündnis mit dem Westen einzugehen.
    Zählen diese Gründe angesichts eines möglichen Kriegseintrittes Israels gar nichts mehr?
    Es ist sehr zu empfehlen, lieber Herr Kollege,
    diese Bündnisse nicht als ewige Bündnisse zu betrachten, als unabänderliche.
    In der arabischen Welt hat es zwischen arabischen Staaten ununterbrochen Bündnisse gegeben, bis zum Zusammenschluss ihrer Staaten, und sie sind dann wieder auseinandergebrochen.
    Eine Erwägung, geschnitten auf den syrischen Präsidenten Saddam Hussein.
    Wenn die Irakis militärisch zu Boden gehen,
    hat Assad, Präsident Hafez Assad von Syrien, eine unglaublich schwierige militärische Situation.
    Denn man ist seine ganze linke Flanke entlöst und dann, so rechnet er, ist er ein potenzielles Angriffsziel für die Israelis.
    Zum Beispiel, wenn es zu einem Gesamt-Nahostkrieg kommen sollte.
    Daher hat keiner im Nahen Osten, in der arabischen Welt, im Augenblick mehr Interesse daran, dass Saddam Hussein in diesem Krieg nicht total unterliegt, als sein Erz- und Erbfeind
    Herr Benedikt, eine sehr hypothetische Frage.
    Angenommen dieser jordanische Plan des Waffenstillstands bei gleichzeitiger vorhergehender Einstellung der Raketenangriffe auf Israel, stößt auf offene Ohren bei Saddam Hussein.
    Würde denn ein Waffenstillstand
    der antirakischen Allianz überhaupt genügen.
    Es hat gleich zu Beginn des Krieges etwa der britische Premier Major erklärt, eine Pause, eine Nachdenkpause, eine Verhandlungspause würde jetzt Saddam Hussein keinesfalls angeboten werden, weil er sie nur zu seinem Vorteil nutzen würde.
    Glauben Sie, dass der Westen auf seinen Waffenstillstand ohne gleichzeitigen Rückzug oder zumindest Zusicherung des Rückzugs aus Kuwait eingehen könnte?
    Ich glaube, das ist eine Situation, mit der sich ebenso hypothetisch, wie Sie jetzt in der Fragestellung, der UNO-Generalsekretär Béristain Coillard sehr, sehr intensiv befasst hat bei seiner letzten dann kollabierten Friedensversuchsmission bei Saddam Hussein in Bagdad vergangene Woche.
    Ich glaube, dass es in der UNO und auch in westlichen Alliiertenkreisen sehr wohl eine Rechnung gibt, eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, sehr spekulativ natürlich.
    Wenn Saddam Hussein jetzt um Waffenstillstand ersucht,
    dann sollte man diesen Ersuchen zunächst einmal positiv gegenüberstehen.
    Er ist auch bitte, jetzt muss man das Ganze vielleicht aus seiner Sicht noch einmal betrachten, er ist jetzt bitte, er steht jetzt an der Schwelle, der Krieg steht jetzt an der Schwelle zur absolut entscheidenden Phase, nämlich Kuwait.
    Besetzung von Kuwait, verzeihen, Freikämpfen von Kuwait,
    Und Saddam Hussein hat schon derartige Einbrüche, militärische Einbrüche erlitten, die sich bitte nicht nur in der Zahl der von ihm verlorenen, seiner Flugzeugverluste, oder in der Zahl der von ihm abgeschossenen amerikanischen Flugzeuge bemessen lassen.
    Er steht eigentlich heute, diese Kraft der Alliierten hat sich ja überhaupt noch nicht entfaltet, an der Schwelle zum Krieg um Kuwait,
    vor der Überlegung, ob er diesen Krieg überleben kann.
    Und ich glaube, er kann ihn nicht überleben.
    Herr Benedikt, vielen Dank für diese Analyse direkt aus der jordanischen Hauptstadt Amman.
    Wir werden sicher in den folgenden Sendungen noch wiederholt auf Sie zurückgreifen können.
    Ja, wir bleiben natürlich vorläufig beim Thema Golf und bei der Frage, die Weiterentwicklung nach diesem zweiten Raketenangriff des Iraks auf Israel.
    Was dazu derzeit in Washington die Überlegungen sind, die ersten Reaktionen, das fasst Robert Wieser zusammen.
    Präsident Bush, der das Wochenende auf dem Landsitz in Camp David verbringt, ist sofort aufgeweckt und über den jüngsten Angriff auf Israel informiert worden.
    In Kürze kommt er in Camp David mit seinen engsten Beratern zusammen, um die nächsten Schritte zu beraten.
    Bush hatte schon nach dem ersten hierarchischen Angriff alles unternommen, um die Israelis von eigenen Gegenschlägen abzuhalten.
    Er hat die militärische Zurückhaltung der Israelis nach dem ersten Schlag in höchsten Tönen gelobt und da wäre wohl schon an die Gefahr weiterer Angriffe gedacht.
    Wir können sicher sein, dass es auf allen Ebenen intensive Kontakte zwischen Washington und Jerusalem gibt und im Laufe des Tages noch geben wird.
    Das stärkste Argument, das die USA hier haben, ist wohl das.
    Eine Verwicklung Israels in den Golfkrieg ist genau das, was Saddam Hussein bezweckt, um die breite, auch arabische Front gegen ihn zu spalten.
    Die Regierung in Jerusalem möge ihm doch nicht diesen Gefallen tun.
    Gleichzeitig bemühen sich die amerikanischen Militärkräften nachzuweisen, dass sie selbst alles tun, um die verbliebenen mobilen irakischen Raketenabschussrampen aufzuspüren und zu zerstören.
    Viele Experten weisen hier darauf hin,
    dass ja auch das israelische Militär nichts anderes als die Amerikaner machen könnte, nämlich nach diesen Skatrampen zu suchen, wie nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.
    Das ist richtig, allerdings mit einer Einschränkung.
    Die amerikanische Strategie hat großen Wert darauf gelegt, die eigenen Soldaten einem möglichst geringen Risiko auszusetzen.
    Daher hat das Pentagon auch darauf hingewiesen, dass die Luftangriffe auf irakische Einrichtungen noch bis in den Februar hinein dauern würden und erst dann Bodentruppen eingesetzt würden,
    Israelische Kommandoaktionen hingegen haben auch in der Vergangenheit die beteiligten Soldaten meist in große Gefahr gebracht.
    Während sich die USA auf technisch aufwendige Luftangriffe beschränken, wäre es also denkbar, dass die israelische Armee auch eine Landung auf irakischem Gebiet versuchen würde.
    In Washington weiß man sehr genau, dass das staatliche Selbstverständnis Israels die Stimmung wenigstens eines Teils der Bevölkerung und wohl auch der Wunsch einiger Regierungsmitglieder eine selbstständige Vergeltungsaktion recht wahrscheinlich machen.
    Und zu den Fragezeichen um das Weiterbestehen der antirakischen Allianz auch nach einem israelischen Gegenschlag gegen den Irak.
    Da haben wir jetzt direkt aus Kairo Verbindung bekommen und Werner Fitztum bestätigt da, was wir in dieser Sendung schon kurz gehört haben, nämlich dass Ägypten vermutlich auch in einem solchen Fall nicht aus der antirakischen Allianz ausscheren würde.
    Die europäische Position im Krieg am Golf ist unverändert.
    Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung.
    Dies wird nichts am Verbleib Ägyptens in der internationalen Koalition gegen den Irak ändern.
    Und die ägyptischen Truppen in Saudi-Arabien haben nach wie vor nur defensive Aufgaben und werden kuwaitischen oder arabischen Boden erst nach Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen betreten.
    In Kairo hat man natürlich damit gerechnet, dass Iraks Präsident Saddam Hussein versuchen würde,
    den durch ein UN-Mandat abgesicherten Krieg zur Befreiung Kuwaits zu einem arabisch-israelischen Konflikt zu erweitern, der die gesamte Region in Brand setzen könnte.
    Man verweist hier auch darauf, dass fast alle Mitglieder der Arabischen Liga die UN-Beschlüsse bis hin zum Einsatz militärischer Mittel mitgetragen haben und Ägypten keine von der arabischen Welt isolierte Politik betreibt, wie etwa vor zwölf Jahren beim Aussöhnungsprozess mit Israel.
    Dennoch weiß Präsident Hosni Mubarak, in welch sensible Optik er und seine provestliche Politik in Teilen der ägyptischen Bevölkerung der Palästinenser in den besetzten Gebieten und bei Millionen von Arabern zwischen Rabat und Damaskus geraten, wenn Israel in Abstimmung mit den USA und Großbritannien und mit Duldung arabisch-muslimischer Staaten wie Ägypten und Saudi-Arabien gegen den Irak Krieg führt.
    Die große Mehrheit der Moslems hier unterstützt nach wie vor die Befreiung Kuwait und auch die Vernichtung der irakischen Kriegsmaschinerie.
    Doch der jüdische Staat, der arabisches Land seit 24 Jahren besetzt hält, als ein Verbündeter im Goldkrieg, ist für viele völlig inakzeptabel und könnte zu einem gefährlichen Meinungsumschwung auf den Straßen und vor allem in den Moscheen führen.
    Die weitere Entwicklung in Ägypten wird jetzt davon abhängen, ob Israel seine militärischen Aktionen
    deutlich von jenen der USA absetzen kann und inwieweit es den islamischen Fundamentalisten gelingt, die Stimmung in ihrem Sinn zu beeinflussen und für eine Solidarität mit dem arabischen Bruder Irak zu mobilisieren.
    Sprecher der Moslembrüder haben den Präsidenten bereits aufgefordert, die internationale Allianz jetzt zu verlassen.
    Noch ist es ruhig in Kairo, doch Anzeichen von steigender Nervosität sind schon zu erkennen.
    Seit gestern Abend werden die großen Hotels besonders bewacht.
    Der Besuch von Moscheen wurde für nicht-muslimische Ausländer eingeschränkt.
    Und bei Touristenattraktionen wie den Pyramiden sind die Sicherheitskräfte erheblich verstärkt worden.
    Man befürchtet Anschläge.
    Saddam Husseins langer Arm, so sagt man hier, hat auch Ägypten erreicht.
    So viel in der ersten Hälfte dieses Mittagsschonals zu den möglicherweise politischen Veränderungen im Gefolge des Angriffs auf Israel von Seiten des Irak.
    Militärisch unverändert ist hingegen die Situation an der Hauptfront zwischen den Alliierten und dem Irak.
    Die Luftangriffe der antirakischen Allianz werden fortgesetzt.
    Mit den neuesten Entwicklungen meldet sich Raimund Löw.
    Es war wieder eine Nacht intensiver Bombenangriffe gegen Ziele im Irak und in Kuwait.
    Insgesamt sind jetzt etwa 3000 Attacken seit Kriegsbeginn geflogen worden.
    Die meisten Flugplätze der irakischen Luftwaffe sind zerstört, heißt es aus dem alliierten Oberkommando in Saudi-Arabien.
    Und die Kampfmaschinen suchen sich jetzt neue Ziele.
    Hohe Priorität haben die beweglichen Abschussrampen für Scud-Mittelstreckenraketen, aber sie sind sehr schwer zu finden.
    Offensichtlich gab es auch einen echten Luftkampf über der irakischen Hauptstadt.
    Ein britischer Sprecher berichtet, britische Tormados hätten drei irakische Maschinen abgeschossen.
    Peter Arnett, Reporter der amerikanischen Nachrichtenfernsehanstalt CNN, telefonierte gegen 10 Uhr unserer Zeit seinen letzten Bericht.
    Heute früh haben die irakischen Behörden die verbliebenen westlichen Korrespondenten aufgefordert, Bagdad zu verlassen.
    Die Satellitentelefone, über die die Welt bisher informiert wurde, werden abgebaut und die letzten 40 Korrespondenten machen sich aus Bagdad in Richtung jordanische Grenze auf.
    Sie sagen, Bagdad gleicht einer Geisterstadt.
    Es gibt kein Wasser und keinen Strom mehr.
    Die Telefone sind tot.
    Nur ganz wenige Geschäfte haben heute früh geöffnet.
    Auf den Straßen fahren Militärautos und Soldaten eilen zu ihren Einheiten.
    Nur wenige verbliebene Zivilisten wagen sich nach drei schlaflosen Nächten in den Luftschutzkellern nach oben.
    Sie wirken verstört und haben schwarze Ringe unter den Augen.
    Ein Sprecher der gegen Saddam Hussein kämpfenden kurdischen Demokratischen Partei spricht von schweren Verlusten unter den irakischen Soldaten.
    Vor allem die Angriffe auf die Kasernen rund um Bagdad haben viele Opfer unter den Armeeangehörigen gefordert, berichtet Hoshyar Zebari.
    Zivile Opfer gab es, aber sie waren bisher beschränkt.
    Zivile Opfer hat es besonders gestern beim Angriff auf das Hauptquartier der Luftwaffe in Bagdad gegeben, sagt der Kurdenvertreter.
    Dieses Hauptquartier liegt in einem dicht besiedelten Wohngebiet.
    Nach Angaben des kurdischen Sprechers sind Flughäfen im Norden bei Kirkuk und Mosul zerstört und auch eine Atomanlage bei Kirkuk soll getroffen sein.
    Dieser Bericht ist aber von unabhängiger Seite nicht bestätigt.
    Mit Tagesanbruch haben die alliierten Streitkräfte Angriffe auf Stellungen der Republikanischen Garde in Kuwait begonnen.
    Das sind die tief verschanzten Eliteeinheiten der Iraker.
    Bomben fallen auf Kasernen und Nachschublinien.
    Hier beteiligen sich auch die französischen Maschinen mit ihren französischen Jaguar Bomber.
    An der kuwaitisch-saudi-arabischen Grenze ist es auch zu Kämpfen am Boden gekommen.
    Nach amerikanischen Angaben sind 40 Iraker gefallen und vier amerikanische Marineinfanteristen wurden verwundet.
    Die US-Marine warnt in der Zwischenzeit alle Handelsschiffe vor irakischen Treibminen in der Golfregion.
    US-Bürger wurden zum Verlassen der östlichen Gebiete Saudi-Arabiens aufgefordert.
    Offiziell sprechen die Amerikaner von acht verlorenen Flugzeugen der Alliierten, darunter vier amerikanischen, zwei britischen, einem kuwetischen und einer italienischen Maschine.
    14 irakische Maschinen wurden nach US-Angaben zerstört.
    Die Iraq dagegen behauptet, bereits 101 angreifende Flugzeuge abgeschossen zu haben.
    Unter Kontrolle haben wir den Luftraum noch nicht völlig gegen die amerikanischen Militärs zu.
    Die letzte Meldung, die eben eingetroffen ist, britische Tornadobomber haben bisher nicht bekannte irakische Raketenabschussrampen entdeckt.
    Das Bombardement ist im Gange.
    Raymond Löw zum Fortgang des Golfkriegs und ganz im Zeichen dieses Kriegs steht natürlich an einem Tag wie diesem auch unser Samstaggespräch.
    Im Journal zu Gast.
    Das ist heute Dr. Udo Steinbach, der Direktor des Deutschen Orientinstituts in Hamburg.
    Das Hamburger Orientinstitut ist das wohl wichtigste Forschungsinstitut für Nahostpolitik im deutschen Sprachraum.
    Und sein Direktor, Dr. Steinbach, ist der Herausgeber grundlegender Werke über die arabische Welt, unter anderem der Islam in der Gegenwart.
    In dem Gespräch, das Susanne Scholl mit Dr. Steinbach führte, geht es vor allem darum, was die über kurz oder lang absehbare militärische Niederlage von Saddam Hussein für die arabische Welt bedeuten könnte, vor allem für jene Araber, die jetzt auf ihn gesetzt haben als ein neues arabisches Idol.
    Professor Steinbach, Saddam Hussein hat ja zunehmend versucht, sich als den Retter der arabischen Nation ganz allgemein hinzustellen und hat ja auch vom Volk unter Anführungszeichen in verschiedenen Staaten großen Zulauf bekommen.
    Nun ist er dabei, diesen Krieg zu verlieren, wie lange auch immer das dauern wird.
    Was hat das für Auswirkungen auf Länder wie Jordanien, wie Ägypten, wie Syrien, wie auch Marokko?
    vielleicht auch auf Saudi-Arabien, wo die Leute ja doch zum Teil auf ihn gehofft haben.
    Nun, das wird sehr schwierig werden.
    Das wird natürlich auch davon abhängen, wie schnell dieser Krieg zu Ende geht.
    Wenn er diesen Krieg sehr bald verliert, und ich teile völlig Ihre Ansicht, dass er auf der Verliererstraße ist, wenn der Kampf sehr bald aus ist,
    dann könnte ich mir vorstellen, dass der Mobilisierungseffekt auf die arabische Öffentlichkeit relativ gering ist, dass die arabische Öffentlichkeit sich unter Umständen sogar damit abfinden könnte, dass eine ganze Reihe von Regimen gegen Saddam eingestellt war und auf der Seite des internationalen Rechts, auf der Seite der Vereinten Nationen sich verhalten hat.
    Wenn dieser Krieg lange dauert, wenn die Temperaturen sehr hoch steigen in der arabischen Öffentlichkeit, wenn die Proteste unter Umständen sogar gewalttätige Formen annehmen, dann glaube ich in der Tat, dass eine Reihe von arabischen Regimen unter Druck kämen.
    Wir wären vielleicht in einer ähnlichen Situation, wie 1967 Nasser war, als er in sechs Tagen seinen Krieg verlor.
    und die arabische Öffentlichkeit total desillusioniert war.
    Die arabische Öffentlichkeit psychologisch am Boden war, was dann dazu führte, dass militante islamische Kreise gewissermaßen nun an die Spitze des Kampfes gegen Amerika, gegen den Westen und so weiter getreten sind.
    Ich schließe also nicht aus, dass eine vernichtende Niederlage Saddam Husseins
    die Konsequenz hat, dass eine neue Welle von Militanz gerichtet gegen den Westen, gerichtet gegen Europa und Amerika durch die islamische Welt, insbesondere durch den arabischen Nahen Osten geht.
    Gilt das auch für die Palästinenser?
    Die Palästinenser haben sich ja in der Frage Kuwait ohne Zweifel auf die Seite des Irak gestellt.
    Das heißt, sie sind in einer ziemlichen Sackgasse.
    Wie können die aus dieser Sackgasse wieder rauskommen?
    Ich glaube, die Palästinenser können wirklich relativ schnell aus der Sackgasse herauskommen, weil man den Palästinensern nämlich unmittelbar nach Ende des Konfliktes das konkreteste Angebot machen könnte.
    Die Palästinenser sind ja hinter Saddam versammelt, weil sie zwei Jahre lang alles gegeben haben, was die Palästinenser geben konnten.
    Im November, Dezember 1988 hat die PLO, hat Yasser Arafat
    Israel anerkannt, die Resolution 242 anerkannt, auf deren Grundlage ja der arabisch-israelische Konflikt gelöst werden soll, und sie haben dem Terrorismus abgeschworen.
    Was haben sie zwischen Herbst 1988 und Sommer 1990 erhalten?
    Gar nichts.
    Und weil die Diplomatie in eine Sackgasse ging, weil die israelische Regierung überhaupt keinerlei Angebote gemacht hat von ihrer Seite,
    den die Palästinenser seit dem Sommer 1990 auf der Seite des Saddam Hussein, der der diplomatischen Variante jetzt wieder die militante Variante gegenübergestellt hat.
    Wenn sich dies nun als ein großer Flop herausstellt, wenn sich zeigt, dass Saddam die Palästinenser im Grunde instrumentalisiert hat um seine eigenen politischen Ziele willen, wenn sich herausstellt, dass er sie getäuscht hat mit seiner vorgetäuschten Militärmacht, die am Ende wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ist, dann entsteht natürlich auf palästinensischer Seite eine tiefe Desillusion, schlagartig.
    Und die könnte aufgefangen werden durch ein großzügiges amerikanisches Angebot,
    unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen gegen Saddam nun endlich tatsächlich ernst zu machen mit einer gerechten Beilegung des arabisch-israelischen Konflikts.
    Man könnte amerikanischerseits jetzt ein Angebot machen einer internationalen Friedenskonferenz, welche doch am Ende den palästinensischen Interessen, palästinensischen Forderungen entgegenkommen würde und eine echte
    gerechte Lösung des Palästinenser-Problems bedeuten würde.
    Das würde voraussetzen ein großes Verständnis für die Situation im Nahen Osten.
    Nun ist diese ganze Krise gekennzeichnet von vielen, vielen Unverständnissen.
    Sei es von der Seite Saddam Husseins, der ganz offensichtlich die Amerikaner völlig falsch eingeschätzt hat, sei es von der Seite der Amerikaner, die Saddam Hussein, aber auch die Palästinenser
    ich will nicht sagen unterschätzt, aber falsch eingeschätzt haben.
    Wie kann man aus diesen Missverständnissen, Unverständnissen wieder rauskommen?
    Also was das Verständnis der Amerikaner für arabische Dinge betrifft, da haben Sie völlig recht, da ist es nie sehr weit her gewesen damit.
    Ich glaube aber, aus diesen Diskussionen der letzten Monate,
    Nämlich den Diskussionen um die Frage, soll man den Palästina-Konflikt verknüpfen mit dem Golf-Konflikt, haben die Amerikaner eines gelernt.
    Sie haben gelernt, dass tatsächlich eine langfristige Stabilisierung der Region nur geschehen kann dadurch, dass man den Palästina-Konflikt in der einen oder anderen Weise mit einbezieht.
    Die Europäer sind dafür eingetreten.
    Die Sowjetunion ist dafür eingetreten.
    Die Amerikaner haben es aus guten Gründen
    zurückgewiesen, eine Verknüpfung zwischen den beiden Konfliktherden herzustellen.
    Aber sie haben gemerkt, dass es ohne eine Lösung nicht geht.
    Und dies vor dem Hintergrund
    Ich denke, das muss man auch sehen, dass dieses Tandem Bush-Baker seit zwei Jahren doch recht ernsthafte Bestrebungen gemacht hat, die Dinge voranzubringen.
    Viel ernsthafter Bestrebungen, als in den acht Jahren zuvor von Reagan und George Shultz gemacht worden sind.
    Also im Prinzip sind Bush und Baker bereit, etwas zu tun.
    Sodass ich optimistisch bin, dass sich etwas bewegt,
    Dies umso mehr, auch als ich sehe, dass die amerikanische Öffentlichkeit, vor allen Dingen die jüdische amerikanische Öffentlichkeit, bereit ist, hier die Dinge voranzubringen, um zu verhindern, dass sich das Bild Israels in der Weltöffentlichkeit und damit auch die Beziehungen zwischen Amerika und Israel weiter verschlechtern.
    Sie sagen, die Amerikaner müssen sich nach einem Ende dieses Krieges auf jeden Fall sehr schnell mit der Palästinenser-Frage beschäftigen.
    Nun stellt sich ja aber zunächst einmal ein ganz anderes Problem.
    Nach einer Niederlage, die vermutlich auch mit einer physischen Vernichtung Saddam Husseins enden muss, wird es im Irak ein großes Machtvakuum geben.
    Was passiert im Irak nach dem Ende dieses Krieges und nachdem es Saddam Hussein nicht mehr gibt?
    Ich vermute zunächst einmal, dass es schwer werden wird, den Irak als ein stabiles Land beieinander zu halten.
    In diesem Land sind zwei Jahrzehnte lang auf die blutigste Weise Verbrechen begangen worden von der Führung, von der Ba'ath-Partei.
    Und hier sind viele viele Rechnungen zu machen und wie im Irak Rechnungen gemacht werden, das hat man 1958 erlebt bei der Revolution und fünf Jahre später 1963 ebenfalls, das ist nie unblutig abgelaufen.
    Also hier tritt eine Destabilisierung ein, die recht tief reichen wird.
    Hinzu kommt, dass ich
    auf Seiten der schiitischen Mehrheit der irakischen Bevölkerung die Entschlossenheit sähe, sich nie wieder von einer sunnitischen Minderheitsclicke beherrschen zu lassen.
    Das heißt, die Schiiten werden den Versuch machen, ihrerseits das politische System gewissermaßen zu bestimmen.
    Wir könnten weitergehen.
    Wir würden dann wahrscheinlich vermuten dürfen, zu Recht, dass die Kurden des Irak, die seit zwei Jahrzehnten darauf aus sind, einen eigenen Staat zu gründen, dies versuchen würden.
    Das würde den irakischen Staat an den Rand des Auseinanderbrechens bringen.
    Hinter den irakischen Schiiten tauchen meines Erachtens die Iraner auf.
    Nicht in dem Sinne, dass sie den Irak selbst direkt dominieren wollten, aber in dem Sinne, dass sie natürlich entschlossen sind, die Schiiten in Bagdad an die Macht zu bringen.
    Und wenn die Kurden den ernsthaften Versuch machen sollten, einen eigenen Staat auf irakischem Territorium zu errichten, dann sehe ich die Türken kommen.
    Die Türken, die einen unabhängigen kurdischen Staat
    an ihrer östlichen Grenze kaum akzeptieren werden, aufgrund der Tatsache, dass sie selber ein ernsthaftes Kurdenproblem in ihrem eigenen Land haben.
    Also, es ist mir sehr schwer vorstellbar, was dann passiert.
    Im Übrigen muss man sich fragen, welche Art von Führer
    wird denn am Ende in Bagdad sich etablieren?
    Er wird ein Militär sein, möglicherweise.
    Aber welche ideologische Orientierung wird er denn haben?
    Und meine Vermutung wäre, dass dies auch ein arabischer Nationalist sein wird, der früher oder später ähnliche Ansprüche auf Kuwait erheben wird, wie sie Saddam erhoben hat, und der genauso
    in einem Spannungszustand, in einem Spannungsverhältnis stehen wird zu den konservativen, traditionellen arabischen Regimen in seiner Nachbarschaft.
    Das heißt, das alte Konfliktmuster, an dem wird sich gar nicht so schrecklich viel ändern.
    Heißt das nicht, dass ein weiterer Konflikt, in dem aber Iran und Irak sehr eng zusammengehen, eigentlich schon vorprogrammiert ist?
    Also, jedenfalls kann ich nicht erkennen, dass durch den Regimewechsel in Bagdad, der von den Amerikanern herbeigeführt wird, eine
    ein Plus an Stabilität ausginge.
    Wir dürfen auch nicht vergessen, dass möglicherweise doch die Frage Kuwait noch immer nicht geklärt ist.
    Amerika macht sich stark dafür, dass die Familie Sabach zurückkommt.
    Wohin kehrt diese Familie denn zurück?
    In ein Land, welches ausgepovert worden ist von den Irakern.
    Na gut, mit viel Geld kann man das relativ schnell wieder richten.
    Aber der Emir von Kuwait hat schon im Vorfeld seiner Rückkehr gesagt, das Regime kann nicht mehr das alte sein, wir müssen mehr Demokratisierung einführen.
    Wird es den Kuwaitis wirklich gelingen, mit mehr Demokratisierung zu leben?
    Und dann könnten wir das fortspielen und könnten sagen, auch die Saudis, denen jetzt doch so geholfen worden ist,
    die sich in Zukunft behaupten müssen in einer Welt, die sich grundlegend verändert hat.
    Auch die Saudis werden sich mehr öffnen müssen, werden sich vielleicht demokratisieren müssen, in einem gewissen Umfang jedenfalls, werden die das überleben, denn damit hat das saudische Regime kaum eine Erfahrung in der Vergangenheit.
    Kurzum, im Irak selbst und in der unmittelbaren Nachbarschaft des Irak sehe ich zahlreiche Fragezeichen.
    die es sehr unwahrscheinlich machen, a, dass es hier zu einer Stabilität kommt und b, dass der Westen sich zurückziehen kann nach dem Ende des Krieges, möglicherweise unter Hinterlassung eines sogenannten regionalen Sicherheitssystems.
    Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.
    Ich glaube, dass Amerika, dass der Westen auf lange Sicht in dieser Region wird drinnen bleiben müssen, um seine Interessen zu realisieren, die letzten Endes doch eben im Ölbereich liegen.
    Vielen Dank für dieses Gespräch.
    Im Journal zu Gast war heute Dr. Udo Steinbach, der Direktor des Deutschen Orientinstitutes in Hamburg.
    Das Gespräch führte Susanne Scholl.
    Schon in der Phase vor dem Kriegsausbruch am Golf, und dieser Ausbruch war erst vorgestern Donnerstag früh, man glaubt es kaum, schon vorher
    prägten die Medien das Schlagwort von der Doppelkrise.
    Und gemeint war damit, parallel zur Golfkrise, die Krise innerhalb der Sowjetunion, konkret im Baltikum, gemeint war der blutige Militäreinsatz der sowjetischen Armee in Litauen.
    Die beiden wichtigsten Wirtschaftsberater des sowjetischen Präsidenten Schatalin und Petrakow haben Gorbatschow wegen seiner Rolle bei dieser Militärintervention zuletzt scharf kritisiert und ihm vorgeworfen, einem Verbrechen der Armee zugestimmt zu haben.
    Nikolai Petrakow ist mittlerweile zurückgetreten von seiner Rolle als Wirtschaftsberater Gorbatschows.
    Aber Russlands Parlamentspräsident Jelzin ist jetzt wegen seiner ebenfalls kompromisslosen Ablehnung dieser Intervention in Litauen unter scharfen Beschuss der russischen Kommunisten und sowjetischer Militärs gekommen.
    Hören Sie mehr von Veronika Sayer.
    Sie haben wieder einen gemeinsamen Feind, die Marschelle, die Generäle, die ein- und mehrfachen Helden der Sowjetunion und des großen Vaterländischen Krieges, die Partei- und KGB-Apparatschiks, die Kämpfer für altes Unrecht und neue Diktatur.
    Boris Jelzin, der russische Parlamentspräsident, ist als Gegner so groß, dass sie ihre Kräfte und publizistischen Möglichkeiten zu einem Sperrfeuer vereinigt haben.
    Jelzin habe das Schicksal des Vaterlandes seinen politischen Ambitionen geopfert.
    Er habe sich auf die Seite des politischen Abenteurers Landsbergs gestellt und heize mit seiner Unterstützung für die baltischen Republiken den Konflikt erst recht an, schreiben 16 Generäle in einem offenen Brief in der Armeezeitung.
    Wie könne der Russe Jelzin die Russen an die Balken verraten, fragen sie.
    Und mit seinem Vorschlag, eine eigene russische Armee zu bilden, wolle er auch noch aus Soldaten dieser Töre und Main eidige machen.
    Eine einzige Chance räumt ihm der rote Stern noch ein.
    Jelzin muss öffentlich Abstand von seiner neu entdeckten Liebe zu den Balken nehmen.
    Und er muss einsehen, dass die bewaffnete Verteidigung der sozialistischen Sowjetunion eine internationale Aufgabe sei.
    keine Karte in einem politischen Spiel.
    Ohne seinen Namen zu nennen, stellt KGB-Chef Krutschkow Jelzin zusammen mit allen Balkenfreunden in eine Reihe mit sogenannten Demokraten, Spekulanten und Agenten eines primitiven Kapitalismus.
    Solche Schädlinge hätten die schwierige Lage des Landes zu verantworten und müssten auch die Folgen tragen.
    Aber es hat sich auch eine Verteidigungsfront für Jelzin aufgetan.
    Der Konflikt zwischen Gorbatschow und Jelzin über den Armeeeinsatz im Baltikum hat die Demokraten und liberalen Intellektuellen aus ihrer monatelangen Lähmung befreit.
    Prominente Gorbatschow-Berater wie Schatalion und Petrakov, Regisseure, Schriftsteller, Ärzte, Perestroika-Soziologen und Journalisten haben sich öffentlich von Gorbatschow abgewandt und ihm die Mitarbeit aufgekündigt.
    Nach dem Blutsonntag von Vilnius, schreiben sie, ist wenig übrig von dem, was wir so oft aus dem Munde dieses Präsidenten gehört haben.
    Humaner Sozialismus, neues Denken, gemeinsames europäisches Haus.
    Was in Vilnius geschehen ist, kann schon morgen in Riga, Tallinn, Leningrad oder Moskau in Wirklichkeit werden.
    Das ist es, wovor Shevardnadze gewarnt hat.
    Von Veronika Sayer kam aus Moskau jetzt der letzte Beitrag in diesem Mittagsschanal, das natürlich von den Entwicklungen am Golf dominiert war.
    Eine Zusammenfassung der jüngsten Golfentwicklungen und auch weitere Meldungen vom Tage hören Sie jetzt in den Nachrichten.
    Es liest Herbert Slavik.
    Naher Osten.
    Der Irak hat heute früh neuerlich versucht, Israel durch einen Raketenangriff in den Golfkrieg hineinzuziehen.
    Mindestens drei Raketen vom sowjetischen Typ Skat schlugen in Tel Aviv ein.
    Wie schon beim ersten Angriff in der Nacht auf gestern trugen die Geschosse nur relativ schwache, konventionelle Sprengköpfe und keine Gefechtsköpfe mit Giftgas.
    16 Menschen wurden verletzt.
    Bereits vor dem Angriff hatte es drei Fehlalarme gegeben.
    Einer von ihnen war von einer sowjetischen Satellitenträgerrakete ausgelöst worden, deren Zusatztriebwerke beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühten.
    Radio Baghdad meldete, man habe elf Raketen in Richtung Israel abgefeuert.
    Die israelische Regierung hat Vergeltung angekündigt.
    Der Sprecher von Ministerpräsident Shamir, Passner, sagte, Israel werde selbst entscheiden, wo, wann und wie es zurückschlage.
    Aus dem israelischen Verteidigungsministerium hieß es, Israel habe die Mittel für einen Vergeltungsschlag und werde sie innerhalb von 48 Stunden benutzen.
    Die Vereinigten Staaten befürchten, dass nach einem Eintritt Israels in den Golfkrieg die arabischen Mitglieder der Anti-Irak-Front die Seiten wechseln könnten.
    Ägypten und Syrien haben allerdings versichert, sie würden nicht aus der Koalition aussteigen.
    In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind nach den heftigen Luftangriffen der multinationalen Streitkräfte die Wasserversorgung und die Telefonverbindungen gestört.
    Das berichtete ein britischer Radiokorrespondent, der als einer der letzten westlichen Journalisten in Bagdad geblieben ist.
    Das Satellitentelefongespräch wurde von einem irakischen Zensor überwacht.
    Bei amerikanischen Angriffen auf irakische Stellungen in Kuwait sind unterdessen nach US-Angaben etwa 40 Iraker getötet worden.
    Flugzeuge und Kampfhubschrauber der Marineinfanterie beschossen Artillerie- und Granatwerferstellungen mit Raketen.
    Auf amerikanischer Seite wurden vier Marineinfanteristen verwundet, einer von ihnen schwer.
    Österreich, Schweiz.
    Das internationale Rote Kreuz hat einen ersten Hilfstransport mit 100 Tonnen Medikamenten und medizinischen Geräten per Flugzeug in die Golfregion entsandt.
    Im Iran sollen zwei Flüchtlingslager für je 5000 Personen eingerichtet werden.
    In den kommenden Tagen will das Rote Kreuz ein weiteres Lager in Syrien errichten.
    Österreich.
    Die Wiener ÖVP wählt heute beim Sonderparteitag im Austria-Center einen neuen Landesparteichef.
    Die Landesparteileitung hat Heinrich Wille nominiert, weitere Bewerber sind Sigrun Schlick und Josef Arthold.
    Schweiz.
    Der 20-jährige Tiroler Skirennfahrer Gernot Rheinstadler ist in der Nacht seinen schweren Verletzungen erlegen.
    Rheinstadler war gestern bei der Lauberhorn-Qualifikation gestürzt.
    Durch seinen Skistock hatte er eine schwere Arterienverletzung sowie schwere innere Verletzungen erlitten.
    Eine sechsstündige Operation blieb erfolglos.
    Die heutige Lauberhorn-Abfahrt und der morgige Slalom wurden abgesagt.
    Kurz noch die Wetteraussichten bis heute Abend.
    Im Westen Bewölkungszunahme, sonst sonnig.
    Nachmittagstemperaturen minus zwei bis plus vier Grad.
    Ganz zuletzt noch ein Hinweis auf die nächsten Informationssendungen des ORF zum Golfkrieg.
    Die nächste ist gleich jetzt um 13 Uhr in FS1, dann natürlich stündlich in den Hörfunknachrichten und um 15 Uhr wiederum in FS2 und dann um 17 Uhr wieder von uns in einem Sonderschonal in den Programmen Österreich 1 und Ö3.
    Für das Mittagsteam verabschiedet sich Werner Löw.
    Auf Wiederhören.
    Erster Schuss.
    Erster Schuss.

    Beiträge dieses Journals

    Israel: Regierungssitzung
    Kurz vor 6:30 h schlugen in Tel Aviv drei Raketen ein. Es handelte sich dabei nicht um einen Giftgasangriff. Die politische Wirkung dieses zweiten Angriffs auf Israel wird wesentlich größer sein als der unmittelbare Schaden. Eine Livereportage aus Tel Aviv.
    Mitwirkende: Segenreich, Ben [Gestaltung]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Ort: Tel Aviv
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Pazner (Übersetzung)
    Vor und während der Beratungen der israelischen Regierung, über einen militärischen Gegenschlag Israels auf die Angriffe durch den Irak, haben sich Spitzenpolitiker zu Wort gemeldet. Einblendung: Regierungssprecher Avi Pazner.
    Mitwirkende: Pazner, Avi [Interviewte/r]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Wie könnte ein militärischer Gegenschlag aussehen ?
    Ein möglicher Gegenschlag Israels auf die Raketenangriffe des Iraks sollte militärisch möglichst wirksam sein, aber politisch möglichst die Allianz der arabischen Partner mit den USA nicht gefährden.
    Mitwirkende: Machatschke, Roland [Gestaltung]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Zusammenfassung: Nacht in Israel
    Chronologie der Ereignisse der letzten Golf-Kriegsnacht. Es kam zu erneuten irakischen Raketenangriffe auf Israel. Einblendung: ARD-Korrespondent Martin Wagner, Einblendung: ORF-Korrespondent Ben Segenreich.
    Mitwirkende: Simbürger, Franz [Gestaltung] , Wagner, Martin [Interviewte/r] , Segenreich, Ben [Interviewte/r]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Analyse aus Amman
    Ein telefonisches Interview mit dem Irak-Sonder-Korrespondenten Hans Benedict, der in der Vornacht auf abenteuerliche Weise aus der irakischen Hauptstadt in die jordanische Hauptstadt geflüchtet ist. Einblendung: ORF-Sonderkorrespondent Hans Benedict.
    Mitwirkende: Löw, Werner [Gestaltung] , Benedict, Hans [Interviewte/r]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Ort: Amman
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Reaktionen Ägypten
    Eine Analyse der Reaktion Ägyptens auf den zweiten Luftangriff des Iraks auf Israel im Zuge des Golfkrieges. Ägypten wird wohl auch bei einem militärischen Gegenschlag Israels nicht aus der Allianz mit den USA ausbrechen.
    Mitwirkende: Fitzthum, Werner [Gestaltung]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Politik ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten
    Kurzmeldungen
    Mitwirkende: Slavik, Herbert [Gestaltung]
    Datum: 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte: Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt ; 20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ: audio
    Inhalt: Nachrichten

    Katalogzettel

    Titel Mittagsjournal 1991.01.19
    Spieldauer 00:57:48
    Mitwirkende Löw, Werner [Moderation]
    ORF [Produzent]
    Datum 1991.01.19 [Sendedatum]
    Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
    20. Jahrhundert - 90er Jahre
    Typ audio
    Format DAT [DAT-Kassette]
    Sprache Deutsch
    Signatur Österreichische Mediathek, jm-910119_k02
    Medienart Mp3-Audiodatei
    Gesamtwerk/Reihe Mittagsjournal

    Information

    Inhalt

    Nachrichten

    Verortung in der digitalen Sammlung

    Schlagworte

    Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt