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KI-generiertes Transkript
Guten Tag beim Mittagschanal, sagt Ihnen Fritz Wendl als Redakteur im Studio.
In den nächsten 60 Minuten erwarten wir Beiträge unter anderem zu folgenden Themen.
ÖVP-Obmann Riegler nimmt Stellung zur Kritik des Kärntner ÖVP-Obmanns Zernato an seiner Rieglers Absage an eine Koalition mit der Al-Qaida.
Pressekommentare zur Flüchtlingsproblematik.
Etwas, worauf auch Bundeskanzler Wranitzki bei einer Festveranstaltung 500 Jahre Landeshauptstadt Linz einging.
Michael Gorbatschow ist seit fünf Jahren KPDSU-Generalsekretär.
In Chile muss morgen General Pinochet zwar den Präsidentenpalast räumen, aber die Militärmacht behält er.
Eine Vorschau auf die Burgtheaterpremiere von Hans Henni-Jans Medea.
Und im Journal zu Gast ist die diese Woche zur Frau des Jahres proklamierte Barbara Kudenhofe-Kalergi.
Voralldem jetzt aber eine von Georg Schalgruber zusammengestellte Meldungsübersicht, die Peter Fichner liest.
Europäische Gemeinschaft Der EU-Kommissar für Auswärtige Beziehungen an Dresden lehnt das Konzept Moskaus für ein sogenanntes gemeinsames europäisches Haus offensichtlich ab.
Er glaube nicht einmal, dass die Sowjetunion in den Beziehungen zur europäischen Gemeinschaft den gleichen Status erhalten könne wie andere osteuropäische Staaten, meinte an Dresden.
Ein großer Teil der Sowjetunion gehöre nicht zu Europa, außerdem seien 25 Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens, argumentierte der EG-Kommissar.
Sowjetunion Das Parlament in Litauen wird wahrscheinlich an diesem Wochenende die Unabhängigkeit der Baltischen Republik von der Sowjetunion ausrufen.
Die politischen Konsequenzen dieser Entwicklung lassen sich noch nicht abschätzen.
Im Parlament in Wilna hat die Volksfront Sajudis eine Zweidrittelmehrheit.
Staats- und Parteichef Gorbatschow hat angekündigt, bei einer Unabhängigkeit Litauens würden Forderungen der Sowjetunion in Höhe von umgerechnet mehr als 400 Milliarden Schilling geltend gemacht.
Diese Summe soll für sowjetische Investitionen in Litauen gezahlt werden.
Ein Sajuditsprecher hat diese Forderung als völlig ungerechtfertigt zurückgewiesen.
Es gibt auch eine Art Gegenrechnung.
Litauen steht auf dem Standpunkt, das Land sei ausgeplündert worden und habe unter dem Kommunismus nur gelitten.
Sowjetunion
Zum fünften Mal jährt sich morgen der Tag, an dem Michael Gorbatschow zum Parteichef gewählt worden ist.
Seine Schwierigkeiten auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet dürften derzeit größer sein als zuvor.
Viele Reformen, die Gorbatschow initiiert hat, könnten außer Kontrolle geraten.
Unter den Bürgern herrscht vielfach eine pessimistische Grundstimmung.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei erörtert morgen die neuen Parteistatuten.
Außerdem soll ein Kandidat für das neue Präsidentenamt bestimmt werden.
Als einziger Kandidat gilt Staats- und Parteichef Gorbatschow.
Das Präsidentenamt soll von einer Sondersitzung des Kongresses der Volksdeputierten am Montag und Dienstag beschlossen werden.
Der oberste Sowjet hat die entsprechenden Gesetzesänderungen bereits gebilligt.
Ungarn.
Der Abzug der etwa 50.000 sowjetischen Soldaten aus Ungarn soll am Montag beginnen und bis Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein.
Wie Radio Budapest meldet, ist ein entsprechendes Abkommen zwischen Ungarn und der Sowjetunion gestern endgültig unter Dach und Fach gebracht worden.
Der Vertrag wird heute von den Außenministern Horn und Szevatnadze in Moskau unterfertigt.
Bulgarien.
In Sofia demonstrierten etwa 70.000 Menschen gegen die kommunistische Führung.
Unter anderem wurde mehr Pressefreiheit gefordert.
Redner unterstreichen immer wieder den Standpunkt, dass eine echte Demokratisierung ohne Pressefreiheit nicht möglich sei.
Verlangt wird auch, dass man den Zeitungen der Opposition mehr Papier zur Verfügung stellt.
Rumänien.
Der Rat der Nationalen Einheit hat sich in stundenlangen Diskussionen nicht auf den Entwurf für ein Wahlgesetz einigen können.
Unter anderem stritt man darüber, ob der Begriff Demokratie als pluralistische Regierungsform oder als Mehr-Parteien-System definiert werden sollte.
Auch über den Wahltermin, den 20.
Mai, ist man nicht einig.
Die Opposition will mehr Vorbereitungszeit.
Jugoslawien.
Die nächtliche Ausgangssperre in der Unruhe-Provinz Kosovo soll heute aufgehoben werden.
Die Regierung der zu Serbien gehörenden Provinz hat entschieden, dass es jetzt keinen Grund mehr gebe, die Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Die Ausgangssperre ist am 21.
Februar nach Unruhen unter der albanisch-stämmigen Bevölkerungsmehrheit verhängt worden.
Damals sind im Kosovo nach offiziellen Angaben 28 Menschen ums Leben gekommen.
Italien.
In Bologna wird der Sonderparteitag der kommunistischen Partei fortgesetzt und abgeschlossen.
Generalsekretär Achille Occhetto strebt einen radikalen Bruch mit der Parteivergangenheit an, will einen neuen Parteinamen und die Abschaffung der roten Parteifahne sowie der Symbole Hammer und Sichel.
Mehr als 60 Prozent der Delegierten unterstützen ihn.
Der frühere Parteichef Alessandro Natta gilt als Gegner des Erneuerungskurses.
Er hat sich allerdings nicht grundsätzlich gegen eine Parteireform ausgesprochen.
Jedoch hat er die Identität der KPI gegen ein Aufgehen in einem Linksbündnis verteidigt.
Venezuela.
Die USA wollen nach Angaben von Vizepräsident Quayle normale Beziehungen zu Nicaragua herstellen, die Sanktionen gegen Managua aufheben und auch Wirtschaftshilfe leisten.
Quayle sagt in Venezuela, er hoffe, dass Präsident Bush in wenigen Tagen Einzelheiten bekannt geben werde.
Der Vizepräsident befindet sich derzeit auf einer siebentägigen Reise durch mehrere Länder Südamerikas.
Morgen wird er in Chile an der Amtseinführung des neuen Präsidenten Patricio Aylwin teilnehmen.
Jetzt die Wetteraussichten bis morgen früh.
Im Süden teilweise heiter.
Sonst veränderlich bis stark bewölkt und zeitweise Regen.
Schneefallgrenze allmählich bis 1500 Meter steigend.
Nachmittagstemperaturen 7 bis 15 Grad, Tiefstemperaturen der kommenden Nacht 2 bis 11 Grad.
Während der Nacht wird sich der stürmische Westwind im Norden und Nordosten Österreichs sowie auf den Bergen verstärken.
Aussichten für morgen Sonntag.
Im Norden und Nordosten zeitweise noch Wolkenfelder, sonst meist sonnig.
Im Nordosten, Norden und auf den Bergen lebhafter bis stürmischer Westwind.
Frühtemperaturen 2 bis 11 Grad, Tageshöchstwerte 14 bis 20 Grad.
Und das Wetter übermorgen Montag, weiterhin sonnig und sehr mild, nur im Norden und Nordosten zeitweise Wolkenfelder.
Wettermeldungen von 12 Uhr.
Wien bedeckt 7 Grad, Eisenstadt bedeckt leichter Regen 5, St.
Pölten bedeckt 8, Linz bedeckt Regen 7, Salzburg bedeckt leichter Regen 9 Grad, Innsbruck bedeckt 13 Grad und Nordwestwind mit 40 Kilometern in der Stunde spitzen bis 70.
Bregenz stark bewölkt 10, Graz ebenfalls stark bewölkt 10 Grad und Klagenfurt wolkig 14 Grad.
Das waren Nachrichten und das Wetter, es ist 12 vor 8 und wir kommen zum Beitragsteil des Mittagsschanals.
ÖVP-Obmann Vizekanzler Riegler hat vorgestern einmal mehr eine Koalition zwar nicht mit der FPÖ, aber mit Jörg Haider ausgeschlossen.
Dies ergrimmte den Kärntner ÖVP-Obmann Zernatto, der die Aussage seines Bundesobmanns gestern als inhaltlich falsch und taktisch unklug taxierte.
Was Josef Riegler von der Kritik des Obmanns jener Landesorganisation, die von der Haider-FP zum Juniorpartner reduziert wurde, hält, das fragte den Vizekanzler Ernest Hauer.
Herr Bundesparteiobmann, der Kärntner ÖVP-Chef Zernato hat Ihre Äußerungen zur Koalition mit der FPÖ unter Umständen mit Heider nicht als inhaltlich falsch und taktisch unklug bezeichnet und damit ziemliche Resonanz gefunden.
Ja, von mir sind dazu drei Dinge zu sagen.
Punkt eins, der Herr Dr. Zernato hätte zunächst einmal sich mit mir kurzschließen sollen und dann wahrscheinlich auch festgestellt, dass meine Äußerungen
in der Linie der Beratungen von Maria Plein liegen.
Zweitens erwarte ich mir von einem Landesparteiobmann der Volkspartei, wenn er Aussagen macht, dass er die Arbeit und Linie seiner Bundespartei unterstützt und nicht die seines freiheitlichen Landeshauptmannes.
Und drittens hätte ich mir Aussagen bei anderen Gelegenheiten gewünscht, beispielsweise als Dr. Haider mich in einer
völlig unqualifizierten Formen in der Öffentlichkeit diffamiert hat.
Das hört sich jetzt ein wenig so an, als ob Sie die Vertrauensbasis zu Ihrem Kärntner Landesparteiobmann verloren hätten.
Nein, das überhaupt nicht, sondern wir werden Gelegenheit haben im Bundesparteivorstand, gerade auch in einem Gespräch mit den Landesparteiobmännern, die weitere Arbeit zu diskutieren und ich darf für mich in Anspruch nehmen,
dass ich in einer nicht leichten Phase es auf mich genommen habe, die eigenständigen Entscheidungen der Kärntner Volkspartei auch bundespolitisch zu ermöglichen und jede Gelegenheit wahrgenommen habe und auch wahrnehmen werde, der Kärntner Volkspartei, die es ja besonders schwer hat, in ihrer politischen Arbeit zu helfen.
Vorläufig wird es Herr Nato aber einmal seine Kritik an Riegler vor dem Bundesparteivorstand erklären müssen.
Richtig, und es wird dort sicher von mir auch einen entsprechenden Ordnungsruf geben.
Herr Bundesparteiobmann, inhaltlich ist Ihre Aussage zur FPÖ zu möglichen Koalitionen aber nicht ganz so einfach.
Sie sagen mit Haider nicht, mit der FPÖ unter Umständen ja.
Wäre aber eine FPÖ mit einem anderen Spitzenkandidaten unter einem Parteiobmann Haider eine andere FPÖ, als wenn Haider selbst vorne steht?
Ja, es ist hier schon einiges klarzustellen.
Was mich an der Person des Dr. Haider stört, und das ist ja nicht eins zu eins die FPÖ, ist seine Position des konsequentesten Opportunisten, den wir in der Innenpolitik kennen, und das zweite, seine offensichtlichen Probleme mit dem Patriotismus, mit dem Österreichbewusstsein,
Und das ist natürlich etwas, was in der aktuellen europäischen Entwicklung, nennen wir das Stichwort deutsche Vereinigung, eine umso sensiblere Frage ist.
Und das Dritte, ich glaube, dass man den Wählern ja auch klar machen muss, für Dr. Heider besteht in der Bundespolitik kein Bedarf und daher würde ja auch eine Spitzenkandidatur letztlich
eine gewisse Wählertäuschung sein, weil ich davon ausgehe, dass Dr. Haider weiterhin in Kärnten seine Funktion ausüben wird.
Das heißt, es würde Sie nicht stören an einem Koalitionspartner FPÖ, dass der Obmann zwar weiterhin Haider heißt, aber in Klagenfurt sitzt, während Sie in Wien mit einem anderen FPÖ-Politiker zu tun haben?
Um das ganz klar zu stellen, wir werden vor einer Nationalratswahl kein Koalitionsbündnis schließen.
Das wäre ja auch eine Vorwegnahme einer Wählerentscheidung, sondern wir gehen mit unseren ganz konkreten Vorstellungen, was in den nächsten Jahren zu geschehen ist, in die Wahl und werden nach der Wahl jene Entscheidung treffen, die diese unsere Vorstellungen und die Arbeit für Österreich bestmöglich umsetzen lässt.
Und hier wäre es, das wird bei der SPÖ genauso sein,
ja wohl unangebracht von vorne herein zu sagen, es gibt überhaupt nur eine Regierungskonstellation.
Aber Sie streben jedenfalls eine Regierungskoalition wieder an, nämlich die Große Koalition?
Ich strebe jene an, die in dieser Situation am meisten für Österreich weiterbringt.
Und Sie würden nicht ausschließen, dass diese Form die Große Koalition wäre?
Na sicher schließe ich das nicht aus.
Ernest Hauer sprach mit ÖVP-Obmann Riegler.
Der Mann, der zum Jahreswechsel vom amerikanischen Time Magazine zum Mann des Jahrzehnts gewählt worden war, ist morgen genau ein halbes Jahrzehnt an der Macht.
Michael Gorbatschow, der am 11.
März 1985 KPDSU-Generalsekretär wurde.
Ob die damals Mächtigen in der kommunistischen Partei der Sowjetunion wussten, womit sie sich mit dieser Wahl einließen, darf bezweifelt werden.
Denn schließlich waren sie zum Großteil Exponenten jener Ära, die in der von Gorbatschow eingeleiteten Neuen von Perestroika und Glasnost bald als Ära der Stagnation bezeichnet wurde.
International hat Michael Gorbatschow im abgelaufenen Jahr 5. mehr verändert, als dies je in kommunistischer 5-Jahres-Plan vorgesehen hatte.
Der Kalte Krieg ist aus und der nach 1945 entstandene Ostblock hat praktisch zu existieren aufgehört.
Das von Gorbatschow propagierte gemeinsame europäische Haus ist hingegen derzeit erst bloß irgendwo zwischen Luftschloss, unausgegorenem Planungsstadium oder maximal im Fundament-Aushub zu orten.
National brachte das erste halbe Gorbatschow-Jahrzehnt den Sowjetmenschen mehr Offenheit und demokratische Freiheit als es je in der Geschichte des Landes gab, aber auch schwerste nationalistische Unruhen und so gut wie keine für den Einzelnen spürbare wirtschaftliche Erfolge der Perestroika.
Sowohl zur effektiven Bekämpfung nationalistischer Auswüchse als auch zum Voranbringen der dringendsten Wirtschaftsreformen sehen viele, nicht zuletzt Gorbatschow selbst, nur eine Möglichkeit.
Die Schaffung eines starken Präsidentenamts nach französischem Vorbild.
Und genau zum fünften Jahrestag des Amtsantritts Gorbatschows als KPDSU-Generalsekretär erfolgen nun die letzten Weichenstellungen zur Installierung eines verfassungsmäßig starken Präsidenten Gorbatschow.
Aus Moskau berichtet Raimund Löw.
Die traurige Nachricht, dass Staats- und Parteichef Konstantin Ustinovich Tschernienko im 74.
Lebensjahr eines natürlichen Todes gestorben ist, erfuhren die Sowjetbürger am Vormittag des 11.
März 1985.
Keine fünf Stunden später stand schon Gorbatschow als Nachfolger fest.
Es war die schnellste derartige Entscheidung in der Geschichte der KPDSU.
Was sich genau an diesem denkwürdigen Tag hinter den verschlossenen Türen des Politbüros abgespielt hat, weiß man bis heute nicht.
Aber Mitarbeiter Gorbatschows haben immer wieder angedeutet, das Schicksal des Landes ist an einem ganz dünnen Faden gehangen.
Der Wunschkandidat, der Brezhnev klick, war der damalige Moskauer Parteichef Viktor Grishin.
Grishin hatte die Armee hinter sich, Gorbatschow den KGB.
Den Ausschlag gab Andrey Gromyko, der Langzeitaußenminister, dem es klarer als vielen anderen war,
wie sehr die alten Herrschaftsmethoden sich erschöpft hatten.
Was wäre passiert, wenn die Reformen in der Parteielite damals unterlegen wären?
Die Frage ist in den vergangenen Wochen in der Sowjetunion immer wieder gestellt worden.
Blättern Sie sich einmal die Zeitungsberichte über die blutigen Unruhen durch, die zum Umsturz in Rumänien geführt haben, pflegen die Gorbatschowianer dann zu Antworten.
Multiplizieren Sie die rumänischen Ereignisse mit hundert oder tausend.
dann sind sie ungefähr dort, wo die Sowjetunion heute ohne Perestroika stünde.
Wenn Gorbatschow in der nächsten Woche zum starken Präsidenten in einem neuen Sowjetsystem mit pluralistischen Parlamenten und einer zerbröckelnden kommunistischen Partei gewählt wird, dann ist das einstige Imperium, das er übernommen hat, nicht mehr wiederzuerkennen.
Gorbatschow hat durch das Lockern der einst alles erstickenden bürokratischen Herrschaft eine Systemkrise aufgedeckt, von der Tiefe er selbst lange Zeit nicht die geringsten Vorstellungen hatte.
Man wirft uns manchmal vor, dass es nie einen detaillierten Plan für die Perestroika gegeben hat, liest man bei Gorbatschow in einem Grundsatzartikel vom vergangenen Herbst.
Der Vorwurf erscheint mir unberechtigt, denn nichts wäre unrichtiger, als die Gesellschaft von Neuem in das Procrustesbett vorgefertigter Schemen zu pressen.
Eher Gorbatschow halte es mit Lenin, aufzugreifen, wie in der Realität von heute die Gesellschaft von morgen wächst, und seine eigenen Pläne danach zu richten.
Diese Maxime Gorbatschows zwar zu versuchen, die neuen Strömungen der Gesellschaft zu beeinflussen, sie aber grundsätzlich zu akzeptieren, hat den Völkern Osteuropas den Ausbruch aus dem stalinistischen System ermöglicht.
Ein Beispiel, auf das sich jetzt auch die nach Unabhängigkeit strebenden Balken berufen.
Den Kalten Krieg hat sein neues Denken in der Weltpolitik beendet, zum Preis der Aufgabe wichtiger internationaler Machtpositionen der Sowjetunion.
Und im Land selbst sind neu gewählte Organe entstanden, die im Begriff stehen, von der abgewirtschafteten Partei die Staatsmacht zu übernehmen.
Aber an der Schwelle zum sechsten Jahr seiner Führung blickt Gorbatschows Projekt einer Reform von oben einer Zukunft entgegen, die dem eigenen Volk unsicherer denn je erscheint.
Für das wirtschaftliche Desaster und die aufsteigende Welle der Nationalitätenkonflikte fehlen ihm die Rezepte.
Wenn man die Sowjetbürger nach ihren Zukunftserwartungen fragt, dann überwiegen die Ängste vor Gewalt, materieller Not und Bürgerkrieg.
Viele machen sich über die riesige Popularität ihres Generalsekretärs im Westen lustig.
Die abschätzigen Bemerkungen über Gorbatschow im Volk hat der angesprochene selbst kürzlich im obersten Sowjet zur Sprache gebracht.
Aber wenn man tiefer bohrt und vor allem wenn man nach den Alternativen fragt, dann zeigt sich, dass Gorbatschow doch auch in der Sowjetunion der einzige Politiker ist, der überregional, über Gewicht und Glaubwürdigkeit verfügt.
Dass er mit dem Albtraum von Stalinismus und Brezhnev-Zeit Schluss gemacht hat, das macht ihn auch für die Sowjetsbürger trotz des alltäglichen Jammers mit der Versorgung und der Kritik an allen Halbheiten zur historischen Figur.
Als Staatsoberhaupt in einem von ihm gewollten Präsidialsystem wird Gorbatschow demnächst all jene politischen Instrumente in der Hand halten, die er angestrebt hat.
Aber die sowjetische Gesellschaft ist so krank, dass es fraglich erscheint, ob ihm mehr gelingen kann als permanentes Krisenmanagement.
Ja, da war jetzt leider eine kleine Pause, für die ich mich nur entschuldigen kann.
Aus Moskau berichtete Raymond Löw.
In Chile übernimmt der im Dezember des Vorjahres gewählte Patricio Aylwin morgen das Amt des Staatspräsidenten.
Er löst General Pinochet ab, der vor 16,5 Jahren durch einen blutigen Putsch an die Macht gekommen war.
Durch einen Putsch gegen die Regierung President Allendes.
Gegen eine Regierung, die zum ersten Mal in der Geschichte versucht hatte, einen durch bürgerlich-demokratischen Parlamentarismus legitimierten Sozialismus zu errichten.
Als die Truppen General Pinochet am 11.
September 1973 ihr blutiges Vernichtungswerk schon einige Stunden lang vollführten, hielt Präsident Allende von seinem Arbeitszimmer im bereits bombardierten Präsidentenpalast Moneda aus, seine letzte von Radio Magellan ausgestrahlte Rede, in der er unter anderem sagte,
Mitbürger.
Dies wird höchstwahrscheinlich die letzte Gelegenheit sein, dass ich mich an sie wenden kann.
Ich werde nicht zurücktreten.
In eine Periode historischen Übergangs gestellt,
werde ich die Treue des Volkes mit meinem Leben entgelten.
Sicherlich wird Radio Magallan zum Schweigen gebracht und der ruhige Klang meiner Stimme wird nicht zu ihnen gelangen.
Das macht nichts.
Sie werden mich weiterhören.
Ich werde immer unter ihnen sein, zumindest die Erinnerung an mich.
an einen würdigen Menschen, der der Sache des erbtätigen Volkes die Treue liebt.
Das Volk soll sich verteidigen, aber es soll sich nicht opfern.
Das Volk darf sich nicht unterjochen und quälen lassen, aber es kann sich auch nicht erniedrigen lassen.
Werktätige meines Vaterlandes, ich glaube an Chile und seine Zukunft.
Andere nach mir werden auch diese bitteren und dunklen Augenblicke überwinden, in denen der Verrat versucht, sich durchzusetzen.
Sie sollen wissen, was eher früher als später wahre Menschen auf breiten Straßen marschieren werden, um eine bessere Gesellschaft an ihr zu bauen.
Es lebe Chile.
Es lebe das Volk.
Es leben die Werttätigen.
Dies sind meine letzten Worte.
Ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht umsonst sein wird.
Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die die Feigheit und den Verrat strafen wird.
Nur wenige Stunden nach dieser von Salvador Allende am 11.
September 1973 gehaltenen Rede war der Compañero Presidente, der Genosse Präsident, eines der ersten der insgesamt mehrere tausend Todesopfer der Pinochet-Diktatur.
Zigtausend Chilenen wurden in KZs gesteckt, viele, viele wurden gefoltert und über hunderttausend emigrierten.
Als General Pinochet im Verlauf der Jahre dann versuchte, seiner Herrschaft so etwas wie einen demokratischen Anstrich zu verpassen, war dies der Anfang von seinem Ende als Präsident.
Denn kaum durften die Chilenen geheim abstimmen, erteilten sie sowohl Pinochet selbst, als auch dessen Marionetten abfuhren.
Freilich, völlig verabschieden sich Pinochet und Armeekonsorten nicht von der Macht.
Denn den Befehl über die bewaffnete Macht im Staate sind sie nicht bereit abzugeben.
Wie isoliert Pinochet aber international ist, das zeigt auch, dass mindestens 10 der 14 zur Elbin-Amtseinführung gewarteten Staats- und Regierungschefs ihre Ankunft in Chile zeitlich so planten, dass ihnen ein Zusammentreffen mit Pinochet erspart bleibt.
Unter den wenigen, die mit dem als Präsident scheidenden Pinochet doch noch zusammentreffen wollen, ist USA-Vizepräsident Quayle.
Über die Probleme des neuen chilenischen Präsidenten Aylwin mit dem alten Diktator Pinochet berichtet nun aus Lateinamerika Erwin Detling.
Mission erfüllt, sagt General Augusto Pinochet und zieht sich vom Moneda-Regierungspalast ins Armeehauptquartier zurück.
Böse Zungen behaupten, am Sonntag beginnt Chile die Demokratur, eine Mischung zwischen Diktatur und Demokratie.
Patricio Erwin wird im Namen einer bundgeschickten Oppositionskoalition regieren.
General Pinochet hat jedoch alles unternommen, damit die erste zivile Regierung nach 17 Jahren Diktatur nur über einen minimen Manöverspielraum verfügen wird.
Der General hat sich in den letzten Monaten per Dekret und mit Gesetzen und einer listigen Personalpolitik Freiräume geschaffen, die jedem demokratischen Rechtsumfinden stoppen.
Er kann aufgrund der Verfassung noch bis 1997 Chef der Streitkräfte bleiben.
Eine harte Luft, die nicht nur Elgins Leute, sondern auch Gegner im militärischen Lager zu knacken versuchen werden.
Patricio Elgin hat Pilecic in den Tagen vor dem Machtwechsel zu beruhigen versucht.
Seine Regierung hatte nicht vor, die historische Struktur der chilenischen Streitkräfte anzutasten.
Der General traut niemandem.
Er hat in seinem Armeehauptquartier eine Art Schattenkabinett organisiert.
Ein Komitee, das aus 21 zivilen und militärischen Beratern besteht, wird ihn über die Maßnahmen der neuen Regierung informieren.
In der Armeeführung verbleiben mit Bildschirm auch der Luftwaffenchef General Fernando Valdé und der Vorsteher der Polizei General Rodolfo Stange.
Menschenrechtsorganisationen bezichtigen diese beiden Kampfgefährten von Pinochet schwerster Vergehen an politischen Häftlingen.
Von diesen soll es zum Zeitpunkt des Machtwechsels mehr als 400 geben.
740 Personen gelten in Chile als verschwunden.
Mehr als 3.000 Menschen wurden in den fast 17 Jahren der Militärdiktatur aus politischen Gründen ermordet.
Auch in der Wirtschaftspolitik hat Binocets die Weichen für die neue Regierung gestellt.
Um abrupte Kurswechsel zu vermeiden, hat Binocets der chilenischen Staatsbank einen autonomen Status verpasst.
Schließlich hat Binocets vor seinem Abgang den medienpolitisch wichtigen Bernd Ferrat neu besetzt und zahlreiche ihm loyale Bürgermeister ernannt.
Auch wichtige Verwaltungsposten besetzte er mit seinen Leuten.
Chile wird in den kommenden Monaten einen belastenden Abschnitt seiner Vergangenheit zu bewältigen haben.
Präsident Aylwin hat erklärt, dass sie aus Gründen des moralischen Bewusstseins der Chilenen Individuen, nicht Institutionen, zur Rechenschaft ziehen wollen, die während der Militärdiktatur gefoltert, getötet und Menschen verschleppt hatten.
Ilacet hat allerdings dafür gesorgt, dass das neue Parlament und die Gerichte
Aus Lateinamerika berichtete Erwin Detling.
Und jetzt im Mittagsschanal wieder nach Österreich.
Seit die Einwohner von Kaiser Steinbruch und Umgebung in den letzten Tagen mit Kasernensturm, Straßenblockaden und ähnlichen Mitteln verhinderten, dass 800 rumänische Asylsuchende in der Bundesheerkaserne des nordburgenländischen Orts untergebracht werden, ist die Flüchtlingsproblematik schlagartig zu einem allgemein präsenten Thema geworden, wobei die Begleitmusik zuweilen auch ganz widerliche, rechtsradikale, fremdenfeindliche Töne aufweist.
Ein breiter politischer Konsens scheint darüber zu herrschen, dem Zustrom von täglich bis zu 200 rumänischen Flüchtlingen durch die Verhängung der Visumspflicht Herr werden zu wollen.
Eine Grundsatzfrage der aktuellen Flüchtlingsproblematik ist die nach der Art des Umgangs mit Menschen, die nicht politischer Repression, sondern nur wirtschaftlichem Elend entfliehen zu versuchen.
Auszüge aus heutigen Zeitungskommentaren stellte Manfred Kronsteiner zusammen.
Auf starkes Presseecho stößt die Formulierung des oberösterreichischen Landeshauptmanns Ratzenböck, in fremden Verkehrsgebieten untergebrachte Asylanten, denen man, Zitat, die Abstammung deutlich ansieht, könnten dem Tourismus schaden.
Vitus Most-Dipf, der in den oberösterreichischen Nachrichten als Original aus dem Volke seine beißenden Sprüche zum aktuellen Geschehen zum Besten zu geben pflegt, kommt heute wie folgt zu Wort.
Ich weiß nicht, was der Ratzenböck gegen die Ausländer hat, wo er da selber ein Schwarzer ist.
Und Glossist Heinz Kusnier bezeichnet im selben Blatt Ratzenböcks Äußerung als instinktlos und erfordert, Ratzenböck sollte das Format aufbringen, klar zu sagen, es war ein Fehler und er tut mir leid.
Dumpfe Worte nennt der mit Dick unterzeichnete Kommentator der Salzburger Nachrichten Ratzenböcks Äußerung.
Die Xenophobie vieler Menschen entspreche einer dumpfen Sorge vor Überfremdung oder schierem fremden Hass, leitet der Glossist seine Ratzenböck-Kritik ein.
Gedankenlosigkeit dürfte auch den oberösterreichischen Landeshauptmann Ratzenböck bewogen haben, als er sich in einem Brief an Innenminister Löschnack zum Sprecher jener dumpfen Sorgen mit denselben dumpfen Worten machte.
Wenn das dem Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde entschlüpft, ist das schlimm.
Wenn ein Landeshauptmann dieselben Worte gebraucht, ist es schier unerträglich.
In der unabhängigen Tageszeitung AZ schreibt heute Georg Hoffmann-Ostenhof, Ratzenböck sei nicht wirklichkeitsfremd.
Man sieht den Rumänern und überhaupt den Flüchtlingen vom Balkan ihre Abstammung tatsächlich an.
Sie schauen nicht wie die Einwohner von Braunau und Umgebung aus.
Dünkler sind sie und ärmlicher gekleidet.
Und weiter, so der AZ-Kommentator.
Diese Fremden fördern den Fremdenverkehr nicht.
Er hat ja Recht.
Und genau das ist ja das Unerträgliche, dass da ein Politiker in der Sprache vergangener Barbarei Stellung bezieht und dabei auf den scheinbar gesunden Menschenverstand von heute pochen kann.
Im Standard appelliert Peter Sichrovsky sarkastisch,
Fremde, Reisende und Urlauber, stellen Sie sich vor den Spiegel.
Nicht nur von vorne, auch von der Seite müssen Sie sich betrachten.
Wie steht es mit Ihrer Hautfarbe, Gesichts- und Nasenform?
Versuchen Sie ehrlich zu sein.
Können Sie diese typisch fremdländischen Abstammungsmerkmale den Fremden in Oberösterreich zumuten?
Glauben Sie nicht auch, dass Sie in diesem erfolgreich entmischten, aber Fremdenverkehrs liebenden Volk im Oberen Österreich unangenehm auffallen würden?
Christa Karas meint in der heutigen Ausgabe der Wiener Zeitung.
Kaum zeichnet sich im Fall Kaiser Steinbruch eine annehmbare Lösung ab, plärrt es aus dem Hinterwald, wir auch, wir auch.
Selbst wenn man den Flüchtlingen dort kein anderes Verbrechen vorwerfen kann, als dass man ihnen ihre Abstammung ansieht.
Was immer damit gemeint ist, wir wissen es nicht.
Wohl ahnen wir aber, welche Abstammung solche Gesinnung ist.
Und in der Presse notiert Thomas Korheer zur Flüchtlingsproblematik allgemein.
Selten ist in diesem Land ein aktuelles Problem so elendiglich, so jämmerlich angegangen worden wie in diesen Tagen.
Und durchaus nicht nur jene, die man nun unzulässigerweise generalisierend zu Ausländerfeinden und Fremdenhassern stempeln möchte, sind daran schuld.
Ebenso viel an Mitschuld tragen die, welche salbadernd offene Herzen verlangen und selbst nur den Mund offen haben.
Das war eine von Manfred Kronsteiner zusammengestellte Presseschau zur Flüchtlingsproblematik.
Ein Thema, auf das heute auch Bundeskanzler Wranitzki im Linzer Brucknerhaus einging, bei einem Festakt zum Jubiläum 500 Jahre Landeshauptstadt Linz.
Aus dem Brucknerhaus berichtet Werner Hofer.
Es warf den Tag genau vor 500 Jahren, am 10.
März 1490, als Kaiser Friedrich III.
Linz zur Hauptstadt des Fürstentums, Ob der Enns, also des heutigen Oberösterreich, erkurr.
Anlass genug für das Linz des Jahres 1990 entsprechend zu jubilieren und sich als Stadt sowohl der Wirtschaft und Industrie als auch der Wissenschaft, Kunst und Kultur zu präsentieren.
Den Auftakt für das 500-Jahr-Jubiläum bildete heute Vormittag ein offizieller Festakt im Linzer Brucknerhaus.
Die Festredner blickten dabei aber nicht nur zurück in die Geschichte der Landeshauptstadt, sie bezogen auch aktuelle, weit über Linz hinausreichende Themen ein.
Bundeskanzler Franz Franitzki erklärte in diesem Zusammenhang zur Flüchtlingsfrage.
Die Entwicklungen in den Nachbarstaaten und die Öffnung der Grenzen haben die Menschen in Bewegung gebracht.
Viele wollten und wollen die demokratischen Entwicklungen nicht abwarten und ihre Heimatländer verlassen.
Auch über Österreich ergisst sich ein jedenfalls bisher nicht enden wollender Flüchtlingsstrom.
Und wir haben dabei unsere Verantwortung als vergleichsweise wohlhabende Nachbarstaat sehr rasch wahrgenommen, indem wir Wirtschaftshilfe leisteten, indem wir Wirtschaftshilfe auch in Zukunft leisten werden, indem sehr viele Menschen auf individuelle Weise helfen, spenden,
und schließlich indem wir unsere Rolle als klassisches Asyl- und Flüchtlingsland wahrnehmen.
Daran soll und darf, auch wenn da und dort
aus aktueller Sicht Anpassungen vorgenommen werden müssen, im Prinzip sich nichts ändern.
Bundespräsident Kurt Waldheim betonte beim Festakt im Linzer Brucknerhaus, ohne die Lösung der deutschen Frage werde eine dauerhafte Friedenslösung in Europa nicht möglich sein.
Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten müsse sich allerdings unter Bedingungen vollziehen, die die legitimen Sicherheitsbedürfnisse aller Betroffenen, insbesondere der Nachbarstaaten, berücksichtigen, sagte Waldheim.
Aus dem Linzer-Bruckner-Haus berichtete Werner Hofer.
Und jetzt kommen wir zu unserer Samstagsserie.
im Journal zu Gast.
Das ist heute eine Frau, die, wenn auch in anderer Funktion, seit Jahren regelmäßig in unseren Journalen zu hören ist.
Die diese Woche von 30 österreichischen Journalistinnen zur Frau des Jahres gewählte Barbara Kunhofe-Kalergi.
Durch sie wird Politik verständlich.
Sie ist sympathisch, kompetent und menschlich, hieß es in der Jurybegründung.
Barbara Kudenhofer wurde als Kind deutschsprachiger Adeliger in Prag geboren, von wo sie 1945 mit ihrer Familie nach Österreich flüchtete, wo sie Journalistin wurde, bei der Presse, im Kurier im Neuen Österreich und in der Arbeiterzeitung arbeitete, bevor sie 1975 zum ORF kam.
1982 erhielt sie für ihre Polenberichterstattung den Rennerpreis.
Und während der letzten Monate berichtete sie unüberhörend sehbar aus den Zentren der osteuropäischen Revolutionen.
Aus Prag, Leipzig oder Berlin.
Mit Barbara Kudenhofe-Kalergi sprach Ulrich Brunner.
Wir kennen uns beruflich seit 20 Jahren, deshalb hat es wenig Sinn, den Hörern vorzugaukeln, dass wir beide per Sie sind.
Ich möchte daher dieses Interview mit dem Vertrauten Du führen.
Du hast vor allem in den letzten Monaten eine Popularität erreicht, wie sie wenige Journalisten erreichen, jetzt auch noch den Titel Frau des Jahres bekommen.
Wie fühlt man sich denn da, wenn man vom Berichterstatter plötzlich zum Gegenstand der Berichterstattung wird?
Ich hoffe, das wird nicht lang dauern.
Journalisten sind natürlich zum Berichten da.
Und ich glaube, dass, ich habe es schon früher mal gesagt, diese sogenannte Popularität auch eine Popularität ist, die sich auf die Ereignisse bezieht.
Jeder hat sich gemerkt, die fabelhaften Bilder von den Revolutionen in Osteuropa, auf denen ich eben auch drauf war.
Und daher haben sich diese Ereignisse mit meinem Namen verknüpft.
Und ich glaube, es wird eine kurze Episode sein, dass in der Öffentlichkeit über Journalisten berichtet sind.
Journalisten gehören hinter die Kamera, hinter die Zeitung, aber nicht in die Zeitung und nicht in den Mittelpunkt der Berichterstattung.
Gut, dann bleiben wir gleich bei deinem Beruf.
Du hast aus vielen osteuropäischen Ländern berichtet.
Die Berichte aus der Tschechoslowakei haben aber etwas Besonderes für dich ganz persönlich.
Wir kehren damit an den Beginn deines Lebens gewissermaßen zurück.
Du bist in Prag geboren.
Als Tochter einer Adelsfamilie, die Mutter Gräfin Palfi, der Vater Graf Kutenhofe-Kalergi.
Ich nehme an, du hast eine wohlbehütete Kindheit erlebt in relativem Wohlstand.
Ja, das kann man sagen.
Es war aber auch eine Kindheit, die sehr geprägt war von dieser besonderen Situation in der Tschechoslowakei und besonders in Prag.
Eine tschechische Stadt, ein tschechisches Land mit einer großen deutsch sprechenden Minderheit.
wenn man die jüdische Minderheit dazurechnet, eigentlich eine multikulturelle, würde man heute sagen, Gesellschaft.
Und wir waren in der merkwürdigen Situation, dass man bei uns Deutsch gesprochen hat.
dass wir aber in einer tschechischen Umgebung gelebt haben und es hat sicher für mein Leben, für meine Prägung eine große Bedeutung gehabt, dass man nie so richtig dazugehört hat, dass die Frage, wo gehöre ich dazu, wer bin ich, eigentlich nie ganz klar entschieden war.
Haben sich deine Eltern als Deutsche oder als Österreicher gefühlt oder wie wurde die Frage nach der Identität beantwortet?
Im Jahre 1939, wie die Nazis einmarschiert sind, mussten alle optieren, entweder Deutsche oder Tscheche.
Und mein Vater hat immer gesagt, er ist weder das Eine, er ist weder Deutscher noch Tscheche, sondern er hat sich bezeichnet als Böhme deutscher Zunge.
Und er hat einmal scherzhaft einem Freund in ein Gästebuch geschrieben, Gerald Godenhoff, Homo bohemicus extinctus.
Also diese Art von Leuten, die sich als böhmische Patrioten, aber nicht als Tschechen gefühlt haben, die ist wirklich ausgestorben und ich gehöre vielleicht zu der letzten Generation, die das noch ein bisschen mitgekriegt hat.
Die Tschechoslowakei war
über viele Jahre ein Land, in dem mehrere Völker relativ friedlich nebeneinander gelebt haben, nach dem Zerfall der Monarchie.
Hast du als Kind mitbekommen, wann dieses Zusammenleben massiv gestört wurde?
Also ganz idyllisch war es wahrscheinlich auch früher nicht.
Die Historiker sagen, dass 1848, also mit dem Beginn des nationalen Erwachens der kleinen Völker und auch mit dem Beginn der tschechischen Renaissance, dieser Frieden, der aber natürlich auch ein Scheinfrieden war, erstmals gestört war.
Es ist ja gerade bei den Tschechen so, da muss man wirklich in die Geschichte ausholen,
vom tschechischen Standpunkt aus seit dem 17.
Jahrhundert, seit der Schlacht am Weißenberg, wo der tschechische Adel verschwunden ist, umgebracht wurde, ausgewandert ist und fremde Herren, also katholische, habsburgische, aus aller Welt... Die Palfis und die Kodenhofes, wenn man will,
unter anderem auch plötzlich die führende Klasse war, dass diese Zeit von den Tschechen als eine finstere Zeit, die Zeit der Gegenreformation, empfunden worden ist, trotz den herrlichen Leistungen des Barocks, die jeder Prag-Tourist kennt.
Aber dann war deine Familie, waren dann Fremde im Land?
So war es wieder auch nicht.
Das ist eben diese schwierige Sache, die wirklich für künftige Historiker sicher interessant sein wird.
Ich erinnere mich, dass ich einmal in der Nazizeit in der Schule von irgendeinem Nazibonsen gehört habe.
Der kam in die Klasse und hat gesagt, Kinder, deutsche Kinder,
Vergesst nie, dass ihr hier im Feindesland lebt.
Ich bin ganz verdattert nach Hause gekommen und habe zu Hause gehört, das ist ein Unsinn, du bist hier zu Hause.
Und dann kam natürlich die Erfahrung der Vertreibung.
die natürlich alles wieder auf den Kopf gestellt hat.
Also es war die Zeit der Monarchie nicht so idyllisch, wie wir es im vergoldeten Rückblick jetzt sehen und es wird sicher auch in der Tschechoslowakei jetzt ein bisschen in einem milderen Licht gesehen als früher.
Aber Tatsache ist, dass
dieses Klischee von den Tschechen als Dienstbotenvolk, das ja auch in Wien sehr weiterlebt, jeder Wiener lacht, wenn einer bö makelt, das ist natürlich ein Erbteil, das das Zusammenleben dieser beiden Völker interessant, aber kompliziert gemacht hat.
Die Sprache zu Hause war Deutsch, Tschechisch wurde nicht gesprochen.
Meine Eltern konnten sehr gut Tschechisch, wir haben es aufgeschnappt, aber auch da ist mir eine Episode im Nachhinein wieder eingefallen, dass zum Beispiel meine Brüder untereinander Tschechisch gesprochen haben, wie sie es halt von den Dorfkindern mitgekriegt haben und die Großmutter gesagt hat, Kinder nicht im Salon.
Es war das Tschechisch eine Sprache, die ich zum Beispiel nicht ohne Rührung hören kann, weil es einfach die Kindheit ist, aber die auch in der Monarchie zum Unterschied von Ungarisch zum Unterschied von Polnisch nicht die Sprache der Gesellschaft war.
Und daher eine der vielen Gründe, warum die
die Beziehung der Tschechen auch zum alten Österreich, zu Habsburg, zum Völkerkircher eine andere und viel gespanntere war als der anderen Völker der Monarchie.
Deutsch als Sprache der Herrschenden.
Deutsch als Sprache der Herrschenden, Deutsch als Sprache der Fremden.
1945 musste deine Familie Prag verlassen, so wie Millionen Sudetendeutsche die Tschechoslowakei verlassen mussten, vertrieben wurden.
Hat dieses Vertreiben irgendwelche Spuren hinterlassen bei dir?
Ich habe zu Hause nie Gejammer und Geschimpfe über die Tschechen gehört.
Ich kann mich noch gut an diesen Mai 1945, an diese Aussiedlung, Vertreibung erinnern.
Du warst damals 13 Jahre alt.
Ich war damals 13 Jahre alt.
Wir sind damals in einer Straßenbahnremise in Prag interniert worden und sind dann, als wir dann auch schon diese Pogrom-artigen Ausschreitungen in Prag begonnen haben, zu Fuß und ohne Gepäck, also wirklich nur mit dem, was wir am Leibe hatten, zu Fuß aus Prag
weggegangen in einem langen Marsch bis in ein Flüchtlingslager, wo dann die Amerikaner waren.
Und ich kann mich erinnern, dass ich meinen Vater damals gefragt habe, warum müssen wir jetzt eigentlich weg?
Und er hat, wie ich glaube, eigentlich ganz richtig gesagt, das ist der Lauf der Geschichte.
Durch die Geschichte sind wir hineingekommen in dieses Land, durch die Geschichte müssen wir auch wieder hinaus.
Und das ist, glaube ich, auch im Nachhinein, muss ich sagen, scheint mir die richtige Art, das Ganze zu sehen, wenn jetzt die sudetendeutsche Frage ja wieder durch das Wort des Präsidenten Havel wieder virulent geworden ist.
Er hat gesagt, die Tschechen sollen sich bei den Deutschen für das Unrecht des Geschehens entschuldigen.
Er hatte viel Kritik gegen das eigene Land.
Er hat dafür viel Kritik geerntet, umso mutiger, dass er dieses Wort ausgesprochen hat.
Aber er hat es ja auch später dann in dem Sinne erklärt, dass natürlich die ganze Geschichte nur
gesehen werden kann im Zusammenhang mit dem, was die Deutschen vorher alles an furchtbaren Dingen angerichtet hat, dass das, was die Deutschen, inklusive Holocaust, in Europa angerichtet haben, natürlich unvergleichbar gerade ärger ist, als das, was die Deutschen oder deutschsprachigen
mitgemacht haben.
Wir haben uns nie als Sudetendeutsche empfunden.
Das, glaube ich, muss immer wieder gesehen werden.
Aber es stimmt natürlich auch, dass auch nicht nur die Tschechen, die natürlich nur die tschechische nationale Seite gehört haben, auch wir hier, und speziell die Linke, eigentlich
dem Schicksal der Vertriebenen und des Schicksals der Sudetendeutschen nie gerecht geworden ist, ich selber auch nicht.
Ich glaube, dass man da ungerecht gewesen ist, weil hier einfach ein Stück Vergangenheitsbewältigung, ein Stück Trauerarbeit, wie man das genannt hat, nicht geleistet worden ist.
Nun, du kommst viel herum in der Tschechoslowakei.
Wie ist denn so die Stimmung unter den Tschechen, wenn jetzt Sudetendeutsche auf Besuch in ihre alte Heimat kommen?
Haben die nicht Angst?
Ich höre, dass in den Grenzgebieten tatsächlich Angst herrscht, dass sich viele Leute fragen, wie wird denn das sein?
Kommen die jetzt alle zurück?
Wollen die plötzlich ihre Häuser, ihre Bauernhöfe wieder zurück?
in denen wir ja schon die längste Zeit wohnen.
Also hier ist sicher auch von tschechischer Seite Informationsarbeit zu leisten, wird auch geleistet.
Und ich glaube, dass es auch schon begonnen hat, das geht eher von den Deutschen aus, von auch verschiedenen, also nicht-revanchistischen, nicht-Nazi-angehauchten Verbänden,
jetzt endlich ein vernünftiges Gespräch zwischen den beiden Völkern zu machen.
Das wird ja auch die Aufgabe der Historiker-Kommission sein, der gemeinsamen deutsch-tschechoslowakischen Historiker-Kommission, die ja erst vor wenigen Tagen eingesetzt wurde.
Du hast dann in Österreich den Beruf der Journalistin ergriffen und hast bei Presse Kurier Neues Österreich gearbeitet.
Irgendwann hast du dann das Etikett Rote Gräfin bekommen, weil du linke politische Überzeugungen gehabt hast.
War dieses Etikett richtig?
Das war sicher zu einer gewissen Zeit richtig.
Ich habe, wie so viele, den Weg von der Mitte nach links und wieder zurück in die Mitte zurückgelegt.
Ich bin auch, obwohl ich ein bisschen älter bin als die sogenannte Generation der 68er,
infiziert.
Die 60er-Jahre waren natürlich eine Zeit, und zwar die frühen 60er-Jahre, wo es für uns, die wir jung waren in den politisch etwas dumpfen, provinziellen 50er-Jahren, für uns war das, was sich damals in anderen Ländern getan hat, ungeheuer anregend, ungeheuer aufregend.
Wir haben damals angefangen, Adorno zu lesen.
Oder ich erinnere mich an das Kursbuch, an diese Zeitung, die der Hans Magnus Enzensberger damals herausgegeben hat, wo Dinge, die für uns jetzt selbstverständlich sind, zum ersten Mal drin gestanden sind und für uns ein Neuwaren, also dass es so etwas wie Kolonialismus gibt, dass es in Lateinamerika Revolutionen gegeben hat.
dass wir gewissermaßen auf Kosten der dritten Welt leben.
Das war alles ungemein neu.
Und da waren nun plötzlich Leute, die gesagt haben, sie haben ein Rezept, sie wissen die Antwort für die Übel der Welt.
Es kommt nur darauf an, die Güter gerecht zu verteilen.
Die Welt ist so reich, dass wenn man statt Atombomben Lebensmittel kauft, eigentlich die Welt sehr vernünftig und sehr anständig eingerichtet werden kann.
Das ist natürlich im Laufe der Ereignisse klar geworden, dass es so einfach auch nicht ist.
Aber es war damals für uns und für viele eine ungeheure Anregung und Bereicherung.
Und ich bereue es überhaupt nicht, dass ich diese Kurve genommen habe.
Du hast dann einen sehr konsequenten Schritt gesetzt.
Du bist Redakteurin im Zentralagarn der Sozialistischen Partei geworden, ohne Parteimitglied zu sein.
Das war damals ziemlich außergewöhnlich und ging nur mit Hilfe Kreiskis.
Wie war denn das?
Ja, der damals noch nicht Bundeskanzler Kreisky hat ja wohl ein bisschen die Idee gehabt, aus der Arbeiterzeitung, wie er damals gesagt hat, eine österreichische Süddeutsche zu machen, also ein linksliberales Blatt.
Daraus wurde nichts.
Und mein Engagement war also ein Schritt auf diesem Weg.
Er hat mich damals gefragt, sind Sie eigentlich SPÖ-Mitglied?
Ich habe gesagt, nein, ich will es eigentlich auch nicht werden.
Und darauf hat er gemeint, das macht nichts, dann müssen wir eben im Parteivorstand einen Beschluss fassen.
Ich war damals eigentlich eher überrascht und eher
geehrt, dass wegen der Anstellung eine kleine Redakteurin der große Parteivorstand der SPÖ einen Beschluss fasst.
Aber so war das damals.
Zurück zu deiner Reportertätigkeit.
Willy Brandt hat beim Fall der Berliner Mauer gesagt, ich danke dem Herrgott, dass ich das noch erleben durfte.
Muss nicht jeder Journalist dankbar sein, dass er das, was in den letzten Monaten in Osteuropa passiert ist, erleben durfte?
Dass er dabei sein durfte?
Ganz bestimmt das, was sich im letzten Jahr ereignet hat, war ein Jahrhundertereignis, das es seit 1848 wahrscheinlich nicht gegeben hat und Generationen von Journalisten haben das nicht erlebt, was wir erlebt haben.
Goethe hat nach der Schlacht von Valmy, nach der französischen Revolution gesagt, und wir werden sagen können, wir sind dabei gewesen.
Ich glaube, das können wir auch sagen.
Ich danke für das Gespräch.
Ulrich Brunner sprach mit der Frau des Jahres, Barbara Kudenhofer-Kalergi.
Im Wiener Burgtheater gibt es heute Abend die österreichische Erstaufführung eines 65 Jahre alten Stücks, Medea von Hans-Henny Jan, derer am besten Weg ist, zu einem Kultautor zu werden, der als berühmtester, unbekannter Dichter deutscher Zunge ebenso gefeiert wird, wie als Lebensformer und erster deutscher Grüner.
Seine 1925 geschriebene expressionistische Medea hat Jan selbst um teilweise schockierende Sprachbilder entschärft, um so Aufführungen zu sichern.
Solche gab es in sechseinhalb Jahrzehnten aber trotzdem nur von insgesamt sieben Produktionen.
Die Originalfassung wurde erst vor knapp zwei Jahren in einem Budapester Archiv wiedergefunden und im September 1988 von Manfred Karge im Kölner Schauspielhaus inszeniert.
Und Manfred Karge ist auch der Regisseur der heutigen österreichischen Erstaufführung im Burgtheater.
Die Medea spielt, ebenso wie bei der Kölner Produktion, Lore Brunner.
Näheres im folgenden Beitrag von Eva-Maria Klinger.
Das archaische Übermaß an wilden Leidenschaften formt Hans Henne Jan in das poetische Maß eines gewaltigen Sprachkunstwerkes.
Das eruptiv-expressionistische Gräueldrama zwingt den Zuschauer zum Mitleiden, auch wenn er glaubt, die Rache-Story aus der Schulzeit bis zum Überdruss zu kennen.
Medea hat ihren Bruder zerstückelt, um für Jason, den strahlenden griechischen Helden, das goldene Vlies, das im Besitz ihrer Familie war, freizubekommen.
Das Paar hat gemeinsam mit den beiden Söhnen in der zivilisierten Welt von Korinth Asyl gefunden.
Jason erkaltet in seiner Liebe zu Medea und wendet sich König Creons schöner Tochter Creusa zu.
Medea soll mit ihren Söhnen verbannt werden.
König Creon spricht klare Worte.
Ausländer liebe ich nicht!
Und wären sie Götter unschöner als Apollo, Jason ist Grieche, ist der schönsten Griechen einer, ein Held.
Da ihr meine Tochter waren wart, versprach ich sie ihm.
Was kümmert seine wilde, im Ausland eingegangene Ehe und seine Bastardsöhne mich?
Sie haben ein Asyl in meinem Land gefunden.
Zutiefst gedemütigt mordet Medea ihre Nebenbullerin, deren Vater Creon und ihre beiden Söhne.
Jason bestraft sie mit Einsamkeit.
Das blutrünstige Geschehen findet hinter den stilvollen Kulissen statt, die von dem Bühnenbildner der legendären Hermannsschlachtinszenierung, Vincent Calara, stammen.
Calara entwarf einen fast feierlichen, schwarz getäfelten Raum.
Ein Stuhl, eine Silberschale und ein Kerzenleuchter genügen als spartanische Requisiten für die hochlodernden Exzesse.
Regisseur Manfred Karge,
Ich glaube, man darf nicht darauf hereinfallen und es sozusagen als ein pseudo-antikes Stück zu spielen, sondern es ist eben ein bürgerliches Stück, es ist von einem Mann im 20.
Jahrhundert geschrieben und der Mythos ist nur die Wurzel, aber es ist durchaus also ein modernes Stück, im modernen Gewande auch.
Trotzdem schafft es Jan, so einen Jahrhunderteinfall wie die Schwarzsumme derer, also das Fremdsein durch einen Negeren, durch eine Schwarze zu zeigen, durch diesen Jahrhunderteinfall auch diese Spannung zwischen dem ungeheuer Subjektiven und dem
gesellschaftlichen zu schaffen.
Schwarzhäutig, fremd, unbegreiflich für die bürgerliche Welt, so steht Lore Brunner als erratischer Block in der eleganten Umgebung.
Die bürgerliche Welt definiert sich auch äußerlich gegenüber der strupigen Außenseiterin.
Jason erscheint im langen Pelzmantel, ein wahrer Stadt-Dandy, der sich keinen physischen Genuss versagt.
Dass du Bettgenossen dir erwählst, weiß ich wie jeder.
Ob du nun Dienern oder Dienerinnen dich beigesellst, ob dich der eigene Sohn, den du zum Freund gemachtest, dich erfreut.
Inzest, Knabenliebe und Liebe zu Pferden sind immer wiederkehrende Motive Bayern.
Obwohl Manfred Karge das Werk zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren inszeniert, wird die Wiener Aufführung nicht zum Abziehbild der Kölner Uraufführung.
Das Stück hat ja ein so starkes Geflecht.
Die Figuren haben so starke, vielschichtige Beziehungen untereinander.
Es ist ein Stück, in dem jeder jeden liebt und jeder fast jeden verrät.
Ein solch starkes Geflecht, wo man so viel Neues entdeckt bei der Arbeit und daraus arbeiten kann.
Es ist vielleicht in stärkerem Maße
noch herausgearbeitet worden.
Die große Spannung zwischen dem bürgerlichen, das Stück ist ja ein bürgerliches Shower-Drama, wenn man so will, und die Beziehung zu dem alten Medea-Mythos.
Es gibt gewisse Dinge, die sind fast nicht aufführbar, würde ich sagen, in ihrer quälenden Art und Weise.
Das Klima ständiger Überhitzung und Überreizung verlangt höchste Konzentration vom gesamten exzellenten Ensemble.
Medea von Hans Henne Jan, ein schwieriges Stück für Theaterfreaks.
Und jetzt im Mittagschanal noch einmal zwei Minuten lang Nachrichten.
Österreich.
Anlässlich eines Festaktes 500 Jahre Landeshauptstadt Linz hat Bundeskanzler Franitzki versichert, dass Österreich Asyl- und Flüchtlingsland bleibe.
Franitzki fügte hinzu, Österreich werde seinen östlichen Nachbarn helfen, die jeweilige Wirtschaft wieder auf die Beine zu stellen.
Die beste Flüchtlingspolitik sei die, keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen, sondern dazu beizutragen, dass die Verhältnisse in den Ländern so gestaltet werden, dass sie niemand verlassen müsse.
Der Bundeskanzler kritisierte in diesem Zusammenhang auch Österreicher, die die wirtschaftliche Schwäche der osteuropäischen Nachbarländer dazu ausnutzen, sich mit billigen Konsumgütern einzudecken.
Der Kärntner Landeshauptmann Haider fordert eine Landeshauptleutekonferenz zur Flüchtlingsproblematik.
Haider sprach wörtlich von einem Chaos in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik.
Er meinte ferner, die Flüchtlinge sollten beschäftigt werden, anstatt sie in Lagern herumsitzen zu lassen.
ÖVP-Chef Riegler hat heute auf die Kritik des Kärnten-ÖVP-Obmanns Zernato reagiert.
Zernato hatte Rieglers Absage an eine Koalition mit der FPÖ unter Jörg Haider als falsch und taktisch unklug bezeichnet.
Riegler meinte nun dazu, der Kärnten-ÖVP-Obmann hätte vorher mit ihm Kontakt aufnehmen müssen, außerdem erwarte er von einem Landesparteiobmann der Volkspartei, dass er die Linie der Volkspartei und nicht die seines Landeshauptmanns unterstütze.
Der ÖVP-Chef bekräftigte seinerseits die Kritik an Haider.
Er nannte Haider wörtlich den konsequentesten Opportunisten in der Innenpolitik.
Außerdem warf er ihm vor, Probleme mit dem Österreich-Bewusstsein zu haben.
Sowjetunion Für die Sowjetunion könnte dieses Wochenende von historischer Bedeutung sein.
Das Parlament in Litauen wird wahrscheinlich die Unabhängigkeit der politischen Teilrepublik ausrufen.
Morgen erörtert das Zentralkomitee die neuen Parteistatuten.
Staat zum Parteichef Gorbatschow soll als Kandidat für das neue Präsidentenamt bestimmt werden.
Gorbatschow ist vor fünf Jahren zum Parteichef gewählt worden.
Die Wetteraussichten für Österreich bis heute Abend.
Im Süden teilweise sonnig, sonst teilweise bewölkt und gebietsweise Regen.
Nachmittagstemperaturen 7 bis 15 Grad.
Nachrichten geschrieben von Elisabeth Manners, gelesen von Peter Fichtner, standen am Ende des Mittagsjournals.
Auf Wiederhören, sagt Ihnen im Namen von Redaktion und Technik, Fritz Wendl.
Interview: Josef Riegler, Riegler reagiert auf die Kritik von Kärntner ÖVP-Chef gereizt, Zernatto hätte sich mit ihm kurzschließen sollen und hätte sich in anderen Situationen, als Riegler von Haider in der Öffentlichkeit diffamiert worden war, eine Wortmeldung und Rückhalt Zernattos gewünscht. Ihn selbst störe nicht die FPÖ eins zu eins mit Haider, sondern dessen Position "als konsequentester Opportunist, den wir in der Innenpolitik kennen" sowie dessen offensichtlichen Probleme mit Patriotismus und Österreichbewusstsein.
Mitwirkende:
Hauer, Ernest [Gestaltung]
Datum:
1990.03.10 [Sendedatum]
Schlagworte:
Politik Österreich
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Parteien / ÖVP
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Parteien / FPÖ
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Radiosendung-Mitschnitt
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20. Jahrhundert - 90er Jahre
Typ:
audio
Inhalt:
Nachrichten
Gorbatschow strebt mehr Macht für das Präsidentenamt. Für die Armut in der Bevölkeurng, den Niedergang der Wirtschaft und für die aufkeimenden Nationalitätenkonflikte fehlen ihm Konzepte. Im Westen ist Gorbatschow weitaus beliebter als im eigenen Land, dennoch macht ihn das Beenden stalinistischer Indoktrination zu einer historischen Figur.
Mitwirkende:
Löw, Raimund [Gestaltung]
Datum:
1990.03.10 [Sendedatum]
Schlagworte:
Politik
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Marxismus und Kommunismus
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Regierung
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Radiosendung-Mitschnitt
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20. Jahrhundert - 90er Jahre
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Sowjetunion
Typ:
audio
Inhalt:
Nachrichten
Einblendung: Salvador Allende, chilenischer Präsident, eines der ersten Todesopfer der Pinochet-Diktatur. Pinochet tritt als Präsident zwar ab, hat aber weiterhin die volle Macht über die militärischen Streitkräfte. Pinochet ist jedoch international weitgehend isoliert.
Mitwirkende:
Wendl, Fritz [Gestaltung]
, Allende, Salvador [Interviewte/r]
Datum:
1990.03.10 [Sendedatum]
Schlagworte:
Politik
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Diktaturen und totalitäre Regime
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Regierung
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Militär
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Radiosendung-Mitschnitt
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20. Jahrhundert - 90er Jahre
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Kontinente / Südamerika
Typ:
audio
Inhalt:
Nachrichten
Der oberösterreichische Landeshauptmann Ratzenböck hatte befürchtet, Asylsuchende, denen man ihr fremdländisches Aussehen ansehe, könnte den Tourismus schädigen.
Mitwirkende:
Kronsteiner, Manfred [Gestaltung]
Datum:
1990.03.10 [Sendedatum]
Schlagworte:
Gesellschaft
;
Asyl
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Migration
;
Diskussion
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Radiosendung-Mitschnitt
;
20. Jahrhundert - 90er Jahre
Typ:
audio
Inhalt:
Nachrichten