Weiningers Nacht

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Im Bedenkjahr 1988 wird wahrscheinlich niemand die Frage stellen, warum wir als erste Produktion der neuen Reihe ein Stück über den jüdischen Antisemiten Otto Weininger spielen. Dieses Schauspiel ist ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit jeder Art von Antisemitismus, aber mehr noch als Jahrestage war für die Stückwahl entscheidend, daß es kaum eine Figur gibt, in der Widerstand und Anpassung so paradoxe Verbindungen eingegangen sind wie in diesem jungen Wiener Philosophen der Jahrhundertwende. Widerstand gegen den Haß der Gesellschaft auf sein „Jüdisch-Sein“ nimmt bei Weininger die Form der Überanpassung an. Und Weininger formulierte die theoretische Untermauerung dieses absurden Vorgangs so brillant, daß er Generationen damit beeinflussen konnte. Otto Weininger ist heute fast vergessen, könnte als historisches Phänomen zwar interessant, aber relativ unwesentlich erscheinen, wenn seine Reaktion auf Diskriminierung nur ein extremer Einzelfall wäre. Aber Selbsthaß und Selbstzerstörung sind in jeder Minderheit als Antwort auf Diskriminierung und Unterdrückung denkbar. Denn daß Weiningers Ausdehnung seines zerstörerischen Hasses auf alles Weibliche jahrzehntelang von Frauen unwidersprochen blieb, ist ein erschreckendes Beispiel für die zerstörerische Kraft der Selbstverachtung.