Anatomie eines Ortes: Der Wiener Narrenturm

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Dieses Medium ist Teil des Gesamtwerks kultur.montag

Katalogzettel

Titel Anatomie eines Ortes: Der Wiener Narrenturm
Titelzusatz Kulturmontag Dokumentation
Spieldauer
Urheber/innen und Mitwirkende Stadler, Clarissa [Moderation] [GND]
Weber, Nico [Regie] [GND]
ORF 2 [Sendeanstalt]
Datum 2014.11.17 [Sendedatum]
Schlagworte Kultur ; Dokumentation ; TV-Mitschnitt
Typ video
Format DVD [DVD]
Sprache Deutsch
Signatur 12-10757_04
Medienart DVD
Gesamtwerk/Reihe kultur.montag

Information

Inhalt

Leuchtturm des Geistes, Museum des Wahnsinns. Der Wiener Narrenturm - ist er ein Ort des Lebens oder des Todes? Das Gebäude wurde als weltweit erstes psychiatrisches Krankenhaus erbaut.
Was heute nach Wegsperren aussieht, galt 1784, als der Bau unter dem Reform-Kaiser Josef II. errichtet worden war, als fortschrittlich.

1866 wurde der Betrieb eingestellt und der Rundbau für Wohnungen von Ärzten und Schwestern des Alten Allgemeinen Krankenhauses genutzt, als Depot für Universitätskliniken und Werkstätten. Seit 1.1.2012 ist die Patholgisch-Anatomische Sammlung im Narrenturm Teil der Anthropologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien.

Regisseurin Nico Weber begibt sich auf eine Reise durch ein Gebäude und durch einen Kosmos: durch unseren Umgang mit Tod und Versehrtheit. Sie entdeckt darin viel Unheimliches, manchen Abgrund, Humor und doppelten Boden.

Fünf Stockwerke im Rundbau, 28 Räume pro Etage, schmale Fenster und ein in Nord-Süd-Richtung ausgerichteter Mitteltrakt – das ist der Narrenturm. Insgesamt gab es für die Psychiatrie-Insassen 139 Einzelzellen. Jede Zelle misst dreizehn Quadratmeter und ist vom runden Gang aus erreichbar. "Wenn man dieses Museum betritt, dann ist das Erste, was sie hier treffen - sie selbst: ihre eigenen Ängste, ihre eigenen Vorurteile und ihre eigenen Fantasien", sagt Beatrix Patzak, Museumsleiterin von 1993 bis 2013.

Der Narrenturm ist ein Ort, "an dem sich der Tod freut, dem Leben zu dienen", ergänzt Architekt Thomas Kratschmar. Die Forschung am toten Körper begann vor 200 Jahren in der Aufklärung. Eine weltweit einzigartige Sammlung ist in Wien daraus entstanden. Über 50.000 Humanpräparate "bevölkern" heute den Turm.

Die pathologisch-anatomische Sammlung wurde bereits im Jahre 1796 unter Kaiser Franz I. als Pathologisches Cabinet gegründet. "Ich glaube, dass dieses Gebäude hier ein Ort außerhalb von Zeit und Raum ist, eine abgegrenzte Realität. Auch, wenn es heute nicht mehr Psychiatrie ist, ist noch immer diese gewisse Realität da oder Irrealität, die man hier überall findet", sinniert Sammlungsbetreuer Magister Anatol im Film, dessen wahrer Name nichts zur Sache tut, wie er meint.

Die Form des Gebäudes, die Zahlen der Zellen und Stockwerke sind immer wieder Grund für diverse Spekulationen. Das Zahlensystem ist einerseits magischen und andererseits astronomischen-chronologischen Prinzipien unterworfen. So musste es auf Wunsch von Joseph II. genau zu Neumond am 19. April 1784 eröffnet werden. Und auch das "Sehnengebäude" in der Mitte ist genau auf den Nordstern ausgerichtet. In der Kabbala ist 28 die Zahl für "Gott, der du die Kranken heilst", daher entschloss man sich für 28 Zimmer je Etage.

Die Dokumentation besticht durch neues Wissen von einem altbekannten Ort, durch starke Charaktere und großartige Bilder von Marc Nordbruch.