Haider: die österreichische Nation, eine "Missgeburt"

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Titel Haider: die österreichische Nation, eine "Missgeburt"
Spieldauer 00:32:04
Mitwirkende Hopfmüller, Gisela [Gestaltung] [GND]
Fischer, Johannes [Gestaltung] [GND]
Haider, Jörg [Interviewte/r] [GND]
Datum 1988.08.18 [Sendedatum]
Schlagworte Gesellschaft ; Radiosendung-Mitschnitt
20. Jahrhundert - 80er Jahre
Typ video
Format DFFLV [Dateiformat: FLV]
Sprache Deutsch
Signatur Österreichische Mediathek, e07-01776_k02
Medienart FLV-Videodatei

Information

Inhalt

Tondokument mit Untertitel

Jörg Haider bezeichnete in einem Interview im September 1988 – im Kontext eines Gedenkjahres, in dem der 50-jährigen Wiederkehr des „Anschlusses“ gedacht wurde (nicht der 70. Wiederkehr der Republiksgründung) – die österreichische Nation als eine ideologische „Missgeburt“. Dieser Ausspruch wurde sicher auf Haiders „positives“ Verhältnis zum Deutschnationalismus und zum Nationalsozialismus in Österreich bezogen. Haider selbst meint im Interview, man habe sich mit der Rede von einer österreichischen Nation von Jahrhunderten deutsch-österreichischer Vergangenheit distanzieren wollen. Er geht nicht darauf ein, welchen Nationsbegriffs man sich dabei 1945 bedient habe, und bezieht selbst „Nation“ explizit auf „Volkszugehörigkeit“ im Gegensatz zu Staatszugehörigkeit. Mit einiger rhetorischer Geschicklichkeit „dekonstruiert“ Haider die ideologisch begründete Konstruktion der „österreichischen Nation“ nach 1945; jedoch tut er das, um damit sein Recht zu begründen, sich zur „deutschen Nation“ in Österreich zu bekennen. Diese ist selbstverständlich ebenso sehr ideologische Konstruktion und zwar eine solche, die der Nationalsozialismus ins Zentrum seiner völkischen, rassistischen Ideologie mit der Absicht und Konsequenz äußerster menschenvernichtender Gewalt ins Zentrum stellte.

Haiders Äußerung stand in Tradition der FPÖ und ähnlicher Äußerungen etwa des Nationalratsabgeordneten Otto Scrinzi (1966, vormals SA-Sturmführer) und Klubobmann Friedrich Peter (1967, vormals SS-Obersturmführer).

Interessant ist, dass Haiders Provokation um den Begriff der „österreichischen Nation“ im Gedenkjahr 1988 nur auf die Situation nach 1945 bezogen wurde und nicht auf 1918 und die Erste Republik, obwohl dies doch naheliegend gewesen wäre. War die Konstruktion des „Staates wider Willen“ noch immer so verbreitet, dass man Angst hatte, auf 1918 zurückzugehen, würde Haider eher recht geben? Oder war man 1988, nach der Waldheim-Debatte, so sehr mit der Rolle Österreichs und der Österreicher im Nationalsozialismus beschäftigt, dass man schlicht kein Interesse an 1918, der Geburtsstunde dieses österreichischen Staates hatte?

Historiografisch spricht vieles dafür, dass Österreich im breiteren politischen Diskurs erst nach dem Nationalsozialismus zur „Nation“ wurde: in der Abwendung von Deutschland – in Differenz zur Ersten Republik – und als „Kulturnation“, wie das Leopold Figl als erster Bundeskanzler der zweiten Republik vor dem Nationalrat am 21. Dezember 1945 programmatisch erklärte.

Wirklich entlarven hätte man Haiders Rede von der „deutschen Nation in Österreich“ nur können, indem man auch die ideologische Konstruiertheit des österreichischen Nationsbegriffes akzeptiert hätte. Dann hätte man sich 1988 – in Verbindung mit der Erinnerung an den „Anschluss“ von 1938 – vielleicht auch an die Kontinuität des 1918 geschaffenen Staates erinnern können.

Sammlungsgeschichte

Sammlung Radio Mitschnitte der Österreichischen Mediathek

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Schlagworte

Gesellschaft , Radiosendung-Mitschnitt

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1918: Perspektiven aus den Jahren 1960-1990