1965–1966

Bei einer Demonstration im März 1965 gegen den nationalsozialistisches Gedankengut verbreitenden Hochschullehrer Taras Borodajkewycz wird der Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Neonazi so schwer verletzt, dass er zwei Tage darauf seinen Verletzungen erliegt; er gilt als erstes politisches Todesopfer der Zweiten Republik.
Kurz vor dem zehnjährigen Staatsvertragsjubiläum stirbt Leopold Figl. Nachfolger des verstorbenen Bundespräsidenten Adolf Schärf wird Franz Jonas (SPÖ). Im Oktober demissioniert die Bundesregierung, bei den Wahlen im März 1966 erhält die ÖVP die absolute Mehrheit und Josef Klaus bildet eine ÖVP-Alleinregierung. Ein Bauskandal führt zur Verhaftung von zahlreichen, zum Teil hochrangigen Beamten und zur Sperre der teilweise baufälligen Westautobahn. Im Parlament wird ein neues Rundfunkgesetz im Sinne des Rundfunkvolksbegehrens beschlossen, Otto Habsburg erhält einen österreichischen Reisepass, mit dem er nach Österreich einreist und Udo Jürgens gewinnt den Grand Prix Eurovision de la Chanson.

Ende der Koalition – ÖVP-Alleinregierung

00:06:28 audio
ÖVP Alleinregierung

Regierungserklärung von Josef Klaus

Details

Borodajkewycz-Affäre

Demonstrationen pro und contra Borodajkewycz. Tumulte: Demonstranten hinter der Oper bewegen sich Richtung Albertina. ©
Demonstrationen pro und contra Borodajkewycz, 31. 3. 1965
00:07:44 audio
Erstes politisches Todesopfer

der Zweiten Republik. Ernst Kirchweger

Details
00:01:20 audio
Angelobung

von Bundespräsident Franz Jonas

Details
Franz Jonas - Wahlprospekt des SPÖ-Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl. Zoom auf ein Brustbild ©
Bundespräsident Franz Jonas
00:05:41 audio
SPÖ geht in Opposition

Bruno Kreisky

Details
00:02:56 audio
Über die Oppositionsrolle der SPÖ

Bruno Kreisky

Details
00:05:23 audio
Rundfunkgesetz beschlossen

Alfons Gorbach

Details
00:05:01 audio
Der erste Nationalfeiertag

Nationalratspräsident Alfred Maleta spricht

Details
00:05:52 audio
Rundfunkgesetz

Willi Liwanec

Details

600 Jahre Universität Wien

Festzug auf der Ringstraße: an der Spitze Unterreichtsminister Theodor Piffl-Perčević und der Rektor der Wiener Universität Karl Fellinger in Talaren und mit Hüten. ©
600 Jahre Universität Wien
00:05:31 audio
600 Jahre Universität Wien

Rektor Karl Fellinger. Begrüßungsansprache

Details
00:00:42 audio
Bauskandal in Österreich

Josef Klaus

Details
00:00:29 audio
Bauskandal

Friedrich Peter

Details
00:00:30 audio
Bauskandal

Eduard Weikhart

Details

Zeitgeist

Details
00:00:50 video
Die Beatles

kommen nach Salzburg

00:00:29 audio
Song Contest

Udo Jürgens gewinnt mit "Merci, Chéri"

Details
Udo Jürgens und Sandie Shaw. ©
Udo Jürgens und Sandie Shaw
00:02:13 audio
Literatur

Fritz Habeck

Details
00:01:21 audio
Musik

Egon Wellesz: Triptychon für Klavier

Details
00:05:07 audio
Roboter, Computer

Heinz Zemanek erklärt...

Details
00:02:10 audio
Karl Farkas und Ernst Waldbrunn

Kabarett über Bruno Pittermann und Josef Klaus

Details

Chronologie der Ereignisse

1965

Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr steigen weiter: 14,5 Milliarden Schilling gegenüber 13 Milliarden im Jahr 1964.

Bei Grabungen des Archäologischen Instituts der Universität Wien in Ephesos wird der seit 1895 gesuchte Altar des Artemistempels gefunden.

Mehrere schwerste Unwetter und Hochwasser in den Monaten Juni bis September in ganz Österreich. Insgesamt ca. 84.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche teilweise mehrmals überflutet. Zwei Milliarden Schilling Ernteverluste.

Jänner 1965

24.01.

Winston Churchill, ehemaliger Premierminister Großbritanniens, stirbt in London. 

Februar 1965

28.02.

Adolf Schärf (*20. April 1890 in Nikolsburg, Mähren) stirbt in Wien. Er war seit Mai 1957 Bundespräsident. 1945-57 Vizekanzler, SPÖ-Vorsitzender und Nationalratsabgeordneter. 1918-34 Sekretär des Nationalratspräsidiums. 1933/34 sozialdemokratisches Bundesratsmitglied.

März 1965

15.03.

In den USA kommt es u. a. wegen der Ausweitung des Bombeneinsatzes gegen Nordvietnam und der Verwendung von Napalm-Bomben zu den ersten (Studenten-) Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg.

19.03.

In Brüssel beginnen Verhandlungen zwischen der EWG und Österreich über eine Assoziierung. ('Zollunion', 'Vertrag besonderer Art').

23.03.

Taras Borodajkewycz, Professor an der Hochschule für Welthandel, bekennt sich zu seinen 1956 gemachten Äußerungen, dass das "Geflunker von der österreichischen Nation" zu den "unerfreulichsten Überresten des an Gesinnungs- und Würdelosigkeiten reichen Jahres 1945" gehöre. Die Staatsanwaltschaft leitet Erhebungen nach dem NS-Gesetz ein. Am 26. März kommt es zu Demonstrationen vor der Hochschule, da Borodajkewycz weiter unterrichtet.

29.03.

Pro-Borodajkewycz-Demonstration von ca. 500 Studenten in Wien. Vor der Oper kommt es zu Handgemengen mit Vertretern der österreichischen Widerstandsbewegung.

31.03.

Zusammenstöße und Schlägereien zwischen nationalen Studenten und Vertretern der Widerstandsbewegung. Ernst Kirchweger, 67 Jahre, wird vom polizeibekannten, neonazistischen Studenten Günther Kümel so schwer verletzt, dass er am 2. April stirbt. Kümel wird am 25. Oktober 1965 wegen "Notwehrüberschreitung" zu zehn Monaten Arrest verurteilt.

April 1965

08.04.

Die Trauerfeier für Ernst Kirchweger am Heldenplatz in Wien wird zu einem Bekenntnis zur Demokratie in Österreich in auffallender Einigkeit über Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg.

27.04.

20. Jahrestag der "Zweiten Republik" mit einer Bundesheerparade am Ring und einer Festsitzung des Nationalrates.

Mai 1965

09.05.–15.05.

Feierlichkeiten zum Jubiläum "600 Jahre Universität Wien".

09.05.

Leopold Figl (*2. Oktober 1902 in Rust, NÖ), stirbt in Wien. 1945 im KZ zum Tode verurteilt, 1945 bis 1953 Bundeskanzler, 1953-1959 Außenminister, 1959-1962 Nationalratspräsident. Figl war wesentlich am Zustandekommen des Staatsvertrags beteiligt, den er 1955 für Österreich unterzeichnete.

15.05.

Zehn Jahre Staatsvertrag. Zum Staatsakt im Schloss Belvedere kommen die Außenminister der vier Signatarmächte.

23.05.

Der Wiener Bürgermeister Franz Jonas, SPÖ, wird mit 50,7 % der Stimmen neuer Bundespräsident. Altbundeskanzler Alfons Gorbach war der zweite Kandidat.

Juni 1965

13.06.

Martin Buber (*8. Februar 1878 in Wien) stirbt in Jerusalem. Philosoph und jüdischer Theologe, 1923–1933 Universitätsprofessor in Frankfurt/Main, 1938–1951 in Jerusalem. 1941 wurde ihm der Doktortitel der Universität Wien aberkannt. Er gilt als "Vater des christlich-jüdischen Dialogs".

24.06.

Abkommen zur Errichtung des Hauptquartiers der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) in Wien unterzeichnet.

Juli 1965

15.07.

Debatte über den Bericht des Rundfunkvolksbegehrensausschusses im Nationalrat.

20.07.

Die niederösterreichische Landesregierung stellt für Otto und Regina Habsburg einen Staatsbürgerschaftsnachweis aus.

Franz Olah gründet die DFP, Demokratisch Fortschrittliche Partei.

Oktober 1965

26.10.

Der erste, am Vortag vom Nationalrat beschlossene, Nationalfeiertag wird gefeiert.

November 1965

08.11.

Der einmillionste Telefonanschluss in Österreich wird in Wien-Favoriten in Betrieb genommen.

18.11.

Der Nationalrat beschließt die vorzeitige Beendigung der laufenden Legislaturperiode. Mehrmals waren die Budgetverhandlungen für das folgende Jahr gescheitert und am 9. November 1965 war der Nationalratswahltermin für 6. März 1966 festgelegt worden.

Dezember 1965

Erste Farbfernsehversuche in Österreich.

14.12. und 21.12.

Der Ministerrat diskutiert die Bewerbung Wiens als Austragungsort für die Olympischen Sommerspiele 1972. Wegen unterschiedlicher Kostenauffassungen unterbleibt die Bewerbung.

1966

Februar 1966

03.02.

Handelsminister Fritz Bock hält fest, dass Österreich bei einer Annäherung an die EWG seine Neutralitätsverpflichtungen wahren werde.

10.02.

Die Westautobahn muss bei Strengberg auf einer 8 km langen Strecke aufgrund von Frostaufbrüchen resultierend aus Baumängeln gesperrt werden.

März 1966

01.03.

Der Rechnungshof kritisiert die zweckwidrige Verwendung von 420 Millionen Schilling durch die niederösterreichischen Energieversorger Newag und Niogas.

06.03.

Die ÖVP erreicht bei den Nationalratswahlen die absolute Mandatsmehrheit. ÖVP 85 (81), SPÖ 74 (76), FPÖ 6 (8).

April 1966

19.04.

Die Regierung Klaus II steht fest. Es ist die erste Alleinregierung (ÖVP) in der Zweiten Republik.

Mai 1966

04.05.

Durch personelle Umbesetzungen im Politbüro der KPCh unter dem Parteivorsitz von Mao Zedong und ideologische Neuformulierungen wird die "Große proletarische Kulturrevolution" eingeleitet.

14.05.

An der Hochschule für Welthandel wird über Taras Borodajkewycz wegen seiner antisemitischen Äußerungen und gedanklichen Nähe zum Nationalsozialismus vom Disziplinarsenat die Strafe der Versetzung in den Ruhestand verhängt.

Juni 1966

01.06.

Otto Habsburg wird vom Innenministerium ein Reisepass ausgestellt.

08.06.

In Frankfurt/Main findet die Uraufführung des Theaterstücks "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke statt.

Juli 1966

08.07.

Im Nationalrat wird mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ das neue Rundfunkgesetz beschlossen. Es ist eine Rundfunkreform im Sinne des Rundfunkvolksbegehrens des Jahres 1964.

September 1966

01.09.

Die Südtiroler Volkspartei nimmt das sogenannte "Südtirolpaket" der italienischen Regierung an.

Oktober 1966

28.10.

Im Straßenbauskandal und in der Amtsmissbrauchsaffäre werden zahlreiche Verhaftungen, darunter ein Sektionschef im Bautenministerium, vorgenommen.

31.10.

Otto Habsburg reist das erste Mal nach Österreich (Tirol) ein.

November 1966

14.11.

Der sowjetische Staatspräsident Nikolai Podgorny spricht sich bei einem Besuch in Österreich gegen die EWG-Ambitionen Österreichs aus.

Dezember 1966

14.12.

Gegen Viktor Müllner, Direktor der Newag und Niogas, wird wegen der Vorwürfe vom 1. März Haftbefehl erlassen.

23.12.

Heimito von Doderer (*5. September 1896 in Hadersdorf-Weidlingau bei Wien), Schriftsteller, stirbt in Wien.