Wegen der krisenhaften wirtschaftlichen Lage seit Beginn der 1960er Jahre in der Tschechoslowakei und der stalinistisch orientierten Führung des Parteichefs Antonín Novotný entstand in der ČSSR eine Bewegung, die nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf gesellschaftliche Reformen im Sinne von Liberalisierung, Pluralismus und Meinungsfreiheit abzielte. Diese Art des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ unter Alexander Dubček wurde von der Sowjetunion nicht toleriert und der „Prager Frühling“ mit dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts niedergeschlagen.
erinnert sich an die Nachricht über die Invasion in die Tschechoslowakei
Mit dem Misserfolg des Fünfjahresplans wuchs 1963 der Druck auf KP-Chef Novotný, eine Kommission für Wirtschaftsreformen einzusetzen. Der Ökonom, spätere Wirtschaftsminister und Stellvertreter Alexander Dubčeks, Ota Šik, forderte als Leiter dieser Kommission eine Änderung des Planwirtschaftssystems in Richtung einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ im Rahmen eines „demokratischen Sozialismus“. Der Staat solle sich aus der Führung der Wirtschaftsbetriebe und der Preisbildungspolitik zurückziehen, selbstständige Gewerkschaften und Arbeiterselbstverwaltung anerkannt werden. Im Jänner 1968 löste Alexander Dubček Antonín Novotný als Parteichef ab und verfolgte weiter seinen Reformkurs. Alle Lebensbereiche sollten liberalisiert werden. Die Zensur der Presse wurde aufgehoben, Meinungs- und Informationsfreiheit zugelassen und Pluralismus auch im Parteiensystem sollte erlaubt werden.
Der Sowjetunion missfiel der Reformkurs unter Alexander Dubček, den sie als „konterrevolutionär“ wertete. In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 erfolgte die Invasion von ca. 500.000 Soldaten der Staaten des Warschauer Pakts, mit Ausnahme Rumäniens, in die Tschechoslowakei, um den Prager Frühling niederzuschlagen, worauf die tschechoslowakische Bevölkerung auch mit zivilem Ungehorsam als Widerstand reagierte.
Während der sogenannten „Normalisierung“ in der Zeit nach dem Einmarsch wurden die eingeleiteten Reformprojekte des „Prager Frühlings“ von den Besatzern aufgehoben, nachdem die reformorientierte Prager Führung bei Gesprächen in Moskau zwei Tage nach der Invasion kapitulieren musste. Alexander Dubček wurde im April 1969 zum Rücktritt als Parteichef gezwungen und wurde vom moskautreuen Gustáv Husák abgelöst. Sowjetische Truppen blieben bis 1991 in der Tschechoslowakei.
Im Jänner 1969 starb der 20-jährige Student Jan Palach an den Folgen einer Selbstverbrennung am Prager Wenzelsplatz aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings. An seinem Begräbnis nahmen über 10.000 Menschen teil. Einen Monat später starb der fast gleichaltrige Jan Zajíc am selben Ort ebenfalls nach einer Selbstverbrennung aus denselben Gründen und als Zeichen gegen die sich ausbreitende Lethargie in der tschechoslowakischen Bevölkerung. Die Behörden untersagten seine Beerdigung in Prag, die dann in seinem Heimatdorf stattfand.
Das Denkmal am Prager Wenzelsplatz, vor dem Nationalmuseum, wo sich Jan Palach und ein Monat später Jan Zajíc als Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1969 selbst verbrannt hatten. Prag, 2012.