In Österreich fielen die Proteste der jüngeren Generation an den Universitäten weit weniger intensiv aus als in anderen Ländern wie zB in Frankreich oder in der damaligen BRD. Ein in den Medien als „Uni-Ferkelei“ bezeichnetes Ereignis war die von Künstlern, nicht von Studenten und Studentinnen durchgeführte Aktion „Kunst und Revolution“, die zu Anklagen und Gerichtsverhandlungen führte. Die „Affäre Borodajkewycz“, die auch zum ersten politischen Todesopfer der Zweiten Republik führte, macht das gesellschaftliche Klima, das noch bis über 1968 hinaus in Österreich herrschte, deutlich.
Gerichtsverhandlung nach sogenannter "Uni-Ferkelei"
Unter dem Titel „Kunst und Revolution“ fand am 7. Juni 1968 in der Universität Wien eine Veranstaltung von Wiener Aktionisten statt, die anschließend von den Medien als „Uni-Ferkelei“ bezeichnet wurde. Günter Brus und Otto Mühl wurden von einem Gericht wegen öffentlicher Nacktheit, Masturbation, Exkrementieren, Auspeitschen und Urinieren gemeinsam mit Verwendung von staatshoheitlichen Symbolen wie der Nationalflagge und der Bundeshymne verurteilt.
In Österreich verliefen die Jahre des Protests viel ruhiger als in anderen Ländern. Im universitären Bereich wurde von den Studenten bei Hörsaalbesetzungen und Teach-Ins vor allem mehr Mitbestimmung und Demokratisierung an den Hochschulen gefordert. Es gab Solidaritätskundgebungen für Rudi Dutschke, Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und das Schah-Regime in Persien, bei denen es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei kam.
In den Reden von Josef Klaus und Franz Jonas mit Rückblick auf die Geschichte Österreichs werden zum Teil die damaligen Sichtweisen auf die Geschehnisse von 1918, 1938, 1945 und 1955 hörbar. Heinz Fischer blickt aus Sicht von 2018 auf das Jahr 1968 zurück.
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Bundeskanzler Josef Klaus
zu 30 Jahren "Anschluss". Vergangenheitsbewältigung 1968?
Am 31. März 1965 wurde der 67-jährige Ernst Kirchweger, Widerstandskämpfer in der NS-Zeit, auf einer Demonstration für die Suspendierung des Hochschullehrers und Historikers Taras Borodajkewycz von einem Rechtsextremisten niedergeschlagen und erlag zwei Tage später seinen Verletzungen. Borodajkewycz löste durch seine antisemitischen Äußerungen und Bekenntnisse zum Nationalsozialismus heftige Kontroversen aus, an deren Aufdeckung und Verurteilung Heinz Fischer und Ferdinand Lacina eine entscheidende Rolle spielten.
Das Begräbnis Ernst Kirchwegers wurde zu einer großen Kundgebung des demokratischen Österreich, an der über 25.000 Menschen und Mitglieder der Bundesregierung teilnahmen. Taras Borodajkewycz wurde 1966 von der Hochschule für Welthandel zwangsweise pensioniert.