Genug gedacht? Gedenken nach 1988

Nach den vielen Gedenkveranstaltungen und den teilweise sehr intensiv geführten medialen und politischen Debatten im Jahr 1988 stellt sich auch die Frage nach den Auswirkungen des organisierten Gedenkens auf die österreichische Geschichts- und Gedächtnispolitik.

Die Ereignisse und Diskussionen der späten 1980er Jahre trugen zu einem großen Teil zu einer neuen Sicht auf die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs bei. Die bis dahin von offizieller politischer Seite weitgehend vertretene „Opferthese“ wich einer verstärkten Anerkennung der Mitverantwortung an den Verbrechen des NS-Regimes. Erstmals wurde die Mitschuld von Österreichern und Österreicherinnen eingestanden, gefolgt von einer offiziellen Entschuldigung bei den Opfern.

Stimmen aus der Wissenschaft

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„Die Historiker können ja nur bei der Verarbeitung helfen“

Der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz (1992)

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Jürgen Habermas zur „doppelten Vergangenheit“ in Deutschland (1992)

Während in der BRD die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zu einem früheren Zeitpunkt stattfand, ergaben sich durch die deutsche Wiedervereinigung und die Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Erbe der ehemaligen DDR zu Beginn der 1990er Jahre neue Auswirkungen in Bezug auf die deutsche Geschichtspolitik.

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Altbundespräsident Heinz Fischer zur Bedeutung des Jahres 1988

Politische Stimmen

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Bundeskanzler Vranitzky über die österreichische Mitverantwortung an NS-Verbrechen

Rede im Parlament (1991)

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Bekenntnis zur Vergangenheit

Antrittsrede von Bundespräsident Klestil vor der Bundesversammlung (1992)

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Bundespräsident Klestil spricht vor der Knesset

Ö1-Abendjournal (1994)

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Anerkennung weiterer Opfergruppen – Neubewertung der Täter_innen

Seit den 1990er Jahren rückten neben jüdischen Verfolgten weitere Gruppen in den Fokus der Aufmerksamkeit: Opfer der NS-Medizinprogramme, Roma und Sinti, Homosexuelle, Zwangsarbeiter/innen und Deserteure. Die Diskussionen führten zu einer Neubewertung der österreichischen Beteiligung an den Verbrechen der NS-Zeit. Auch auf der Ebene der Denkmalpolitik äußerten sich diese Veränderungen. Nach der Enthüllung des „Mahnmals gegen Krieg und Faschismus“ wurden in den folgenden Jahren weitere Denk- und Mahnmäler für verschiedene Opfergruppen in Österreich errichtet.

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Anerkennung von Roma und Sinti

Der Romavertreter Rudolf Sarközi (2006)

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Deserteure und Opfer der NS-Militärjustiz

Der Aktivist Richard Wadani (2004)

<p>Das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz&nbsp;</p> ©

Das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz 

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Ansuchen um eine Opferrente

Der NS-Euthanasie-Überlebende Friedrich Zawrel (2010) 

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Zwangsarbeit beim Bunkerbau

Der Zeitzeuge Erich Richard Finsches (2004)

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Unterschiedliche Opfergruppen

Der Zeithistoriker Winfried Garscha (2006)

Wehrmachtssausstellung

Die im Jahr 1995 an mehreren Orten in Österreich und Deutschland gezeigte Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ löste intensive Debatten über die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an NS-Verbrechen aus.  

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Bilanz der Grazer Wehrmachtsausstellung

Ö1-Mittagsjournal (1998)

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Entschädigungszahlungen und Forschungsprojekte

Mit der Einrichtung des „Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus“ im Jahr 1995 und des „Österreichischen Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ im Jahr 2000 (ab 2005 „Zukunftsfonds der Republik Österreich“) wurde eine späte Möglichkeit für Entschädigungszahlungen an Überlebende und Opfer des Nationalsozialismus geschaffen. Die beiden Fonds waren (und sind) unter anderem damit betraut, Projekte zu fördern, „die der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus und des Schicksals seiner Opfer dienen, an das nationalsozialistische Unrecht erinnern oder das Andenken an die Opfer wahren“ (Nationalfonds) bzw. „die den Interessen und dem Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Regimes, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft sowie der internationalen Zusammenarbeit dienen und zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz auf diesen Gebieten beitragen“ (Zukunftsfonds).

Diese Förderung führte im wissenschafltichen Bereich zu vielen neuen Erkenntnissen und Fragestellungen hinsichtlich der NS-Vergangenheit und zur Produktion von Interviewquellen mit überlebenden Zeitzeug/innen. Diese wurden in einem von den beiden Fonds geförderten und von der Österreichischen Mediathek durchgeführten Projekt gesammelt und aufgearbeitet.