Das Osmanische Reich im Kriegsjahr 1915

Die Türkei – das Osmanische Reich – 1915 im Krieg, das bedeutete Kampf an mehreren Fronten und das wohl singulär schlimmste Verbrechen des Krieges.

Angriff der 3rd Light Horse Brigade bei Cesarttepe am 7. August 1915 ©
Angriff der 3rd Light Horse Brigade bei Cesarttepe am 7. August 1915
Britischer Angriff in der Gallipoli Schlacht ©
Over the Top - Angriff aus dem Schützengraben
00:21:30 audio
Interview mit dem Oberhaupt der Armenischen Kirche - dem Oberstes Patriarchen und Katholikos Aller Armenier - Vasken I.
Details

Der Völkermord an den Armeniern zählt bis heute zu den am heftigsten debattierten Ereignissen des Krieges. Beginnend im Frühjahr 1915 wurden Deportationsbefehle für die armenische Minderheit erlassen. Betroffen waren zu einem großen Teil Frauen, Kinder und alte Leute. Die meisten Männer waren entweder in der türkischen Armee, einige aber auch bei der russischen Armee oder im armenischen Widerstand. Die Deportationsmärsche, eigentlich Todesmärsche, gingen mit Massakern an den Armeniern einher. Wer diese Märsche, praktisch ohne eine wie auch immer geartete Versorgung, und die Massaker überlebte, der starb oftmals am Endpunkt der Märsche, denn diese führten zumeist in Wüstengebiete im heutigen Syrien wo nur Hunger und Seuchen auf die Überlebenden warteten. Die Türkei sieht darin immer noch nicht mehr als die Niederschlagung eines armenischen Aufstands, mit überaus tragischen Folgen für die armenische Minderheit, aber sicherlich keinen Völkermord. Die internationale Gemeinschaft sieht darin das größte und schlimmste Verbrechen des ersten Weltkriegs. Die Schätzungen der Opferzahlen gehen von 200.000 bis 1,5 Millionen Menschen. Richtig ist, dass sich Armenier, einige auch schon vor dem Krieg, zum Widerstand gegen die osmanische Herrschaft entschieden hatten. Wer die Leidensgeschichte der Armenier im Osmanischen Reich, auch schon vor dem Ersten Weltkrieg, kennt, den wundert dies kaum. Russland war die einzige Macht, die aus durchaus eigenen Interessen heraus, diesen Kampf unterstützten konnte und wollte. Als die türkische Offensive in den Kaukasus im Winter 1914/15 kläglich scheiterte, sahen manche Armenier den Zeitpunkt für einen offenen Kampf gekommen, in Erwartung einer russischen Gegenoffensive in die Türkei, die aber nie kam. 

Eine armenische Mutter mit ihren toten Kindern ©
Eine armenische Mutter beklagt ihre toten Kinder
00:08:03 audio
Interview mit dem Bischof der armenischen Kirche in Wien Mesrob K. Krikorian anlässlich des 60. Jahrestages des "großen Massakers" am armenischen Volk
Details
Armenische Flüchtlinge ©
Armenische Flüchtlinge
Details
00:04:12 video
Türkei – Die Transkaukasus-Front 1915
Russische Truppen ©
Russische Truppen während der Schlacht von Sarikamis

Es gab die Front am Sinai/Suez-Kanal und erste Kämpfe auf der arabischen Halbinsel, die Mesopotamien-Front (der heutige Irak), den Gallipoli-Feldzug und die Trans-Kaukasus-Front. Womit das Jahr 1915 aber für immer verbunden bleiben wird, ist der Völkermord an der armenischen Minderheit der Türkei.

00:01:50 audio
Rumeli Karsilamasi

Türkischer Tanz

Details
Eine Kapelle eines indischen Regimentes in Mesopotamien ©
Ein indisches Regiment in Mesopotamien
Enver Pasha ©
Der türkische Kriegsminister Enver Pascha
00:02:04 audio
Kasap Havasi

Türkischer Tanz

Details

Im Frühjahr 1915 wurde auch klar, dass sich die Offensive der Entente auf der Gallipolihalbinsel festgelaufen hatte, türkische Einheiten in begrenzter Zahl konnten also für andere Zwecke verwendet werden. Die Armenier waren nun in der schlimmsten aller möglichen Welten. Ohne militärische Unterstützung, weder durch Russland noch durch England oder Frankreich, war der armenische Aufstand tatsächlich nur die Provokation, auf die das türkische Militär gewartet hatte, um das durchzuführen, was ihnen wohl schon längere Zeit vorschwebte, die Vernichtung der armenischen Minderheit in der Türkei. Der Gallipoli-Feldzug begann im Februar 1915, vorerst mit der Beschießung der türkischen Stellungen, doch schon bald folgten Landungen britischer und französischer Truppen auf der Gallipolihalbinsel selbst. Der Feldzug war ein geistiges Kind des damaligen Ersten Seelords der Admiralität, Winston Churchill. Ziel war die Öffnung der Meerengen, des Seeweges vom Mittelmeer ins Schwarze Meer, durch die die Eroberung der Dardanellen und des Bosporus. Die Türkei würde aus dem Krieg ausscheiden müssen und Russland könnte endlich schnell und effektiv mit Rüstungsgütern versorgt werden. Ein bestechender Plan, der nur nicht damit gerechnet hatte, dass die türkischen Soldaten Widerstand leisten würden, den niemand vom „Kranken Mann am Bosporus“ erwartet hatte. Nach fast einem Jahr Grabenkrieg ohne weitere Geländegewinne nach den Landungen wurden die letzten Truppen der Entente schließlich im Jänner 1916 abgezogen. Die Beteiligung australischer und neuseeländischer Truppen, im ANZAC-Corps (Australian and New Zealand Army Corps) der britischen Armee, zählt zu den nationalen Gründungs-Mythen, beider Länder.
Dass es neben dem Kriegsschauplatz auf der Gallipolihalbinsel noch weitere Fronten gab, an denen 1915 die Waffen durchaus nicht schwiegen, ist beinahe in Vergessenheit geraten. Britische Truppen versuchten Mesopotamien, den heutigen Irak, zu erobern – hier spielten Erdöl-Interessen die Hauptrolle. Die Royal Navy hatte schon einige Jahre vor Kriegsbeginn auf Öl-Antrieb umgestellt und sich noch 1914, vor Kriegseintritt der Türkei, die Erdölvorkommen im Irak vertraglich gesichert. Der Krieg machte so aus einem weiteren Vertrag einen Fetzen Papier und noch eine Front, auch hier mit einer Pattsituation, war entstanden.
Die Transkaukasus-Front, mit ein auslösendes Moment für den Völkermord an den Armeniern, sah 1915 zwar eine schwere türkische Niederlage, aber es sollte bis 1916 dauern, bis sich die russische Armee zu einem offensiven Vorgehen, dann allerdings mehr in Richtung Iran, entschließen sollte.
 

General Judenitsch ©
Der russische General Nikolai Judenitsch

Chronologie der Ereignisse

1915

2. Jänner

Der Komponist Karl Goldmark (18. Mai 1830 - 2. Jänner 1915) stirbt in Wien.
Zu seinen bekanntesten Werken gehört die Oper "Die Königin von Saba"

13. Jänner

Stephan Burián Freiherr von Rajecz wird k. u. k. Außenminister

8. März

Um Italien von einem Kriegseintritt auf Seiten der Entente abzuhalten, erklärt sich Österreich-Ungarn bereit, das Trentino an Italien abzutreten.

15. März

Uraufführung des Films "Der Traum eines österreichischen Reservisten". Der Film basiert auf dem Orchesterwerk Carl Michael Ziehrers "Der Traum eines österreichischen Reservisten" aus dem Jahr 1890.

23. März

Nach dem Scheitern des Entsatzes der Festung Przemysl durch k. u. k. Truppen Ende Februar / Anfang März fällt die Festung am 23. März.

März / April

Der Krieg hat Auswirkungen auf die Versorgungslage der Zivilbevölkerung. In Wien ergehen Appelle zum sparsamen Brotverbrauch, es werden die ersten Lebensmittelkarten für Brot und Mehl ausgegeben, weiters steigen die Lebensmittelpreise für Grundnahrungsmittel wie etwa Milch.

27. April

Das k. u. k. U-Boot U5, unter Kommando von Georg Ludwig Ritter von Trapp, dem Vater der singenden Trapp-Familie, versenkt den französischen Panzerkreuzer Leon Gambetta in der Straße von Otranto.

2. Mai

Ostfront – Angriffsverbände der Mittelmächte durchbrechen die Front zwischen Gorlice und Tarnow. Am 3. Juni wird Przemysl zurückerobert und am 23. Juni ziehen Turppen der Mittelmächte im befreiten Lemberg ein. Die Offensive erzwingt ab Mitte Juni 1915, bis in den September, den "Großen Rückzug" der russischen Armee. Fast ganz Polen, der größte Teil von Galizien und Teile des Baltikums kommen unter Kontrolle der Mittelmächte. Die massiven russischen Verluste an Menschen und Material verhindern größere russische Angriffsabsichten in den folgenden Monaten.

3. Mai

Italien kündigt den Dreibund mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich auf.

7. Mai

Seekrieg - Das deutsche U-Boot U 20 versenkt das britische Passagierschiff RMS-Lusitania vor der Südküste Irlands. Heftige Proteste von Seiten der USA, 128 US-Bürger verlieren ihr Leben, führen zur Einstellung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges.

9. Mai bis 23. Juli

Westfront - Französischer Großangriff in der Lorettoschlacht im Artois. Das Rezept mit mehr Infanterie und mehr Artillerie anzugreifen führt, außer zu höheren Verlusten, kaum zu einem nennenswerten Ergebnis. Ebenfalls am 9. Mai, allerdings nur einen Tag lang, erfolgt ein erfolgloser britischer Großangriff bei Aubres zur Unterstützung der französischen Offensive.

15. Mai bis 27. Mai

Westfront – Ein weiterer britischer Großangriff bei Festubert, zur Unterstützung der französischen Armee, wird ebenfalls von den deutschen Verteidigern abgewiesen. Die mangelnde Artillerieunterstützung - zu wenige moderne Geschütze und viel zu wenig Munition,  diese auch noch von schlechter Qualität - führt zur "Shell Crisis", der Munitions-Krise von 1915. Als direkte Folge davon werden in Groß Britannien Maßnahmen zur Ausnutzung der gesamten Industriekapazität ergriffen, bei gleichzeitiger Steigerung der Aufträge für Kriegszwecke in den USA. Ein weiterer Aspekt dieser Krise war der beschleunigte politische Aufstieg von David LLoyd George.

23. Mai

Italien erklärt Österreich-Ungarn, aber nicht dem Deutschen Reich, den Krieg. Die italienische Armee versäumt einen schnellen Angriff. Österreich-Ungarn kann mit letzten Reserven, darunter die berühmten Tiroler Standschützen, eine Abwehrfront errichten. Die Südfront, wird einerseits vom Krieg im Hochgebirge, andererseits vom Kampf im Karst am Isonzo-Unterlauf geprägt. Im Gegensatz zur Ostfront oder zur Balkanfront, wird Italien von beinahe allen Bevölkerungsteilen der Monarchie als Feind und wortbrüchiger Angreifer empfunden.

27. Mai

Die Deportationsgesetzte in der Türkei gegen die armenische Minderheit werden auf Druck der Jung-Türken beschlossen. Beginn des Völkermordes an den Armeniern, in dessen Verlauf im Jahr 1915 bis zu 1,5 Millionen Opfer zu beklagen sind.

31. Mai

Luftkrieg - Erste Angriffsfahrt eines deutschen Zeppelins auf London. Das nächtliche Luftbombardement soll die Rüstungswirtschaft schwächen. An Tagen nach Luftschiff-Angriffen sinkt die Produktivität in den Fabriken erheblich ab.

Ab Juni

Westfront - langsames und systematisches Vorrücken deutscher Truppen im Bereich der Argonnen und vor Verdun. Das von General Mudra entwickelte Angriffsverfahren ist viel kleinteiliger als die großen französischen Offensiven, dadurch ist die örtliche Überlegenheit, besonders an effektiver schwerer Artillerie, sehr viel erdrückender. Zu diesem Zeitpunkt ist auch noch eine erhbebliche technische Überlegenheit bei der schweren Artillerie auf Seite der Mittelmächte vorhanden.

23. Juni bis 3. August

Italienfront - Die italienische Armee beginnt mit der Ersten und Zweiten Isonszoschlacht eine ganze Reihe von Offensiv-Schlachten am Isonzo-Unterlauf. Es ergibt sich ein ähnliches Bild, wie bei den Schlachten an der Westfront. Hohen Verlusten, besonders für die Angreifer, stehen kaum messbare Geländegewinne gegenüber. Auch der Gebirgskrieg wird nun von italienischer Seite mit erhöhtem Einsatz geführt. Die verlorene Zeit zwischen der Kriegserklärung und den ersten großen Angriffen kann aber nicht mehr wettgemacht werden.

Von Juli bis Frühjahr 1916

Luftkrieg - Westfront - Beginn der "Fokker-Plage" an der Westfront. Durch ein synchronisiertes Maschinengewehr, so kann durch den sich drehenden Probeller geschossen werden, ist der deutsche Fokker-Eindecker allen Flugzeugen der Entente im Luftkampf vorübergehend überlegen.

19. August

Seekrieg – Der britische Passagier-Dampfer Arabic wird von U 24 versenkt. Weil unter den Opfern wieder US-Bürger sind wird der U-Boot-Krieg weiter eingeschränkt. Am selben Tag kommt es zum Baralong-Zwischenfall. Die britische U-Boot-Falle Baralong setzt U 27 kampfunfähig. Als U-Boot-Fallen wurden bewaffnete Schiffe bezeichnet, die als Handelsschiffe getarnt waren, ein klarer Verstoß von britischer Seite gegen das Prisen-Recht und einer der Gründe für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg von deutscher Seite. Der britische Kapitän lässt alle überlebenden Matrosen der U-Boot Besatzung erschießen, ein klares Kriegsverbrechen.

21. August

Gallipolifront - Der letzte Versuch britischer, australischer und neuseeländischer Truppen die Brückenköpfe an der Meerenge auszuweiten scheitert.

Mitte September

Nach russischen Gegenangriffen (Schlacht bei Tarnopol 6. – 19. September) kein weiteres Vordringen österreichisch-ungarischer Truppen in Galizien; der Frontverlauf verfestigt sich

September bis November

Ergebnislose französische Herbstoffensive in der Champagne

Oktober bis November

Eroberung Serbiens und Montenegros durch die Mittelmächte

6. Oktober Beginn der Offensive, Besetzung Belgrads 
24./25. Oktober entscheidender Erfolg über die serbischen Truppen am Amselfeld bei Pristina

Mitte Oktober

Kriegseintritt Bulgariens auf Seiten der Mittelmächte und Teilnahme am Feldzug gegen Serbien

Oktober bis Dezember

Dritte und Vierte Isonzoschlacht; vergebliche italienische Angriffe (u. a. auf Görz); hohe Verluste auf beiden Seiten